Von der schönen Liebe in Zeiten des Bundestagswahlkampfs

Nicht mehr so oft schreiben. Nicht mehr so viel produzieren. Lieber warten, reifen lassen, sich die Fragen stellen.

Dieser Bundestagswahlkampf beschäftigt mich. Seit geraumer Zeit versuche ich, dahinter zu kommen. Es war mein innerer Plan, verstehen zu wollen und dann darüber zu schreiben. Nun habe ich ein Bild und eine Überzeugung, weshalb die Dinge so kommen, wie sie kommen werden. Das wollte ich dezidiert darstellen und auseinanderlegen. Differenzieren. Insbesondere nach einem Gespräch mit einer Freundin auf Norbert van Ackerens Atelierauflösung am Wochenende. Wir haben über Politik gesprochen und sie forscht in dem Bereich. Ich hatte ein Interview gelesen, das aus ihrem Haus stammt.

Die Dinge gehen auf und wenn man sich lange genug Gedanken macht, weiß man plötzlich mehr. Und dann ist es so banal und kaum mehr der Rede wert. Ich mag darüber nicht mehr schreiben. Mein Stimmzettel liegt bereits im Rathaus und wartet auf Begleitung. Es liegt nicht mehr in meinen Händen und es kommt, wie es kommen muss.

Was wichtiger ist als die Politik, ist die Liebe. Die schöne Liebe. Tun, was getan werden muss, und leben, was gelebt werden kann. Auch wenn sich die Menschen die Parolen an die Köpfe schmettern ist da immer noch das, was uns ausfüllt. Erfüllt.

Es kann nichts passieren, wenn man liebt. Wenn dieses Gefühl bis in die Zehen- und Fingerspitzen geht. Wenn es flutet. Wenn es kribbelt, als wäre man am Anfang des ersten Tages.

Manchmal verliere ich das Wesentliche aus dem Blick. Manchmal lasse ich mich ablenken und mein Geist flieht in merkwürdige Aufgaben, die eigentlich nicht meine sind. Da ist diese Neugierde, der Wille, irgendwo hinter zu schauen, irgendetwas Obskures zu verstehen. Wie dieses Internet, die Social Media, diese politischen Abstraktionen in Washington, Ankara, Mossul, Kobane, Rakka.

Don Quixote de la Mancha.

Fatamorganen. Facebook. Twitter. Die Klarstellungen, Behauptungen, Positionierungen, Kampfansagen, Beleidigungen, Herabwürdigungen, das sich drüber Stellen, Runtergucken, Verachten. Die Versuche, sich gegenseitig zu beleidigen – im Sinne einer vermeintlich guten Sache. Dieser Wahlkampf war langweilig? Er war abscheulich. Als hätten wir alle diese Demokratie nicht verdient.

Die wirklichen Fragen haben wir alle gemeinsam schön ausgeblendet. Wir haben eine Chance vertan, die sich nur alle 4 Jahre bietet. Wir haben nicht wirklich diskutiert, gesprochen. Waren nicht neugierig und offen. Alle wussten schon alles. Wie der Hase läuft und wie es zu geschehen hat. So viele Bundestrainer auf dem Platz.

Ich bin nun froh, dass es vorbei ist und freue mich über die Erkenntnis, das Liebe stärker und wichtiger ist als alle Politik. Sie erfüllt mich und gibt mir allen Grund, sie zu wählen und mich für sie einzusetzen. Ich wähle die Liebe. Die schöne Liebe. Die erfüllende Liebe. Die bewegende Liebe. Die Liebe, die so stark und präsent ist. Die nächsten Tage werde ich auf allen Plakaten nur noch Herzen sehen und Liebesbotschaften. Schreibt, was ihr wollt. Schreit, was ihr wollt. Ich werde Odysseus sein mit verschlossenen Sinnen und offenem Herzen.

Ich liebe dich. In Schwere und Leichtigkeit. Bei Sonne und Sturm. In Italien und im Auto auf dem Weg zu dir. Das ist meine letztliche Erkenntnis dieser Bundestagswahl 2017. Manchmal sind die Dinge so einfach.

DAVIDs DISPOSITION im Kulturhaus Zanders

David Grasekamp stellt aus. In Bergisch Gladbach im Kulturhaus Zanders. Sie haben ihm die Villa gegeben und er durfte. Wie er wollte. Hat er getan.

