Wahrscheinlich bin ich Deutschlands letzter Blogger, der sich dem Thema widmet. Dabei ist es eines der ursächlichen Themen dieses Blogs. fifty-fifty. Was so viel heißt wie Hand in Hand, nicht Hand am Po.
Wir haben also eine von Herrn Brüderle initiierte und vom Stern losgetretene Sexismusdebatte. Holla. Wer hätte das gedacht. Ich war der Überzeugung, der Feminismus in Deutschland sei weitestgehend erledigt und der Begriff würde nur noch als Schimpfwort benutzt. Manches hatte mich gewundert. Ich dachte: Sind wir wirklich schon so weit? Ist Gleichberechtigung so zufriedenstellend umgesetzt, dass wir darüber kein Wort mehr verlieren müssen?
Und nun das. Sexismus in Deutschland. Ein Grabscher hier, ein frauenfeindlicher Spruch dort. Da kommt ganz schön was unter dem Teppich her geklettert. Und plötzlich berichten alle Kanäle und alle Zeitungen schreiben und diskutieren und lassen Frauen zu Wort kommen. In Deutschland werden Frauen also recht zahlreich sexuell angegangen. Am Arbeitsplatz, auf offener Straße, überall. Kleine und große Affronts. Der #Aufschrei ist groß.
Ich frage mich: Wo war der Aufschrei in den letzten, sagen wir, 20 Jahren? Während meines Studium, Anfang der Neunziger, hatte ein Germanistik-Prof in einem Seminar zu einer Frau gesagt: „Was wollen Sie eigentlich? Sie sehen aus wie eine Frisöse.“ Ups. Das hätte er lieber nicht gesagt. Da standen die Seminarteilnehmer/innen auf und gingen. Das Seminar war für das Semester beendet. So etwas nennt sich Konsequenz.
Die habe ich dann mit zunehmender Zeit zunehmend vermisst. Was manche Chefs in manchen Meetings zu ihren Assistentinnen gesagt haben, da hätte ich auch aufstehen müssen. Hab ich nicht gemacht. Kunden. Geld. Wir alle haben uns angewöhnt, den ganz alltäglichen Sexismus wieder in unser Leben einziehen zu lassen. Eine sexistische Werbung hier, ein sexistischer Spruch in der Öffentlichkeit dort. Mühelos abgetan als kleine Entgleisung. Kein Aufschrei.
Ich denke, da hat sich dann aber doch was aufgestaut, weil sich scheinbar einige Männer wieder ganz ungeniert dem Unterdrücken des weiblichen Geschlechts durch Worte und Anfassen gewidmet haben. Hört das nie auf? Nicht so lange das keine Folgen hat. Dann scheint das als „akzeptiert“ zu gelten. Ergo: Wir müssen wieder deutlich sensibler werden, uns mehr einmischen, auch hier Zivilcourage zeigen und uns Sexismus beherzter entgegenstellen. Denn wer hat schon Lust, in einer Gesellschaft voller Grabscher und Idioten zu leben.
Wir sind noch lange nicht angekommen und in einigem seit den Achtzigern wieder zurückgefallen. Zu sicher gefühlt, zu sehr gedacht, das ist alles nicht mehr nötig, zu sehr gedacht, es ist doch alles gut. Ist es nicht, sonst wäre ein solcher #Aufschrei nicht nötig. Ist er aber nach wie vor, leider.







