Alles ist das NICHTS dazwischen

Der Raum der Stille.

Ja, liebe Menschen an den Endgeräten in den heimischen Räumen, es wird esoterisch. So ist das, wenn man mit einem Menschen zusammen lebt, der gerade eine Yoga-Ausbildung macht. Da fällt plötzlich, als Ergebnis jahrzehntelanger Suche, Diskussion, Auseinandersetzung Manna vom Himmel. Erkenntnis, Erleuchtung, Wohlgefühl, Ergebnis, Geschenk, next step… Und natürlich weitere Irritation. Frage. Antwort? Bleiben wir mal schön auf dem heimischen Teppich. Mit beiden Füßen in Wolle.

Gestern habe ich angekündigt, heute über ein bestimmtes Thema zu schreiben, auf das Ela mich gebracht hat. Das war mal wieder verrückt, weil dieses Thema auf 13 dicht beschriebenen DIN A4-Seiten abgehandelt wird. Wann sollte ich die lesen? Gestern Abend? War der Plan. Da ich aber seit Monaten im Plan B lebe, hat das nicht geklappt. Ich durfte andere Dinge tun, die mir besser gefallen haben. Mit Menschen reden. Hier, dort. Egal. Wo war ich?

Plan B. Wecker auf 6 Uhr, Ela hat mich mit einem Cappuccino versorgt (was zeigt, dass es sich lohnt, nett zueinander zu sein, auch wenn man annehmen könnte, man solle das nicht tun, aus den aberwitzigsten Gründen, die aus dem tiefen inneren Meer als Brandungswellen mit enormer Kraft herauffluten…). Wach. 13 Seiten. Dr. Deepak Chopra. Amerikanischer Arzt indischen Ursprungs. Heilsverkünder, reicher Mann, Guru der Alternativ-Medizin, Mittler zwischen Wissenschaft, Glaube, Esoterik, New Age. Medizinmann einer Hollywood-Generation. Der FOCUS nennt ihn „Guru mit Homepage und Apps“ und kann sich nicht entschließen, ob er ihn hochleben oder verdammen möchte. Ein sehr unentschiedener Artikel…

Nun stehen die Zahlen 0724 unten rechts auf meinem Bildschirm und ich bin 13 dicht beschriebene Seiten klüger als zuvor. Aber wie mache ich es, euch 13 Seiten hier auf wenige Sätze einzudampfen? Nun. Machen wir es so, wie immer in diesem Blog. Reden wir über das Leben.

Die Quintessenz: Was ist das? Leben? Unser Leben? Du, ich, wir? Chopra löst das alles auf. Unsere Körper und die Vorstellung von Wirklichkeit. Alles zerfällt in Atome und die Zwischenräume. CERN. Krawumm! Was ist wirklich? Das, was wir wahrnehmen? Ist das so? Jeder Mensch sieht die Welt anders. Niemand weiß, wie der andere das sieht. Schwarz? Rot? Konditionierung. Iwan Petrowitsch Pawlow. Wir sind seine Hunde. Bestimmt durch das, was wir glauben. Und was wir glauben, basiert auf dem, was wir als objektiv betrachten. Wissenschaftlich fundiert. Selbst erfahren. ECHT. FEST. DEFINITIV. BETON. CONCRETE. Ts.

Das hebelt Chopra aus. Er sagt: Nichts ist so. Am Ende des Tages alles Einbildung. Was wissen wir denn? What the bleep do we know? Wie tief sind wir eingestiegen? Das Gottesteilchen wurde gefunden, der Schlüssel zu allem? Chopra spricht über das Phänomen Zeit. Die ablaufende Uhr. Wir glauben, es gäbe einen Anfang und ein Ende. Alles sei begrenzt. Es würde eine Hülle geben, eine letztlich geschlossene Form. Doch wo ist der Anfang? Der Urknall? Die Schöpfung? Und was, bitte schön, war davor? Und was liegt hinter dem Ende des Universums? Wir nehmen Grenzen an, weil wir sie auf unserem Planeten erfahren.