Was er getan hat, ist wild. Es wirkt. Anders, als man vermutet. Unter DIS-POSITIONEN verspricht er im Ausstellungsflyer Meditationen / Installationen / Objekte zur Malerei. Neben der Beschreibung steht ein Zitat von Ludger Schwarte aus seiner Veröffentlichung Notate für eine künftige Kunst. Unter anderem heißt es da: Eigenschaften der Dinge, Formen, Farben, Gerüche, Tönungen und Töne sind nicht die Grenzen, in denen Dinge eingeschlossen sind, die Differenz zu anderen Dingen, sondern die Weise, wie ein Ding in einem Raum wirkt, die Anwesenheit, die von einem Ding ausgeht.

So.

Wir nähern uns. DAVID hat das auch gemacht. Er hat sich zunächst in seinem bisherigen Kunstleben dieser Ausstellung genähert. Dann hat er für uns Zuschauer und Gäste in einer eindringlichen, sehr ruhigen, besonnenen Einführung Brücken gebaut. Danke. Es braucht den Kontext. Nicht, weil die Werke nicht für sich sprechen. Nein. Weil es um etwas Größeres geht. Das Zitat lässt es schon erahnen, in dieser Ausstellung ist etwas Theoretisches im Konkreten hinterlegt. Es ist eine tiefe Auseinandersetzung mit Kunst und insbesondere mit der Malerei.

Und so kommt es letztlich tatsächlich weniger auf die Objekte an, sondern auf die Botschaft. DISPOSITION. Etwas steht zur DISPOSITION. Es kann gegebenenfalls wegfallen.Ersetzt werden oder einfach auch aufgelöst. DAVID hat die Malerei in dieser Ausstellung dem Betrachter konsequent entzogen. Es gibt keine Malerei von DAVID im Kulturhaus Zanders.

Was macht er da? Er verweigert. Er malt nicht. Da sind weiße Leinwände. Da hängt eine bespannte Leinwand an der Wand und das Tuch ist an drei Seiten herausgeschnitten. Nach vorne gefallen liegt es auf dem Boden. Fast könnte man meinen, das Bild würde einem die Zunge herausstrecken.

In einer Ecke steht ein Bild in schwarze Folie verpackt. Kein Einblick. Auf einer Fensterbank liegen bespannte Rahmen übereinander. Vielleicht 10 Stück. Man ahnt, dass sie schwarz bemalt sind. Das obere zeigt den Rücken. Einblick verweigert. Kein Zugang. Auf einem Paletten-Hubwagen liegen in schwarze Folie verpackte Bilder. Kein Einblick. In einem Raum stehen verschlossene Transportkisten einer Kunstspedition. Verschlossen. An einer Wand steht eine monströse Leinwand. Weiß. Nichts. Nichts?

DAVID fordert die Betrachter. Aber nicht nur das. Er fordert die gesamte Kunstwelt. Was ist diese Kunst heute? Was sind die Kunstmessen in Basel und Köln? Was sind diese bespannten, bemalten Rahmen? Weshalb hat die Deutsche Bank in London dieses museale Foyer mit diesen riesigen Schinken zeitgenössischer Malerei? Ein wenig ist es wie im Fußball. Neymar für 220 Millionen zu St. Germain. Der Baselitz für. Der Beuys. Koons. Richter. Johns. Ein Lehmklumpen für Jonathan Meese. Hände rein, mansch-mansch, verkauft. Das Original.

Was sehen wir eigentlich, wenn wir Kunst sehen? Was sind die Kriterien? Und weshalb wird immer verglichen? Der mit dem. Jenes mit solchem.

DISPOSITION wirkt wie ein Weißabgleich. Alles auf NULL. Das habe ich gespürt, als ich in dem Raum saß. Ein kleiner Raum, zwei Fenster, eine Tür, ein Stuhl, eine weiße Wand und der Betrachter. In diesem Fall ich. DAVIDs Worte im Ohr, die Nicht-Malerei im Blick, die Projektionsfläche von einem Malermeister geweißt. Was weiß ich über Malerei? Was weiß ich über Kunst? In dieser Ausstellung verschwinden die Formen, die gemalten Inhalte, die Pinselstriche, all die Dinge, die zu sehen sind. Keine Farben. Weißabgleich im Kopf, im Hirn. Schaut doch mal hin! Seht doch mal hin! Spürt doch mal nach! Haut euch doch all die Kunst nicht wie Fastfood rein. Schlange stehen am Louvre und dann zur Mona Lisa, 35 Sekunden. Wie war die Mona Lisa? Gut. Echt gut. Schon richtig gut gemalt. Sollte man mal gesehen haben. Wie war die Ausstellung? Was hast du empfunden? Welche Gedanken hast du? Was macht das mit dir? Respekt erweisen. Möglichkeiten nutzen. Denkende, wahrnehmende, mitarbeitende Gesellschaft sein.

