JA! Ein Lyriker. Nobelpreis für Literatur geht an Tomas Tranströmer.

Ja! Ja! Ja! Seit 1996 der erste Nobelpreis für Literatur, der an einen Lyriker geht. Ich freue mich. Für die Lyrik und für Tomas Tranströmer, von dem ich bislang nie gehört habe. Ich wusste nicht, dass es diesen schwedischen Gedichteschreiber gibt, der nun 80 jahre alt ist und es geschafft hat, in den Literatenolymp aufzusteigen. Komme gerade von den Seiten der deutschen Kulturpresse. Die wissen schon alles. Wie die das immer machen? Wahrscheinlich vorgeschrieben.

Tranströmer ist 1931 geboren und hat 1954 mit „17 Gedichte“ seinen ersten Lyrikband veröffentlicht. Es folgten ein kanppes Dutzend weitere. Gerne würd ich jetzt eines seiner Gedichte hier präsentieren, kann das aber aus Rechtegründen leider nicht. „Die Zeit“ kann es und macht es – dort findet ihr zum Beispiel sein Gedicht April und Schweigen. Lest dort selbst. Was soll ich lange drum herum schreiben und beschreiben, wenn Tomas Tranströmer selbst zu Wort kommen kann. Und wenn „Die Zeit“ schon einen so guten und schönen Bericht geschrieben hat.

Alle – Zeit, Spiegel, FAZ und die anderen üblichen Verdächtigen – schreiben von seiner sprachlichen Reduktion bei gleichzeitiger sprachlicher Verständlichkeit. Einer, der eine Metapher auf den Punkt zu bringen weiß. Ganz, ganz einfach. So lange gesucht, bis es stimmt. Nehme ich an. Der Meister der Verknappung, wie er an mehreren Stellen im Netz genannt wird.

Tomas Tranströmer konnte von seiner Lyrik nie leben, auch wenn einer seiner Gedichtbände 30.000 mal in Schweden verkauft wurde. Ein gigantischer Erfolg. Damals. Mein Besuch der Lyrikabteilung von Dussmann in der Friedrichstraße in Berlin hat mir gestern deutlich vor Augen geführt, wo Lyrik heute steht – hinten in der Ecke in einem kleinen Extraraum – gut geschützt vor Kunden. Eine heilige Halle, eine Krypta. Viele, viele alte Werke von längst Verstorbenen. Tranströmer hat als Psychologe gearbeitet. Unter anderem. Er hat geschrieben und sein Geld in anderen Berufen verdient. Nun überweist ihm das Nobelpreis-Komitee über eine Million Euro. Jetzt, wo er 80 Jahre alt ist und von mehreren Schlaganfällen gezeichnet. Aber, als die Mitteilung kam, sagte er: „Die Schreibstube ist noch nicht geschlossen.“

Es wird ihn gefreut haben, dass sein Telefon geklingelt hat. Weil er bereits seit 1973 darauf wartete, als er zum ersten Mal im Gespräch war. Als man munkelte, in Schweden hoffte. Nun ist es passiert. Am hellichten Tage. Tomas Tranströmer: „Und alles ist ohne Antwort und heftig, wie wenn im Dunkeln das Telefon klingelt.“ (aus: Geheimnisse auf dem Wege, 1958)

Sein Gesamtwerk gibt es übrigens bei Amazon für 19,90 Euro. Ich habe es mir eben bestellt. Ich freue mich darauf, Tranströmer zu lesen. Kennenzulernen. Yep.

Berlin mit Glen Hansard, Durs Grünbein, E.E. Cummings & Ela

24 Stunden. Ein Tag in meinem Leben. Dienstag sind Ela und ich in Köln-Bonn losgeflogen. Wir haben uns einen Ausflug gegönnt. Die Kinder bei Freunden gut untergebracht, Cooper bestens versorgt und wir auf und davon.

Ein herrlicher Tag in Berlin. Für den Abend hatten wir Karten für ein Glen Hansard Konzert im Festsaal in Kreuzberg. Zuletzt hatten wir ihn zusammen mit Markéta Irglová in Düsseldorf gesehen. Nun machen beide Solotourneen, weil sie beide wieder solo sind. Zumindest nicht mehr gemeinsam zusammen. Wen es interessiert, hier die beiden in ihrem gemeinsamen Film Once (gab es den Musik-Oscar für) – zumindest im Trailer.

