Friede, Freude, Osterfeuer

Ostern in Essen 2017.

Gestern Abend der Osterspaziergang. Rund um den Baldeneysee brennen die Osterfeuer. Oben auf der Höhe bei den Bauern, unten am See auf den Bootsplätzen der Segelclubs. Die Sonne scheint, es blüht, die jungen Blätter kommen, das zarte Grün. Der leuchtende Baum auf der anderen Seite des Ackers, der schmal auslaufende grüne Streifen.

Die Welt ist zauberhaft. Harmonisch, optimistisch schön. Im zarten Grün.

Und gleichzeitig ist sie es nicht. Die Friedensmärsche, so nötig wie lange nicht. Ihr seht Nachrichten, seid informiert. Keine Details an einem solchen Tag.

Meine Kinder sind in Portugal, Zoe kommt heute per Flieger zurück, Jim geht jetzt Richtung Tarifa, Gibraltar. Die Mittelmeerküste entlang zurück. Glaube ich. Wir werden sehen.

Frohe Ostern wünsche ich euch. Und ein Denken an das, was dieser Tag zu bedeuten hat. Öfter mal nachdenken und sich Zeit nehmen, das Sinnvolle zu empfinden und zu tun. So einfach ist das. Die Welt ist schön, wenn man schaut. Von oben. Wieso dieses Schöne nicht in voller Aufmerksamkeit leben und lieben? Wieso dieses unfassbare Glück als Mensch auf diesem Planeten leben zu dürfen nicht mit vollen Händen nehmen? Schwelgen im Gegebenen? Nennen wir es das Göttliche an diesem Tag. Nennen wir es den Geist der Welt. Nennen wir es das Lottoglück der Menschheit.

OSTERN 17

Wie ich
als Schwert
vom Himmel
fiel
war mir kurz
zum Kotzen

Den Beutel
fand ich nicht
tröstende Worte
die Stewardess

auf die Füße
Shit

Japaner
Chinesen
Arschlöcher
lächelnd

Whiskey
durchspülen

Könnte ich?

Drüberfliegen
Afghanistan
die Ukraine

So ist das

Granaten
Foltern
Marketing

Landen
Mietwagen
lächeln
Smiley
Herzchen

In Pink

aPRIL 2017

Das süße Gefühl Sehnsucht

Bilder, Texte, Musik. In der Summe Menschen. Die vielen und die Besonderen.

Sitze den ganzen Tag schon in der Küche. Es ist lustig. Gerade lebe ich allein in einem großen Haus. Oben habe ich eine Büroetage, aber ich arbeite an einem alten kleinen Holztisch neben der Espressomaschine. Coppis Küche. Peter Weiß. Ästhetik des Widerstands. Jim hat sich aus Nord-Spanien gemeldet, er erreicht heute Portugal. Geht über die Grenze. Hat gestern Nacht wieder in seinem Fiesta-Ford-Wohnmobil gepennt. Der Junge ist in seinem Geist, in seinen Möglichkeiten, in seinen Bedürfnissen so frei. Wenn es sein muss, schläft er auf dem nackten Boden und sagt am nächsten Morgen “war hart”, geht Frühstücken und der Sonne nach.

Zoe ist im Kindergarten. Praktikum. Kleine Jungen, die ihr den Kopf verdrehen. “Will auch Schafe sehen”. “Will auch raus.” Diese Sprache der Kleinen in ihrer Reinheit und Schönheit und Ungefiltertheit. Wo verlieren wir eigentlich all diese uns innewohnende Schönheit und Menschlichkeit? Muss das so sein? Hart werden? Kratzig? Nun.

Heute der wöchentliche Wechsel. Von fest zu frei. Vom Angestellten zum Unternehmer. Aus dem sicheren Hafen ins Haifischbecken. Es sind die Übergänge, die Männer eigentlich nicht können. Ich liebe es, das zu managen. Mein Kopf ist ein hungriges Wesen, das Herausforderungen und Grenzüberschreitungen liebt. Weshalb eigentlich? Ja, seit Kurzem weiß ich es genau. Weil mein Sternbild Widder ist und mein Aszendent ebenfalls Widder. Was soll man da machen mit all der Energie und Power? Was ich bislang nicht verstehe bei all diesem Widdertum ist dieses Gefühl von Zartheit und Berührtheit. Noch ist da irgendwo ein Bug im System. Die Puzzleteile ergeben noch keinen Sonnenuntergang.

Zartheit, Feinfühligkeit. Mir fehlt Max. Zoe habe ich die letzten Tage gesehen, Max ist so weit weg. Tausende Kilometer. Was wäre das geworden, wenn er angefangen hätte zu studieren. Berlin, Moskau, Trinidad Tobago. Ui. Auf Spotify läuft ein neuer Liebling. Labi Siffre. Das Lustige ist, dass ich mittlerweile mit zwei Laptops hier agiere. Eines hängt an der Stereoanlage und speist die Boxen über Spotify. Wir haben jetzt ein Familienabo für 15 € im Monat. Musikalische Komplettversorgung. Herr Schönlau ist im digitalen Zeitalter gelandet. Montags bekomme ich meinen neuen Mix der Woche. Neues entdecken, noch nie habe ich Musik als so lebendig empfunden. Ich speise meine Listen. Heute höre ich Labi Siffre komplett durch. Und, der Hammer: Auf meinem zweiten Rechner, an dem ich gerade am Küchentisch schreibe, ist auch Spotify geöffnet. Höre ich aus dem Raum einen schönen Song, füge ich den hier meinen Favorites zu. Es sind so viele schöne Songs. Ich sage nur Gil Scott-Heron.