Ich mag die Ausstellung DISPOSITION sehr. Sie ist intelligent, sie ist rational auf den Punkt durchdacht und darüber hinaus ist sie hoch emotional, weil sie ermutigt, nachzudenken und nachzuempfinden. Es ist emotional ästhetisch, nicht hinter die Folien schauen zu können. Es ist der Gedanke, dass Kunst nicht liefern muss. Das sie nicht verpflichtet ist, sich uns in Schönheit, Krassheit, Anmut oder Botschaft zu präsentieren. Einen Scheiß muss sie. Nichts muss sie. Sie gehört sich allein und darf sich verschließen und tun und lassen, was sie will. Das ist die Freiheit der Kunst, die gerade beschnitten wird. Auf unterschiedliche Art. Der Streit um die politische Korrektheit und das Verschwinden von Werken, die nicht passen, weil sie anstößig sein könnten in ihren Positionen. Das hat Bedeutung für die Malerei. Das ist eine starke Vorgabe, was auf die Leinwand darf. Und was nicht.

DISPOSITION ist eine kraftvolle Neuausrichtung. DISPOSITION hat mit der Eröffnung am 3. September 2017 etwas sehr Neues erschaffen. Eine Stunde Null. Fangt noch einmal neu an. Die Welt der Leinwände ist weiß und frei und grenzenlos. In der Verweigerung der Farben ist DISPOSITION eine Auslöschung, die mit den wunderbaren Mitteln der Kunst Kunst und seine Konsumenten hinterfragt und inspiriert. DAVID sprach von Dystopie und Utopie. Es gibt eine Verzweiflung und eine Hoffnung. David Grasekamp hat sich dem Thema mit einer immensen Kraft und Klarheit gestellt. Die Ausstellung sollte über die Tate ins Guggenheim ziehen. Aber letztlich ist es egal, wo sie stattfindet. Der Gedanke ist ausgesprochen und in der Welt. Und da gehört er hin. Als Leuchtschrift oben an den Himmel über alles.

Wenn ich wie du Leser dieser Zeilen wäre, würde ich die Gelegenheit nutzen und mir die Ausstellung ansehen. Die Ausstellung läuft bis zum 24. September, hat außer montags und freitags täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Und das Beste: DAVID ist da. Immer. Ansprechbar. Macht mal, geht mal hin. Lohnt sich wie selten.

Weitere Infos hier.

20.000 Meilen unter dem Meer

Ich gebe es unumwunden zu. Ja, ich gestehe mit wehenden Fahnen und der tiefen Überzeugung, dass es nun zumindest genau das Richtige ist.

Ich weiß es nicht.

Ein wenig Irritation liegt in der Luft. Stellt euch vor, ihr seid an einem Ort und alles stimmt, nur eine Sache nicht. Eine kleine Einschränkung. Ein Dorn, eine Fusel, ein kleiner, minimaler Druck direkt unter der Haut. Ein leichtes Kratzen, unangenehmes Berühren.

Man könnte das Visier hinab klappen und sich allem stellen und kämpfen und zerschlagen. Aber weshalb? Nur des Zerschlagens wegen, wo wir doch wissen, dass das nichts bringt?

Nun habe ich geschrieben, ich weiß nicht. Was ich aber weiß, dass diese Zeilen vielleicht unverständlich sind. Mir bleibt nichts anderes als leichtfüßig anzumerken, dass es die Zeiten sind. Man muss reagieren. Muss, muss. Wie sonst? Bitte schön?

Eben in der Hängematte im Garten, ich gebe zu: Nach einem Feierabendbier. Ein Kölsch. Sehr frisch und lecker. Ist es mir eingefallen. So ein Bier fährt manchmal das System runter. Schließt das Mailprogramm, das Präsentationsprogramm, das Denkprogramm, das On-Duty-Programm und manches mehr.

Es hat mir Flügel gegeben und Flossen. Die Hängematte wurde zum Startpunkt, zum Übergang, zu Murakamis Zwischenetage. Abflug.

