What the hell ist dieses Leben?

Kann mich mal bitte jemand an die Hand nehmen? Mich ein wenig führen? Mir Dinge erklären? Solche, wie das Leben zum Beispiel? What the hell is going on?

Das Leben. Meines, eures, unseres. Auf diesem Planeten, in unseren Wohnungen und dazwischen. Dauernd passiert was. Kleine Dinge, wie ein Cappuccino, große Dinge wie Schlammlawinen in Vernazza, das Sterben geliebter Menschen, Trennungen, Verliebungen, Finanzchaos, Fußball-Europameisterschaften und das ganze großgeopolitische Gedöns von Hindukusch bis Fukushima. Olympia, das komplett an mir vorbeigegangen ist. Einziges Bild ist eine feiernde Sprinterin im roten Dress, die ich in Levanto im Vorbeigehen in einer Eisdiele im Fernsehen gesehen habe.

Es passiert so viel. Plötzlich. Und ich für mich stehe da und staune. Bin erschüttert, verschreckt, begeistert, erzürnt, verworren, betört, verloren, gefunden, begeistert, berührt, berührt. Das ist Leben, sagt jetzt vielleicht jemand von euch. Alles ist erklärbar, definierbar. Man kann sich hinsetzen, forschen, Sinnzusammenhänge aufschreiben, Formeln postulieren. Wenn a, dann b. Und Wurzeln und Algorithmen und Logarithmen und Logopädie. In meinem geliebten Buddhismus heißt es, dass wir in jedem Augenblick unser eigenes Dasein schaffen. Unsere Zukunft, ab dem jetzigen Moment. Bin ich nett, ist alles O.K. Bin ich es nicht, gibt es Krieg und es sterben bisweilen sogar Menschen. Unvorstellbar. Selbstgemacht. So lange Hass erzeugt, gepredigt, verwünscht, bis es kracht.

Und nun? Sitze ich hier mit dem Meer, Italien und Levanto im Rücken. Werde furchtbar sentimental, denke an meine Mama und. Das Leben. Wie es spielt, läuft, schlängelt. Mal bist du oben, mal bist du unten. Hab ich im letzten halben Jahr, in den letzten Monaten reichlich erfahren. Wie sagt ein Freund: Manchmal kriegst dus einfach voll auf die Fresse. Mit Nasenbluten und Kopfschmerz bis der Arzt kommt. Und dann, als wäre nichts gewesen, kommt ein neuer Tag, der Frühling, die Vöglein zwitschern und so ein scheißkitschiger Schmetterling, lieblich und schön, umsurrt dich und setzt dich auf deine Hand. Was soll das, bitte schön? Läuft das so? Zuckerbrot und Peitsche? Brot und Spiele? Mal Zuschauer, mal Löwenfutter? Na Bravo und Applaus auch.

Si. Yes. Qui. Genau so. Scheinbar. Was hilft? Was tun? Auch da gibt es diesen wunderbaren Trick, den ich seit sehr langem beherze: Weiteratmen. Weiteratmen. Weiteratmen. Ela würde sagen: Die Welle reiten. Ela. Schön. Es geht wieder. Die Betonsturmflutschutzwallmauern können allmählich abgebaut werden. Langsam. Ich sehe schon drüber und freue mich. Wenig Angst mehr. Nur mal so zur Info. Zwischendurch.

Also what the hell ist dieses Leben? Mein Kopf als alte Textermaschine würde jetzt gliedern und eine wohlklingende Abhandlung schreiben. Mein Herz sagt: Halt die Klappe, du hast keine Ahnung. Tatsächlich habe ich mal gedacht, ich wüsste, wie der Hase läuft. Ich glaube, da war ich so 30. Ungefähr so alt wie auf dem Foto von 1994 im vorangehenden Post. Jetzt, wo ich auf die 50 zugehe, fängt es an, dass irgendetwas in mir sagt: Lass es. Nimm die Finger weg. Hör auf zu erklären, zu fabulieren, zu antizipieren. Lass es laufen, kommen, egal, was es ist. Denk nicht nach, nimm es, lass es, entscheide dich so, wie es sich am besten anfühlt.

