Die Kinder frisieren mich, die Zeit der Katharsis beginnt

Hi. Das hier wird jetzt zum richtigen Tagebuch. Ich hatte erst gedacht, ich würde jetzt aufhören, über das alles hier zu schreiben. Würde wieder zurückkehren zu einfacheren Themen. Ich hatte das Gefühl, es würde jetzt reichen und ich könnte hier nicht dauernd drüber schreiben oder gar rumjammern oder so. Aber dann habe ich auf die Seitenstatistik geschaut. Hey. Da schreibe ich seit zwei Jahren und ausgerechnet meine Trennung zieht am meisten Menschen an. Besucherrekord, längste Verweildauern auf der Seite, höchste Zahl angeklickter Seiten ever.

Ich meine, das ist nicht wichtig. Der fiftyfiftyblog ist kein Business. Er ist einfach ein Teil von mir. Meine Bühne, auf der ich immer stehen wollte. Nur möchte ich natürlich nicht das Gefühl haben, Zeugs zu schreiben, dass niemanden interessiert. Mein guter, lieber Freund Armin hat mir gestern am Telefon gesagt: “Hey Jens, vielleicht kannst du für irgendwen Beispiel sein. Wenn du das tatsächlich hinkriegst, was noch in den Sternen steht, dann hilft das eventuell irgendwem, es auch hinzukriegen. Das wär doch toll.” (ich freue mich sehr darauf, mit ihm das Wochenende in Stuttgart zu verbringen.) Nun wollen wir aber mal aus dem Herrn Schönlau keinen Heiligen machen. Ich kann euch versichern, ich habe genügend Dreck unter den Fingernägeln. Mir werden keine Flügel wachsen. Im Augenblick habe ich einfach das Glück, dass ich seit sechs Jahren meditiere und ein wenig mit Bildern und Gedanken umgehen kann. Die Betonung liegt auf “ein wenig”. Glaubt mir, auch so wackelt das Boot ordentlich und ich werde regelmäßig Seekrank und stehe an der Reeling. Einfach sieht anders aus.

Aber. Ja, es gibt so viele schöne Abers. Die liegen in der Intensität des Augenblicks. Ich weiß nicht, ob ihr das versteht? Gehe an die Orte, die du fürchtest. Das mache ich gerade in vollster Intensität. Ich schaue genau hin, lasse nichts vorbeigehen, bin hellwach. Ich trinke keinen Schluck Alkohol, esse nur so viel, wie mein Körper gerade braucht. Morgens steh ich um sechs Uhr auf und meditiere. Ich gehe früh zu Bett, lasse die Bilder durchziehen, lasse sie sich entwickeln, damit sie keine Angstbilder werden und gehen können. Dadurch kann ich morgens entspannt aufwachen und den Tag beginnen. Mein erster Gedanke heute Morgen war: Andreas. Ein sehr alter Freund von mir, den ich auf dem Weg verloren habe. Eine alte Geschichte. Jetzt, wo ich nicht mehr mit Ela zusammen bin, können wir vielleicht wieder aktiv Freunde sein. Wenn er noch will. Ich werde ihm gleich mailen.

Gestern Abend kam ich nach dem Fußball rein (wir haben 4 : 1 auf heimischem Platz verloren. Kotz!). Ela spielte Klavier, Jim lernte am Computer, Zoe titschte hin und her. Ich habe mich dazwischen gesetzt und mich sehr, sehr an allem gefreut. Was Wert hat und Wichtigkeit. Ela ist irgendwann in ihr Zimmer verschwunden und ich hatte Zeit mit den beiden. Sie schwirren gerade sehr um mich herum. Suchen die Nähe, den Körperkontakt. Selbst Jim, der sonst immer sehr autark ist. Jim hat mich mit seinem iPod fotografiert. Er hat viele Apps, um Fotos zu bearbeiten. Seit seinem Praktikum bei einem Fotografen spielt er viel mit dem Medium. Er hat mich fotografiert und das Foto direkt bearbeitet. Ich habe mir nicht gefallen. “Ich war irgendwie so traurig…” Hatte ich doch kürzlich erst hier. Er hat ein Neues gemacht. Und dann fingen die beiden an, mich schön zu machen. Mit Gel in den Haaren. Da waren vier kleine Hände an meinem Kopf und haben mich gestylt, damit ich schön aussehe und bald eine neue Frau finde, damit ich glücklich bin. Ich hätte heulen können. Das ist natürlich ihre Vorstellung: Der Papa soll jetzt auch eine Frau bekommen, damit auch er glücklich ist. Ihr seht, alles gar nicht so einfach…

