Was mach‘ ich morgen Abend?

Ideen? Morgen Abend bin ich ein Problembär, weil ich männlich geboren wurde. Zipfelchen dran, blauer Strampler. Kerl. Fußball und so. Die ganze Leier. Und morgen Abend nun ist hier Ladiesnight. Ela hat heute Geburtstag – ich habe ihr eine große Klangschale für ihren Yogaunterricht geschenkt – und feiert morgen mit ihren Freundinnen. Mit uns, ihrer Familie, feiert sie heute Abend.

Ihre Freundinnen reisen teils von weiter weg an und übernachten hier. Ela freut sich riesig. Nun ist das Problem, dass da so ein Mann im Hintergrund stört. Mann, Ladiesnight. Kennen wir aus der Sesamstraße: Eines der Teile passt nicht. In diesem Falle bin ich das. Zoe feiert mit, Mädchen, klar, Jim pennt bei seinem Kumpel und ich? Gehe aus und komme später wieder.

Ela wollte mich schon in die Sauna verfrachten. Habe ich aber gerade keine Lust zu, weil ich schon am Wochenende auf Norderney ausgiebig in der Hotel-Sauna war. Am liebsten wäre mir ein kleines kulturelles Highlight in NRW. Habt ihr eine Idee? Ein Kinofilm? Ein Theaterstück? Ein Konzert? Vielleicht habt ihr ja was im Hinterkopf, womit ich mir den Freitagabend vergnüglich vertreiben kann. Bin gespannt.

99 %

Eine Zahl, ein Zeichen. Formiert sich eine Bewegung? Die Menschen in Amerika haben den Anfang gemacht. Occupy the Wall Street. 1999 war ich dort, bin die Straße entlang gegangen. Die amerikanischen Stars & Stripes glänzten in der Aprilsonne. Frühling an der Wall Street. Noch alles in Ordnung.

Vorher war ich das erste Mal in meinem Leben in einem Starbucks und konnte es nicht fassen. Eine riesige Kaffeeauswahl. Ledersessel. Zeitungen. Ich saß mit einem Obdachlosen und einem Banker an einem Tisch. Die Schuhe des Mannes im Anzug hatten sicherlich so viele Dollars gekostet, wie… Die beiden saßen in Eintracht da. Lasen beide die Zeitung. New York Times und Wall-Street-Journal. Wer was, könnt ihr euch denken. Der eine hatte Plastiktüten, der andere eine flache Aktentasche. Mein Blick wanderte hin und her und konnte es nicht fassen. Ein Tisch, zwei Welten. Erde und Mars. In Harmonie oder in unüberbrückbarem Desinteresse erstarrt? Keine Ahnung.

Seither ist viel passiert. Viel Starbucks-Kaffee ist die Kehlen der Amerikaner in New York und überall im Land hinuntergeflossen. Türme sind gefallen, Industriezweige gestorben, Blasen geplatzt. Zum Beispiel die Erwartungsblase Obama. Friedensnobelpreis. Bush ist gegangen und in das Vakuum seiner aggressiven Position ist die Tea-Party getreten. Sarah Palin. Wohin gehst du, Amerika?

Viele Menschen in Amerika gehen in die Armut. Weil der Hypotheken-Deal geplatzt ist, mussten viele ihre Häuser verkaufen. Wurden die Häuser von vielen verkauft. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie. Das Land tritt auf der Stelle und immer mehr Menschen der Unterschicht, der unteren Mittelschicht, der Mittelschicht fühlen sich verschaukelt. Amerika kann seinen Traum kaum mehr stemmen. Der Preis des Anti-Terror-Kampfes an den Fronten Afghanistans und des Iraks sind hoch.

