Durban wie es singt und lacht.

Da treffen sie sich also zum UN-Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Um zu reden. Über Kohlendioxid-Einsparungen. Immerhin, China bewegt sich. Ab 2020 könnte man sich einer Regelung in Form von Kyoto II unterwerfen. Bis dahin wolle man als Entwicklungsland gelten und als solches sein Recht auf wirtschaftliche Entwicklung mit allen Konsequenzen nutzen. Und so lange China nicht bereit ist, sich festzulegen, solange werden sich auch die USA nicht festlegen. Beide Länder zusammen emittieren über 40 % des gesamten Kohlendioxidausstoßes dieser Erde. Und sie stehen für rund 37 % der weltweiten Wirtschaftsleistung. Also wissen sie genau, weshalb sie da nicht gerne etwas unternehmen möchten. Es geht für alle Beteiligten darum, Geld zu verdienen. Und das ist bislang mit Kohlendioxidausstoß einfacher als ohne.

Das bedeutet: Es passiert erst einmal nichts.

Stand der Forschung ist, dass sich ein globaler Temperaturanstieg von unter 2 Grad Celsius nur bewerkstelligen lässt, wenn die globale Pro-Kopf-Kohlendioxid-Emission auf unter 2,5 Tonnen pro Jahr fällt. In Deutschland sind wir bei 10, in Amerika bei 20. Der Wert für China liegt aufgrund der großen Bevölkerung bei 3,9 Tonnen pro Kopf und Jahr. Im letzten Jahr sind die Emissionen weltweit um 5,9 % gestiegen, in diesem Jahr werden es 3,1 % sein. Wachstum also. Zunahme. Zunahme und Tsunami klingen scheinbar nicht von ungefähr her ähnlich. Schließlich soll die Weltbevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen wachsen. Mehr Menschen, mehr alles.

Also nichts Neues. Weder im Westen noch im Osten noch im Süden noch im Norden. The same procedere as at every UN-Klimagipfel. Scheinbar sind die gesamten Delegationen mal wieder nahezu umsonst um den Erdball geflogen. Was für eine Klimabilanz wohl so ein UN-Gipfel hat?

Ich frage mich, was soll werden? Zurücklehnen? Kopf in den Sand stecken? Sich auf den Lorbeeren ausruhen, die sich Deutschland erarbeitet hat? Immerhin konnten wir im Klimaschutz-Index 2012 hinter Großbritannien den zweiten Platz belegen. Obwohl wir immernoch so viel Kohlendioxid ausstoßen wie ganz Afrika zusammen. Der Klimaschutz bleibt eine Herausforderung, der die Menschheit bei weitem noch nicht gewachsen ist. Was jeder einzelne beitragen kann, um auf 2,5 Tonnen pro Jahr zu kommen, zeigt der WWF-CO2-Rechner. Es gibt noch viel zu tun. In Durban wird es nicht getan.

Ruhe bewahren! Bewahren Sie die Ruhe!

Jetzt muss ich mich doch mal wieder einmischen. In die große, weite Welt der Politik. Also nehme ich mein Megaphon in die Hand und rufe euch allen dort draußen an den Bildschirmen zu: Ruhe bewahren! Bewahrt die Ruhe! Sonst, ja sonst, werdet ihr einfach verrückt. Denn egal, was man liest, es ist letztlich Schwachsinn. Da draußen sind zur Zeit cirka 150.000 Milliarden Meinungen unterwegs, wie diese ganzen Krisen zu lösen sind. Jede und jeder schreibt darüber, hat eine hundertprozentig fundierte Meinung. Boah, geht mal in die Spiegel Online-Foren. Die Welt der Sachverständigen und Experten. „Das zentrale Problem ist doch…“ Und alle widersprechen sich. Es ist eine einzige Kakophonie. Journalliengeblubber, Windspielgesang, Kaffeesatzleserei. Idiotie.

