Notfallregeln für das Verlassen der Komfortzone

Ihr Lieben, nun möchte ich hier nicht rumjammern. Ihr sollt von all dem, was hier gerade passiert, auch etwas haben. Ihr wisst, ich neige zum Predigen und Empfehlen. Nun sitze ich hier im angeschlagenen Kahn, versuche nicht unterzugehen und nehme das Megaphon in die Hand, um euch am sicheren Ufer Verhaltenstipps zuzurufen. Das ist mein Weg. Kommunikator. Sich Gedanken machen, wissenschaftlich sezieren und Forschungsergebnisse niederschreiben. Ich bin gerade das Insekt unter dem Mikroskop, der Blick ist auf mich gerichtet. Ich schaue mit.

Wir alle kommen im Leben an Punkte, wo das Netz nachgibt und wir für eine gewisse Zeit im freien Fall unterwegs sind. Bei mir war das so, als mein Vater 1976 plötzlich linksseitig gelähmt war. Er lag auf der Intensivstation, drohte zu sterben und ich war 11 Jahre alt und allein, weil meine Mutter sich um meinen Vater kümmern musste. Da waren noch meine beiden Brüder, aber die hatten genug mit sich zu tun. Es gab dann noch andere entscheidende Situationen, die alles verändert haben. Zuletzt vor sieben Jahren, als Ela und ich durch eine tiefe Krise gingen, von der wir uns nie erholt haben.

In all den Situationen habe ich den Fehler gemacht, da tief reinzugehen. Mir allen Schmerz reinzuziehen und mich nicht zu schonen. Es hat weh getan und Narben hinterlassen. Ich habe den Bildern und meinen Gedanken geglaubt und vertraut. Das war der falsche Weg! Das weiß ich heute mit absoluter Sicherheit. Nun habe ich die Möglichkeit, zurückzutreten und besonnen zu bleiben. Vor der Situation, die jetzt da ist, habe ich mich immer gefürchtet. Weil ich wusste, dass sie kommt. Weil Ela und ich immer gesagt haben, dass wir uns dann trennen werden. Es war als hätten wir einen Kredit aufgenommen, auf Pump gelebt, Zeit gestohlen und einen falschen Wunsch in die Welt gesetzt. Das war ein Schatten, der über all dem Schönen gelegen hat, was wir erlebt haben. Was wir geschaffen haben.

So habe ich das Gefühl, es ist derzeit Jammern auf hohem Niveau. Denn: Nun sind wir frei. Vor sieben Jahren ist als Zeichen für das, was nun geschehen ist, das Gedicht Braeburn enstanden. „Frei Adam, endlich frei“. Das Gefühl hat damals kurz getragen, dann haben wir die Freiheit wieder verloren und haben weiter das Paradies geschützt. Das vermeintliche Paradies, das eine schöne Welt ist, aber kein Überort.

Nun sind wir wirklich frei. Noch nicht ganz, aber die Türen sind geöffnet und die Wege stehen offen. Natürlich kommen dauernd störende Gefühle. Messages des Egos. Der Geist probiert, Bilder zu schaffen, Argumente zu kreieren, in die Auseinandersetzung zu gehen, ins Leiden, den Schmerz ins Zentrum zu rücken. Also kommen wir zu den Notfallregeln für das Verlassen der Komfortzone:

1. Ruhe bewahren – atmen, weiteratmen
2. Die Welt ist nicht untergegangen!
3. Du hast zu Essen, du bist weder krank noch tot
4. Das Leben geht weiter, wartet auf dich, bringt Neues
5. Glaub keinem verdammten Klischee!!!
6. Eliminiere alle, gewöhnlich bei Trennungen verwendeten Begriffe aus dem Herzen und Kopf
7. Telefoniere mit Freunden, von denen du weißt, dass sie klar sind und kein Öl ins Feuer gießen
8. Blick nicht zurück, frag nicht nach Schuld
9. Glaube weder den Bildern in deinem Kopf, noch deinen Gefühlen – die spielen jetzt Theater (wie immer!)
10. Achte auf dich – unternimm schöne Dinge, iss gute Sachen, meide Alkohol (der befeuert die bösen Dämonen:) )

Mir helfen diese Punkte gerade gut. Gestern Abend, als Ela zu ihrem Freund gefahren ist, um dort zu übernachten, konnte ich die aufsteigenden Bilder und Gefühle ansehen und in Frieden gehen lassen. Das war eine anstrengende, intensive Übung, die auch hätte in die Hose gehen können. Ist sie nicht, darüber bin ich sehr froh. Ich bin hervorragend eingeschlafen, mit einem Lächeln aufgewacht und freue mich über ein Gefühl innerer Stärke. Es ist mir tatsächlich gelungen, ob ihr es glaubt oder nicht, mich für Ela zu freuen. Ich glaube, sie kann nun wirklich glücklich werden. Von ihrem Glück werden wir als Familie profitieren. Und ich werde daran arbeiten, weiteres Glück zu schaffen und hierher zu bringen. Die Schlüsselfrage ist immer und immer: Kriegen wir unsere Gefühle, Dämonen in den Griff? Können wir den Tiger reiten? Es ist anstrengend, aber es lohnt sich, das zu versuchen, es sich fest vorzunehmen und immer wieder zu wünschen. Wünsche werden wahr, wenn wir daran glauben. Klingt nach Hollywood, kann das Leben sein.

8 Antworten auf „Notfallregeln für das Verlassen der Komfortzone“

  1. Hallo Jens,

    super, daß Du Regeln gefunden hast, die Dir durch die schwierige Zeit helfen. Die geben Dir Kraft von innen, für Dich und die Kinder.

    Viel Mut!
    Annegret

    1. Hi Annegret,

      ein paar regeln helfen, nicht den emotionalen Überblick zu verlieren und zu schauen, was wirklich wichtig ist. Zukunft schaffen, Möglichkeiten. keine Türen zuschlagen aus Wut. Ich habe mich für die nächsten Tage mit Freunden verabredet. Es hilft mir, zu sprechen. Mich abzulenken. Zu leben. Mich zu freuen.

      Liebe Grüße

      Jens

  2. Danke für Notfallregeln, werd ich bestimmt mal gebrauchen können! Sagt Bescheid wenn wir irgendwas für euch tun können. Liebe Grüße

    1. Hi Malin,

      geh erst einmal davon aus, dass du sie nicht brauchen wirst:) Vielleicht sollte ich noch Leitlinien aufstellen, die man sonst so im Leben brauchen kann. Danke für das Hilfsangebot. Ein Sonntagabend mit Jens ist erst einmal super.

      Liebe Grüße

      Jens

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