Wir sind 99 %. Skandieren sie. 1 % sind die Reichen des Landes, die mit ihrem Geld und ihren Lobbyisten die Politik bestimmen. Es scheint, als wäre alles gekauft. Als würde nichts gehen, was den Menschen hilft. Krankenversicherung. Obamas Ziele eines gerechteren Amerikas? Verdampfen in den Streitigkeiten mit den Republikanern. Graue Haare hat er bekommen, der Präsident. Ergraut über Nacht.

Am Samstag ist die Bewegung zaghaft nach Europa, nach Deutschland übergesprungen. Camps in Berlin, Frankfurt, Hamburg… Vor den Banken. Und nun? Was soll geschehen? Die Banken sollen zahlen, aufkommen für den Schaden, den sie in den letzten Jahren angerichtet haben. Es soll Gerechtigkeit einziehen. Die Politik ist aufgesprungen auf den Zug. Zerschlagung von Banken wird gefordert, die Einführung einer Transaktionssteuer. Klingt gut.

Nur: Bringt das was? Ich habe den Durchblick total verloren. Und ich glaube, alle haben das. Wer weiß denn jetzt noch, an welchem Hebel gezogen werden muss und was was bringt? Deshalb freue ich mich über die 99 %. Die geben mir das Gefühl, das jetzt frischer Wind in die Diskussion kommt. Das Zeichen am Himmel: Dieses Finanzsystem macht die Menschen weltweit unglücklich, weil es uns von einer Krise in die andere schubst. Weil es Arbeit gibt, dann nicht, dann Kurzarbeit, dann ist kein Geld für dieses da, dann für jenes. Dann geht es hoch, dann liegt es am Boden zerstört da. Löcher werden gestopft, Auffangbehälter hingestellt, es wird dort ein Flicken aufgeklebt, hier eine Schnur gespannt, um irgendetwas festzuzurren. Lecks, verschwundenes Geld, falsche Entscheidungen, merkwürdige Finanzprodukte, Rettungsschirme regnen vom Himmel.

Ich denke, es müssten mehr Menschen auf die Straße gehen, um für Bewegung zu sorgen. Um zu zeigen, dass dieses Herumgeschubse der Menschen so nicht sein kann. Soziale Marktwirtschaft erlaubt kein Verhältnis von 99 % zu 1 %. Das funktioniert nicht. Das beschädigt Demokratie. Es ist an der Zeit, wieder über Gesellschaft zu sprechen. Über Möglichkeiten. Zu diskutieren. Darüber, was wir wollen und wo wir hin wollen. Grundlegend, über Finanzkrisenlösungsgespräche hinaus. Die 99 % Bewegung ist ein sehr guter Anfang…

Tomas Tranströmer ist gekommen…

Und ich war nicht da. So ein Ärger. Er hat geklingelt und ich wahr wohl gerade irgendwie um die Ecke oder so und schwupps fand ich einen Zettel im Briefkasten. Das Paket kann morgen im Schreibwarengeschäft des Nachbardorfes abgeholt werden. Dieser Briefträger. Kann nicht Hans-Jürgen gewesen sein, der hätte gewusst… Warum lässt die Post irgendwen Tranströmer bringen? Der hat den Nobelpreis! Ein wenig Respekt vor dem sanft gesetzten poetischen Wort. Sämtliche Gedichte. Zurück ins Postauto und weg. Und ich hatte schon gewartet. Sehnsüchtig.

Schwamm drüber. Jetzt liegt es hier, das gesamte lyrische Werk des schwedischen Literatur-Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer. Als ich die Kinder vom Bus geholt habe, hatte ich vorher noch einige Minuten Zeit. Rein in den Laden, Tranströmer her, raus aus dem Laden, rein ins Auto, lass die Hüllen fallen Amazonkarton und noch die Zellufanfolie vom Körper gerissen, ohne Kratzspuren auf dem Rücken hinterlassen zu haben. Die erste Zeile. „Das Erwachen ist ein Fallschirmsprung aus dem Traum.“ Ja. That’s it, baby. Poetisch, bildreich, einfühlsam geht es weiter. Kauft, kauft, nehmt reichlich. Wie immer: Bitte bei eurem Buchhändler, der die kulturelle Feste eures Viertels, Dorfes ist. „Ist das letzte Buch verkauft und schließt der Vorhang der Regale, wird es einsam in den Herzen eines Volkes, das auf den Duft des frisch bedruckten Papiers ganz ohne Not verzichtet.“