Dabei bin ich nicht tief unglücklich. Im Gegenteil. Ich bin voller Hoffnung. Ich habe zum Beispiel jetzt endlich eine Idee, wie mein Zimmer aussehen soll. Mit einem neuen Bett. Und in die Dachschräge lasse ich ein Fenster einbauen, damit ich in den Himmel sehen kann. Das Bild des neuen Zimmers entsteht. Als ich gestern Abend im Bett lag, habe ich die Bilder kommen lassen, um sie vor dem Einschlafen gehen lassen zu können. Überraschung. Es kamen sehr schöne Bilder. Da war eine Frau. Ein Portrait. Der Kopf vor schwarzem Hintergrund. Ich dachte: Ja, die ist sehr nett. Aber nicht jetzt. Nun beginnt die Zeit der Reinigung. Ich brauche einen sauberen Übergang. Die Zeit muss reif sein, ich muss reif sein. Bereit sein. Muss das dann können. Irgendwann. Nicht jetzt. Katharsis.

Und wie war euer Wochenende?

Hattet ihr es schön? Das Wetter war ja nicht so gut:) War ja eher zum Drinbleiben. O.K. – ich denke, ihr möchtet vielleicht wissen, wie die Story hier weitergeht. Es ist verrückt. Teils bizarr, skurril. Wie ein Film mit merkwürdigem Drehbuch. Alle Befürchtungen die ich hatte, alle Annahmen, die in mir herumschwirrten, werden keine Realität. Was hatte ich für eine tiefe Angst vor dem Moment, vor dem Augenblick des Endes. Genau vor einer Woche habe ich oben in der Küche gesessen und habe den entscheidenen Satz gehört. Und was ist danach passiert? Viel und wenig. Die Erde dreht sich weiter. Und bei mir hat sich ein Gefühl von Freiheit, Stimmigkeit, Erlösung eingestellt. Unglaublich.

Am Samstag habe ich mich in Gartenarbeit gestürzt. Ich habe den Wunsch, aufzuräumen. Wegzuräumen. Mein Körper hat plötzlich immense Kräfte und eine große Tatkraft. Ablenkung. Einerseits. Andererseits das schöne Gefühl, dass ich jetzt auftauchen kann. Jim und ich haben Teile des Gartens vom Herbstlaub und -dreck befreit und in den Wald gefahren. Mit dem Traktor. Kerlsarbeit. Irgendwann kam Ela aus Köln zurück und hat die Autos geputzt. Alles ein wenig unwirklich. Sonntagmorgen bin ich um sieben Uhr aufgestanden und zum Bäcker gejoggt. Ins Nachbardorf. Über den Mühlenberg. Anschließend habe ich lange meditiert. Ich kann jetzt, abgesehen von meinen Familienaufgaben, so lange meditieren wie ich will. Und das mache ich. Und das ist gut.

Anschließend habe ich mein Zimmer aufgeräumt. Pläne geschmiedet. Erste Einrichtungslösungen gefunden. Das “Ehebett” werde ich nun endlich, endlich, endlich ersetzen. Auch das ist ein gutes Gefühl. Befreit. Aufgeräumt, alles Überflüssige rausgebracht. Staub geputzt. Alten Staub weggeputzt. Was sich alles angesammelt hat. Mittags habe ich für die Familie gekocht, danach haben Ela und ich das große Foto fürs Besprechungszimmer aufgezogen. Es bewegt sich was. Wieder. Hier passiert was. Dann hatte ich das skurrilste Erlebnis meines Lebens. Dazu später. Ein Kaffeetrinken mit einem speziellen Gast.

