ELECTRICITY

Es gibt Leute, die sagen, alles wird gut!

Die behaupten, wir würden am Rande einer neuen Epoche leben und momentan übergehen in das Wirtschaftszeitalter der grünen Energie. Was uns Aufschwung, Wohlstand, Gerechtigkeit, Klimarettung bringen würde. Klingt nach Freibier für alle. Schon mal erlebt?

Wie auch immer. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Was ich da als ein Siebenmilliardstel der Menschheit denke, ist eh schnuppenfirlefanzegalinski. So what.

Trotzdem interessiert mich gerade das Thema Elektrizität. Eher aus einem fotografischen Blick heraus. Mir sind gerade Ausschnitte des Stromnetzes sowie der Stromerzuegung rund um unser Dorf ins Auge und die Linse gesprungen. Das sind ja nicht weniger als Lebensadern. Für manche tatsächlich. Nach dem Sturm Kyrill war ich für über 48 h ohne Strom. Kein Handyempfang, weil die Masten lahmgelegt waren. Bäume waren auf die Überlandleitungen gestürzt, alles musste abgestellt werden.

Erst war es gemütlich. Kerzenschein, Ofen, kochen auf dem Gasherd. Am nächsten Tag starteten dann die Notstromaggregate, weil die Kühltruhen voller Fleisch in der Nachbarschaft abzutauen drohten. Brummmmm. Strom. Energie. Lärm, Lebenselixier. Also laufe ich mit Cooper rum und knipse. Nehme Leitungen ins Visier, Transformatoren, Isolatoren, Windräder. Erstaunliche Objekte, wenn man sie bearbeitet. Mache ich gerade. Freistelleffekt durch das Drehen an der einen oder anderen Stellschraube.

Und dann eben: Konkret. Die Birne im Garderobenraum unten im Flur war kaputt, wodurch Schuhe und Jacken auf einem großen Stapel in der Dunkelheit gelandet sind. Ein kleinerr Raum ohne Tageslicht. Jim und ich, Sohn und Vater, haben auf Jims Initiative Hand angelegt. Praktikum in Kanada, kann ich nur sagen. Neue Tatkraft. Hausmeisterblick. Wir haben den Job aufgeteilt. Leiter aus dem Keller, neue Birne vom Speicher. Jim will die Sicherung ausschalten, ich bin dagegen. Hängt der Anrufbeantworter dran, der müsste neu eingestellt werden. Doof. Wir stellen den Strom mit Lichtschalter aus und testen mit dem Phasenprüfer. Leitung tot, wir leben. Gut so. Jim tüftelt, schraubt, macht. Ich assistiere unten auf der Leiter. Halte Zangen, Schraubenzieher, Taschenlampe und achte auf Jim, der verdreht oben auf dem Querbügel der Leiter sitzt. „Wenn der Junge fällt!“. Eltern, schrecklich. Die Glühbirne lässt sich nicht wechseln. Komisch. Jim und ich geben alles, aber die Lampe ist eine verklebte Einheit. Nichts geht. Austausch. Weg damit. Mit welcher Behändigkeit Jim das erledigt. Er schraubt die neue Lampe in die Decke, also den Halter der neuen Lampe, bringt die Leitungen an, montiert das Gehäuse am Deckenträger. Licht an! Yes, Licht an! Respekt, junger Mann! Brennt und wir haben überlebt. ELECTRICTY ist spannend. Und so gut zu uns. Licht, Wärme, Kraft. Ins Haus. Überlandleitungen, Windräder. Nice.

Die Romantik der Biolumineszenz

(Creative Common License, Flickr, Oliver Martins)

Was für eine Nacht!

Erst gehen wir gegen Italien unter – die Tränen des Thomas Müllers werden lange nicht trocknen – dann geraten Zoe und ich in eine Horde wildgewordener Glühwürmchen und dann heute Morgen ein Gewitter, das sich gewaschen hat. Und mich unterm Dach auch – zumindest bildlich. Als wären Wellen über das Haus geschwappt, so grollte das Wasser um mich herum. Sturzbäche, Fluten, das Dach über mir ein Wellenbrecher, eine Kaimauer, ein Schiffsrumpf, der sich in tosender Fahrt in Wasserberge stürzt. Ende der Nacht. Guten Morgen! Mein Dachfenster ein Aquarium – mit wunderbaren Fischen wie in der Karibik! (Quatsch)

