Nach dem letzten Elternabend in Zoes Klasse im Mai – der Besuch ist mein fifty-fifty-Part, weil Ela Elternvertreterin in Jims Klasse ist – schrieb ich den Text Männer, kümmert euch um eure Söhne. Gestern Abend nun war der nächste und letzte Elternabend für dieses Schuljahr. Sehr erfreulich: Im nächsten Jahr wird es in der Klasse ein Väter-Söhne-Wochenende geben. Zwei Väter haben das in die Hand genommen und organisieren das. Ein komplettes Wochenende von Freitagmorgen (schulfrei für die Jungs!) bis Sonntagnachmittag. Leider habe ich eine Tochter in der Klasse und bin nicht dabei… Aber dafür fahre ich nächste Woche als Betreuer mit Jims Klasse eine Woche an die Ardeche. Ist dann auch eine Art Vater-Sohn-Projekt. Klettern, wandern, Canyoning…
Der Elternabend dauerte gestern Abend sehr lang. Von 20 Uhr bis 22.30 Uhr. Hartes Sitzungsprogramm. Richtig spannend wurde es zum Ende hin, als es um die Zunahme der Nutzung von Medien durch die Schüler/innen ging. Die Lehrerin und auch einige Mütter, die zum Beispiel im Handarbeitsunterricht dabei sind, berichteten, dass da ein paar Dinge nicht so gut laufen. Im Handarbeitsunterricht nutzen die Kinder die Zeit, um sich zu unterhalten. Und in den Gesprächen geht es immer mehr um Filme und Gewalt. Splatter, fetz, Bumm, Krach, Spratz, Arm ab, Blut… Und wenn die Kinder Referate halten, kommt immer mehr Wikipedia zum Einsatz. Bei einem Referat über den Rhein wurde dann sogar die Karte ausgedruckt, die schon komplett beschriftet war und einfach mit Filzstift bunt ausgemalt, um sie zu einer eigenen Leistung zu machen. Dann sind da noch die Themen Handys, Computer, Schüler-VZ, Facebook…
Als Vater von Jim merke ich, dass da ein ziemlicher Mediendruck herrscht. Wir selbst haben kein Fernsehen aber eine Menge Computer und Handys. Durch unsere Freiberuflichkeit gehören die Dinger dazu. Immer online, immer erreichbar… Jim ist nun 14 und darf seit zwei Jahren an den Rechner. Zoe ist 11 und darf das dann nach ihrem nächsten Geburtstag. Wenn sie Filme schauen, bei uns auf einem Rechner oder bei Freunden, müssen sie sich an die Altersbegrenzung halten. Jim hat jetzt erstmals ein Handy, weil er das Praktikum macht und stundenlang mit der Bahn unterwegs ist und er mit uns das Abholen managen muss.
Für Jim war es, kurz bevor er 12 wurde, schrecklich, noch nicht an den Computer zu dürfen. Denn der Rechner zieht heute scheinbar schon sehr früh in die Kinderzimmer ein. Wie wir alle wissen, sind die Dinger mit den vielen bunten Farben und Möglichkeiten magisch und bauen einen ziemlichen Sog auf. Jim hat sich auf den Rechner gestürzt und alles in kürzester Zeit gelernt. Mittlerweile kennt er das Betriebssystem besser als ich, weiß mit welchen Kurzbefehlen er schneller ist, kann Filme schneiden und lernt gerade im Praktikum, Fotos in Photoshop zu bearbeiten. Da gibt er jetzt Ela Tipps, die das professionell macht… In der Schule unterhält er sich mit den Jungs über Computer und kommt dann nach Hause mit den neuesten Tricks – “Papa, wusstest du schon…” Ne!
Mit 14/ 15 jetzt lässt die Kontrolle nach, Jim geht da in die Eigenverantwortung, wobei wir regelmäßig sagen müssen: Ausmachen! Denn der Computer zieht selbst bei schönstem Wetter ins Zimmer. Und mittlerweile verschwimmt die Nutzung – was ist “Fernsehgucken am Rechner” und was ist “Programme lernen”? Teilweise ziehen wir da einfach das Online-Kabel. Da Zoe noch nicht darf, ist sie nach den Hausaufgaben automatisch draußen und spielt mit den Nachbarskindern. Kommt dann abends fröhlich rein mit strahlendem Gesicht. Andere Welt…
Was tun? Gar nicht so einfach. Wir versuchen es mit Medienerziehung und einem möglichst konstruktiven Umgang. Der Mediendruck von außen ist enorm und fängt früh an. Hier die Tore geschlossen zu halten, ist eine Mammutaufgabe. Die allerdings lohnt sich meiner Ansicht nach, weil sich die Kinder ohne bestimmte Filme, dauerndes Fernsehen und Computerzocken besser entwickeln. Und tatsächlich sogar, so sagen es einige Studien, intelligenter werden, weil das Gehirn mehr reale Reize bekommt, die es besser in sich vernetzen. Der Aufbau und die Verschaltung von Neuronen findet zum Beispiel beim Klettern auf einen Baum deutlich stärker statt, als beim Spielen von Ego-Shootern, weil mehr echte Reize da sind. In Fingern, Händen, Armen, Beinen. Der ganze Körper nimmt wahr: Die Position im Raum, die Rinde, hält der Ast das Gewicht, wie komme ich mit dem Kopf an den Blättern vorbei…
Es ist ganz schön schwierig, das richtige Maß zu finden, auch weil die Kinder heute einfach anders aufwachsen. Wir sind die erste Elterngeneration, die mit Facebook & Co. zu tun hat. Die Kinder saugen das alles auf und integrieren das sofort in ihr Leben. Jim muss jetzt demnächst im Praktikum in Köln zu einem bestimmten Platz kommen. Fester Termin, muss er selber hinfinden. Wir haben ihm einen Stadtplan gegeben. Wollte er nicht. Stattdessen hat er sich die Route auf Google Streetview angesehen und sich die Häuser gemerkt, an denen er abbiegen muss. Das ist alles vollkommen anders… Puh. Echt Arbeit, da einen guten Weg in der Mitte zu finden zwischen Medienverteufelung und sinnvoller Mediennutzung. Zu dem Thema haben wir demnächst einen kompletten Elternabend…