Fotoprojekt TUMBLING Zwei/12

Gestern habe ich nicht gebloggt. War in einem Konzept verloren gegangen, das nicht aufgehen wollte. Arbeit. Stunden.

Augenblicke, die wie Verlorengehen wirken. In der Zeit, den Umständen. Der Kopf arbeitet, arbeitet, will, macht, tut, kriegt die Tür nicht auf. Mit dem Rücken an der Wand niedersinken, den Kopf in die Hände. Sekunden. Aufstehen, durchatmen, die Tür eintreten. Scheiß drauf, dann eben so. Plan x3einhalb.

Heute Morgen. Kopf ruhig, ein Abend mit Jim, sonst keiner da. Wir haben Spiderman geguckt. Die Zeit genossen. Gemeinsam. Wenn Vater und Sohn sich haben. Ich würde diese Momente gerne als Riechproben in Einmachgläsern für später aufheben. Die inneren Stasimethoden des Einfangens. Wie oft würde ich gerne meinen Erinnerungsmodus updaten, das was war, als Bild, Geruch einfangen, behalten, konservieren. Momentan schaue ich zu, wie die Erinnerungen des Sommers entgleiten. Davonsegeln wie die Zugvögel. Wie aus Gewissheit, Bildern, Wahrem, Anmutungen, Verschwommenheiten werden (welches Komma zählt in diesem Satz?). Ich weiß, es war doch da. Dieses Gefühl. Gehen lassen, auch das.

TUMBLING. Stolpern. Zwischenzustand. Zwischen aufrechtem Gang und Fall. Zwischen Selbstbewusstsein und in Frage stellen, Sicherheit und Zweifel.

Ein neues Fotoprojekt. Sagen wir mal, ich nenne mich jetzt einfach Fotokünstler. Ich habe es dir kürzlich verraten, dass ich ein Wort für mich habe. Nun sage ich es der Welt: HYBRID. Eine Mischung, ein Bastard, Straßenköter, Tausendsassa. Worte, Bilder, Wollen. Die Egomanie der Kunst. ART. Flucht, Fluch, Ringen im Sender-Empfängermodell des Austausches, der permanenten Kommunikation.

Es entstehen Serien. Eine davon: TUMBLING Zwei/12. Für mich, für euch, für die Sozialprojekte des Internets. Blog. Facebook, Twitter – mein Museum, meine Öffentlichkeit. Macht Spaß, ist lebendig, ist Gespräch, Widerhall. Wir alle tumblr’n. Fallen, stürzen, taumeln. Zwischenzustände auf dem Weg. Noch nicht dort, nicht mehr hier. Aufprall in wenigen Millisekunden. 10, 9, 8…

We are on the run. Und auf dem Weg. Es läuft, es fällt. Mal bist du oben, mal bist du unten. Gilt für alle. Ne, Barack Obama. Gestern noch gewählt, heute schon wieder am Abgrund. All we need is love. Um uns aufzufangen, wenn wir stolpern. Arme sind eine gute Erfindung. So long.

Lone. Not alone. Totally not alone. Fotoarbeiten von Jens Schönlau.


Lone. 2012

Gestern war ich in Siegen im Museum für Gegenwartskunst. Ein sehr schönes Museum. Unter anderem war eine Fotoausstellung zu sehen. Sehr inspirierend, was Fotokünstler so machen und wie sie präsentieren und kombinieren und verändern. Im Treppenhaus hingen schon zwei große Gurskys. 1991. Blick in eine Fabrikhalle. Ich glaube, eine Näherei. Große Holzrahmen, Passepartouts, Glas. In der Ausstellung gab es Rahmen, Prints auf Acrylglas oder Alu-Dibond, so, wie das heute gemacht wird. Sehenswerte Arbeiten alle aufwändig in Museumsqualität präsentiert. Und inszenierte Fotos. Dias, Diaprojektoren, Überlappungstechnik. Alles sehr spannend.

Am Eingang hatte ich gefragt, ob ich fotografieren dürfe. Ja, sagte die sehr nette Dame, aber verwenden dürfen sie die Fotos nicht. Bitte hier unterschreiben. Danke. Jetzt habe ich hier wirklich schöne Fotos, aber zeigen darf ich sie nicht. Höchststrafe, Haus, Hof, Hund weg. H hoch 4. Copyright. Kunstprozessdiebstahl.