Wir sind in Schönefeld gelandet und sind erst einmal mit der S-Bahn in die Stadt gefahren. Sushi essen. In Mitte in der Mittelstraße. Happy Hour mit günstigen Mittagsmenüs. Es gibt Tee, frischen Ingwer, leckere Sushis. Danach ins Hotel: Gat Point Charlie in der Mauerstraße in Mitte. Frische, neue, schöne, fröhliche Zimmer. Junges Design, herrliche Betten. Alles sehr inspirierend.

Den Nachmittag sind Ela und ich verliebt durch Berlin gestromert. Ela hat in der Nähe der Hackeschen Höfe in ihrem Lieblingsschuhladen ein Paar wunderschöne braune Schuhe gekauft. Italienische. Festes Leder. Braun. Sie kam in den Laden, dessen Besuch auf der Liste ganz oben stand, und wusste gar nicht, wo sie zuerst und wo sie zuletzt schauen sollte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Modelle sie anprobiert hat. Ich saß da, schaute zu, freute mich. Es kamen noch andere Frauen in der Zeit in den Laden und alle reagierten gleich. Staunen, Überraschung, anfassen, aussuchen, Größen kommen lassen. Überall standen Kartons, Papier flog herum und dazwischen saßen Männer und konnten oder wollten das Klischee nicht glauben. Es war schön, das zu sehen. Das in den Schuh Schlüpfen des Fußes, das Ausprobieren, Auftreten, die Hose heben, den ganzen Fuß betrachten, schlendern, drehen… Immer und immer wieder. Ein besonderer Schuhladen.

Mit den neuen Schuhen durch Berlin – was hat sie sich gefreut und immer wieder gesagt „Jens, schau mal, ich habe neue Schuhe! Sind die nicht schön? Und so gemütlich.“ Ihr hättet diese Freude, dieses Lächeln, Lachen sehen sollen. Schuhe sind Glücksbringer. Wir haben uns dann in der Strandbar Mitte an die Spree gesetzt. Haben einen Aperol getrunken, auf die Museen geschaut und haben uns gefreut. Auf dem Heimweg ins Hotel sind wir noch auf der Friedrichstraße zu Dussmann Das KulturKaufhaus rein. Ich wollte mir Lyrik kaufen und habe es auch getan: Erich Fried, Gedichte und Durs Grünbein, Liebesgedichte. Ela hat mir dann heimlich auch noch ein kleines Büchlein gekauft und verpacken lassen. Wie sie das immer macht? E.E. Cummings, erotic poems. Mit diesem Buch hat es eine besondere Bewandtnis, die 20 Jahre zurückliegt. Ein Buch als Zitat. Hat mein Herz berührt.

Wir sind dann ins Hotel, haben uns in die Bar gesetzt, haben einen Latte Macchiato getrunken und gelesen. Gedichte. Gedichte in einer Bar in der Mitte Berlins. Ich glaube, ich hätte dort die Nacht verbringen können mit Ela und den Gedichten. Mein Kopf fing schon an zu spinnen und hörte den ganzen Abend nicht mehr auf. Chaos, Feuerwerk, Blitze in den Serpentinen meiner Hirnwendungen. Drei Gedichte sind in der Anlage entstanden. Ich bin gespannt, ob ich sie schreiben werde. Das Gefühl ist noch da, der Corpus, die Bilder. Zu viel. Zu viele Eindrücke. Overload.

