Sie kommen als Letzte und gehen, äh fliegen, als Erste. Mauersegler. Flugkünstler. Speedjunkies. Seit wir in diesem Haus wohnen, begleiten sie mich. Oder ich sie. Oder so.
Die letzten Jahre waren sie hier verschwunden. Ich habe im Mai gewartet, aber sie kamen nicht. Vielleicht, weil einmal einer in einen Mauerspalt unserer Fassade geflogen und gestorben war. Oder weil sich einer auf unserem Speicher verirrt hatte und dort hilflos und reichlich traurig und angepisst auf dem Boden saß. Das hatte ihm so gar nicht gefallen, weil die Mauersegler nicht so richtig gerne vom flachen Boden aus starten (Ich habe ihn dann mit Jim zusammen nach draußen gebracht und wir haben ihm Starthilfe gegeben). Ihre Füße sind klein und die Flügel sind sehr lang. Die Spannweite beträgt zwischen 40 und 44 cm. Übrigens sind Mauersegler nicht mit den Schwalben verwandt.
In der Luft unterscheiden sie sich durch die Größe und das Flügelbild, das bei den Mauerseglern wie eine Sichel aussieht. Letzte Woche stand ich abends an meiner Feuerschale, genoss den ausklingenden Tag als ich sah, wie ein Mauersegler sich unter unsere Dachrinne schob. Zack. Rein. Weg. Yippie. Der wohnt also direkt über meinem Zimmer. Rechts von meinem Zimmer brütet ein Starenpaar und im Baum gegenüber gehen wieder die Elstern Boris und Isabel (oder deren Kinder) dem Brutgeschäft nach. In diesem Jahr haben sie das alte Nest aufgestockt. Ein Elstern-Zweifamilien-Haus.
Aber zurück zu den Mauerseglern. Am Wochenende sind sie mir wieder über den Weg geflogen. Was für ein Schauspiel. Über einem Acker sind sie durch die Lüfte geprescht. Ich habe versucht, sie zu fotografieren. Nix da. Alle Fotos unscharf. Im Sturzflug werden die bis 200 km/h schnell, im normalen Flug erreichen die bis 100 km/h. Zwischendurch ziehen sie die Handbremse und werfen das Heck rum.
Schätzungen behaupten, dass es in Europa nur 4,9 Millionen Mauersegler gibt, weltweit sollen es gerade einmal 25 Millionen sein. Brüten sie nicht in Europa, wohnen sie in Afrika südlich des Äquators. Dann sollen sie teilweise monatelang in der Luft sein. Sie können nämlich sehr energiesparend segeln. Die haben es gut. In unserer Kultur sind die Mauersegler wenig beachtet. Es gibt keine Mythen und Geschichten. Wahrscheinlich, weil Mauersegler im Sommer nur kurz da sind. Ab August geht es zurück.
In Europa heißt es, ginge der Bestand zurück. Weil es nicht mehr so viele alte Häuser mit löchrigen Fassaden gibt. Ich bin froh, dass unsere alte Schule eine Ausnahme ist und als Brutplatz gewählt wird. Wikipedia: “In Mitteleuropa brütet der Mauersegler hauptsächlich an mehrgeschossigen Steinbauten, darunter Wohnhäuser, Kirchtürme, Fabrikgebäude oder Bahnhöfe. An solchen Gebäuden werden vielerlei Hohlräume unter Dächern und Traufen genutzt, beispielsweise Rollladenkästen oder schief sitzende Ziegel. Neubauten mit glatter Fassade werden kaum genutzt. Bedingt durch die Verfügbarkeit geeigneter Brutmöglichkeiten siedelt der Mauersegler häufig nur an wenigen Stellen, etwa in Ortszentren, Industrie- oder Hafenanlagen, in Kleinstädten oft ausschließlich an Kirchen oder anderen historischen Gebäuden.”
Es ist für mich eine schöne Vorstellung, mit diesen schönen Tieren unter einem Dach zu wohnen. Freunde aus Afrika. Gäste einen Sommer lang. Wer weiß, wie oft die schon hier waren und ob es vielleicht dieselben sind. Würde gerne mal ein paar Storys hören.