Nun möchte ich das Verbot aber doch umgehen. Zwar habe ich unterschrieben, aber ich werde keinen Kunstdiebstahl begehen und das anders machen. Juristisch, menschlich, improvisierend (gesehen). Ich zeige meine eigene Kunst, meine eigenen Fotografien, die nichts zitieren. Die nichts Verbotenes abbilden. Die keinem Künstler etwas wegnehmen. Und dem Kunstmuseum schon gar nicht. Es geht um meine Arbeiten Lone, Not alone und Totally not alone. Es handelt sich um zeitgenössische Garderobenfotografie als Metapher für das Miteinander und Nicht-Miteinander in Gesellschaft und im Prozess der Kunsterschaffung. Quatsch, klar. Es sind drei Fotos, die eine kleine Serie bilden und die ich euch zeigen möchte. Die würde ich auch gerne im Museum für Gegenwartskunst in Siegen sehen.

Weil das nicht möglich ist, weil ich kein Kunstfotograf und schon gar kein bekannter bin, mache ich heute den fiftyfiftyblog zu meinem Museum für Contemporary Art und eröffne die Ausstellung ohne Worte. Willkommen. (Ich wollte immer schon einmal was ausstellen. Mann, wozu so ein Blog doch gut ist.)

Lone. Not alone. Totally not alone.


Not alone. 2012

Totally not alone. 2012.

Nosbach-Night-Blogging

Also wirklich.

Die Uhr zeigt ziemlich spät und bisher bin ich nicht dazu gekommen, den Blog zu füllen. Dienstag nicht. Mittwoch nicht. Dabei… Ja. Dienstag hätte ich gerne über Glen Hansard geschrieben. Über das Konzert in Frankfurt. Da war ich mit meiner besten Freundin. Allerbesten Freundin. Zwei Karten. War sehr schön. Glen mit 13 Musikern/innen auf der Bühne. Komplettes Programm.

Nun waren wir erst mitten in der Nacht zurückgekehrt, hatten kaum Schlaf bekommen und am Dienstag hatte ich zwei Kundentermine und Kinderdienst. 6 Uhr. Heavy. 1o Uhr erster Termin, inklusive fahren. 14 Uhr der nächste. Eine Agentur hatte mich gebucht, meinen Senf dazu zu geben. Konzeption. Ideen. Hellwach. Sich konzentrieren, genau zuhören, in den Kreativmodus schalten, Glen ausblenden, die inneren Prozessoren füttern. Kam was raus. Puh. Geht doch nichts über Handwerk und Erfahrung.

Heute Morgen wieder Kinderdienst und einen Tag in der Agentur. Kurz nach acht Uhr Abfahrt. Vorher mit Cooper raus und den Schlaf nachholen. Schön am See entlang. Mit Kamera diesmal. Kurze Fotopause. Klick. Gearbeitet. Nach Hause. Kinder, Ela, Vorbereitung des Abends, weil zwei Freundinnen kamen, um Ela zum Geburtstag zu gratulieren. Vorher eine Runde mit Cooper – runter zum Bach.

Es ist viel gerade. Zwischendurch Mails. Mein Freund Andreas hatte einen Pilz gegessen, von dem er nicht wusste, ob. Er hatte mich als „Pilzexperten“ gefragt: Kann man den essen? Per Mail und Fotoanhang. Ich meinte: Never!!! Weil, wenn du den nicht kennst, ist das scheißegefährlich und ich kann per Mail und Fotoanhang nix sagen. Die Farben, die genaue Form. Alles. Genauso ungenau wie jedes, jedes Pilzbestimmungsbuch. Sicheres Pilzwissen kann nur anhand von konkreten Pilzen von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Ein Nachbar hat mir alle Details von Farbe bis Form erklärt. Das muss man gesehen haben. Live. Er hatte schon gegessen. Manchmal sagt man ja, die Hoffnung stirbt zuletzt… Bei Pilzen ist das anders. Es war kein Knollenblätterpilz, der die Leber versagen lässt. Never, bitte, never. Keine Pilze, von denen man es nicht hundertprozentig weiß. Pilze können einen definitiv umbringen.Ich habe es nur zwischendurch geschafft, ihm zu mailen und zu antworten. Schande.

