Jetzt wird’s holy, holy…

Heilig. Das ist das richtige Wort. Unser Dorf tritt in die Phase der Heiligen. Und ich mittendrin. Als Buddhist. Im Dorf herrscht Aufregung, weil sich Großes verkündet. St. Martin und St. Nikolaus. Was ich damit zu tun hab? Das eine kostet mich Gehirnzellen, das andere Schweiß und Nerven. Aber der Reihe nach.

Gestern Abend hatte ich die große Ehre, beim Planungstreffen der Dorfgemeinschaft dabei zu sein. Erste Erkenntnis: Unser Dorf wird von Frauen regiert! Vier Frauen am Tisch, bewaffnet mit Blöcken, Terminkalendern und Stiften. Ein echtes Managementtreffen mit unheimlich hohem Tempo. Wann, wer, was. Beeindruckend. Termine abgeklärt, Aufgaben verteilt, Sachlagen nüchtern betrachtet (die kommen wahrscheinlich nich, die leben gerade in Scheidung. Wird wohl eher schwierig. Die sind weggezogen, weil er… Wo leben jetzt die Kinder?) und abschließend bewertet. Und Frauen sind in Chefetagen immer noch unterrepräsentiert? Das erklärt in Sachen Finanzkrise so einiges.

Weshalb ich in dieser netten Runde dabei war? Ela hat mich mitgenommen als beratenden Spezialisten für die diesjährige große St.Nikolaus-Show im Feuerwehrhaus. Großer Event, oder großes Event, wie manche auch sagen (geht wohl beides, egal). Um es kurz zu machen: Ich bin beauftragt, das Stück zu schreiben. In den letzten Jahren haben immer die Kinder was aufgeführt. Da habe ich schon mal ein Stück geschrieben. Irgendwofür muss meine Ausbildung in dieser Welt ja gut sein. Und nachdem die Uraufführung meines Stückes “Weinen um Lucie” am Staatstheater Darmstadt 1996 haarscharf gescheitert ist, habe ich meine Uraufführungen konsequent in das Feuerwehrhaus meines Dorfes verlegt. Das Imperium schlägt zurück. Quo Vadis Herr Schönlau? In den sicheren Schoß des Landlebens.

Der November wird also im Zeichen der Heiligen stehen. Am 11.11. werden wir nicht morgens zum Alter Markt in Köln pilgern, sondern am Abend die Taten St. Martins mit Liedern von Haus zu Haus rühmen. Die Kids werden mit Süßem und Geld entlohnt, wir Eltern trinken uns durch ein buntes Potpourri aus süßen Likören, Aufgesetztem, Selbstgebrannten, Bier, Glühwein. Uaaa! Wenn ich nur dran denke. Ihr glaubt, man könne einfach Nein sagen? Danke, für mich nicht? Vergesst es. Ihr seid 1.000 Meilen unter Wasser vom Wesen des Dorflebens entfernt. Das würde niemand verzeihen. Zum Ende des Zugs um die Häuser hin wird es immer ziemlich lustig, wenn wir statt St. Martin Yellow Submarine singen. Immer die gleiche Runde, immer bei den gleichen Leuten. Die finden sicherlich, das St. Martin auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Müssen sie durch – ist ja kein Wunschkonzert.

Nächste Woche ist Ela mit den Kindern auf Schiermonikoog, einer niederländischen Insel. Ich werde arbeiten – und das Stück schreiben. Am Ende wird sich die Tür zum Feuerwehrhaus öffnen und der Nikolaus wird dort mit einer Kutsche stehen, die von weißen Pferden gezogen wird. O.K., ein wenig kitschig. Aber vorher wird es einige Wendungen geben, die das Dorfleben in seinen Höhen und Tiefen beleuchtet. Mein guter Nachbar wird den Pfarrer geben – er weiß es noch nicht. Seine Frau meinte, ich solle mal mit ihm ein Bier trinken. Schon wieder die Heiligen und Alkohol. Wir man auf Dauer blöd bei. So isses.

Ich wünsche euch keinen heiligen Tag, sondern einen Tag des Rückzuges, wenn es passt. Draußen ist es gerade so grau, wie ich beim Joggen mit Ela und Cooper festgestellt habe. Da bietet sich vielleicht ein wenig Duftlampe, Tee und sanfte Innenschau an? Nur ein Vorschlag. Ihr macht eh, was ihr wollt. Gut so und schon bin ich wieder weg. Ging das schnell heute. Wie im Flug. Bin angepiekst wegen des Stückes. Große weite Kulturwelt:) Ciao.