Manche freut der ganze Medien- und Finanzterror natürlich: Die Zeitungen haben permanent etwas zu schreiben. Halten das Spiel zwischen Hoffen und Bangen am Leben, malen die Katastrophe an den Himmel und schreiben dann wieder, alles ist auf einem guten Weg. Zuckerrohr und Peitsche. Die Börsen bewegen sich im Rhythmus von Ebbe und Flut. Gehen rauf und runter. Und bei jeder Transaktion ist jemand, der verdient. Eine kleine Gebühr hierfür, eine kleine Gebühr dafür. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Morgens habe ich immer einen newsletter vom Handelsblatt im Postfach. Da werden die großen Zeitungen und Finanzportale zitiert. Würde man denen glauben, wären der Euro und die Eurozone längst mausetot. Das Merkwürdige ist aber, wie in jeder Krise, dass irgendwann sich die Dinge scheinbar wie von selbst gelöst haben werden. Vielleicht aus einem so profanen Grund wie dem, dass alle den Spaß an der Aufregung verloren haben. Dass ein neues Spielzeug her muss. Ist doch wunderbar, wenn man so ein Krisenthema hat, dann können alle behaupten, sie wüssten, wie die Welt läuft. Können Thesen schmieden, veröffentlichen, raushauen, rausposaunen und zwei Wochen später heißt es: Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern.

In Köln gibt es diese wunderbaren Kopf-in-den-Sand-Gebote, die dann doch viel Wahrheit in sich tragen. Die stehen sogar am Kölner Flughafen an den Glaswänden der Eingangshalle (wenn man vom Flieger wieder reinkommt):

1. Et es, wie et es
2. Et kütt, wie et kütt
3. Et hätt noch immer jot jejange
4. Wat fott es, es fott
5. Et bliev nix, wie et wor
6. Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domit
7. Wat wellste maache?
8. Maach et jot, ävver nit ze of
9. Wat soll dä Quatsch
10. Drinkste eine met

Scheinen auch derzeit viele nach zu handeln. Die Konsumlaune in Amiland und Deutschland ist hervorragend. Die verbreitete These dazu – es bleibt ja überhaupt gar nix unkommentiert – lautet: Die Menschen wollen ihr Geld nicht anlegen, weil sie Anlagen nicht trauen. Also weg damit. Scheinbar wird der ganze Beklopptenzirkus nicht so ernst genommen. Schon wieder Krise? Schon wieder Angstsparen? Ach was. Raus damit. In die Läden. Offensive. Zum Angriff. Törö. Und damit wird wieder Geld verdient und es werden Steuern bezahlt und Mama Staat ist wieder flüssig. Oder so. Oder auch nicht. Oder ganz anders. Oder es kommt der IWF oder die Schulden kommen in die Tonne oder wie auch immer. Ist doch egal. Scheiß drauf, auf diesen ganzen Finanzfirlefanz. Es ist Adventszeit. Zurücklehnen, Füße hoch, Kekse backen, Orangen futtern, Glühwein schlürfen, freudvoll Geschenke kaufen und basteln und die Krisen der Welt Krisen der Welt sein lassen. Die kommen ganz gut ohne uns zurecht. Ich für meinen Teil setze mich jetzt oben auf die Bank, schaue aufs Meer, futtere ein paar süße Früchte und denke mir: Wat soll dä Quatsch.

Muss auch mal ohne dich gehen…

Also so dauernd bei mir, sorry, das geht nicht. Das engt mich ein. Total. Ich fühle mich, als würde ich an der Leine gehen. Ja, wir sind lange zusammen, miteinander verwachsen, haben viel erlebt und vor allem viel miteinander gesprochen. Du flüsterst mir Sachen ins Ohr und bist manchmal meine Verbindung zur Welt. Tatsächlich. Ich kann nur sagen, du bist mir wirklich wichtig.