Es läuft gerade. Es ordnet sich. Das Leben macht mir Geschenke. Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, der zugedeckt wird, dem das Leben über den Kopf streicht und sagt: Alles ist gut. Träum schön. Ich habe da noch eine Kleinigkeit für dich. Augenzwinkern. Ist das Traum oder Wirklichkeit? Das Spiel, die Realität, die Wirklichkeit und das Leben. Ein Thema, an dem ich schon lange arbeite. Das bis hierher schwammig bleibt. Ungewiss. Ungewisser als damals, als ich dachte, die Welt erkannt zu haben.

So what? Nichts. Weiteratmen. Die Gedanken kommen und gehen lassen, die Krisen, Katastrophen nehmen, wie sie sind. Ohne Angst. Was kann mehr passieren? Es passiert so viel und letztlich kommt der Frühling, der Tag beginnt, der Schmetterling kommt und setzt sich. Zoe hat mir im Urlaub einen Seeigel in die Hand gegeben. So ein stacheliges Vieh, vor dem man Angst hat, weil es unter Wasser mit seinen Stacheln wartet, um sie einem in den Fuß zu rammen. Sie sagte: „Papa, schau mal, wie schön der ist. Und wenn du ihn auf der Hand hast, dann kribbelt das. Er saugt sich fest.“ Sie gab ihn mir in die Hand und er war wunderschön. Die Stacheln tiefschwarz und wie eine Sonne angeordnet. Das Gefühl in der Hand war so nett. Er hat sich tatsächlich festgesaugt. Aber es war ein Streicheln wie von kleinen Händen.

May Daddys wear CHUCKS???

Sommer. 2012.

Nicht hier, aber woanders. Italy. Tatsächlich werde ich in den nächsten Tagen die Biege machen. Über die Alpen, bzw. durch den Gotthardt mittendurch. Nun habe ich ein Problem: Schuhe. Was ziehe ich an? Die Wettervorhersage am Ort des Geschehens an der ligurischen Küste spricht in der 16-Tage Vorschau von blauem Himmel, blauem Himmel, blauem Himmel. 28 Grad und so. An einem Tag, also nicht mehrere Tage hintereinander addiert.

Da wäre also Sommerschuhwerk angesagt. Ein leichter, bequemer Schuh. Flach, bequem, easy.

Meine Kinder sind da immer fein raus, die tragen seit Jahren Chucks. Diese amerikanischen Leinen-Turnschuhe, die es bereits seit 1917 gibt. Also nicht ganz ein Modeschuh, sondern eher ein Klassiker. Getragen von Menschen quer durch die Kulturgeschichte. Ich habe mal recherchiert und bin wie fast immer bei Spiegel-Online fündig geworden. „100 Jahre Turnschuhkult – O Sohle mio!“ Dort steht unter anderem: „In den späten Sechzigern tauchten auch Yoko Ono und John Lennon in Chucks auf. Genau wie viele andere Hippies, die sie mit Peace-Zeichen bemalten und Blumen durch die Schnürbandösen flochten. In den Siebzigern beanspruchten die Punks die Chucks für sich. Schwarz mussten sie sein, logisch, der Schuh wurde so lange mit Tape oder Sicherheitsnadeln geflickt, bis er endgültig auseinanderfiel. In den Achtzigern paarten Hard-Rocker wie Van Halen ihre Chucks mit engen Streifenhosen. In den Neunzigern ergänzten Chucks das Grunge-Outfit: Eddie Vedder und Kurt Cobain trugen sie zu zerlöcherter Jeans und Holzfällerhemd.“

Yoko Ono, John Lennon, Van Halen, Eddie Vedder, Kurt Cobain – da könnte ich doch auch? Hm. Weiß nicht. Irgendwie gerade die Domäne meiner Kinder. Und Eltern sollen ja nicht. Also erziehungstechnisch. Jugendkult. Abgrenzungsmechanismen. Weil das ja deren Mode ist und wenn ich deren Mode übernehme ist es ja unsere Mode, was deren Spaß an ihrer Mode schmälert. Oder so. Oder anders. Vertrackt. So in blau fänd ich die ja nicht schlecht. Uni.

