Jon Lord ist gegangen.


Foto von W.W.Thaler – H.Weber, Hildesheim (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons. Danke für das Nutzungsrecht!

71 Jahre alt. Deep Purple Keyboarder. Die Gazetten sind voller Nachrufe. Ein Großer der Rock-Geschichte.

Child in Time (hier die lyrics). Wie oft habe ich diesen Song gehört auf den alten Partys in den Kellern der Jugend- und Freizeitheime. Katholische Jugendheime. KJH. Auf den Schulpartys, als alle die Klassiker getanzt haben. Natürlich: Smoke on the water. Und all die anderen Rock-Classics.

Rock-Legenden sterben. Meist früh. Mit 27, wie eine Freundin erzählt hat. Die Kurve nicht gekriegt. Jon ist seinen Weg weitergegangen. Gehörte zu den seriösen Rockern mit Hang zum Klassischen. “Und wenn du gehst, dann geht auch ein Teil von mir…”

Habt ihr einmal Child in Time durchgetanzt? Durchgehört? Meine Lieblingsplatte war “Made in Japan”. Child in Time 12:24 lang. Früher wurden solch lange Songs in Discotheken gespielt. Highlights. Momente. Kollektive Augenblicke. Verschmelzungen. Wisst ihr, wovon ich rede? Dicke Boxen, fetter Sound. 12 Minuten vom Planeten gebeamt – ohne Drogen.

Wenn die Macher gehen, wird das legendäre Moment größer. Für mich ist es ein Gefühl, als müsste ich nun etwas weitergeben. Letztes Jahr im Sommerurlaub in Italien waren wir auf einem Fest auf dem Campingplatz, auf dem wir immer unterkommen. Am Ende spielte der Alt-Hippie-DJ “The End” von den Doors. Jim war dabei, hat zugehört. Das war ein wenig wie den Stab weitergeben, einen Teil des eigenen Lebens. Festplatte kopieren. Heute werde ich den Kindern Child in Time vorspielen, ohne es zu sagen. Im Hintergrund laufen lassen ohne Erwartung. Wie sonst kann man einem Musiker Danke sagen?

Jon Lord.

Glen Hansard: Rhythm and Repose – out now:)

Glen Hansard ist im fiftyfiftyblog schon öfter vorgekommen. Weil er hier in der Alten Schule neben Damien Rice zu den Lieblings-Singer-Songwritern gehört und oft läuft. Nun ist seine neue CD erschienen – das erste Soloalbum. Rhythm and Repose. Letztes Jahr im Herbst habe ich ihn in Berlin gesehen. Da war er solo auf Tour – ohne die Frames und ohne Markéta Irglová, mit der er im Film Once ein Liebespaar gespielt hat, das dann im Leben ein Liebespaar wurde, das unter dem Namen The Swell Season gemeinsam CDs veröffentlicht hat und getourt ist. Ich habe die beiden in Düsseldorf live gesehen. Falling slowly…

Sie sind kein Paar mehr. Glen ist solo, Markéta auch – zumindest musikalisch. Ansonsten, keine Ahnung. Ist auch egal. Glen ist im Frühjahr nach Amerika gegangen, ist mit Eddie Vedder von Pearl Jam getourt und hat in New York gelebt, wo er die neuen Songs geschrieben und im Studio mit guten Musikern eingespielt hat. Am 15. Juni ist es rausgekommen. Hier liegt es nun vor mir und ich habe es mehrfach gehört.

Nun bin ich kein Musikjournalist, es ist schon verwegen, dass ich mir anmaße, über Kunst zu schreiben, nur weil ich gerne in Museen gehe. Aber auch hier: Egal. Blogger dürfen ja fast alles. Wilder Freestyle.

Die Platte klingt erwachsen. Als wäre etwas mit Glen Hansard geschehen dort drüben in Amerika, wo die Verrückten wohnen, die keine Grenzen akzeptieren. Heißt es. Im Land der Träumer. Der Klang ist voller, variantenreicher, spannender. Er spielt mit seiner Stimme, geht tief ins Gefühl. Geht durch die Genre, färbt seinen Folk. Mein Liebling auf der CD: Bird of Sorrow.

