Shakespeare hatte seine Theaterkompanie. Eine Schauspieltruppe, die die Bühnenwelt verändert hat. Unser Dorf nun geht auch in die Kulturoffensive und öffnet den Vorhang. Nikolaus im Dorf. Die Dorfgemeinschaft und die Feuerwehr arbeiten Hand in Hand. Kinder und die Alten beglücken. Am Samstag vor Nikolaus treffen sich die Alten zum Kaffee. Der Pfarrer kommt, es wird geklönt, die Frauen des Dorfes haben Kuchen gebacken. Normalerweise treten die Kinder auf und spielen ein Nikolausstück. Am Sonntag dann wird die Feuerwehrhalle ausgeräumt. Die drei großen Autos werden raus gefahren, die Biergarnituren der Dorfgemeinschaft aufgebaut sowie die kleine Bühne aus den Brettern, die die Welt bedeuten.
Kerzen brennen, Servietten und kleine Blumengebinde schmücken die zum Saal gewordene Halle. Es wird voll, Eltern und Großeltern kommen mit ihren Kindern. In Körben wird Geschirr mitgebracht und Kuchen für alle. Leckere Sachen. Kakao, Torten, Kinderaugen. Irgendwann kommt der Nikolaus. Wer will, kann ein Gedicht aufsagen. Es wird gesungen. Jedes Kind geht nach vorne und bekommt ein kleines Geschenk. Die Rabauken dürfen sich eine Kleinigkeit anhören – ein funktionierendes System. Eine gute Form, gegenseitigen Respekt einzufordern.
Dieses Jahr nun gibt es eine Neuerung. Nicht die Kinder führen ein Nikolausstück auf, einige Erwachsene machen das. Für die Kinder und Alten. Mich rührt das. Respekt. Miteinander. Füreinander. Ich durfte das Stück schreiben, in dem es um den echten Nikolaus und den Wunsch einer alten Frau geht. Es treten ein Pfarrer, ein Bauer, ein Knecht, eine Nachbarin, die Schwiegertochter und besagte Maria auf. Weil ich die Menschen, die für diese Rollen in Frage kommen, mittlerweile seit zwölf Jahren kenne, haben ich ihnen die Rollen auf den Leib geschrieben. Und: Sie haben sie angenommen. Letzte Woche gab es ein leichtes Rumoren des Bauern, der mit seiner Rolle nicht ganz einverstanden war. Gestern Abend kam er lachend zur Probe. Er hat seinen Text auf Platt umgeschrieben. Wunderbar. Die Alten werden begeistert sein. Wir haben viel gelacht. Gute Stimmung, das Stück entsteht. Auf der Bühne ist hohes Tempo angesagt. Der Knecht hat die Lösung des Problems, der Bauer lässt ihn nicht aussprechen, muss ihm auf Stichwort immer wieder ins Wort fallen.
Die Proben laufen gut. Alle bringen sich ein, liefern Ideen, überlegen sich Kostüme, arbeiten an den Charakteren. Ländliches Method-Acting. Wie bin ich eigentlich? Wer bin ich? Weshalb sag ich das so? Ich gebe vorsichtig Subtext rein. Das Zauberwort, wenn es darum geht, die Bühnensprache für das Publikum mit Figuren zu füllen. Aus Schauspielerinnen werden Bühnenfiguren. Metamorphose. Aufbau einer Aura. Die Zuschauerinnen erleben etwas, was sie nicht sehen können. In Mannheim am Nationaltheater haben wir damit viel rumgedoktert. Bei den Proben unten im Saal der Feuerwehr klappt es auch. Die Texte kommen, alle fangen an zu spielen. Kleine Gesten. Wie plötzlich eine Kaffeetasse genommen oder ein Stuhl gerückt wird. Kleine Sachen, große Wirkung. Das wird gut, das Stück klappt, hat Tempo, Witz. Weiß man ja vorher nicht, wenn man es schreibt und noch nicht auf der Bühne gesehen hat. Immer wieder diese Spannung. Funktioniert ein Text. Tag für Tag. Jetzt auch. Nach sex sells gestern mit absolutem Besucherrekord heute wieder zurück aufs Dorf. Harte Landung im sanften Kontext des Lebens. Worauf kommt es an? Was zählt? Ist tatsächlich alles eins?
Ich freue mich auf die Aufführung des Stückes. Habe die große Bühne verlassen und arbeite nun hier mit einem Bauern, einer Bäuerin, einer Taxifahrerin, einem Achsentester, eine Zahnarzthelferin und einem LKW-Fahrer. Perfekt. Leben auf dem Lande. Heimat im besten Sinne des Wortes. Ich wünsche euch einen schönen Tag mit ein klein wenig weiterem Ankommen in dem, was euer Leben ausmacht. Trippelschritte vorwärts. Freude. Ciao.