Erst Fitness dann fett zum…

Nach dem Stuttgart 21-Hype letzte Woche bin ich jetzt froh, wieder über “unsere kleine Farm” zu schreiben. Der politische Ausflug in die große weite Welt nebst Tagesgeschäft war doch ganz schön anstrengend. Hier sind teils Kommentare eingegangen, die waren strange bis sehr strange. Teils tatsächlich sprachlich wirr und unverständlich. Die habe ich mal blockiert, weil es da nicht um die Sache ging. Schade. Insgesamt scheint da so viel Druck im Kessel zu sein, dass Komisches entsteht. Ich verfolge das Geschehen still weiter, habe meine Meinung, wende mich aber wieder dem eigentlichen Thema dieses Blogs zu. Bis es wieder Zeit wird, was zu sagen…

So springen wir nun vom Stuttgarter Hauptbahnhof in ein kleines, beschauliches Städtchen am Rande der Biggetalsperre: Olpe. Dort trainieren Ela und ich unsere Midlife geplagten Körper, um den Prozess der Alterung hinauszuzögern und körperlich in Form zu bleiben. Jim wird in zwei Jahren 16 sein und dann voller Kraft und Energie stecken. Da würde ich gerne sportlich einigermaßen mithalten können – so stelle ich mir das zumindest vor. Gerne würde ich mal mit ihm, und dann auch mit Zoe, windsurfen. Bei viel Wind in voller Fahrt. Ist vielleicht nur so ein bescheuerter Vatertraum…

Gestern sind wir zu früh in Fitness-Studio gefahren, weil wir früh wieder zurück sein wollten. Das bedeutete: Ohne Abendbrot. Hatten wir uns irgendwie keinen Kopf drum gemacht. Einfach los. Dann waren wir beide ziemlich schwach unterwegs. Ela unterzuckerte, die Finger zitterten und sie musste sich an der Theke einen Energieriegel kaufen. Danach ging’s dann, aber die Luft war raus. Unser schwungvoller Einstieg in den Fitnessabend ist den Motivationstod gestorben. Meine Beine waren ein wenig wie aus Gummi. Keine Lust, kein Antrieb und vor allem Hunger. Wir haben uns in Tarifverhandlungen auf noch 20 Minuten Training und anschließenden Abflug geeinigt. Ich bin meine fünf Kilometer auf dem Laufband zu Ende gelaufen, habe ein paar Gewichte gehoben und Ela hat sich auf dem Rad vergnügt. Mit Zeitung (könnte ich nicht – Mann? Zwei Dinge gleichzeitig? Nun, andere Männer können das auch. Hm.).

Dann kam der Augenblick der Wahrheit. Frisch geduscht trafen wir uns im Foyer und drucksten rum. Zentrales Thema: Hunger. Oder wie Mareks Maulwurf mit dem Sprachfehler so süß sagt: Hungi, Hungi. Wer von uns würde das Unvermeidliche in dieser Situation aussprechen? Wer würde die Verantwortung für die Einkehr in ein amerikanisches Fastfood-Etablissement übernehmen? “Wo sollen wir hin?” “Weiß nicht?” “Du hast aber auch Hunger?” “Ja, ziemlich.” “Und nun?” “Also ich wills nicht sagen.” “Ich auch nicht.” “Fahren wir erst einmal los.” “Du Jens, es gibt drei Altenativen.” “Welche?” “Supermarkt, Äpfel kaufen oder Tanke ein Brötchen oder Burger King.” “Burger King.” War von Anfang an klar. Auf 40 ganz normale Trainingsabende kommt ein Fastfood-Ausrutscher. Das ist dann irgendwie unaufhaltsam. So we did it! Speisen in nettem Ambiente. Musikvideos, Jugendliche, die sich mit Bandengruß abklatschen, ziemlich dicke Menschen und süße Getränke im XXL-Format. Ein dicker Burger hat 1.000 Kalorien! Darf man dann ja nich dran denken und muss auch sonst die Rübe ausschalten. Rational inakzeptabel. Der Reiz ist, sich gehen zu lassen. Die Kontrolle aufzugeben. Dem wissenden Ego den Stinkefinger zu zeigen. Rebellion. (O.K. – ich übertriebe, wir waren einfach bei Burger King, is schon gut).

Das Schöne war, wir haben uns sehr nett unterhalten. Hatten mal eine kleine Zeitnische ohne Verpflichtungen und Kinder und Hund und Haus und Job für uns. Romantische Zweisamkeit in der “amerikanischen Fressdiele für Proleten” (sagt mein Papa).