“Even if a day feels too long, if you feel like you can’t wait another one
and you’re slowly giving up on everything, love is gonna find you again.
Love is gonna find you, you better be ready then.”

Yes. Wie aus der Seele gesprochen, gesungen. Der Mann weiß, wovon er singt. Er traut sich, ist authentisch, mutig, leidenschaftlich. All das, was einen Singer-Songwriter ausmacht. Er hat gesagt, ein Busker, ein Straßenmusiker muss da raus gehen und alles geben, komplett ins Gefühl gehen, sonst kann er einpacken.

“well I’m not leaving you here, I’m not leaving you here. I’m not leaving.
I’m hanging on
hanging on, with the faithful.”

Das kann er, wie kaum ein anderer. 1970 ist er in Dublin geboren, hat mit 13 die Schule geschmissen und sich auf den Weg gemacht, den er nun seit fast 30 Jahren geht. Wer ihn auf der Bühne sieht, weiß, dass er für die Musik lebt. Er geht nicht. Bleibt. Auf der Bühne. Singt, singt, singt. Streichelt seine Gitarre, haut auf sie ein, liebt sie. Das Holzdeck ist zerschlissen, die Stege darunter scheinen durch. Auf seine Stimme nimmt er keine Rücksicht, er singt, was gesungen werden muss, koste es, was es wolle. Und wenn die Saiten reißen, reißen die Saiten. Dann nimmt er eine andere Gitarre, bis seine zurück ist zum nächsten Song. Und es passiert, das bei diesem Song wieder eine Saite reißt, weil er manchmal wie ein Irrer spielt. Irrer Ire.

What are we gonna do. Ich habe eine schöne, pure Version auf Youtube gefunden.

“What are we gonna do
if we lose that fire?

I don’t want to change you.
But you’re a long long way from the path you came
I’m trying to show you something.
A good good heart will always find the way.”

Es sind 11 Songs auf der Platte, die sich alle lohnen. Weil die Musik Spaß macht, weil sie gut ist, weil die Texte nicht vom Himmel gefallen sind, weil viele gute Musiker mitgespielt haben und weil sogar Markéta Irglová mitsingt. Geht doch. Zusammenarbeiten, auch, wenn man sich getrennt hat. Wo ist das Problem?

Noch einmal, ja: Mir singt Glen aus der Seele. Er hat eine Platte gemacht, die er in jedem Ton, in jeder Silbe gespürt hat. Authentisch. Wer Glen Hansard immer schon gemocht hat, sollte sich Rhythm and Repose zulegen und dem Album einen würdigen Platz im Plattenschrank einräumen. Alle anderen sollten das auch tun:) Es ist wie mit dem Kinderbuchtitel “Buster, so einen kann man nicht von den Bäumen pflücken.” So ein Album kann man nicht machen, das ist da. In der Seele, im Herzen, im Körper, in den Fingern, in der Erinnerung, in der Luft, in all den Momenten, die da waren, die weh taten, die sich aufgelöst haben in Neuem, in Licht, in Lachen, Küssen, Vergessen.

Eine Zugabe noch. Glen würde 11 geben und mehr. Maybe tonight.

“Well I want to do what’s right
but maybe not tonight.”

Geht mir auch oft so.

Ach, und noch einen. Weil die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt: Song of good hope.

“Take you time babe, it’s not as bad as it seems” :)))))


Photo by Jana @ simulacra.cz (Thanx, Jana! Nice pic:))) )

RAR, Roaarrrrr, Rock am Ring, Metallica…

Ach, was war das erst eine schwere Geburt.

Fahren, nicht fahren. Wie wird das Wetter, bekomme ich Karten. Im Zelt oder was? Mein letztes Festival war gefühlte Leben entfernt. Rock am Ring Anfang der Neunziger – da habe ich noch in Aachen studiert. Und jetzt? Passe ich da noch rein? Wo ich sonst Damien Rice & Co. höre?