Am Abend war ich mit einem Freund aus. Hat das gut getan. Wir haben so gelacht. Über alles mögliche geredet. Geplaudert. Fernab des Themas. Er hat mir von seiner Lehre als KFZ-Mechaniker erzählt. Wie ihm sein Chef, der nach Jahren in Kenia hier eine Texaco-Tankstelle übernommen hatte, ihm einen kaputten Mini-Cooper geschenkt hat. Er hat ihn repariert und dann sind die beiden Rennen auf Zeit gefahren – um die Zapfsäulen herum. Wilde Jahre. Sein Chef hat ihn zum Fliegen mitgenommen. In einer Cessna. Der Tower meldete “Noch nicht starten, der Wind ist zu stark”. Der Cheft meinte nur “Alles Weicheier hier” und gab Vollgas. In der Luft merkte er, dass sie die Karten vergessen hatten. Also mussten sie im Tiefflug zur Autobahn runter, um die Verkehrsschilder zu lesen. Gambacher Kreuz. Außerdem, aaaaah, hatte er von britischen Piloten in Afrika gelernt, wie man eine Maschine ins Trudeln bringt und wie man das ins Trudeln geratene Flugzeug wieder abfängt. Ich musste so lachen.

Dann kam die Kellnerin und nahm eine neue Bestellung auf. Ich hatte schon eine Apfelschorle getrunken und einen Pfefferminztee (10. Achte auf dich – unternimm schöne Dinge, iss gute Sachen, meide Alkohol (der befeuert die bösen Dämonen:)). Also fragte ich sie, was sie an Tee zu bieten hätte, der nicht anregt. Das hat sie falsch verstanden und gegrinst. “Äh, also, ich meine…” Stotterei. “Keinen schwarzen Tee oder Grüntee oder so.” Dann sagte sie, und sie war sehr jung und sehr hübsch: “Soll ich sie überraschen?” Und wie sie es sagte. Also wirklich. Überraschungen gibt es. Ein so schöner, lustiger Abend. Ich bin mit einem breiten Grinsen nach Hause, habe Zoe kurz noch eine Gutenacht-Geschichte erzählt und bin dann friedlich in meinem “neuen” Zimmer, dass irgendwie schon da ist, eingeschlafen.

Aber zum Kaffeetrinken. Wer war da? Jens. Noch ein Jens. Also Jens, ich. Dann ist da der Jens, mit dem ich in der Kneipe war (der nicht beim Kaffeetrinken war) und beim Kaffeetrinken der Jens, der Elas neuer Freund ist. Alles Jens, oder was? Was für ein Chaos. Ela ist mit ihm nach einem Spaziergang am Nachmittag vorbeigekommen. Die beiden hatten sich sehen müssen. Waren mit Cooper eine Runde gelaufen. Vorher hatte Ela Kuchen gebacken und alle gefragt, ob wir ihn kennenlernen möchten. Ja, wollten wir. Und so standen Jens und Jens plötzlich im Wohnungsflur voreinander. Highnoon. Was für eine Szene. Ich dachte, das glaubt mir jetzt keiner. Wir gaben uns die Hand, sahen uns tief in die Augen und zitterten leicht.