Draußen zieht die Sonne vorbei. Ich schaue aus der Küche über das Ofenzimmer nach Süden. Das Licht kommt also von rechts, Westen. Die Sonne neigt gerade ihr Haupt, um es in die Wälder des Horizonts zu legen. Heute Abend folgen die Sterne. Wenn ich in meinem indischen Bett liege, sehe ich das Winterbild ziehen. Der Orion neigt ebenfalls seinen Kopf und driftet schräg nach Westen, um Platz zu machen für den großen Wagen, der Viveka und mein Verliebtsein in diesem unvergesslichen italienischen Sommer 2012 begleitet hat. Die Nächte am Meer, der Vollmond, die peitschenden Wellen im warmen Wind. Bis morgens im T-Shirt, unendlich glücklich und verliebt. Ich frage mich, wie viele Geschenke ein Mensch in seinem Leben erwarten darf?

Das Foto oben ist im letzten Jahr entstanden. Jim und ich waren gerade aus London zurückgekommen. Unser Auto stand in Köln-Mülheim und wir hatten beide kollektiv vergessen, die S-Bahn rechtzeitig zu verlassen. So waren wir in Holweide gelandet und haben uns dem Warten hingegeben. Max kann das gut. Ich mache lieber irgendetwas. Also habe ich ihn fotografiert. So treffen und ergänzen sich die Eigenschaften, Talente und Zustände.

Was hat es zu bedeuten, dass in meinen Bildern immer wieder diese Linien und Horizonte auftauchen? Je älter man wird, desto mehr man macht, desto mehr Fragen entstehen und gleichzeitig wird die Beantwortung immer unwichtiger, weil die Zeit endlich wird und es irgendwann auch keinen Sinn mehr macht, alldem nachzugehen.

So. Feierabend. Morgen ist auch noch ein Tag. Und Herr Cooper wünscht sich ein wenig Aufmerksamkeit. Ach. Das ist alles so aufregend. Leben, oder?

Die süßesten Früchte des Lebens

Liegen am Wegesrand. Oder man kauft sie grün und gibt ihnen die Zeit, die sie brauchen. Ich kenne mich aus. Nach dem Umzug ins Steigerhaus praktiziere ich ein neues Wirtschaften. Es ist nicht ganz einfach, einzukaufen und zu haushalten, weil ich nie genau weiß, wer hier ist und wer nicht. Zoe pendelt. Mama, Papa. Sie hat einen hohen Früchtebedarf, weil sie Vegetarierin ist, parallel zur Schule eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin durchläuft und gerade ihre Jahresarbeit über Ernährung schreibt. Ernährung multi perfetto. Auch, wenn sie hier gerade beim Sonnenbrillen-Holen Apfelkuchen stibitzt hat. Eine gewisse Menschlichkeit ist dann ja auch sympathisch.

Jim liebt Pizza. TK. Salami.

Nun, ich, irgendwo dazwischen. Morgens bereite ich mir mit Zoes Blender einen Smoothie. Die Vitamine haben mich gut durch den Winter getragen. Apfel, Orange, Banane, drauf drücken und Sums. Fertig. Lecker.

Da ich hier nun also alleine wirtschafte, kann ich tun und lassen was ich will. Ich glaube, das macht mich im ersten Schritt kauzig. So ein klein wenig. Ich weiß nicht, welche Entwicklungsschritte in meinem neuen Leben noch folgen. Ist ja neu. Tatsächlich mache ich so Sachen. Manchmal bin ich mir dabei selbst ein wenig fremd. Das kommt dabei raus, wenn man Dinge ändert. Nun, wir wollen ja auch nicht langweilig werden und einschlafen. Bewegung tut gut, heißt es, nöö?

Eine dieser Macken ist das Aufbewahren von Obst in Kisten. Auf meinen Olivenöl-Kanistern, 10 Liter kretisches Olivenöl vom Händler meines absoluten Vertrauens vom Essener Uni-Flohmarkt, stapeln sich kleine Holzkisten mit Äpfeln und Orangen. Ist ein klein wenig so, als wären es diese sündhaft teuren HABA-Kinder-Kaufladen-Holzkisten. Mir gibt das so etwas von Ursprünglichkeit. Tatsächlich, ich neige dazu, mir mein Leben in eigenen Geschichten ein wenig phantasiemäßig auszumalen und aufzuschönen (pimp your life), ist es für mich so, als würde ich in einem Landhaus wohnen. Eigene Obstbäume, Ernte im Herbst, einkellern, aufbewahren, über den Winter verzehren. Ist natürlich ein wenig Selbstbetrug (zumindest Landhaus stimmt), weil die Früchte vom Markendisounter stammen, aber es wirkt. So what?