Mit diesem Gefühl in meinem Kopf bin ich dann, sind wir zu Glen nach Kreuzberg. Er hat sich fast drei Stunden die Seele aus dem Körper gesungen. Dieser verrückte Ire. Drei Saiten sind ihm gerissen. An seiner alten Gitarre, die er durchgespielt hat. Auf dem Holzdeck prangen große Löcher, die er dort hineingespielt hat. Es war ein so beseeltes Konzert. Was für ein Tag. Den Part von Marketa in Falling Slowly hat ein kleines Mädchen aus dem Publikum übernommen, das er auf die Bühne geholt hat. Eine Frau saß im Publikum, die hatte er am Morgen an einer Tankstelle getroffen. Sie hatte ihn angelächelt, er hatte sie angelächelt, dann hörte er seine Stimme aus dem Radio ihres Autos… Als eine Frau nach einem Song den Saal verlassen wollte, hat er für sie gesungen, um sie zum Bleiben zu überreden. Ist schon auf Youtube, diese Szene. Der Song. Spontan. Er hat einen Song in Gänsehaut-Version unplugged gesungen und zum Schluss zwei Songs zusammen mit dem Mann, der sich um seine Gitarren kümmert. Glen kommt einfach super sympathisch rüber. Zwischendurch hat er von Eddie Vedder (Sänger von Pearl Jam) erzählt, mit dem er durch Amerika getourt ist. Ein wirklich intensives, langes, besonderes Konzert.

Jetzt ist es 22 Uhr, ich bin hundemüde, habe Berlin noch im Kopf und in den Knochen und freue mich nun auf mein Bett und noch ein wenig Lyrik. Ich glaube, heute von E.E. Ich wünsche euch einen schönen Tag. Kauft vielleicht mal wieder einen Gedichtband. Ist gar nicht so einfach, etwas jüngeren Datums zu finden. Morgen Früh habe ich ein Briefing und bin deshalb unterwegs – ich wollte nicht noch einen Tag im Blog schwänzen…

Super 8

Erinnerungen im Hirn
No High Density
alles verwackelt, verschwommen
Flimmern, Kratzer
reihenweise Polaroids
staubpartikelfleckig
Fliegenscheiß

Dieser Raum?
Diese Matratze?

Dich hat’s umgehauen
brauchte dich
liebte dich
wollte dich
Die Füße im Feuer

Händeringen
Lebensabstandshalter
Umstandshalberunmöglichkeit

Bildriss, Filmriss
SEX & DRUGS
die alten, alten Zeiten, Zeiten

Deine Stimme aus dem Off
legt sich drüber
den Vorhang gezogen

Wir wollten es
nicht getan
nur noch eine Geschichte sagtest du
zur langen Nacht

Flixflaxcrash
die Nadel in den Windungen
tief, tief hineingebohrt
abgelegt
unrefreshed

Kiss me
Please
Bitte, bitte

Gezeichnet

september 2011

j.w

Du hast geklingelt
per Telefon dann an der Tür
du warst mir
ich sage
lästig

Wollte nicht
nicht mehr
nie
nie mehr

Die Tür ging auf
du kamst herein
ich gab dir
was du wolltest

Den Stapel
vollgeschriebenes
Papier

Und wieder, wieder
kamst du
mit ausgewählten Blättern

Genau die

Da verfiel ich dir

Plötzlich warst du
Janine W.

September 2011

Am Fenster

Das Gedicht im Kopf
wie einen Popsong

Am Fenster

Calendula leuchtet
Zucchini, fette Möhren

Glen singt

Die baby Millennium
hat mir einen Kaffee ausgegeben

Johann Wolfgang
Der Gärtner deckt getrost
das Glashaus der Orangen und Zitronen zu

Sonnenstrahlen im Grün

Song for someone

Sie liegt noch im Bett

Die Kakaos der Kinder

Italien
Glen in Kreuzberg
Berlin im Oktober
die Tickets gestern bestellt

Das alte Fenster
von hier sah der Lehrer
den Garten

Das Kreuz, die Sprossen
geschliffen, berührt
der glänzende Griff aus Messing

Bringe dir deinen Cappu
und dann bald
ab, auf, davon

Höre ich Glen denk’ ich an Damien
Paris
das Theater Olympia
mit dir
denke, fühle, weiß
Liebe

Take the thinking
You have a choice

Dieses kleine Fenster
in die Welt
Calendula
Heilung

Die Gaggia rauscht
Glen gibt
nehme
was ich kriegen kann
sauge
die Stimmen der Kinder
den Hund
an meinen Füßen
intensive Gefühle

Wecke dich mit einem Kuss
jetzt lächelst du auch noch
Ein Fenster
ein Popsong
manchmal, Ela
könnte ich einfach heulen

Nur wegen der Blumen
des Gartens
der alten Gaggia
baby Millennnium

juli 2011