Dann der Anruf. Wir haben Tickets. Samstag, Backstage. Angel. Rettung naht. Ist doch schön, wenn es easy ist, so easy. Und wenn das Netzwerk klappt. Also Samstagmittag los, um rechtzeitig zu den Stranglers auf der Alternatebühne da zu sein. Wer waren die Stranglers? Ich hatte keine Ahnung, bis ich die Musik hörte. Die sind seit den Seventies unterwegs. 40 Jahre. Do you remember Golden Brown?

Da stand ich nun zwischen all den jungen Menschen in ihren Festival-Outfits – junge Frauen in Gummistiefeln, zugedröhnte junge Männer, grauhaarige Silverager, tätowierte Unter-, Mittel- und Oberarme. Da habe ich mir auch ein Tattoo besorgt. Ein Totenkopf auf den Oberarm. Henna. Eine Woche.

Die Sonne schien, am Jägermeister-Promo-Holzhaus “Zum röhrenden Hirschen” fuhr alle Viertelstunde ein röhrender Hirsch als Kuckucksuhr aus dem Dach und röhrte. Dazu Highspeed-Blasmusik, Jägermeister und Ballermann-Party. Eine riesige Kirmes dieses Rock am Ring. Eingerahmt von der Grand-Prix-Strecke der Platz voller Fressbuden, Verkaufsstände und Menschen, Menschen, Menschen. Und Musik. Laut. Wild. Klar.

Center-Stage. Die große Bühne. Refused. Da wurde es richtig laut und mittendrin haben die Young Guns Pogo getanzt – nicht immer ganz schmerzfrei. Einstimmung auf Späteres – auf Billy Talent und dann METALLICA zum Schluss. Ist schon ein geiles Gefühl, wenn die Menge rockt. Mittendrin. Zwischendurch haben wir Pete Doherty gehört, der nicht jeden Song zu Ende gebracht hat, aber doch einigermaßen konzentriert wirkte. Ein guter Singer-Songwriter. Allein auf der Bühne mit Gitarre, Mundharmonika und zwei Balletttänzerinnen im Tütü. Skurril.

Anschließend Billy Talent und dann um 23 Uhr METALLICA. Groß, laut, voll. Heavy. Meister des Rocks und der großen Gesten. Feuerwerk, Gitarren, der gigantische Bass. Fetter Sound. Hier der Link zur Aufzeichnung des gesamten Konzertes:) Da standen wir vorne rechts, 40 Meter von der Bühne zwischen all den Hardcore-Fans und haben mitgerockt. Heavy Metal. Eine eigene Welt. Viel Power, auf der Bühne, im Publikum.

Am Ende hatten wir 10 Stunden Musik gehört, waren mitten in der Nacht wieder Zuhause. RAR. Roaaarrrr. Die Ohren fiepsten. Um kurz vor Fünf im Bett. Hardrock im Körper. Die volle Dröhnung. Geil:) Und Anfang Juli dann Damien Rice in Paris. Warum nicht die ganze Bandbreite?

Hallelujah, Jeff Buckley.

Es ist eine traurige Geschichte.

Als ich vorgestern nach Köln fuhr, hörte ich sie im Radio. Sie ist lange her. Neunziger Jahre. Da gab es einen Musiker, der Jeff Buckley hieß. Der Sohn eines Singer-Songwriters, von dessen Musik und Aussehen die Moderatorin schwärmte. Buckley hatte in New York auf einer Gedenkfeier für seinen an Heroin gestorbenen Vater gesungen. Die Musikwelt wurde auf ihn aufmerksam, das Studioalbum GRACE entstand. Weil er nicht genug eigene Songs hatte, coverte er unter anderem Hallelujah von Leonard Cohen, der selbst sagt, Buckleys Version sei die beste.