Und so definieren wir uns selbst auch. Mit Grenzen. Der Vorstellung. Chopra sagt: 95% aller Gedanken (und das seien 60.000 am Tag) würden wir täglich denken. Da grüßt das Murmeltier. Diese Gedanken denken wir aber nicht nur. Sie sind keine wabernde, undefinierte Masse. Nein. Sie sind unser Leben. Yes. Bestimmt durch sich selbst. Wir sind ein sich selbst schaffendes System im Kontext der Welt. Was wir denken, sind wir, werden wir. Wir erschaffen uns. Täglich neu. Was wir heute denken, werden wir morgen sein. Glücklich, unglücklich. Der amerikanische Traum von du musst nur fest genug daran glauben, der hat was. In etwas anderem Sinne.

Krankheiten, meint Chopra, kommen zum Beispiel aus dem, was unsere Zellen leben. Angst, Krebs. Unglück, Herzversagen. Angeblich sterben die meisten Menschen auf der Welt am Montagmorgen. Genau zu der Zeit, zu der die Arbeitswoche beginnt. Unglück sei die Basis für die meisten Herzerkrankungen. Jede Zelle im Körper würde letztlich die Information tragen, die sich durch unsere Gedanken und Gefühle einschleicht. Klingt einfach. Wenn es uns gut geht, geht es uns besser. Wenn wir glücklich sind, ist jede Zelle glücklich. Das sieht man, habe ich gehört. Andere Menschen sagen plötzlich: Du siehst gut aus. Glückliche Menschen leuchten, weil alle Zellen Leuchtkraft besitzen und das nach außen tragen (sie bekommen dafür Lächeln als Antwort, was wiederum glücklich macht and so on). Wie machen Sie das nur? Chopra beschreibt das. Aber das würde hier zu weit führen. Ich muss noch arbeiten und ihr habt sicherlich auch noch was vor. Vielleicht lest ihr ja mal ein Buch von ihm oder schaute den Film „What the Bleep do we know?“, der meines Erachtens in eine ähnliche Richtung geht…

Zum Schluss möchte ich sagen, weil mich die Auseinandersetzung mit dem Thema WIRKLICHKEIT nun schon seit Jahrzehnten begleitet, was ich selbst denke. Erfahre. Aktuell. Nun. Bis vor einem halben Jahr habe ich an andere Dinge geglaubt. Heute bin ich ein anderer als im März 2012. Auf atomarer Ebene, weil dauernd alles ausgetauscht wird, aber auch gedanklich. Da sind einfach Dinge weggefallen, von denen ich immer geglaubt habe, sie würden mich definieren. Das wäre meine Wirklichkeit. So wie man eine Garage abreißen kann, so sind mir Dinge abhanden gekommen. Und ich bin froh, nun, da sie gegangen sind, dass ich sie nicht mehr habe. Sie waren aus Beton und haben sich dennoch in Luft aufgelöst. Paff. Weg.

Chopra: „Im Vorwort des Bestsellers „Eine kurze Geschichte der Zeit“ von Stephen Hawking macht Karl Seger die folgende Aussage: Stephen Hawking hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Geist Gottes zu verstehen und ist zu dem Schluss gekommen, dass wir in einem Universum ohne Anfang, ohne Ende, ohne Zeitbegrenzung und ohne räumliche Begrenzung leben.“

Wissen wir alle. Denken und leben tun wir was anderes. Weshalb ist das so? Woran hängen wir?

P.S. Der Vortrag von Dr. Deepak Chopra ist mit „Quantenbewusstsein“ überschrieben und im Internet hier zu finden. Kleiner, lustiger Youtube-Clip dazu: hier.

How to say NO!

