Ihr erinnert euch vielleicht an meine Frage „Wo wohnt Gott in Deutschland?“. Die habe ich im Januar letzten Jahres gestellt, nachdem ich zum x-ten Mal in einer Kirche enttäuscht zurückgeblieben war. Als Buddhist mit protestantischen Wurzeln. Neben meinem Bett liegt auch heute noch eine Bibel und manchmal, selten, lese ich.
Ja. Und dann gibt es immer wieder die guten Eindrücke, die kraftvollen Momente. Wo plötzlich Menschen daher kommen, die in ihrem Glauben wohnen, beseelt sind und beeindrucken. Für die Glaube Wirklichkeit ist, die leuchten, strahlen. Einer von denen war der Pfarrer, der am Tag vor der Beerdigung meines Vaters über das Buch der Psalmen gesprochen hat. Ein junger Pfarrer mit Powerpoint. Einer, für den jesus.de und facebook kein Problem sind. So ein normaler, anfassbarer Mensch von heute.
Der hatte es, das Leuchten. Es hat Spaß gemacht, ihm zuzuhören. Denn ob wir glauben oder nicht, das Christentum ist unser Fundament. Ich habe dann in der Zeit nach der Beerdigung in den Psalmen gelesen. War gut, neben dem, was mir der Buddhismus an die Hand gegeben hat. Werkzeuge, die greifen. Gerade dann, wenn Tod ins Spiel kommt. Aktuell lese ich ein Buch über den Aleppo-Codex. Eine Sammlung jüdischer Schriften, eine Art hebräischer Urbibel aus dem 10. Jahrhundert. Gemeinsame Wurzeln, Verbundenheit. Bis heute, trotz allem.
Vorgestern Abend nun habe ich unsere Mülltonnen rausgestellt. Es war schon dunkel, als eine Nachbarin mit dem Fahrrad den kleinen Weg aus dem Tal herauf kam. Wir hatten uns lange nicht gesehen. Haben geplaudert. Sie ist Christin. Durch und durch. Liest die Bibel. Lebt ihren Glauben. Leistet Sterbehilfe, geht zu Menschen, die Hilfe brauchen, kümmert sich um Hinterbliebene. Irgendwann kamen wir auf Glauben und Gott. Sie hatte eine schöne Ausstrahlung, die zeigte, dass sie weiß, wovon sie spricht, was sie fühlt, weiß und trägt.
Im August 2012 auf offener Sprache über Gott reden? Anachronistisch, vielleicht. Aber gut. Denn tatsächlich fiel immer wieder das Wort Liebe. Christus. Jesus. Kraft. Verbundenheit.
Mir ist es letztlich egal, wer an was glaubt. Ich sehe Gott anders, was aber letztlich keine Bedeutung hat. Mir ist es wichtig, dass alle in Kontakt bleiben. Den Toleranzgedanken aus Nathan der Weise in Lockerheit leben. Egal wie dieser Gott dann aussieht oder als was er gesehen wird und ob er einer ist oder viele oder ein Mann mit Rauschebart oder Naturgeist oder einfach nur der Sinn hinter allem, ein Masterplan. Auf jeden Fall war er in meinem Gespräch mit der Nachbarin irgendwie da. Zwischendurch hatte ich kurz eine Gänsehaut. Jetzt weiß ich, wo Gott in Deutschland lebt.