Wir wussten beide nicht, wie wir jetzt damit umgehen sollen. Ich meine, das lernt man nicht. Das kommt im Film so nicht vor. Das Klischee wäre gewesen, wir hätten das wie echte Kerle im Faustkampf ausgetragen. Da war kein Funken Aggression oder Wut. Wir haben uns leicht zittrig an den Tisch gesetzt. Ich auf der einen Seite, Jens und Ela auf der anderen Seite. Jens und ich einander gegenübersitzend. Marmorkuchen. Lebensfreude-Tee. Is nich wahr, ne? Doch. Ich sag’s euch. Genauso. Unfassbar. Ich spürte, wie sehr die beiden ineinander verliebt sind und hatte ein gutes Gefühl. Ich weiß, es klingt, als würde ich spinnen. Als wäre ich nicht normal. Als würde ich irgendetwas unterdrücken. Und ich frag mich auch selbst, was mich reitet. Was mich so ruhig sein lässt. Aber es ist so. Es passt. Weiß der Henker, was da los ist. Allein, Ela so glücklich zu sehen, endlich ein Strahlen im Gesicht, im ganzen Körper. So schön. Und ihr Jens passt. Trägt sie mit Wärme.

Ich kann nur sagen: Es ist ein Gefühl von “die Dinge sind in die richtige Ordnung gerutscht.” Das stimmt irgendwie. Mir geht es gut dabei, ich bin tatsächlich froh, frei zu sein. Jens kann gerne zu uns in die Schule kommen, hier wohnen, wann er will. Ich bin dann gefahren, um den anderen Jens zu treffen. Wir haben uns kurz umarmt. Das wars. Unfassbar. Gut. Komplett anders. Die Geschehnisse von sieben Tagen. Sieben Tage, die die Welt veränderten. Meine Welt. Und doch wurde sie nicht verändert. Ich weiß jetzt, wo mein Platz ist, was ich will und was ich nicht will. Sehr klar. Das ist ein gutes, starkes Gefühl, das trägt. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

P.S. Ich hatte Ela und Jens gesagt, sie müssten keine Sorge haben, ich würde nicht darüber im Blog berichten. Sie meinten beide, das sei in Ordnung. Ich solle das ruhig schreiben. O.K.

“Good Morning, Vietnam!”

Wenn alles wackelt. Wenn das Chaos ausgebrochen ist und die Fetzen fliegen, dann hilft nur eines: Reden, reden, reden. Ich könnte euch gerade, und mache es ja auch, ein Klavier ans Knie quatschen. Oh, Mann, was für ein Redebedarf. Heute Morgen bin ich eine Stunde vor der Weckerzeit aufgewacht. Ihr kennt das. Wach liegen im Dunkeln. Im Kopf fängt es an zu arbeiten. Argumente werden hin und her geschoben, Bilder fliegen rein. Die reinste Multimediashow.

Alles hat sich miteinander verbunden. Job, Chaos, Zukunft, Vergangenheit, Ela. Das ist, als wäre ich als Crashtest-Dummy unterwegs. Durchrütteln, rutschen, drehen, vor die Wand fahren, im Airbag landen. Gestern Nachmittag hatte ich für einige Stunden Pause, weil ich eine Präsentation hatte. Da war alles weg. Nur Job. Irgendwie eiskalt durchgezogen. Großes Unternehmen, großes Projekt, umfassendes Konzept. Alle Augen auf mich gerichtet. Der Kopf leer, nur auf die Präsentation ausgerichtet, sonst nix. Satz für Satz gesprochen, die eigene Begeisterung für das Thema gespürt. Das hat richtig, richtig Spaß gemacht. Merkwürdig, wie wir als Menschen funktionieren. Wie sich die Themen im Kopf an- und ausschalten lassen.

Heute Morgen nach der Stunde spürte ich Unsicherheit. Da stimmte was nicht. Ich bin in die Küche gegangen, habe für Jim Frühstück gemacht und Damien Rice aufgelegt, um mich abzulenken. Die O, das erste Album. Dann lief Blower’s Daughter. Musik von Ela und mir. Melancholie. Ach, herrje. Lauern jetzt überall im Alltag die Fallen? Erinnerungen? Regel 11: Wenn die alten Emotionen hoch kommen, freu dich bedingungslos an den schönen Gefühlen und Erinnerungen.

Und so bin ich durch die Küche getanzt. Habe mich von der Musik tragen lassen und habe mich wohl gefühlt. Why not? “Good Morning, Vietnam!” Scheiß drauf. Das ist das Bilderbuch der Gefühle vergangener Zeiten. Ein Schatz.