Wie ihr wisst, komme ich als Blogger aus der Richtung Frauenzeitung. Brigitte Woman, die Zeitschrift für die Frau ab 40. So eine Frau wohnt hier bei uns und so liegt hier ab und an das Magazin hier und dort. Da schaue ich dann rein und lese und finde manches gut, wenn es nicht ganz so frauenspezifisch ist. Ein Thema, das auch mich als Mann über 40 zugegebenerweise interessiert ist: FIGUR. Also meine, nicht die der Frauen über 40. Also ich meine, die natürlich irgendwie auch, aber anders. Anderes Thema. Ach. Mann. Jetzt habe ich den Einstieg vermaselt. Am Ende sollte irgendwie Brigitte-Diät stehen. Egal. Lest einfach weiter…

Letzten Winter habe ich zugenommen. In einem für mich neuen und bis dahin unbekannten Maße. Ich habe das nicht so richtig mitbekommen, weil ich bis zum Frühjahr keine Waage hatte. War nie ein Thema. Kleines Röllchen am Bauch, ein wenig joggen, etwas weniger essen und das Röllchen war weg. Nun aber war das Röllchen deutlich größer und nicht nur vorne am Bauch. Es hatte sich wie ein Stillkissen um meine Hüften gelegt und war gewachsen. Ganz von alleine.

Irgendwann dachte ich, ihr kennt das vielleicht, UPS! Dieser schreckliche Moment der Wahrheit, wenn man/frau erkennt, dass die Form geweitet ist. Selbstbild und Spiegelbild sind plötzlich nicht mehr deckungsgleich. Da steht was über. Die inneren Argumente, die versuchen den Skandal zu vertuschen, die PR-Kampagne der wachsenden Fettschicht, die einen auf „freies Essen für alle und kippt die tägliche Kaloriengrenze“ macht, das alles versagt plötzlich. Das investigative Kleinhirn schickt den Wallraff, der es schonungslos aufdeckt: Baby, du wirst dick!

Shit happens könnte man sagen. Is halt so. 47, da kann man mal auseinandergehen und die Kontrolle einstellen. Jetzt bringe ich es mal, dieses ganz bestimmte hallo. HALLOOO??? Dick? Nicht mit dem Commander. Sagt die Schaltzentrale im zentralen Nervensystem. Könnt ihr knicken. Wie sieht das denn aus? Vor allem musste ich erstmal ein halbes Vermögenn investieren, um mich mit neuer Kleidung in angemessener Passform einzudecken! Nicht mit mir! Tja, und dann ging die Luzie ab. Krisensitzung im Verdauungstrakt. Es muss etwas geschehen. So geht das nicht weiter.

Ein hier jetzt nicht näher zu beschreibendes Lebensereignis hat dann dazu geführt, dass ich die Nahrungsaufnahme drastisch heruntergefahren habe. Die Killerkilos purzelten wie die Purzelbäume und zack war ich tatsächlich 10 Kilogramm leichter. Eine enorme Summe. 10 Kilo Hantel, jaaa… Fühlte sich auch super an, obwohl mein Umfeld mich plötzlich vermehrt zum Essen einlud und was von schmal geworden und so weiter sagte. Meine Oma meinte immer Spinnewibb, was meines Dafürhaltens so viel wie Spinnengewebe heißt und wohl irgendwie für transparente Dürre steht. Da gabs dann immer einen Extraschlag Suppe, die ich nicht mochte. Mit Schweinefleisch und Fett. Kotz. Oma hats gut gemeint und war auch eine tolle Frau, aber eine wochentags miserable Köchin, weil sie drei Jobs parallel gemacht hat. Meine Oma Erna. Hab sie wirklich lieb. Hier Junge. Beim Abschied 10 Mack. In die Tasche. Kullertränchen. Ihr Spinnewibb. Wie kam ich darauf? Ah ja.

Nun waren die Kilos weg. Und ich war froh. Und ich wollte das halten, weil sich das beim Sport gut und leicht anfühlte und vor dem Spiegel einfach besser aussah. Ja, da gibt es eine gewisse Eitelkeit. Ich gestehe. Haben wir die nicht alle? Haben wir?

