Wusstet ihr, dass Peter Paul Rubens in Siegen geboren ist? Und dass die Stadt Siegen deshalb seit 1955 den Rubenspreis an bekannte europäische Maler/innen der Gegenwart vergibt? Alle fünf Jahre an Künstler, die Bedeutung haben. Über Siegen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland hinaus? Es gibt dort im Museum einen Raum, in dem Bilder der Preisträger hängen. Beeindruckend. Direkt wenn man reinkommt links: Francis Bacon. Rubenspreisträger 1967.Oder wenn man sich rechts hält und in den zweiten Raum stürmt: Sigmar Polke. Rubenspreisträger 2007.
Und nun ist dieser Raum um Bridget Riley reicher. Nunja, nach der Ausstellung sage ich: Wir alle sind um Bridget Riley reicher. Ich hatte kürzlich schon 18/1-Plakate in Siegen hängen sehen. War an den Plakaten mit den schrillen Farben vorbeigefahren. Mein Innerstes hatte die Information tatsächlich stiefmütterlich behandelt. Riley, Riley. Rubenspreisträgerin. Rubenspreis? Siegen? Da war wieder diese billige Arroganz. Siegen, was soll das schon sein? Kein Paris, Berlin, New York. Namen. Größe. Marken. Verdacht. Nur ein verträumtes Städtchen am Rande der A45. So ein zerbombter Ort, der seit langer Zeit nach sich selbst sucht und es endlich schafft, seinen Fluss im Zentrum unter einer Betonplatte hervorzuholen. Was war das immer ein gruseliger Blick nach unten aufs dunkle Wasser, wo ich ständig Ratten und Wasserleichen vermutete. Feng Shui für eine Stadt, Loslösung von der Dunkelheit, der dunklen Vergangenheit. Und mittendrin diese Plakate, die eine andere Sprache sprechen. Kosmopolitisches Anlitz.
Letztlich ist die Information doch durchgesickert. Ich brauchte nur einen Anlass, eine Begleitung. Die Kinder wollten nicht. Kunst? Ausstellung? Och nö. Klar. Ganz normale Kinder/ Jugendliche. Also bin ich mit einer Freundin gegangen, die auch Kunst sehen wollte. Zu zweit macht das mehr Spaß. Die psychedelische Malerei der Bridget Riley hatte mich infiziert. Das Drehen der Augen der Schlange Ka, das Locken, Verführen, Ansaugen, Einsaugen. Das, was ihre Bilder machen.
Womit wir mittendrin wären in der präsentierten Malerei der Bridget Riley. Am Ende, nach dem Ausstellungsbesuch hat sich bei mir alles gedreht. Kopfflimmern im Farb- und Formenzentrum. Da steht man vor diesen riesigen Bildern, die teilweise direkt auf die Wand gemalt sind und lässt sich ein. Und was passiert? Sie saugen. Ziehen einen hinein. Mit Kraft. Zwischen die Farbstreifen, die sich zur Seite biegen und öffnen und hereinrufen.
Bridget Rileys Bilder sind riesige Grafiken auf dem Scheideweg zwischen Kunst und Design. Der Form nach sind sie Design, der Wirkung und Erzählung nach Kunst. Weil sie erzählen, verändern, etwas mit dir machen. Die Werke sind das genaue Gegenteil von belanglos. Dabei bin ich schnell durch, durch die Riley-Räume, weil es mir tatsächlich zu viel, zu intensiv war. Peng. Wu. Habe ich mich auf die Linien und Formen eingelassen, wurde es psychedelisch. Den Linien folgen mit dem geistigen Finger. Versuchen, sie zu erfassen. Bridget Riley verwendet viel Zeit darauf, Wirkung zu erzielen. Sie experimentiert, legt Farbstreifen nebeneinander, bevor sie malt. Exakt malt. Wie mit Linialen zieht. Da stört nichts, da schaut kein Fleckchen eines Pinselhaars über. Perfektion ist schon das richtige, angemessene Wort. Perfektion in der Ausführung, was letztlich nicht das Wesen ist. Ihrer Kunst.
Das Wesen ist die Kraft. Riley ist Engländerin, also sprechen wir von Power. Ein gutes Wort im Zusammenhang mit dieser Ausstellung. Mein Lieblingswerk waren die Circles im großen Raum. Mir persönlich hat die Arbeit viel erzählt. Die Kreise sind vor Ort von Hand gemalt und in verschiedensten Konstellationen angeordnet. Für mich haben sie eine schöne Beliebigkeit ausgedrückt, Möglichkeiten der Entscheidung, Wege und Öffnungen. Du kannst jeder Kreis sein. Du kannst überall landen. Du kannst allein sein oder viele andere berühren. Du bist halb, ganz, wirst gekreuzt, an den Rand gedrängt, halbiert. Kannst dich entfalten, zentriert darstellen, posen. Ich war zwei Mal in dem Raum, der vielleicht 20 Meter lang ist und 3,5 Meter hoch. Oder etwas weniger. Neben zwei Stützpfeilern stehen zwei Bänke, auf die man sich setzen kann, um die riesige Wand voller Kreise zu betrachten. Ich habe erst geschaut, dann viele Fotos gemacht, die ich nicht zeigen darf. Schade. Ich hatte da meine eigene Sicht, die den Kreisen noch etwas gegeben hat. Egal.
Ich zeige euch das Werk auf einem Pressefoto, dass ich runtergeladen habe von der Museumsseite.
Bridget Riley, “Composition with Circles 8”, 2012, Installationsansicht Museum für Gegenwartskunst Siegen
Photo Christian Wickler © 2012 Bridget Riley / Courtesy Karsten Schubert, London
Die Ausstellung läuft noch bis zum 11.11. Sehenswert, wie überhaupt dieses ganze Museum. Gerne gebe ich eine A+***-Empfehlung. Auf den Seiten des Museums für Gegenwartskunst in Siegen findet ihr einen Film zur Bridget Riley-Ausstellung, der einen Eindruck vermittelt.