Dann hoffe ich mal, dass ich bei euch keinen Fastfood-Hunger bewirkt habe und ihr euch heute schön an Möhrchen und leckerem Obst erfreut. Guten Appetit! Ciao.

P.S. Heute Früh bin ich direkt in den Wald und habe frische Pfifferlinge geholt. Heute gibt es wieder “anständige Hausmannskost” :)

Und platsch in den Bach!

Ela, meine Freundin und Mutter unserer gemeinsamen Kinder, dreht abends oft gerne noch eine Runde durch den Wald. Manchmal geht sie allein mit Hund, manchmal nimmt sie mich mit. Gestern Abend hat sie mich nach der Arbeit und vor dem Abendbrot zu einer kleinen Runde eingeladen. Sie wollte mit mir eine Runde durch das Maikäfertal drehen – ein kleines Tal, in dem fast nie ein Mensch anzutreffen ist. Es heißt übrigens Maikäfertal, weil dort der Maikäfer, ein leicht verrückter Bauer, einen Gerümpelplatz hat. Da liegt alles kreuz und quer. Der ist ein wenig Messi im großen Stile: Alte Ladewagen, Haufen von Silagefolie, Bretter, Metallplatten. Ein Kleinod der Vergänglichkeit. Ein Schrottplatz der besonderen Art, auf dem der Schrott teilweise mit der Natur verwachsen ist. Eine Frontgabel von einem Traktor ist tatsächlich tief in einen Baum eingewachsen. Ein gleichsam interessanter wie gespenstiger Ort. Hätte auf unserer Runde gelegen, aber…

Als wir bei uns den Berg runterkamen und ins Tal einbiegen wollten, kam der Jäger. Der mag uns nicht all zu sehr, weil wir den Hund immer frei rumlaufen lassen. Er hält unseren Kuschel-Cooper für eine Jagdbestie, die ihm die Rehe wegjagen will. Tatsächlich ist es so, das kann der Jäger natürlich nicht wissen, dass Cooper die Rehe meistens gar nicht sieht. Die springen vor uns über den Weg und er hat die Nase am Boden und schnüffelt. Raschelt mal eine Maus am Wegesrand im Gras, erschreckt er sich und springt zur Seite. Eine wahre Bestie.

Nun war es gestern aber so, dass der Jäger auf seinen Hochsitz im Maikäfertal wollte, um anzusitzen. Wären wir da spazieren gegangen, hätte sich das Thema Jagen für ihn erledigt gehabt. Die wilden Tiere hätten Cooper gerochen und wären dann auf und davon gewesen. Eigentlich gut, weil ich es nicht mag, wenn Tiere erschossen werden. Aber auf dem Lande gilt, zumindest für Menschen: Leben und leben lassen. Wir haben uns also geeinigt, dass wir eine andere Runde drehen, damit er in Ruhe tun kann, was er nicht lassen kann.

Dazu mussten wir dann aber über den Bach, der momentan recht hoch ist. Ela und ich haben eine schmale Stelle gesucht und nicht wirklich gefunden. An der schmalsten Stelle war auf der anderen Seite ein kleiner Erdvorsprung, auf dem man nach einem kräftigen Sprung womöglich landen konnte. Ich habs ausprobiert und es hat geklappt. Ela wollte eigentlich nicht, hat sich aber dann doch entschieden. Ich wollte sie in Empfang nehmen, aber sie rutschte ab und stand mit beiden Beinen im Bach. Miste, wie Jim sagen würde. Aus Solidarität bin ich dann auch rein. Alleine nass sein ist einfach doof. Wir sind dann wie die kleinen Jungs aus der Nimm Zwei-Werbung nach Hause und haben uns ziemlich beeiert. Und wir haben natürlich gehofft, dass uns weder Nachbarn noch die Kinder sehen. Man muss sich ja nicht unbedingt krampfhaft zum Mittelpunkt von Spott und Häme machen. Hat geklappt. Ich hoffe, Ela wertet den Reinfall nicht als böses Omen und nimmt mich auch zukünftig mit…

Euch wünsche ich, dass ihr ohne Reinfall durch den Tag kommt und es auch schafft, euch nicht durch irgendwelche größeren oder kleineren Duseligkeiten in den Mittelpunkt von Spott und Häme zu schieben. Viel Spaß mit allem. Ciao.

