Wie lebt es sich in Zeiten explodierender Kernkraftwerke? Wie ist dieses Gefühl, überrollt zu werden? Machtlos zu sein. Ausgeliefert. Doris Dörrie: Kirschblüten Hanami. Zeit des Abschiednehmens. Elmar Wepper als Rudi. Er besucht Japan, seinen Sohn, Tokio. Die Bilder dieses Films sind in meinem Kopf. Dazu die Bilder aus Murakamis Büchern. Und nun das. Erdbeben, Tsunami, explodierende Reaktoren. Plutonium, Strahlendosen, Windrichtungen. Nachbeben. Was sage ich meinen Kindern? Shit happens? So ist die Welt? Türme fallen, Kriege brechen aus, im Irak, in Afghanistan, in Libyen. Atomkraft ist die Basis unseres Wohlstands, eine Brückentechnologie, deren Restrisiken man hinnehmen muss? Das Mantra wird weiter gesprochen: „Deutsche Kernkraftwerke sind sicher. Bei uns gibt es keine solche Beben und keine Tsunamis. Wir haben kein Problem“. Oh doch. Das haben wir. Atommüll in Fässern in Höhlen. Ein Experiment. Keiner weiß, was daraus wird. Und: Niemand kann alles denken. Aus welchem Grund auch immer es passiert sein wird, es ist dann egal. Ausschließen kann einen GAU niemand. Manchmal läuft es im Leben einfach saublöd. So wie in Japan. Deutschland hat da keinen Freifahrschein.
Wir sind gestern mit den Kindern nach Köln gefahren. Haben uns rausgestohlen aus den News, die immer unerträglicher werden. Wer hätte gedacht, dass Afghanistan, Irak, Pakistan und al-Qaida mal so in den Hintergrund treten. Wichtigste Themen des Tages: Entscheidet sich der UN-Sicherheitsrat für eine libysche Flugverbotszone, um Libyer vor Bombardierungen durch Libyer zu schützen und wird es in Japan zum Super-GAU kommen? Richtig gemütlich auf dem Planeten Erde. Wann sollen die ersten Mondstationen fertig sein? Wird eng hier. Unschön.
Derweil haben wir gestern während unseres Sonntagsausfluges auf der “Alten Liebe”, einem Schiff, das vor den Kaimauern von Köln-Roderkirchen ankert, unseren Sonntagskaffee zu uns genommen. Mit den Kindern und Cooper am Rhein entlang. Sonnenstrahlen brachen ab und an durch dunkle Wolken. Schönes Licht. Gut zum Fotografieren. Abends waren wir noch Sushi essen in der Bentobox. Mitten in der Stadt. Sushi. Die Kinder haben viel gelacht, waren gut drauf. Zoe war mit ihren Inlineskatern am Rheinufer lang gesaust. Drehungen, rückwärts fahren. Jim spielte mit Cooper. Warf den Ball. Cooper stürzte sich in den Rhein, kam raus, schüttelte sich. Lachen, toben. Später im Auto meinte Jim: “Glaubt ihr, Cooper wird irgendwann erfahren, dass wir nicht seine wahren Eltern sind?” Prust.
Er meinte, dass sei doch immer in den Büchern so. Irgendwann würden die Kinder erfahren, dass es nicht die wahren Eltern sind und dann würde die Reise, das Abenteuer beginnen. Also wollen wir Cooper seine wahre Herkunft lieber verschweigen. Retriever in Not. Ich glaube, seine wahren Eltern waren nicht die Nettesten. PROFITzüchter. Tun wir einfach weiter so, als wäre er ganz selbstverständlich voll und ganz wie wir. O.K. – mit ein wenig mehr Fell.
Mit Kindern sind Katastrophen leichter und schwerer zu ertragen. Leichter, weil sie einen immer wieder lachen lassen. Schwerer, weil es einfach schön wäre, wenn die Welt, in die sie gehen, glücklicher wäre. Zum Beispiel, wenn diese duselige Atomkraft endlich der Vergangenheit angehören würde. Ausstieg jetzt. Konzentration auf regenerative Energien. Jetzt haben wir schon wieder Zeit verschenkt und uns mit der Atomausstiegsdiskussion aufhalten lassen, statt mehr Power in sinnvolle Technologien zu stecken. Es wäre schön, wenn Politik den Mut hätte, Vorreiter zu sein. Zu zeigen, dass es anders geht. Sicherer, ohne strahlenden Müll, der für sehr, sehr lange Zeit irgendwo verbuddelt werden muss. Da werden wir noch viele Generationen was von haben. Und immer die Frage: Sind die Stollen tatsächlich dicht oder kommt doch was raus? Ich verstehe es nicht. Und nach Japan verstehe ich es noch viel weniger. Bertolt, Bertolt, was sind das für Zeiten…