Das Album verkaufte sich nicht. Trotz Werbung und Anerkennung durch bekannte Musiker. Buckley zog sich nach Memphis, Tennessee, zurück, um sein zweites Album aufzunehmen. Die Legende sagt, als es eingespielt war, sei er schwimmen gegangen. Fakt ist: Er ist ertrunken. Er war in die Mitte des Wolf Rivers geschwommen, wie schon öfter, als ihn die Welle eines Schiffes unter Wasser drückte. Er hatte weder Alkohol noch Drogen konsumiert. Vollkommen nüchtern. Vielleicht nur noch seine neuen Songs im Kopf, im Ohr. Es gibt den alten Satz: “Die Besten gehen immer zuerst.”

Komisch. Auch Buckley habe ich jetzt erst entdeckt. Ich frage mich, was ich in diesen fucking Neunzigern eigentlich gemacht habe…

Grönemeyer in BOCHUM!

Herbert. Gestern Abend in Bochum. Im Stadion. Heimspiel. Open Air.

Eine Freundin hatte Karten von einem Freund. Also Grönemeyer. Häbät. 1984. Die LP 4630 Bochum. Männer. Kann mich gut an den Sommer damals erinnern. Und dann all die Songs, die er immer wieder in die Charts gebracht hat. So war es gestern Abend ein Blick in die Vergangenheit. Das letzte Konzert im Stadion. Aus Sicherheitsgründen. Er war wirklich gerührt. Heimkehr nach Bochum, Abschied. Allmählich.

Es werden weniger Besucher. Waren es früher 60.000 in den Stadien, kommen heute 25.000. Die Bühne ist kleiner, der Aufwand geringer. Was eigentlich egal ist, wenn die Musik stimmt. Und da hat er wirklich alles gegeben. Zu zwölft standen sie da oben und haben gespielt, gespielt, gespielt. Zweieinhalb Stunden. Ein Schlagzeuger, ein Percussionist, zwei Gitarristen, ein Bassist, ein Saxophonist, zwei Keyboarder, drei Backroundsänger/innen und er.

Heimspiel. “Es ist schön, heimzukehren. So schön wie heute Abend wird es nie mehr.” Mit Bochum hat es angefangen, mit Bochum hört es auf. Natürlich nicht wirklich, weil er weiter seinen Weg gehen wird. Der Weg. Sein Plan vom Glück.

Wir standen ganz vorne, weil wir früh da waren und deshalb ein blaues Bändchen fürs Handgelenk bekamen, das uns erlaubte, im geschlossenen Bereich nah der Bühne zu stehen. Zehn Meter weg von Herbert. Leider durfte ich mit meiner Spiegelreflex nicht fotografieren. Da kamen sofort die breitschultrigen Aufpasser und haben mir mit ihrem bösen Securityblick gesagt: Finger vom Abzug. Schade. Hatte ich geahnt, aber nicht gewusst, dass man nicht fotografieren darf mit großer Kamera. Deshalb muss ich euch fotografisch auf die Seite der WAZ verweisen. Die dürfen. Offiziell akkreditiert. Auf sowas hat der fiftyfiftyblog keinen Bock. Sonst brauch ich bald Verwaltungspersonal:)

Egal. Wir hatten viel Spaß zwischen all diesen Hardcore-Grönemeyer-Fans. Das Foto oben stammt vom Bauch eines Zweimeter-Fans, der seit 1982 dabei ist. 100% Bochum. Und so wurde alles mitgesungen. Die Hymnen. Tief im Westen. Mittendrin. Ruhrgebiet.

Lustig war “Was soll das?”. Ein wenig Selbstironie. Elke hat sich kaputtgelacht. Wer den Schaden hat, muss sich um den Spott nicht sorgen. Aber wie heißt es: Lachen ist die beste Medizin:) Wir haben viel gelacht, viel Medizin. Und auf dem Rückweg sind wir dann tatsächlich noch in ‘ne Bochumer Frittenkiste. Currywurst mit Fritten (Übrigens: Nein, ich bin kein Vegetarier. Hat kürzlich hier im Blog jemand angenommen. Muss wohl mein Image ein wenig korrigieren.) Denn, natürlich, hat Herbert auch “Currywurst” gesungen. Wenn man mal im Revier ist…