Ich habe Jim zum Bus gebracht, habe meditiert, bin mit Cooper zum Bach runter und habe mich zum Bloggen hingesetzt. Plötzlich spürte ich: So kannst du das nicht machen. Nicht wie immer. Du musst weiter reden. Ich habe Ela gerufen, wir haben uns einen Augenblick genommen. Wie gut das tut, jetzt alles zu bequatschen und behutsam zu formen. Jetzt können wir frei reden! Was für eine Chance. Das Leben mal wieder neu erfinden. Ihr könnt mir einen Gefallen tun, und uns für das neue Leben, das Familienprojekt gute Wünsche schicken. Habt ihr ja schon, weiß ich. Aber ich glaube, wir brauchen da so viel Energie. Ich hoffe, das ist nicht zu egoistisch. Wenn ihr was habt, mailt mir, dann bin ich auch gerne für euch da und schicke euch gute, starke Wünsche. Macht einfach.

Notfallregeln für das Verlassen der Komfortzone

Ihr Lieben, nun möchte ich hier nicht rumjammern. Ihr sollt von all dem, was hier gerade passiert, auch etwas haben. Ihr wisst, ich neige zum Predigen und Empfehlen. Nun sitze ich hier im angeschlagenen Kahn, versuche nicht unterzugehen und nehme das Megaphon in die Hand, um euch am sicheren Ufer Verhaltenstipps zuzurufen. Das ist mein Weg. Kommunikator. Sich Gedanken machen, wissenschaftlich sezieren und Forschungsergebnisse niederschreiben. Ich bin gerade das Insekt unter dem Mikroskop, der Blick ist auf mich gerichtet. Ich schaue mit.

Wir alle kommen im Leben an Punkte, wo das Netz nachgibt und wir für eine gewisse Zeit im freien Fall unterwegs sind. Bei mir war das so, als mein Vater 1976 plötzlich linksseitig gelähmt war. Er lag auf der Intensivstation, drohte zu sterben und ich war 11 Jahre alt und allein, weil meine Mutter sich um meinen Vater kümmern musste. Da waren noch meine beiden Brüder, aber die hatten genug mit sich zu tun. Es gab dann noch andere entscheidende Situationen, die alles verändert haben. Zuletzt vor sieben Jahren, als Ela und ich durch eine tiefe Krise gingen, von der wir uns nie erholt haben.

In all den Situationen habe ich den Fehler gemacht, da tief reinzugehen. Mir allen Schmerz reinzuziehen und mich nicht zu schonen. Es hat weh getan und Narben hinterlassen. Ich habe den Bildern und meinen Gedanken geglaubt und vertraut. Das war der falsche Weg! Das weiß ich heute mit absoluter Sicherheit. Nun habe ich die Möglichkeit, zurückzutreten und besonnen zu bleiben. Vor der Situation, die jetzt da ist, habe ich mich immer gefürchtet. Weil ich wusste, dass sie kommt. Weil Ela und ich immer gesagt haben, dass wir uns dann trennen werden. Es war als hätten wir einen Kredit aufgenommen, auf Pump gelebt, Zeit gestohlen und einen falschen Wunsch in die Welt gesetzt. Das war ein Schatten, der über all dem Schönen gelegen hat, was wir erlebt haben. Was wir geschaffen haben.

So habe ich das Gefühl, es ist derzeit Jammern auf hohem Niveau. Denn: Nun sind wir frei. Vor sieben Jahren ist als Zeichen für das, was nun geschehen ist, das Gedicht Braeburn enstanden. “Frei Adam, endlich frei”. Das Gefühl hat damals kurz getragen, dann haben wir die Freiheit wieder verloren und haben weiter das Paradies geschützt. Das vermeintliche Paradies, das eine schöne Welt ist, aber kein Überort.

