1986. Aber Jungen weinen doch nicht. Boys don’t cry. Gestern hätte ich gerne geweint. Nach dem Tag zuvor hatte sich ein großes Loch aufgetan und das Sicherungsgerüst wankte. Mehr Beton, mehr Beton. Aber nein. Das ist wohl so. Normal. Dann haut es mich eben um.
Es war ein komischer Tag, der sich so gar nicht gut angefühlt hat. Nichts hat geholfen. Bin rumgeeiert. Hätte mir jemanden gewünscht, der mich schnappt, in den Arm nimmt. Kurz hält. Losheulen. Job. Kinder. Aufgaben. Kochen. Küche aufräumen. Es geht weiter. Da saß ich also unten in dieser Kuhle und habe überlegt. Wie komme ich da raus? Ist so dunkel dort unten, so einsam, so ruhig. Die Kraft war für einen Augenblick weg, die Tanks leer. Ich muss ein wenig mehr essen.
Ich habe gearbeitet, geschrieben, überlegt, entworfen, konzipiert, ein Angebot geschrieben. Zwischendurch habe ich mir viele neue Leute in Facebook geladen. Einfach mal wahrlos „Freunde“ gedrückt. Gucken, was los ist in der Welt. Bin auf neue Musik gestoßen. Auf einen Musikkanal im Netz. TVnoir. Berlin. Singer-Songwriter. Alin Coen.
„Komm mit mir mit, wir geh’n. Irgendwohin und dann. Schauen wir hoch und seh’n uns die Wolken an. Ich nehme dich bei der Hand und ziehe dich hinter mir her ich frage mich: Warum fällt das so schwer, ich glaube, du willst nicht mehr.“
Tröstliche Stimme. Frauenstimme, so weich. So haltend. „Ich nehm deine Hand.“ Tatsächlich. Das wäre schön gewesen für den Augenblick.
Ich habe dann angehalten. Bin kurz aus meinem Leben ausgestiegen. Bin runter ins Maikäfertal, den Bach entlang und rechts Richtung Norden. Die Sonne stand über dem Berg, da war diese Stelle im Wald mit trockenem Moos. Da habe ich mich hingelegt. Das weiche Moos im Rücken, die Sonne im Gesicht. Hawaii. Urlaub. Weg. Weg dachte ich. Drei Jahre Indien. In ein Kloster meiner Linie. Meditieren. Ganz ruhig werden. Entscheiden, was ich mit dem Rest meines Lebens anfange.
Zurück in die Schule. In mein Zimmer. Aufs Bett. Damien Rice. Laut. Abgeflogen. Zurückgekehrt. Alles wieder gut. Hochgeflogen, das Loch unter mir gelassen. Gestern Abend lange meditiert. Eine Meditation, die reinigt. Spuren verwischt. Auflöst. Ein starkes Mantra mit 100 Silben. 108 mal gesprochen. Danach ist Ruhe im Karton. Die Welt steht still, alles ist an seinem Ort, die Aufregung gegangen. Heute Morgen bin ich um sechs Uhr aufgestanden. 240 Verbeugungen. Körper, Rede und Geist verbinden. Das schafft Klarheit. Die Bilder gehen.
Jetzt geht es wieder. Gut. Und ich bin wieder O.K. An die Arbeit. Ein ganz schönes Auf und Ab. Wer hätte etwas anderes erwartet? ICH. Alter Optimist. Schönschreiber. Ich mag es einfach, wenn die Dinge an ihrem Platz sind. Wenn es Sinn macht, ästhetisch ist. Leicht. Ich wiege jetzt 61 Kg bei 164 cm Körpergröße. Das ist sehr angenehm. Gehen ist tänzeln. Jetzt esse ich wieder.
Und hier noch ein Video. Adele. Der schöne Augenblick, in dem sie entdeckt, dass die Kamera da ist. Das Lächeln, die Grübchen, das sanfte Wegdrehen des Kopfes. Enjoy. Mach ich auch:) Jetzt.