Ich aß also wieder und stellte fest, dass mit dem Essen die Kilos kamen. Zurück. Wo waren die? Verreist? Ich kaufte mir eine Waage, um dem mal auf den Grund zu gehen. Wog mich täglich und konnte tatsächlich den wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen viel essen und an Gewicht zunehmen herstellen. Ein durchfressenes Wochenende bedeutete tatsächlich 2 Kilo. Peng drauf. Nee, ne? Dachte ich. Das is ja Kacke. Überleg, Krisensitzung, was tun? Da kam mir eine Idee. Weniger essen. Und? Funktioniert. Auf nix achten, außer abends nicht die fetten Scheiben Brot, sondern einfach weniger essen. In der Summe. Der essensreduzierte Ansatz. Dann habe ich gemerkt, dass das nur funktioniert, wenn man ein Wort benutzt: NO! Nein.

Denn: Hey, dieser Körper ist echt manchmal unverschämt. Lockt an den Kühlschrank, lässt die Hand ausfahren und mal eben schnell nebenbei was im Mund verschwinden. Da kann man nur tatenlos zusehen.Der wirft dauernd so ein „nur einen Happen“ oder „ich habe Hunger“ oder „ein wenig Appetit“ in den Raum. Schwupps! Kau. Schluck. Da kann man nur sagen: NO! Je öfter man das macht, desto weniger wiegt man. Genial! Genau genommen habe ich die NO-Diät entwickelt. Letztlich ist es nämlich wirklich so, dass dauerhaftes Gewicht halten von einem verlangt, das man/frau das bei uns vorherrschende Überangebot an Nahrungsmitteln mit einem Nein von sich hält. Negiert. Willentlich.

Mit dem Nein und dem inneren Willen zum Neinsagen arbeite ich nun seit einem halben Jahr und ich kann berichten, es funktioniert. Das Gewicht hat sich, ganz ohne Kalorienzählen, auf einen schönen Wert eingependelt, den man ruhigen Gewissens in der Badehose präsentieren kann. Macht Spaß, wenn nichts übers Bündchen hängt. Gibt ein nettes Körpergefühl. Ein klein wenig Lenny:)

P.S. – Selbstverständlich meine ich das wohl dosierte Nein mit Genussfaktor jenseits des Schlankheits- und Essstörungswahns.

11:11 Uhr – jemand denkt an mich…

Kennt ihr dieses Spiel? Meine Kinder sind da Spezialisten. Jedes Mal, wenn sie eine gedoppelte digitale Uhrzeit sehen, rufen sie „Jemand denkt an mich!“.

Ganz ehrlich? Manchmal bin ich ein wenig neidisch, weil ich dann denke „Och, jetzt könnte auch jemand an mich denken!“ Aber ich bin meist selbst in Gedanken oder beschäftigt. Zum Beispiel mit Lenken, Schalten, Bremsen oder Gucken, was ich beim Autofahren neben Musikhören und Nachsinnen auch manchmal mache. Und beim Regen noch die Scheibenwischer bedienen, und wenn diese schon abgenutzt sind, dann geht der Regen von der Scheibe einfach nicht runter. Dann wird es Zeit, sich neue zu besorgen. Naja, im Auto geschieht es sehr häufig, dass Gedanken von außerhalb hereinfliegen: „14:14…“ Großes Hallo neben mir oder von der Rückbank. Die haben einen siebten Sinn.