Nun sind wir wirklich frei. Noch nicht ganz, aber die Türen sind geöffnet und die Wege stehen offen. Natürlich kommen dauernd störende Gefühle. Messages des Egos. Der Geist probiert, Bilder zu schaffen, Argumente zu kreieren, in die Auseinandersetzung zu gehen, ins Leiden, den Schmerz ins Zentrum zu rücken. Also kommen wir zu den Notfallregeln für das Verlassen der Komfortzone:

1. Ruhe bewahren – atmen, weiteratmen
2. Die Welt ist nicht untergegangen!
3. Du hast zu Essen, du bist weder krank noch tot
4. Das Leben geht weiter, wartet auf dich, bringt Neues
5. Glaub keinem verdammten Klischee!!!
6. Eliminiere alle, gewöhnlich bei Trennungen verwendeten Begriffe aus dem Herzen und Kopf
7. Telefoniere mit Freunden, von denen du weißt, dass sie klar sind und kein Öl ins Feuer gießen
8. Blick nicht zurück, frag nicht nach Schuld
9. Glaube weder den Bildern in deinem Kopf, noch deinen Gefühlen – die spielen jetzt Theater (wie immer!)
10. Achte auf dich – unternimm schöne Dinge, iss gute Sachen, meide Alkohol (der befeuert die bösen Dämonen:) )

Mir helfen diese Punkte gerade gut. Gestern Abend, als Ela zu ihrem Freund gefahren ist, um dort zu übernachten, konnte ich die aufsteigenden Bilder und Gefühle ansehen und in Frieden gehen lassen. Das war eine anstrengende, intensive Übung, die auch hätte in die Hose gehen können. Ist sie nicht, darüber bin ich sehr froh. Ich bin hervorragend eingeschlafen, mit einem Lächeln aufgewacht und freue mich über ein Gefühl innerer Stärke. Es ist mir tatsächlich gelungen, ob ihr es glaubt oder nicht, mich für Ela zu freuen. Ich glaube, sie kann nun wirklich glücklich werden. Von ihrem Glück werden wir als Familie profitieren. Und ich werde daran arbeiten, weiteres Glück zu schaffen und hierher zu bringen. Die Schlüsselfrage ist immer und immer: Kriegen wir unsere Gefühle, Dämonen in den Griff? Können wir den Tiger reiten? Es ist anstrengend, aber es lohnt sich, das zu versuchen, es sich fest vorzunehmen und immer wieder zu wünschen. Wünsche werden wahr, wenn wir daran glauben. Klingt nach Hollywood, kann das Leben sein.

Ela

Denk‘ ich an dich

schließ ich die Augen

und fühl die Welt die niemand

kennt

so tief und weit umschließt du mich

bist da in mir

wo ich auch stöbere liegen

deine Anker unserer Erinnerung

Nichts ist so weich und zart

wie dies Gefühl

ich kenne dich und weiß genau

den Weg zu dir kann niemand

gehen

Eine geschenkte Reise ins gelobte Land

war plötzlich da und ist geblieben

Ich lehn mich vor und lasse alles von mir fallen

was mich hält in dieser andren wahren Welt

vergesse Halt und Wert und Wichtigkeit

der Traum ist Wahrheit

in mir drin

gehört der Schatz

ein warmes Bett in dem mein Lächeln liegt und

summt

nur mir und dir

und niemand sonst weiß ahnt

von dem was diese Tiefe ist.

Geh ich in diese Welt

fallen mir die Tränen aus geschlossnen Augen

Ich such dich nicht

ich weiß ja wo du bist

ganz nah an dieser Stelle dort

wo es nichts gibt außer

Gewichte die nichts wiegen

die Steine Flügel werden lassen und

aus Groll die Anmut eines hellen weichen

Frühlingstages zaubern

Dort wohne ich in einem kleinen Haus

dort werd ich hingehn wenn die Welt

versinkt

und werde deine Anker nehmen

mich binden reißen schleifen lassen

sperre alle Sinne auf nur einen Hauch von

dir zu packen

ein Bündel das nicht wertvoller sein kann

für meinen Weg der dorthin führt

wo alles nur aus Luft gemacht.

dEZEMBER‘99