So. Mehr habe ich heute nicht zu sagen, zu schreiben. War ein aufregender Tag. Mein Großprojekt kommt ins Rollen. Heute habe ich das erste von 34 Interviews per Telefon geführt. Gesprächspartner war ein Dokumentarfilmer. Jetzt kommen noch einige Berühmtheiten, weshalb mir heute kurzfristig der Arsch auf Grundeis ging. Bammel. Ich meine, ich bin ja generell nicht auf den Mund gefallen und weiß den Degen der Sprache schriftlich wie mündlich zu führen, aber ab und an ist Kreativität auf Knopfdruck anstrengend. Mental. Egal. No. 1 ist immer schwieriger als die No. 2, No. 3… Hoffe ich:) Ist ein schönes, schönes Projekt und ich habe zu tun, zu tun, zu tun… Bye.

P.S. Hätt‘ er doch heute einfach mal blogblau machen können. Kann er nich… Also dieser…

Das Foto, das nicht geschossen wurde

Hallo, ihr Lieben. Bin zurück von großer Fahrt. Wir hatten viel, viel Spaß und nun kehre ich zurück in den sicheren Hafen der Heimat. Landgang, Landleben. Das Dorf hat mich wieder. Wie nun starten? Grübel, konzentrier, denk nach. Langsam ankommen, wieder reinkommen.

Zuletzt war da das Gedicht von Claudia Schönfeld. Hat es euch gefallen? Mir sehr. Davor war der Text über das Gedicht, das nicht geschrieben werden will (und nun in zwei Versionen vorliegt, die es noch nicht sind). Und nun schreibe ich über ein Foto, dass nicht geschossen wurde. Am Tag der Abfahrt nach Norderney bin ich morgens noch schnell mit Cooper eine Runde gegangen. Runter ins Maikäfertal.

Das mache ich fast jeden Morgen und die Runde ist meine Lieblingsrunde. Oft habe ich den Fotoapparat dabei und schaue, ob irgendein Detail fotografiert werden möchte. Meistens passiert da unten nicht viel. Manchmal denke ich sogar „Ach, sieht heute langweilig aus.“ Es gibt dann auch Tage, an denen ich keine Lust auf das Maikäfertal habe – „Schon 1.000 mal gesehen.“ Dann gehen Copper und ich hoch auf die Höhen. Suchen den Weitblick.

Am Donnerstag nun erwartete mich eine Überraschung. Als ich unten ankam, zeigten sich gerade die ersten Sonnenstrahlen. Der Bach war bis zur oberen Uferkante voller Wasser, was schon einmal ungewöhnlich war. Über den Bach zog sich entlang des Tals ein Nebelband. Das schwebte einige Meter über dem Bach und war auch nur einige wenige Meter hoch.

Cooper und ich waren schon angetan. Das sah wirklich gut aus und das hatten wir so noch nicht gesehen. Bislang. Dieses Tal ist wirklich wandelbar. Cooper und ich gingen am Bach entlang weiter hinein. Richtung alte Birke, die an der Weggabelung steht, die ins Quertal führt. So rund 200 Meter vor der Birke blieb ich stehen und traute meinen Augen nicht. Ein komplett durchinszeniertes Bild. Links von mir der Bach mit dem Nebelstreifen. Darüber stand im Westen der noch leuchtende Vollmond. Mein Blick wanderte nach Osten und sah am Himmel einen Wolkenstreifen, den die ersten Strahlen zur Hälfte rot färbten.