Oder beim Kochen. Oder generell in der Küche. Da haben wir eine digitale Uhr am Backofen, die regelmäßig Gedankenverbindungen anzeigt. Leuchtdioden auf ON. Jim ist der Weltmeister in der Wahrnehmung der Jemand-denkt-an-mich-Uhrzeiten. Es ist ein wenig wie Sternschnuppen entdecken. Ein schönes Gefühl. Gestern und heute nun habe ich jeweils um 11:11 Uhr die Nachricht unten rechts auf meinem Bildschirm empfangen. Kindliche Freude. Jemand denkt an mich. Das ist doch schön. Und ich, ich denke zurück. Das ist Social Media ganz ohne Datenverkabelung durch die Tiefen der Erde oder per Funkmast. Undigital Wireless Human Messages (UWHM) – die Verbindung, über die sich sieben Milliarden Menschen an den Händen halten und in mehr oder weniger engem Kontakt stehen. 11:28 Uhr. Ich schicke eine Botschaft raus. Augen schließen, Antenne auf Senden, Konzentration, Bündeln und weg. Liebe und Lächeln sind unterwegs. Falls nicht angekommen, schaut mal in eurem Spameingang. Vielleicht habt ihr gedacht, es wäre Werbung oder Quatsch mit Soße.

Meine Mutter hat früher, als ich Kind war, oft von Gedankenübertragung gesprochen. Ich glaub, da ist was dran. Muss ja. Mama irrt nich…

Mein wunderbarer Freund.

Es gibt Menschen, die sind ein Teil von einem selbst.

Manchmal kommen sie einem abhanden. Wie ein Stock oder Schirm. Über die Jahre wie Schleifstaub im Wind des Lebens weggeweht. Der Blick, das Wollen überall hingerichtet. Kinder, Küche, Kirche. Die Zeiten ziehen mit Macht wie eine Dampflock. Es passiert so viel.

Andreas und ich haben uns nun einige Jahre nicht gesehen. Wir haben uns während des Studiums in Aachen kennengelernt. Er war der Freund einer Freundin, sah aus wie Frank Zappa, fuhr einen Strichachter, spielte Gitarre und war neben Lenny Kravitz die zweitcoolste Socke der Welt. Er war in meine WG eingezogen, die ich irgendwie übernommen hatte, nachdem mein Ex-Mitbewohner mir einen von der Polizei gesuchten DJ in die Wohnung gesetzt hatte. Tom Voice, der dauernd Sex mit irgendwelchen Groupies hatte und ich musste durch sein Zimmer, um aufs Klo zu kommen. Da musste ich die Geräusche verfolgen, um zu wissen, wann ich klopfen kann. Hausarbeiten schreiben, Pipi müssen. Harte Bedingungen. Tom Voice war mit nur einem Seesack, tausend Geschichten und einer Pistole gekommen. Er hatte eine Freundin, deren Haustür er eingetreten hat, weshalb sie dann eine Nacht in meiner neuen Wohnung geschlafen hat. Wirre Zeiten, die mich die WG übernehmen und mit Andreas und Sonja zusammenziehen ließen.

Wir haben in der WG die Welt gerettet. Ich weiß nicht wie oft. Bis morgens um drei, vier, fünf Uhr. Noch ein Bier? Marx. Frankfurter Schule. Dritte Welt. Die Umstände, Gesellschaft, Entwicklung, die Welt, die Welt, die Welt. Ich muss noch schnell die Welt retten… Große Fahnen. Andreas war ein Großteil meines Politikstudiums. Legendäre Partys. Wir hätten jedes Mal renovieren müssen. Ich habe dann Ela kennengelernt, wir sind nach Mannheim gezogen, mein erster Job, und haben ein Leben begonnen. Irgendwann habe ich Andreas aus den Augen verloren. Vor ein paar Jahren. Eine eigene Geschichte. Haken dran.

Für dieses Wochenende haben wir uns verabredet. Freitag habe ich ihn in Köln von der Bahn abgeholt. Da stand er. Mit Koffer. Mein Freund. Wie habe ich mich gefreut. Sein Lächeln, seine glänzenden Augen. Den kenne ich. Wir würden reden, all night long. Ich hatte Wein eingekauft, Leckereien, Kleinigkeiten, Baguette, Käse, eingelegte Dinge. Wir haben uns an den Küchentisch gesetzt, die Zeit Revue passieren lassen, haben gegessen, getrunken, Musik gehört, geredet, geredet, geredet. Ohne Punkt und Komma. Zwei Nächte lang. Bis morgens halb vier.