Den Fußball lasse ich mal außen vor. Haken dran. So ist das. Punkt. Aus. Vorbei. In solchen Spieln muss man härter, aggressiver, willensstärker sein. Gut, aber zu brav, die Jungs. Nach der Völler-Rijkaard-Auseinandersetzung 1990 sind wir Weltmeister geworden. Kämpfen. Einsteigen. Unbedingt wollen. Nichts anderes zulassen. O.K. Am Samstag spiele ich mit meinem Team in der Endrunde der Ü40-Kreismeisterschaft auf heimischem Platz. Die Lektion ist gelernt: EINSTEIGEN, KÄMPFEN, WOLLEN. Ich will und bin hoch motiviert, diesen Pokal Football-is-comming-home-mäßig hierhin zu holen. Feuer!

Nach dem Spiel, das wir in einer Scheune oder Remise bei einem Freund gesehen haben (public viewing im Country-Style mit Fassbier, Grill und Tribüne in der Scheune), sind Zoe und ich zum Auto. Das stand etwas abseits neben einer Wiese. Als wir dort ankamen, war alles voller Glühwürmchen. Biolumineszenz. Bestimmt 30 schwirrende Leuchtpunkte in der Nacht. Der kleine Leuchtkäfer oder Johanniskäfer (Lamprohiza splendidula). Wikipedia: „In der ersten Nachthälfte warmer Mittsommernächte, ca. 2 Wochen im Juni/Juli (um den namensgebenden Johannistag am 24. Juni).“

Paarungszeit. Licht an, die Party geht ab. Summ, summ… Ziemlich gutes Signalsystem. Grüner Leuchtpunkt bedeutet: Baby, lass mich der Papi deiner Käferchen sein. Die Vielzahl der Greenpoints in der Nacht zeigt: Funktioniert. Kleine Taschenlampe brenn…

Mal ganz abgesehen von diesem ganzen Paarungsgedöns ist das einfach ein sehr schönes Bild. Leider musste Zoe dringend nach Hause, weil sie sehr müde war und um sechs Uhr aufstehen musste . Like me, der Wochendienst hat. Also nur ein kurzer Blick. Das Schöne ist, die Lichtpiloten schweben am Nachthimmel und strahlen wirklich eine außerordentliche Ruhe aus. Keine Anbaggerhektik. Hier ein heller Punkt, der sich leicht auf und ab bewegt, dort ein Punkt, der sanft durch die Nacht gleitet.

Ich habe noch nicht viele Glühwürmchen-Nächte erlebt. Manchmal, gut, habe ich einzelne Käferlämpchen gesehen, aber so viele an einem Ort, das ist selten. Und umso beeindruckender. Leider habe ich kein Foto machen können und ich weiß auch nicht, ob die sich fotografieren lassen, weil ihr Licht nur ein Tausendstel so hell ist wie das Licht einer Kerze. Wahrscheinlich wären das nur Stecknadelpunkte geworden auf dem Foto. Oilver Martins ist es gelungen. Also habe ich mir sein Foto von Flickr gezogen. Danke für die Nutzungserlaubnis!

Ab in die Alters-Wohngemeinschaft!

47. In „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist es die 42, die für den Sinn des Lebens steht. Menschlich betrachtet in etwa die aktuelle Lebensmitte. Ups! Bin ich drüber. Liegt der Sinn des Lebens hinter mir? Mitnichten. Midlife-Crise abgehakt, durchstarten in den zweiten Teil.

Der zweite Teil. Graue Haare, tiefe Falten. Herrje. Kommt.

Am Samstag kam ich mit Cooper vom Spazierengehen oben aus dem Wald. Ich ging ins Dorf hinunter in Richtung Alte Schule, als ich meine Nachbarn traf. Ein älteres Paar. Sie standen oben auf der Terrasse ihres Hauses. Beide über Achtzig und bis vor kurzem noch so richtig fit – mit eigenem Garten und Rasenmähen und Machen und Tun. Einkochen, einfrieren, Feste feiern.

Nun ist all das nicht mehr ganz so einfach. Zipperlein. „Das Alter setzt einem ganz schön zu. War alles mal besser.“ Lächeln tun sie trotzdem, weil sie sich haben. Gemeinsam alt werden, zueinander stehen, füreinander da sind. Ich muss lächeln, weil die beiden die weiße Fahne hissen. Nicht symbolisch, sondern tatsächlich. Zu zweit stehen sie da. Er knüpft das weiße Tuch mit einer dicken Schnur ans Geländer, sie steht daneben und schaut zu. Fahnenappell. „Was macht ihr da?“ „Jens, samstags kommt der Bäcker Sänger mit dem Auto. Wenn wir das Tuch raushängen, brauchen wir nix. Dann muss das Auto nicht halten.“ Ah. Zeichen am Rande des Weges. Weiße Fahnen. Brauchen nix.