Oder doch lieber ganz normale, schöne Sneaker? Also die, die heute getragen werden. Vorzugsweise auch von der Jugend. Diese ganz flachen Leisetreter. Wisst ihr, welche ich meine? Also wir haben früher ja immer Joggingschuhe getragen. Erst von adidas, dann Nikes und später Asics. Alles nicht ganz so einfach – insbesondere für Daddys. Oder doch lieber feste Sommerschuhe? Mag ja eingentlich den kräftigen Auftritt. Grübel, denk, überleg…

iPhone or no iPhone, that’s the question.

Alle haben eines. Ein Vierer oder sogar Vierer S. In meinem Metier, unter den Kreativen geht es eigentlich gar nicht ohne. Kommunikation. Kontakte. Checken. Online sein. Mails abrufen. Simsen. In die Cloud. Skypen, was in der Apple-Welt irgendwie anders heißt. Möglichkeiten über Möglichkeiten. Irgendeine Frage? Zück, ich antworte schneller als dein Schatten. Konzentrierter Blick, Fingergeschiebe. Kribbeln im Kopf, Kabel im Kopf, Verbindungen, eingeklinkt in die MATRIX. Es wird alles wahr und Big Brother is watching you. Loosing my religion.

Hat ja eine gewisse Erotik, so ein Teil. Kommunikation mit Anfassen. Touch. Touch me. Touchscreen. Die sensiblen Fingerspitzen über das nackte Display. Uaahh. Berührtsein, Verführtsein. Nun hatte ich die letzten Tage auch noch jobmäßig mit dem Ding zu tun und musste in den Apple-App-Store, um auch morgen noch kraftvoll zubeißen, äh mitreden zu können. Ist das alles schön bunt hier? Apps für alles und jenes.

Dieser Haushalt ist mittlerweile total verappt und ich fühle mich manchmal veräppelt, wenn ich nicht mitreden kann. Die Begeisterung ist so hoch. Ungebrochen. Beim Mittagessen muss ich dringend darauf hinweisen, dass die Devices off gehen. „Bitte schalten Sie jetzt ihre Mobilgeräte aus, wir wollen essen.“ Seit wir W-Lan haben sind alle ständig drauf. Noch schnell das Tutorial reinziehen, die App laden, den Clip schauen. Guck mal hier! Boah, ey!

Nun bin ich der einzige komplett apfelfreie Mitbewohner hier und habe auf der Stirn groß stehen: Letzter Mohikaner. Und ich muss zugeben. Es zuckt. Soll ich? Soll ich nicht? Das Gänseblümchen-Orakel befragen? Ich glaube, ich werde standhalten. Vor allem, weil jetzt auch schon die Telekom-Hotline auf mich einredet. Als ich da anrief wegen eines kleinen technischen Problems im Teamwork von Router und Telefonanlage hat sich diese hübsch klingende junge Frau als Sirene und Schlange Ka in mein Ohr gewunden. „Du willst es doch auch. Smart. Phone. Äpfelchen, fein geschnitten wie früher. Der Vertrag läuft bald aus, wir beiden könnten jetzt und hier verlängern. Eine unheimliche Beziehung eingehen, intensiv. Touch. Screen. Der Apfel mit dem Biss.“ Wer hat die denn geschult? Direkt von der Erotikmesse engagiert. Normalerweise sage ich bei aufkommendem Verkaufsgeschwätz „Danke und weiter, bitte“. Aber hier. Fast hätte ich zu allem Ja und Amen gesagt, aber eine letzte Gehirnzelle Verstand hat mich zurückgehalten. Das iPhone, ein zweischneidiges Schwert. Meint auch der Spiegel.