Irgendwie, als wäre diese Wolke ein Spiegel gewesen, landeten die Strahlen als helles Licht auf der Wiese neben mir und tauchten das Gras in ein sattes, leuchtendes Grün. Der Vollmond, der pralle Bach, das Nebelband, die rot strahlende Wolke, das grün leuchtende Gras. Super arrangiert. Mein Herz hüpfte bereits. So schön. Und dann sah ich die Rinderherde. Schwarz-weiße Jungkühe. Die lagen im Schutz einer Eiche aneinandergeschuschelt und sahen aus, als würden sie ein Krippenspiel aufführen. Friede auf Erden.

Tja. Was soll ich sagen. Ganz ehrlich. Ich hatte meine Kamera nicht dabei. Ich konnte das Bild fotografisch nicht festhalten. Es ist in meinem Kopf, aber von dort bekomme ich es nicht auf die Festplatte. Kein USB-Stecker im Nacken. Mein erster Impuls war, nach Hause zu laufen, um die Kamera zu holen. Dann dachte ich mir: Quatsch. Du kommst zurück, alles weg. Der Augenblick verschenkt und in Hektik zerbröselt. Also habe ich mich hingestellt und habe geschaut, geguckt, aufgesogen, genossen. Dieses Licht, diese Konturen, die Farbe, diese Atmosphäre.

Es dauerte nicht lange, und das Licht änderte sich. Die Wolke zerfiel in zwei, dann drei Teile, das grüne Leuchten der Wiese verschwand und schon war das Bild in seinem kraftvollen Ganzen aufgelöst. Und so muss ich sagen: Ich hatte einfach wirklich Glück, in diesem Moment dort gewesen zu sein. Was für ein Schauspiel. Wie schön kann die Natur sein. Mit einigen kraftvollen Pinselstrichen eine Atmosphäre zaubern, die nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Jetzt gehe ich mit Cooper wieder runter. Nehme die Kamera mit und werde sie wahrscheinlich nicht aus der Tasche holen. Das dürfte die nächsten Tage schwierig werden, knipsenswerte Szenen zu finden. Ich wünsche euch eine schöne Woche. Jens

i’m limited & we need men with vision (claudia schönfeld)

i recently discovered that
i know no monk and not one single person
who actually drives my favorite car,
this made me think somehow,
seems like i’m limited to saxo players,
physicist, odd students, poets and yes – iPhone users
(honestly i cried when i heard Steve is dead)

so i could print a bumper sticker for my car
which says “i’m limited & we need men with vision”
on the other hand, most of my friends
suspected anyway– so rotting in the traffic jam

behind you, i know all your kids by name (and be-
lieve you’re making love not war), in a minute
i will get out of my car, knock gently on your window,
ask you for their birth dates & write ‘em greeting cards
each year until they’re old enough to drive

a car themselves just like my son and– my
mom is desperate for someone to translate
the english slogan, spreading on the back pane
of his Opel… no one does &

this is why i’ll print from now on
all the stickers in my life cyrillic cause
when you come up behind me on that road,
high gear, lights up, speed and all,
i want to be unriddled slowly (& seldom
drive on russian highways anyway)

claudia schönfeld)

Claudia ist über Twitter im fiftyfiftyblog gelandet und hat hier kommentiert. Dann bin ich in ihrem Blog gelandet und habe mich gefreut. Bildreiche, lebendige, aus dem Alltag gegriffene Gedichte. Poems. Auf Englisch beziehungsweise Amerikanisch. Ich dachte mir, es wäre schön dieses Gedicht, dass ich zuerst bei ihr gelesen habe, hier zu veröffentlichen. Also habe ich Claudia gefragt und sie war einverstanden. Was mich sehr gefreut hat. Und so ist es gut und schön, „i’m limited & we need men with vision“ nun im fiftyfiftyblog zu haben. Es gibt noch mehr Gedichte von Claudia Schönfeld in ihrem Blog. Ich möchte euch den Besuch empfehlen: http://jaywalkingthemoon.wordpress.com/