Das mit dem gemeinsamen Altwerden ist ja nun heute so eine Sache. Kann man sich nicht wirklich drauf verlassen. Der zweite Teil unter veränderten Vorzeichen. Wie soll der aussehen?

Am Wochenende habe ich mit Freunden kurz darüber geredet. Ganz klar, alle tendieren zur WG. Gemeinsam da durchgehen. Die Kinder sind irgendwann aus dem Haus und dann leben wir alle in viel zu großen Häusern. Speziell ich hier in der Alten Schule, die schon gezielt mit Leben gefüllt werden muss.

Wie kann das aussehen? Nun: Hier gibt es eine große Wohnküche, einen großen Gemeinschaftsraum (das alte Klassenzimmer), ein Ofenzimmer, zwei Bäder sowie zusätzlich sieben einzelne Zimmer. Plus Speicher und Waschkeller. Da wäre doch schon mal Platz für den einen oder anderen Mitbewohner.

Und wenn wir dann älter und eventuell gebrechlich werden, holen wir uns die Hilfe, die wir brauchen. Menschen, die helfen. Profis, die wissen, was zu tun ist. Zum Beispiel eine freundliche Seniorenpflege mit netten Leuten, die übernehmen, was nicht mehr geht. Ich gebe zu: es ist noch etwas früh, daran zu denken. Aber: Die Weichen müssen gestellt werden, bevor die weiße Fahne gehisst werden muss. Die Alters-WG gehört einfach zu meinen Wunsch- und Lieblingsprojekten, über die ich gerne nachdenke. Rumspinnen:)

Oranje, S.O.S und Brüder in Not

Zurück aus den Niederlanden!

Was für ein Wochenende. Segeln mit meinen beiden Brüdern. Einem großen und einem kleinen. Dazwischen ich. Wir sind mit dem Wohnwagen gefahren und haben eine Jolle gemietet, um rund um das Heeger Meer (unweit des Ijsselmeers) in See zu stechen. Unseren Wohnwagen konnten wir direkt am Wasser abstellen, an einem Kanal, der zum Heeger Meer führt. Hier zogen die Segelboote vorbei, unter anderem die großen, schönen, alten Plattbodenboote. Am ersten Abend saßen wir am Wasser, tranken Bier, sahen den Booten zu und der untergehenden Sonne. Ist schon ziemlich schön dieses Holland mit seinen Seen, Meeren und Kanälen.

Dann ging es los. Boot holen, zu uns in den Hafen bringen, alles an Bord bringen, Segel setzen und rausfahren. Mein älterer Bruder ist Segler und so waren mein kleiner Bruder und ich die Matrosen. Mein Job war es als Vorschoter das Focksegel vorne zu bedienen. Erschallt der Ruf „Ree“, wird das Boot gewendet und das Focksegel muss an der Fockschot zur anderen Seite herübergezogen werden. „Ey, ey, Käpt’n“. Am ersten Tag war das alles easy. Relativ wenig Wind. Wir sind vor uns hin getuckert, in die Kanäle rein, vorbei an wunderschönen Häuschen und Landschaften in die Dörfer und Städtchen. Direkt anlegen an den Kneipen am Wegesrand, was essen, was trinken. Seemänner sind rauh und durstig. Skål.

Dann wurde es rauh. Nicht in den Kneipen und Häfen, sondern draußen auf See. Morgens schon Windstärke 6 mit zunehmender Tendenz. Segel gerefft – also auf halbe Größe eingerollt und dann raus ins tosende Wasser. Ups! Da hat uns der Skipper raus auf die Kante geschickt. Rauslehnen, gegenhalten. Das hat gespratzt und unser Regenzeug musste zeigen, was es kann. Der Wind nahm zu und wir haben uns in den Hafen gerettet. Allerdings nicht unseren, weshalb wir später irgendwie zurückkommen mussten. Brüder in Not. S.O.S. Angelegt, eingekehrt, Teambesprechung, gefuttert, getrunken, gestärkt, entschieden. In leichter Fahrt per Motor ohne Segel zurück in den Heimathafen. Jawoll. Raus aufs Heeger Meer, Wellen, Windstärke 7, der Motor setzt aus. Mist. Doch Segel setzen und durch? Die Mannschaft will, der Skipper sagt: Zu gefährlich. Gott sei Dank!