Am Samstag haben wir mit Zoe frische Pfifferlinge im Wald gesucht, um abends Troffie mit frischen Pfifferlingen zu kochen. Wir haben oft zusammen gekocht, in der WG damals. Haben gemeinsam kochen gelernt. Gutes kochen. Nicht das für das Sattwerden, dieses andere Kochen. Das feine Abschmecken. Welchen Wein dazu? Welche Musik? Andreas hat Jims E-Gitarre entdeckt. Angeschlossen, gespielt. Ich habe ihn mir geschnappt und samt Verstärker in mein Zimmer verfrachtet, ins Sonnenlicht, damit ich fotografieren kann. Hat er mit sich machen lassen. „Was hast du vor?“ „Egal. Komm mit.“ Klick. Die Finger fliegen noch. Satter Sound im Haus. WG. Sag ich doch. Den Nachmittag über haben wir draußen in der Sonne gesessen, haben die Wolken ziehen sehen. Cappuccino. Viel. Noch einen? Ja. Treppengespräche.

Zum Abend haben wir uns den Trecker geschnappt und sind über die Felder rauf ins Nachbardorf zu Jean-Luc. Apero. Einen Rotwein trinken. Auf der Terrasse sitzen mit Blick auf die Wiesen, die Wolken, die vorbeiziehende Zeit. Zurück zum Kochen. Ela und Jens sind gekommen. Wir sitzen zusammen, essen, genießen. Eine sehr gute Flasche Wein aus dem Jahr 2003, die mir eine Freundin zum Geburtstag geschenkt hatte. Eine besondere Köstlichkeit. Chile. Elas iPhone liefert die Musik bis tief in die Nacht. Irgendwann bleiben Andreas und ich über, reden. Lachen. Wie früher. Als hätte der Rhein keinen Tropfen Wasser bewegt in der Zeit. Sonntagmittag muss er weg. Arbeit ruft. Kurzes Frühstück, während Ela und Jens das Mittagessen vorbereiten. WG. Fühlt sich gut an. Bahnhof. Abschied. Winken. Weg. Bald wieder. Wert und Wichtigkeit.

Ein Song, wie ihn Andreas gerne gespielt hätte: dr ring ding Golden Gate Für uns alle.

What the hell ist dieses Leben?

Kann mich mal bitte jemand an die Hand nehmen? Mich ein wenig führen? Mir Dinge erklären? Solche, wie das Leben zum Beispiel? What the hell is going on?

Das Leben. Meines, eures, unseres. Auf diesem Planeten, in unseren Wohnungen und dazwischen. Dauernd passiert was. Kleine Dinge, wie ein Cappuccino, große Dinge wie Schlammlawinen in Vernazza, das Sterben geliebter Menschen, Trennungen, Verliebungen, Finanzchaos, Fußball-Europameisterschaften und das ganze großgeopolitische Gedöns von Hindukusch bis Fukushima. Olympia, das komplett an mir vorbeigegangen ist. Einziges Bild ist eine feiernde Sprinterin im roten Dress, die ich in Levanto im Vorbeigehen in einer Eisdiele im Fernsehen gesehen habe.

Es passiert so viel. Plötzlich. Und ich für mich stehe da und staune. Bin erschüttert, verschreckt, begeistert, erzürnt, verworren, betört, verloren, gefunden, begeistert, berührt, berührt. Das ist Leben, sagt jetzt vielleicht jemand von euch. Alles ist erklärbar, definierbar. Man kann sich hinsetzen, forschen, Sinnzusammenhänge aufschreiben, Formeln postulieren. Wenn a, dann b. Und Wurzeln und Algorithmen und Logarithmen und Logopädie. In meinem geliebten Buddhismus heißt es, dass wir in jedem Augenblick unser eigenes Dasein schaffen. Unsere Zukunft, ab dem jetzigen Moment. Bin ich nett, ist alles O.K. Bin ich es nicht, gibt es Krieg und es sterben bisweilen sogar Menschen. Unvorstellbar. Selbstgemacht. So lange Hass erzeugt, gepredigt, verwünscht, bis es kracht.