Morgen bin ich wieder in Köln in einer Agentur. Weiß gar nicht, was los ist. Früher habe ich immer Zuhause gearbeitet. Der Wandel, der Wandel. Komme ich also wieder nicht zum Bloggen, weil ich kurz vor Acht auf der Autobahn bin. Das Doofe ist: Wenn ich so viel arbeite, gibt es auch nicht viel zu berichten. Passiert ja nix außer Arbeit. Mensch.

Müsst ihr euch an die Fotos halten. Der See, an dem ich entlangfahre und der Bach, die kleine Wiehl unten im Maikäfertal.

Ich wünsche euch einen schönen Donnerstag. Viel Spass. Am besten Wetter genießen, denn nächste Woche soll es schneien… Die Nachbarn montieren wie blöd Winterreifen. Böse Vogelzeichen…

P.S. – ich hoffe, die Fotos sehen auf euren Bildschirmen O.K. aus. Bearbeite die gerade am Laptop, was nicht so richtig anzeigt, wie es aussieht. Kommt auf den Blickwinkel an. Sie könnten also überzeichnet sein in Farbe und Kontrast.

Unperfekt ist perfekt


Foto: Jim Richter

Nobody is perfect!

Sagen wir so lapidar, wenn irgendetwas schief gelaufen ist. Als Entschuldigung und Trost, um letztlich zu zeigen, dass wir alle in einem Boot sitzen und das Schiefgelaufene jedem passieren kann.

Mir persönlich fällt seit geraumer Zeit auf, dass mir das Unperfekte zunehmend gefällt. Die Unperfektion scheint mir ein Segen zu sein, weil sie Raum gibt. Wenn beim Paartanz nicht jeder Schritt stimmen muss, wenn die Perfektion nicht zum Zwang wird, die als Gewicht auf den Schultern lastet. Wenn es leicht ist, easy, unperfekt. Jenseits der Vorstellung von 100%.

Denn woher kommen diese Skalen, die verlangen? Die erfüllt werden wollen? In allem, was wir tun? Wenn ich in die Zeitung schaue, um nach Stellenangeboten für freiberufliche Texter zu gucken, lese ich oft auch andere Stellenanzeigen. Was da so verlangt wird, ist der Hammer. Beste Qualifikationen, Auslandserfahrung, Mehrsprachigkeit, alle Softskills plus Stressresistenz. Kurzum: Perfektion auf ganzer Linie. Was für eine Vorstellung. Allein die Annahme, es würde stressresistente Menschen geben. Ich denke, es gibt Menschen, die ihren Stress vielleicht länger verbergen können als andere, aber resistent ist niemand. Das ist ja das Wesen von Stress.

Ist doch viel besser, unperfekt zu sein. Ganz ehrlich. Zuzugeben, das Stress nervt. Menschlich. Und dann eben zu schauen, wie man mit dem Stress umgeht. Ich denke, wir hängen in vielen Bereichen die Messlatte zu hoch und scheitern dann im Vergleich. Weil wir Erwartungen nicht erfüllen, die überzogen sind. Eigene Erwartungen, die im schlimmsten Fall ans Zwanghafte grenzen.

Wie schön ist es, wenn alles unperfekt sein darf. Menschlich. In den Erwartungen runtergekocht. Wenn das Tier einer perfekten eigenen Welt nicht täglich gefüttert werden muss. Das berühmte, so leicht gesagte Loslassen. Die Konzentration auf das Wesentliche, das Menschliche, das Miteinander. Weil Perfektion im Alltag eben auch trennt, weil sich Perfektion permanent abhebt und Distanz zwischen Menschen schafft, weil Perfektion der ständige Versuch ist, besser zu sein als andere. Das haut Schneisen ins Miteinander. Versucht, sich auf die Schultern der anderen zu stellen, um herabzublicken.

Gestern habe ich mit einer Freundin gesprochen, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hat und nun in einer neuen Wohnung wohnt. Keine Küche, kein Sofa. Sie meinte lapidar: Ich guck mal in ebay. War ihr nicht wichtig, was da jetzt hinkommt. Back to the Roots. Mehr Second-Hand. Genauer hinsehen, was Wert und Wichtigkeit hat. Die Geister des eigenen Perfektionswahns aufspüren und ziehen lassen. Adieu. Ballast abwerfen, leichter werden. Entspannter. Menschlicher. Freundlicher. Ansprechbarer. Distanzen auflösend, statt schaffend. Eine lohnenswerte Aufgabe mit echter Rendite, die sich auszahlt.