Kennt ihr das Gefühl, wenn Tage anders sind. Weicher, verletzlicher. Wenn der Blick auf die Welt durch einen Weichzeichner geschieht, der auswählt, schönt und die Sinne empfindlicher reagieren lässt? Bei mir ist heute so ein Tag. In der letzten Zeit habe ich viele Gedichte gelesen – von Annegret in den Kommentaren, von filomena in ihrem Blog und auf einer neuen Lieblingsseite, auf die ich über Twitter gestoßen bin: liebesenden. Wenn ich das richtig interpretiere, verarbeitet dort ein Mann, ein Lyriker eine zurück gewiesene Liebe. Schön, sehr schön. Sehr gefühlvoll und tief.
Nun leben wir nicht gerade in romantischen Zeiten. Die Romantik oder das Emotionale wird nur all zu oft in der Werbung verbraten. Ein Wort wie “Melancholie” liegt im Giftschrank, ist nicht mehr anwendbar. Zumindest für mich. Da ich selbst Werbetexter bin, der auch mit Emotionen arbeitet und spielt, habe ich oft zugesehen und mit Schrecken erlebt, wie Wörter verbrennen. Untauglich werden. Belastet sind, besetzt. Der Kommerz als stärkste Kraft nimmt sich, was er braucht. In der Geschwindigkeit unseres Seins mit Wachstumsraten, Finanzdynamik und Globalisierungsspeed wird das Innehalten schwierig. Ein Unterfangen, als wolle man mit bloßen Händen eine Flut aufhalten.
Welche Aufgaben nun haben die, die Gedichte schreiben? Sich dagegen stellen? Den Blick zurückschweifen lassen und verklären, Wörter wie gestrandete Katzen wiederbeleben und mit der Flasche großziehen? Oder die Zeit dokumentieren, sie festhalten in Bildern, die aus Geschwindigkeit entstehen? Für mich kaum erträglich, das Sein, das wir als Realität, als Wirklichkeit annehmen, in Gedichte zu packen. Fluchttendenzen. Sehnsucht nach Ruhe, Entschleunigung. Gleichzeitig die Faszination des Mitgaloppierens, des Eintauchens in aufregende Zeiten, in denen sich stündlich die Welt verändert.
Es ist ein Leben im Stop-and-Go-Verfahren. Ein Hineilen und Suchen nach Parklücken, Ruhebuchten, wo der Wind leise wird und streichelt. Die Sehnsucht gleichsam nach Innerlichkeit und Körperlichkeit, der Wunsch, dem Menschen nah zu sein. Ihn zu fühlen im Täglichen. Den anderen dort drüben. Auf der anderen Seite. Menschen, wo seid ihr hin? Da stehen wir voreinander und unser Innerstes ist wie vom CERN in kleinste Teilchen aufgelöst und in die vielen Segmente unserer weltlichen Individualität verteilt. Vielleicht können Gedichte vereinen. Transmitter. Ach, diese Tage, an denen die Welt so ist. Entschuldigt.
Ich wünsche euch heute viele direkte menschliche Kontakte – richtig mit sprechen, anfassen, einander in die Augen sehen. Ich wünsche euch ein Fühlen, Berührtsein, Empfinden. Und natürlich einfach viel Spaß mit dem, was auf dem Programm steht. Jens.