Nur manchmal eben, da ist es schöner, frei zu sein. Kürzlich war ich in Köln und du kamst nicht mit. Bist Zuhause geblieben. Auf der Autobahn dachte ich: Mist, jetzt bin ich ohne dich gefahren. Du hast mir gefehlt, es war ein kleiner Schock, Stich im Herz. Dann aber wurde mir klar, dass ich frei war, von der Leine gelassen. Und da habe ich mir vorgenommen, dich einfach öfter mal Zuhause zu lassen. Zum Beispiel gestern auf dem Weihnachtsbasar in der Schule. Der ist immer so schön feierlich. Die Frauen singen, Bläser treten auf, es wird Theater gespielt, es werden Märchen gelesen, Kerzen gezogen, Schiffchen gepustet. Es gibt kleine Cafes und Restaurants in den Klassenzimmern. Zeit für Gespräche. Du lagst währenddessen zu Hause, hast aufgetankt, hast dich aufgeladen und ich war ungebunden. Ein schönes Gefühl.

Im Kindertheater saß ich. Sack & Pack. Ein One-Man-Figurentheater. Wunderschön liebevoll. Ganz ruhig, märchenhaft. Da meinte der Theatermacher, dass es an der Zeit wäre, die Handys auszuschalten. Die Eltern neben mir, ein Paar, zückten die rauchenden Kommunikationscolts und bliesen ihnen den Atem aus. Das musste ich nicht tun, denn ich habe dich Zuhause gelassen, bin ohne dich gefahren. Saß dort unerreichbar. FREI! Denn: Wozu? Ständig und immer erreichbar? Nö. Klar, während der Woche für meine Kunden, wenn ich mit den Kindern unterwegs bin oder Termine habe. Aber doch nicht dauernd. Ich habe mit dem Vater im Theater neben mir kurz gesprochen. Er meinte, ohne würde er sich nackt fühlen. Das wäre immer dabei. Ich habe ihm gesagt, ich würde es jetzt öfter einfach einmal nicht mitnehmen. Würde mich offline schalten. Bewusst nicht zur Verfügung stehen, es niemandem erlauben, mich anzurufen bzw. zu erreichen. Es kann ja eine Nachricht hinterlassen werden. Weihnachtsbasar. Besinnlichkeit. Da möchte ich nicht mit einem Telefon am Ohr stehen. Deshalb, mein liebes Handy, habe ich für mich beschlossen: Es muss auch mal ohne dich gehen…

Die Situation in Vernazza

Die Flutkatastrophe in Vernazza ist nun fast einen Monat her. Ich möchte noch einmal an den kleinen Ort in Italien erinnern, der aktuell um seinen Wiederaufbau kämpft und auf die Unterstützung der Menschen in der Welt hofft, die Vernazza in ihr Herz geschlossen haben. Aktuell sieht es so aus, dass die Schäden allein in Vernazza rund 100 Millionen Euro erreichen. Bei 1.000 Einwohnern eine stattliche Summe. Der italienische Staat hat wohl 65 Millionen Euro für die gesamte Region – von Genua bis in die Toskana – zur Verfügung gestellt. Vernazza und die Cinque Terre gehören zum Weltkulturerbe. Es wäre wirklich ein großer Verlust, würde der Ort aufgegeben, was sicherlich nicht der Fall sein wird. Dazu ist er einfach viel zu schön und hat in seiner Vergangenheit zu viele Menschen glücklich gemacht.

Mittlerweile gibt es zwei Internetseiten, die informieren und Spenden einsammeln. Diese ist auf Englisch mit einem herzergreifenden Augenzeugenbericht, der die ganze Dramatik des Geschehens am Tag der Flut dokumentiert. Save Vernazza ONLUS. Dort findet ihr auch Fotos und Videos zum Stand der Dinge. Es wird gegraben, gebaggert, gemacht, getan. Die andere Seite ist vom Verein „Zukunft für Vernazza“. Es wäre schön, wenn ihr mit Spenden helft, Vernazza wieder aufzubauen.

Kann mal jemand die Welt anhalten?

Möchte mal kurz aussteigen. Reitet ohne mich weiter, das ist mir alles zu schnell. Um 5.56 Uhr ging mein Wecker. Kinder geweckt, Zoe die schmerzende Schulter eingerieben, Brote geschmiert, Kaffee gemacht, Saftflaschen aufgefüllt, Elas Cappuccino vorbereitet und ans Bett gebracht, die Kinder zum Bus, weitergefahren zum TÜV. Termin um 7:30 Uhr. Im Radio die Nachrichten. Was für Nachrichten.