Ich bin ein Wal. Weit unten zunächst. Ich weiß, dass ich keine Kiemen habe. Es war ein langer Weg hierher. Abtauchen, auftauchen. Stille Stunden des Fortbewegens. Manchmal ist es sehr langweilig ein Wal zu sein. Manche mögen denken, die Weite der Ozeane würde uns zu den glücklichsten Lebewesen der Meere und der Erde machen. Nun. Man kann es sich nicht aussuchen. Es ist ein Instinkt, ein Weg, ein Leben, ein Schicksal. Auch als Wal.

Klagen möchte ich nicht. Nicht wirklich. Gut. Ein wenig. Die Scheiße in Fukushima, all dieses Plastik, diese verfickt lauten Containerschiffe. Wieso werden da dauernd Sachen von A nach B nach C transportiert? Egal. Ich kenne meine Routen. Umwege. Früher war es anders. Egal.

Irgendwann dann, es dauert, bin ich da. Unter dem Eis wo niemand hinkommt. Ich weiß lange vorher, dass es kommt. Dann tauche ich ab. Sauerstoffgefüllt bis hintengegen. Alles was geht. Ich lasse mich sinken, werde ruhig, langsam. Teile mir den Sauerstoff ein und denke, irgendwann werde ich es nicht mehr tun und hier bleiben. Über mir das Eis, das Licht durch das Eis, die Ruhe. Ein Sonnenstrahl von irgendwo her. Ich bleibe ruhig, höre auf, mich zu bewegen. Es ist unendlich. Es gibt Stellen, da ist man wirklich allein und spürt, wie gut das ist. Einsamkeit ist auch ein Losgelöstsein. Frei schweben, im Ich bewegt. Es ist ein zartes Gefühl.

Entschwinden. Die Reise geht weiter. Als Mönch irgendwo. Tibet, Himalaya. Eiskalt, der Winter, nur eine Höhle. Die Meditationskiste mit Fell und dieser Decke, die alles ist zwischen Leben und Tod. Wenige Vorräte, manchmal ein Feuer, ein Tee. Die Zeilen des Mantras. Reinigung, Befreiung. Om bensa sato samaya. Das Leuchten, die Vision, die Nähe, die Klarheit. Wissen, wie die Dinge sind. Entfliehen können, sich stellen. Im Angesicht. Die Dämonen, die Retter, die Wirklichkeit in sich.

Entspringen, weiterziehen. Segler über die Meere, Rodeoreiter, das Lasso, die Zügel, die Sporen, der Sattel, die Schmerzen, der Wille, am Ende des Tages, eine Geschichte erzählen zu können. Am Feuer, an der Bar, in den Armen einer anderen Frau. Nicht denken, nicht planen, nicht wollen, als Mönch in einer Höhle in Tibet, als Wal unter einem Meer aus Eis.

Es ist ein Fortwährendes. Springendes. Nichts bleibt wie es ist. Wie soll man es sonst sagen? Ich bin dieser Mensch, der aus der Stratosphäre auf die Erde fällt. Mit Anzug und Sauerstoff und Schirm. Ein Abenteuer, eine Lust, ein Wagnis sondergleichen. Nicht alles lässt sich vorhersagen, berechnen, antizipieren. Schließlich ist der Teufel ein Eichhörnchen und Helden sterben durch Nichtigkeiten. Manchmal ist der Tod nur eine Büroklammer weit entfernt, ohne, dass wir es wissen und manchmal ist es weniger als ein Hauch.

Ich bin ein Vogel. Mein Lieblingsvogel. Nun könnte ich eine Liste nennen. Da ist die Elster, die nicht gemocht wird, obwohl sie so schön ist. Die Krähe, der es genauso geht. Beide mag ich. Die Elster wegen ihres edlen Gefieders und der schönen Nester. Die Krähen wegen ihres exaltierten Auftretens. Sie sind Outlaws, die tun, was sie wollen. Sie zanken, streiten mit Bussarden, kreischen und fliegen abends als Gang zu den Schlafplätzen. Sie verabschieden sich spät in die Nacht. Und manchmal, wenn man sich mit ihnen gut stellt, verteilen sie sanfte Geschenke. Man muss ihnen die Chance geben, sich zu erkennen zu geben. Wer macht das schon?

Ich bin ein Rotmilan mit feiner Zeichnung im Gefieder. Meine Schwingen erlauben es mir, Akrobat zu sein. Im Zusammenspiel mit meinem wendigen Heckruder. Ich drehe den Schwanz ein und gehe in die steile Kurve. Es ist mir eine Lust zu fliegen, zu gleiten, Pirouetten zu schlagen. Ich danke für alles, was mir gegeben wurde. Manchmal möchte ich Wal oder Mönch sein, aber Rotmilan bin ich am liebsten.