Wir sind dann mit stotterndem Motor zum Verleiher, um die Engine zu tauschen. Und dann kam es: Das Wetter! Graue Wolken, dunkel, tief. Wir im sicheren Kanal mit Blick auf das Heeger Meer. Windstärke 8. Tohuwabohu. Prasselnder Regen, peitschende Böen und nur wenige Minuten später die Brandweer-Boote in voller Fahrt mit Blaulicht. Gekenterte Boote, halb ertrunkene Segler, wie wir später erfahren. Puh!

Wir haben uns unter sicherer Führung unseres erfahrenen Skippers mit neuem Motor und leichter Fahrt über die Kanäle hintenrum nach Hause geschlichen. Sonnenuntergang, Frieden, Blick aufs Wasser, schön. Gerettet!

Und als hätten wir nicht schon Highlights in jeglicher Form genug gehabt (eine Nacht sind wir in einer Kneipe gelandet und haben spät in der Nacht auf Wunsch unserer holländischen Freunde „99 Luftballons“ durchs Mikrofon geschmettert… Puh.), durften wir Samstagabend in Holland zunächst Holland-Dänemark und dann Portugal-Deutschland sehen. Euro 2012 inmitten der Oranje. Was für ein Abend! Was für ein Augenblick, als Gomez seine Rübe hinhält. Vorher sind wir natürlich ordentlich Hopps genommen worden von den Oranjes, die ziemlich sicher waren, dass der Abend genau anders herum ausgeht. Aber wie heißt es: „Ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnt Deutschland!“ Die Niederländer, die überall „Holland“ auf den Fahnen stehen hatten, waren trotzdem in Feierlaune und haben gesungen, getanzt, gelacht… Meine Güte, wenn die gewonnen hätten… Jetzt sitze ich also wieder hier, der Boden unter meinen Füßen schwankt ab und an noch (wenn ich die Augen schließe, was ich deshalb nicht tue, was beim Schreiben auch hindern würde, weil ich dann nichts sehe und die Tastatur wackelt:) ) Keine Kommandos mehr vom Käpt’n, keine Wende- und Anlegemanöver mehr und die Brüder wieder in alle Winde zerstreut.

Sailing with Brothers.

Drei Brüder, die heute auf große Fahrt gehen, in See stechen.

Als unser Vater Anfang Februar starb und wir Zuhause damit beschäftigt waren, uns zu verabschieden und die Dinge zu regeln, die dann geregelt werden müssen, haben wir vereinbart, gemeinsam wegzufahren. Mein älterer Bruder ist Segler, mein jüngerer Bruder hat einen Wohnwagen.

Mit unseren Eltern sind wir früher mit dem Wohnwagen in den Urlaub gefahren. Vier oder fünf Mal. Das waren Chaostouren, weil wir entweder keine Papiere für Hund und Katze hatten und trotzdem ins Ausland gefahren sind, das Auto nicht richtig lief und schlecht ansprang (ich musste dann immer den Luftfilter abbauen und „tippen“ – die Starterklappe im Vergaser per Hand betätigen) oder wir für den Wohnwagen keinen TÜV hatten. Einmal sind wir in Würzburg von der Polizei von der Autobahn geholt worden, weil mein Vater in der Baustelle LKWs überholt hatte – deutlich zu schnell, mit fehlender TÜV-Plakette und natürlich im Überholverbot für Gespanne. Auf Familienfeiern wurde der Polizist immer wieder zitiert: „Sie sind wohl Weltmeister im Überholen?“ Kann man so stehenlassen, da ist schon was dran.

Nun also eine Revivaltour der Söhne. Leider sind wir etwas aus der Art geschlagen und haben tatsächlich TÜV und sogar neue Autoreifen. In Holland ist auch alles vorgebucht – Boot und Stellpaltz am Wasser. Da kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Wir werden mit einer Jolle schippern. Durch Kanäle in kleine Städte hinein. Werden viel lachen, über die alten Zeiten reden, unseren Papa. Da gibt es viel zu erzählen. Anekdote um Anekdote. Ein Verrückter im positiven Sinne. Wäre schön, wenn er dabei wäre. Zu viert in einem Boot. Das hat leider nie geklappt. Aber so wird er auch dabei sein. Freue mich. Machts gut, bis die Tage. Schönes Wochenende:)