Frau am Bach

Unter dem Schirm
in einer Glasperle

Pfauenauge
im Haar

Geschichten des
fließenden Wassers

Wellen umspülen
die Zeh’n

Ein Blatt
schwebt, tanzt

Kein Plätschern
das sie hört

Ihr wäre
nach mehr

Kommt sie
die Liebe?

Oder nur
ein Fisch

oktober 2010

Mann. Frau. Umgekehrt.

Fifty-fifty. Ihr erinnert euch? Das Kernthema dieses Blogs, die Startposition am 18. Februar 2010. Pole-Position. Was geht da ab im Fifty-fifty-Experiment auf dem Lande? Da dies Fifty-fifty für das Paar und Gegensatzpaar Ela und Jens steht, also eine Art Ying und Yang, Pode und Antipode oder schlicht das Weibliche und das Männliche, möchte ich mal kurz hier auf das Wesentliche eingehen. Den kleinen, feinen Unterschied. Allen ist ja sowieso immer klar, wie Frauen und Männer so ticken. Die Mädels auf der einen Seite mit schön-schön, fein-fein, guter Duft und George Clooney an ihrer Seite und die Jungs mit Bier, Fußball, herbe drauf, technisch versiert und intellektuellem Interesse an Penelope Cruz-Filmen.

Klar, ne! Gestern Abend nun war ich plötzlich mit einer schwierigen mentalen Situation konfrontiert. Dazu muss ich sagen: Nicht irgendein Abend. Nein. Montagabend. Mein Montagabend. Ausgang, Auslauf. Fußballtraining. Männergruppe, wenn ihr so wollt. Rumkicken, rumbrüllen, Tore schießen und am Ende in der Kabine Bier trinken. Nackte Kerle mittleren Alters, die über Fußball palavern und Gott und die Welt ins Visier nehmen. “Was gibt’s Neues im Dorf?” Eindeutig: Männer.

Dieser mir so wichtige Abend ist gestern a-u-s-g-e-f-a-l-l-e-n. Brrrr. Hat nicht stattgefunden. Niente. Nada. Sieh zu, wie du damit fertig wirst, Herr Schönlau. Nun hätte ich sagen können – “Lieste halt weiter in deinem schönen Buch.” Ging nicht. Erstens, weil ich scheinbar programmiert bin. Montagabend lesen kommt in der Programmiersprache meiner Woche nicht vor. Zweitens – schlimmer noch – ist der Montag der Wäschetag. Normalerweise komplett Elas Business. Moment! Ich räume täglich die Spülmaschine aus und hole das Holz aus dem Keller! Gerechtigkeit ist Fifty-fifty gewahrt. Nun ist Elas Job am Montag mit dem Thema Wäsche ziemlich konzentriert. Während sie Wäsche faltete, konnte ich mich ja nicht irgendwie verpieseln. Also habe ich mitgeholfen. Kleine T-Shirts falten, kleinste Socken ineinander stecken, Pullover auf DIN-A4-Format bringen. Wie muss dieses riesige Badetuch gefaltet werden, damit es unseren Schrank nicht sprengt? Wer, verdammt nochmal, benutzt hier eigentlich völlig sinnfrei so riesige Badetücher? Wisst ihr, wie viel Arbeit die machen? Das is ja ne ganze Maschine voll… Ups!

Zoe hat mich dann erlöst. “Papa, erzählst du mir im Bett noch ‘ne Geschichte?” “Sorry, meine liebe Zoe. Geht nich. Dein Vater ist beschäftigt. Ich falte Wäsche. Gute Nacht.” Ela prustet. Und erlöst mich. “Hau schon ab, erzähl deiner Tochter ‘ne Story.” Moment mal. Nun gut, immerhin hab ichs versucht und mental ja auch bis zum großen Badetuch geschafft. Und damit hier keine falschen Meinungen oder gar männlich-weiblich-typische Beschuldigungen aufkommen: Ich habe schon öfter auch ganz alleine riesige Wäscheberge gefaltet! Manchmal sogar fast gutlaunig. Jawohl. So weit sind Männer und Frauen nämlich gar nicht auseinander. Vielleicht einfach nur ein wenig anders belastbar. Naja, ihr wisst, was ich meine. Oder?

Euch einen schönen, ausgeglichenen Fifty-fifty-Tag. Ich hab hier einen Sack voll Arbeit, muss aber erst zum Zahnarzt, meine Krone einsetzen lassen. Ihr erinnert euch: “Fucking Gitarrenladen!”. Dann will ich mal in die Saiten hauen und ein wenig Gas geben. Ciao.