Es ist eine edle Reise, die manchmal verlangt, die Augen zu schließen. Nicht alles ist Gold in Panama. Und dennoch. Sein ist alles. So schön es ist.

INTERSTELLAR 2 2 7 und die SUPERNOVA in Köln

„Eine Supernova (Plural Supernovæ, eingedeutscht Supernovae oder Supernovä) ist das kurzzeitige, helle Aufleuchten eines massereichen Sterns am Ende seiner Lebenszeit durch eine Explosion, bei der der ursprüngliche Stern selbst vernichtet wird. Die Leuchtkraft des Sterns nimmt dabei millionen- bis milliardenfach zu, er wird für kurze Zeit so hell wie eine ganze Galaxie.“

Muss man dann auch nochmal nachlesen im Wiki. Und INTERSTELLAR ist die Sache mit irgendwo zwischen den Sternen. Flieger, grüß mir die Sonne, grüß mir die Sterne und grüß mir den Mond. Nehmen wir die Ingredienzen und packen sie in den Mixer und drücken PUSH. ZACK. Aus der kleinen Schublade unten ziehen wir die Summe unserer Sehnsüchte des Moments.

Können wir Kunst ohne das betrachten, das um uns herum geschieht? NRW-Landtagswahl, old Mc Donald Trump, Syrien. Zwischen den Sternen, im Raum. Leben und Wirken in 3D. Der Himmel über uns, die Sterne so weit. „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ Die Träume kehren zurück und landen hart auf dem Boden der Tatsache. Wenn die Zeiten verwaltet werden, wenn die Hoffnung darin liegt, dass es irgendwann einmal wieder andere Schlagzeilen gibt. Leben im Postideologischen. Vakuum im Denken. Fokussierung des Materiellen. Make irgendeinen Scheiß great again.

Theater der Keller in Köln. Es geht einige Stufen hinunter an der Bar vorbei, an der wir die vorbestellten Karten abholen. Wenn ich nach all den Jahren Theater betrete, kehrt dieses alte Raum-Zeit-Gefühl zurück, die tiefer gelegten Erinnerungen. Das Luftflimmern der Premierenabende. Alle sind da. Die Freunde, die Kunstliebenden, die sich auf das Abheben in andere Welten freuen. Den Countdown in sich tragen, die Bereitschaft, die Atmosphäre zu verlassen und gegebenenfalls beim Wiedereintritt zu verglühen.

Die erste Reihe ist bedenklich frei, als ob es um die Platzverteilung am ersten Tag nach den Sommerferien geht. Nun. Weshalb nicht. Direkt rein, mittendrin, eintauchen. Die Lichter gehen aus, es wird dunkel. Die vielverheißenden Bühnenrequisiten verschwinden im Nachthimmel. INTERSTELLAR, oben die langsam aufleuchtenden Sterne des Theaterhimmels. Barbara Schachtner betritt den Raum. Im Sternengewand. Weite weiße Bluse, später eine Videoleinwand, silberne Hose, rote Augenbrauen, ein Notenblatt auf den Rücken geheftet, auf dem die kleinen bekannten runden Kreise fehlen. Irgendwie sind es andere Zeichen. Neue Musik. Wir sind in einem anderen Universum. Dorrit Bauerecker betritt den Raum. Kastagnetten klacken, Absätze. Pfeiftöne, Mundlaute. Minimalismus, jeder Ton zählt.

Die beiden sind das, was man Vollblutmusikerinnen nennen könnte. Dazu sind sie Schauspielerinnen, Freundinnen, Video- und Performancekünstlerinnen, die sich im Raum bewegen, tanzen, und Frauen, die künstlerisch Neuland betreten. Zu den Sternen fliegen. Sich nicht auf das Bestehende verlassen, das Bestehende nutzen, um Gas zu geben.

Und so geschieht an diesem Abend alles auf der Bühne. Die Sinne sämtlich bekommen ihre Goodies und dürfen sich im Raum fallen lassen. In immer neuen Konstellationen und starken Bildern entfaltet sich das Geschehen. Die SUPERNOVA in Bild und Klang. Konzert, Performance, Rauminstallation. Vieles könnte man in Skulpturen einfrieren. Loops sind zu hören, Stimmen. Barbara dreht sich mit Dorrits kleinem Klavier in den Armen und Dorrit spielt darauf. Planeten kreisen umeinander. Ein riesiger Lampenreflektor wird zum grün erleuchteten Singrohr, in dem Barbaras Gesicht und Stimme erscheinen. Die Sonne im Raum, die SUPERNOVA, eine der SUPERNOVAS des Abends. Alles ist sehr dicht, kompakt inszeniert. Zum Klang kommt noch ein Bild, noch ein Licht, noch eine Bewegung, noch ein Miteinander.