Sieht schön aus, fühlt sich gut an, ist praktisch, macht Spaß. Olala. Yep.

Zudem habe ich den Garten bestellt. Also das Kräuterbeet. Den Bärlauch, den Liebstöckel, Majoran und Oregano habe ich mitgekauft. War beim Haus dabei, versteckt in der Erde. Die kamen einfach kürzlich raus. Überraschung. Petersilie, Salbei, Schnittlauch habe ich eingepflanzt. Und einiges wird noch kommen. Zudem haben Viveka und ich zwei Bäume gepflanzt. Ich sage mal pathetisch: Als Zeichen unserer Liebe und der Hoffnung, dass wir in spätestens zwei Jahren zusammen leben. Nicht nur am Wochenende. Immer. Gemeinsam sehen, wie die Bäume blühen. Gemeinsam die ersten Früchte ernten. Äpfel, Pflaumen.

Ach. Ihr Lieben. Ist Leben nicht schön und aufregend? Manchmal kann ich all das gar nicht fassen. Es sind Geschenke an allen Ecken, Freundlichkeiten des Schicksals, streichelnde Hände des Himmels. Ein Verwöhnen und gut Meinen.

Das Leben unter dieser Sonne ist einfach verrückt und ich bin froh, dabei zu sein. Den Blick richten. Den Kopf ordnen. Unterscheiden. Auswählen. Verneinen. Bejahen. Ausweichen. Standhalten. Einmal mit den Fingerspitzen durch das eigene Gesicht fahren. Bei geschlossenen Augen. Über die Stirn, die Nasenflügel, die Wangen, die Lippen, die Augenlider. So zart sind wir, so empfindsam, so offen für Fühlen. Das Leben ist intensiv und das ist ein Geschenk. Die Sinne, die Gefühle fluten. Hach.

All in progress

Habe ich mich gefreut, diesen Text von Juan Pablo Villalobos zu lesen. Er hat eine Sehnsucht in mir erfüllt. Adäquat schreiben, angemessen reagieren, antworten auf die Dinge. Wie schlau, wie erholsam.

Wir bauen diese Mauer und wir zahlen dafür. Wir bauen sie so, wie wir sie bauen. Mit allem, was sie braucht. Türen, Risse, Marihuana.

So schön. Mit Leichtigkeit reagieren, das Tumbe austanzen. Torro. Leicht bleiben, tänzeln, lächeln.

Nun.

Gestern Abend ist mir eine SD-Card in die Hände gefallen. Mit Jim in London. Juni 2016. Letztes Jahr war keine Zeit, all die Eindrücke zu verarbeiten. Oder ihnen gerecht zu werden. Nun habe ich mir die Fotos in Ruhe angesehen.

Tate Modern. Nicht die Kunst im Vordergrund. Die Arbeiter, die mit ihren Steigern und Hubwagen die Turbinenhalle für eine neue Ausstellung vorbereiten. Auf dem Steiger steht Height for hire. Höhe zu mieten.

Wenn nur einige Höhe mieten würden. Wenn nur einige hellere Sterne am Himmel wären. Wenn. Fällt aktuell aus wegen Ist-Nicht.

Das Haus voller Kunst und ich schaue den Arbeitern zu. Bewege mich am Fenster lang. Unten, neben den Arbeitern und den Geräten ein kleiner gelber Kasten mit Kabeln. Wie ein kleines zurückgelassenes Tier in der Prärie.

Ich gehe weiter und komme zu dem Raum, in dem die Reste einer Ausstellung stehen. Zitate auf Schildern, wie sie auf Demonstrationen getragen werden. In die Ecke geräumt. Da stehen, zusammengepfercht, Pablo Picasso und Ai Weiwei vor und hintereinander in einen Putzraum gepfercht. Wert und Wichtigkeit. In einem Moment der Star, im anderen Moment nur noch ein Schild.”What do you think an Artist is?” Ein Zeitphänomen? Ein Ausstellungsphänomen? Torquato Tasso, der Narr der Zeit? Der Zeitvertreib?

Wert und Wichtigkeit. Die Dinge, die zählen. Im Großen, im Kleinen.

Jim ist in der Bretagne angekommen, in St. Pierre Quiberon. In der Straße, wo unser kleines Haus war. Die beiden so klein, Vorsaison, Markt, Café Creme im Hotel de la Plage. Mit Jim und dem Fahrrad auf die Belle Ile. Mit der Fähre, Fisch essen in diesem kleinen Restaurant am Hafen in Sauzon.

15 Jahre später. London. Tate modern. Große Augen, tiefe Eindrücke.

Wir werden die Mauern bauen. Grins. Hey, Juan Pablo, ich werde sie mit dir bauen. Aus Luftschlössern, Duftbäumen, Klopapier, Hirngespinsten und Reiswaffeln.

Es wird Zeit, mit dem Ernst nehmen aufzuhören.

Wozu?

Publikum sein? Buhrufer?

Die Welt ist zu schön, die Zeit zu kurz. Man muss die Plage im Kopf los werden.