Der Bundestag trifft sich, um über das Problem des real existierenden Nationalsozialismuses zu debattieren. Irgendwo im Hinterkopf kommt da der oft gehörte Satz hoch „Das darf nie wieder passieren.“ Ups. Neun Tote. Falsche Einschätzungen, Pannen und der Nationalsozialismus in Deutschland feiert seinen größten Erfolg seit langem. Es wird eine Entschädigung für die Hinterbliebenen geben und ich hoffe auch Entschuldigungen. Zumindest das. Und vieles mehr. MANN! Außerdem haben sich die Republikaner und Demokraten in den USA in der Superkommission nicht auf einen Sparkurs einigen können und in Ägypten will nach den Toten auf dem Tahirplatz die Regierung zurücktreten.

Gebe den Wagen beim TÜV ab. Setze mich hin, lese den Spiegel. Eine alte Ausgabe. Vorne drauf wird an Loriot erinnert, innen drin der Zusammenhang zwischen Spekulationen und dem Hunger in der Welt erklärt. Die Banken und Fonds haben sich auf die Lebensmittel der Welt eingeschossen. Die Lebensmittelpreise sind exorbitant gestiegen und die Zahl der Armen in der Welt ist seit letztem Jahr durch diese Preiserhöhungen um 44 Millionen gewachsen. Wachstumsphilosophie.

Radio aus, keinen Spiegel lesen. Am Auto ist ein Stoßdämpfer kaputt, ich muss wiederkommen, noch einmal eine Gebühr zahlen. Was solls. Ich kann mir Lebensmittel kaufen. Viele Lebensmittel. Sogar in Bioqualität. 8:02 Uhr. Ich bin wieder Zuhause, schnappe mir den Hund, erzähle Ela von den Stoßdämpfern, die Sache mit den Nazis, den Amis, Ägyptern und dem Hunger in der Welt wegen Lebensmittelspekulationen lasse ich weg. Auf der Rücktour habe ich Jonathan Jeremiah gehört. A little bit of happiness again. Sonnenaufgang, roter Himmel über dem Wittgensteinschen Land.

Raus mit Cooper. Auf die Höhe. Die Sonne geht auf, alles ist weiß gefroren. Ruhe. Die Sonne steigt, dennoch scheint die Welt hier tatsächlich ein wenig still zu stehen. Steige aus. Gehe vom Weg. Da liegen die Gerippe. Die Knochen der Dinosaurier. Von Kyrill zu Bergen aufgetürmt. Sturm-Hinterlassenschaften. Kann ich jetzt mal bitte nicht an Klimawandel denken. Kopfkino aus. Pausetaste. Ich hätte meditieren sollen, statt TÜV.

Ist trotzdem schön, diese Natur. Die Äste der kleingesägten Fichten liegen auf Haufen. Wie Strandgut. Manchmal ist die Natur hier wie das Meer, die Wiesen so weit, die Asthaufen wie angespült. Steife Brise von West. Alle Mann in die Wanten. Und die Frauen auch. Durchwehen, den Kräften trotzen, die Energie spüren. Harren. Der Dinge.

Andy Goldsworthy. Nature Art. Ela hat mir von ihm erzählt, Fotos gezeigt. Seither laufe ich mit einem anderen Blick durch die Natur. Sehe Skulpturen, hingewehte, herausgewachsene Gebilde. Mein Museum. Nicht die geliebte Modern Art, etwas anderes. Ein Suchrätsel, ein Entdecken, Finden, Gedankenspielen. Erholung. Spaß. Ja. Und den wünsche ich euch. 9:24 Uhr. Gehe endlich an die Arbeit. Raus aus dem Kopf, rein in die Profession. Das Handwerk. Gleich ein Interview mit einer Musikerin in Norwegen. Norwegen hatten wir dieses Jahr doch auch schon…