Es ist ein tolles Licht, es sind faszinierende Bilder, es sind neue Kompositionen und Lieder. Die Reise durchs All dauert die Minuten über eine Stunde hinaus lang. Dichte Minuten in immer neuen interstellaren Klanginstallationen. Die Melodika wird zum Klavier. Barbara sorgt mit einer großen Luftpumpe für den nötigen Atem, Dorrit spielt. Sie spielen, die beiden. Mit dem Klavier, dem Keyboard, dem Mini-Klavier, mit den Stimmen, mit allem. Mit dem rauschenden Radio auf der Steele. Die Zackbox mit den leuchtenden Lampen. Im Zusammenspiel und Zusammenklang sind es die Kompositionen der Zeit, die Geräusche unseres Lebens, eine Reflexion des Gegebenen.

Zwischendurch sehe ich Dorrit ein Notenblatt zur Seite legen. Ich weiß nicht, wen oder was die beiden spielen. Es ist nicht wichtig, es sind nicht die Namen. Haydn & Co. KG. Es ist der Mut, der Zeit vorauszueilen, das ganz Eigene zu machen. Das nie zuvor Dagewesene. Im interstellaren Raum sind es nicht die Interpretationen, es sind die neuen Begegnungen. Das ist das Inspirierende.

Am Ende das Lied, in dem es darum geht, das zu tun, was man liebt. Ein Universum, in dem mehr Supernovas aufleuchten bis zum Verglühen.

Wir konnten dann noch den Abend gemeinsam verbringen. Die Bühne aufräumen, INTERSTELLAR 2 2 7 für die folgende Tournee in Autos räumen, Premierenfeier im Foyer, weiter in ein Restaurant… Ein beseelter Abend. Ein weiteres Stück Interstellar auch in mir. Das ist gut.

Barbara Schachtner: Stimme, Gesang, Looper, Video
Dorrit Bauerecker: Klavier, Akkordeon, Toypiano, Melodika
Sandra Reitmayer (Regie), Sabine Seume (Coaching in Choreographie), Norbert van Ackeren (Bühnenausstattung)

Alles neu macht der Mai, alles…

Mögt ihr auch dieses junge Blättergrün? Diesen heillos optimistischen Farbton, der in seiner gänzlichen Zartheit so vor Willen und Kommendem strotzt? In etwa so wie Kirschblüten, nur noch ein wenig realistischer. Nicht ganz so märchenhaft.

Früher habe ich ihn überwiegend in dem Buchenwald unten im Maikäfertal wahrgenommen, nun in Essen Werden. In den Wäldern der grünen Hauptstadt Europas. Steht hier überall. Nun. Wenn das mal nicht mit der Reinwaschung eines hier heimischen Strombetriebs zu tun hat, dessen Kohlkraftwerke mehr Schatten als Licht verbreiten. Aber es ist Mai und es war von Optimismus die Rede.

So lassen wir ihn zu Wort kommen. Auf meinen Streifzügen durch Facebook habe ich einen Interviewausschnitt aus einer Talkshow gesehen, in der sich Claas, der von Joko, über Europa und die Zukunft äußerte. Er sprach davon, 1983 geboren zu sein und zu einer Generation zu gehören, die bislang dachte, die Politik samt Demokratie und Europa käme mit der Post. Seit den politischen Volksentscheidungen im angelsächsischen Raum sieht das nun anders aus. Demokratie ist gar nicht so einfach und strikt, wie man denkt. Und ja, wenn sie nicht gepflegt wird, oh, bekommt sie ein Haltbarkeits- und Verfallsdatum.

Es ist an der Zeit. Als unbelehrbarer Optimist und Mensch, der sich Strohhalme zu Bäumen redet, glaube ich fest an das Sprießen von Hoffnung. So Schritt für Schritt erreichen wir den Zenit der dunklen Kräfte. Das sich Überstülpen der schwarzsehenden Mahner und Warner macht so wenig Spaß und verdirbt dermaßen die gute Laune allerorten, dass sich diese Erscheinung hoffentlich bald auflöst. Was immer dieses Breitmachen von Frust und Enge auch bedeuten mag, möge es sich jetzt wieder zurückziehen. Braucht kein Schwein.