Denn es ist eine größere Frage, die über das Telefonieren hinaus geht: Wie willst du leben? Ständig online? Im Wald Mails checken? Im Auto skypen? Mille Grazie. Monsieur NON. Das möschte isch nischt. And so werde ich einen anderen Weg gehen. Nach Waldbröl. Zum nächsten Elektronikfachhändler meines Vertrauens. Hier gibt es all die großen Märkte mit M und Himmelsringen nicht. Ich werde mir mal bei euronics erläutern lassen, was es für mein Leben nach Vertragsende so an Alternativen gibt. Was will ich wirklich? Da wird der Handyvertrag zur psychologischen Weichenstellung, zur Lebensentscheidung:).

ARTsehnen – ein Bild pour moi

Ja, was hängt denn da an der Wand?

Mein Papa hat immer gesagt: „Was ist das? Hängt an der Wand und wenn es runterfällt, ist die Uhr kaputt? PECH!“ Ich hatte jetzt Glück. Weil ich nach all den schönen Bildern, die ich in der letzten Zeit in den Ateliers gesehen habe, den Wunsch hatte, ein Bild in meinem Zimmer aufzuhängen. Leider habe ich nicht das Geld, all die tolle Kunst zu kaufen. Das würde meinen Etat deutlich überstrapazieren. Gerade erst ist die Kohle für eine neue Heizung rausgegangen. Wenn ich mir das vorstelle – kaufe Viessmann statt Bilder. Wie doof. Aber: That’s reality.

Also eine Alternative. Archiv. Damals. Ja, ich habe mich auch einmal versucht. Habe eine Zeit lang Bilder produziert. Das bedeutet, der Feuerlöscher oben stammt von mir. Diesen Feuerlöscher habe ich sogar für wenig Geld bekommen. Ich weiß, Meese würde sagen: Design, Illustration, keine Kunst. Ist in Ordnung. Für mich ist es auch mehr ein persönliches Zeichen so wie ein Tattoo, das eine eigene Geschichte erzählt. Ein Tagebucheintrag, eine Erinnerung, eine Begebenheit, Familienalbum, etwas von Früher. Ohne Anspruch, ohne Bedeutung für die Welt.

Ich freue mich, dass es nun dort hängt und ich was zu gucken habe vom Bett aus – zusätzlich zum neuen Dachfenster, durch das ich mir gestern Nacht ein imposantes Gewitter angeschaut habe. Das Bild gehört übrigens zu einer Reihe. Ich habe gleich drei davon gemacht. Das Erste heißt „Fridge“, weil es eine Kühlschranktür trägt, die eine Geschichte hat. Eine weiße Kühlschranktür auf einem dunkelblauen Hintergrund. Ölfarbe. Das Zweite hat keinen Namen. Es trägt drei Beile mit grasgrünen Köpfen vor einem Hintergrund in Orange. So kann ich in den nächsten Monaten wechseln. Ich werde euch dann mit Fotos auf dem Laufenden halten. Fridge hat lange in einer Kölner Agentur gehangen und sollte mir damals für 1.000 DM abgekauft werden. Konnte mich nicht trennen. Tagebücher verkauft man nicht.

So. Das wars für die Woche. Ende, aus, Kindergarten. Schluss mit lustig und rein ins Weekend, von dem ich noch nicht weiß, wohin es mich verschlägt. Es war etwas Schönes geplant, dass sich zerschlagen hat und nun durch etwas anderes Schönes ersetzt werden will. Falls sich Plan A entscheidet, nicht Wirklichkeit zu werden (wovon ich ausgehe), habe ich einen Plan B, einen guten Freund, der Hilfe beim Fensterstreichen braucht. Da wäre mit Plan A fast lieber… Ciao, bye, Love, Peace und Eierlikör in Dosen.