Und nun? Sitze ich hier mit dem Meer, Italien und Levanto im Rücken. Werde furchtbar sentimental, denke an meine Mama und. Das Leben. Wie es spielt, läuft, schlängelt. Mal bist du oben, mal bist du unten. Hab ich im letzten halben Jahr, in den letzten Monaten reichlich erfahren. Wie sagt ein Freund: Manchmal kriegst dus einfach voll auf die Fresse. Mit Nasenbluten und Kopfschmerz bis der Arzt kommt. Und dann, als wäre nichts gewesen, kommt ein neuer Tag, der Frühling, die Vöglein zwitschern und so ein scheißkitschiger Schmetterling, lieblich und schön, umsurrt dich und setzt dich auf deine Hand. Was soll das, bitte schön? Läuft das so? Zuckerbrot und Peitsche? Brot und Spiele? Mal Zuschauer, mal Löwenfutter? Na Bravo und Applaus auch.

Si. Yes. Qui. Genau so. Scheinbar. Was hilft? Was tun? Auch da gibt es diesen wunderbaren Trick, den ich seit sehr langem beherze: Weiteratmen. Weiteratmen. Weiteratmen. Ela würde sagen: Die Welle reiten. Ela. Schön. Es geht wieder. Die Betonsturmflutschutzwallmauern können allmählich abgebaut werden. Langsam. Ich sehe schon drüber und freue mich. Wenig Angst mehr. Nur mal so zur Info. Zwischendurch.

Also what the hell ist dieses Leben? Mein Kopf als alte Textermaschine würde jetzt gliedern und eine wohlklingende Abhandlung schreiben. Mein Herz sagt: Halt die Klappe, du hast keine Ahnung. Tatsächlich habe ich mal gedacht, ich wüsste, wie der Hase läuft. Ich glaube, da war ich so 30. Ungefähr so alt wie auf dem Foto von 1994 im vorangehenden Post. Jetzt, wo ich auf die 50 zugehe, fängt es an, dass irgendetwas in mir sagt: Lass es. Nimm die Finger weg. Hör auf zu erklären, zu fabulieren, zu antizipieren. Lass es laufen, kommen, egal, was es ist. Denk nicht nach, nimm es, lass es, entscheide dich so, wie es sich am besten anfühlt.

Es läuft gerade. Es ordnet sich. Das Leben macht mir Geschenke. Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, der zugedeckt wird, dem das Leben über den Kopf streicht und sagt: Alles ist gut. Träum schön. Ich habe da noch eine Kleinigkeit für dich. Augenzwinkern. Ist das Traum oder Wirklichkeit? Das Spiel, die Realität, die Wirklichkeit und das Leben. Ein Thema, an dem ich schon lange arbeite. Das bis hierher schwammig bleibt. Ungewiss. Ungewisser als damals, als ich dachte, die Welt erkannt zu haben.

So what? Nichts. Weiteratmen. Die Gedanken kommen und gehen lassen, die Krisen, Katastrophen nehmen, wie sie sind. Ohne Angst. Was kann mehr passieren? Es passiert so viel und letztlich kommt der Frühling, der Tag beginnt, der Schmetterling kommt und setzt sich. Zoe hat mir im Urlaub einen Seeigel in die Hand gegeben. So ein stacheliges Vieh, vor dem man Angst hat, weil es unter Wasser mit seinen Stacheln wartet, um sie einem in den Fuß zu rammen. Sie sagte: „Papa, schau mal, wie schön der ist. Und wenn du ihn auf der Hand hast, dann kribbelt das. Er saugt sich fest.“ Sie gab ihn mir in die Hand und er war wunderschön. Die Stacheln tiefschwarz und wie eine Sonne angeordnet. Das Gefühl in der Hand war so nett. Er hat sich tatsächlich festgesaugt. Aber es war ein Streicheln wie von kleinen Händen.