Komm unter meinen Rettungsschirm, Baby:)

Ruhr_Schirm_2014
Ein kleiner Sonntagsspaziergang sollte es werden. Die Ruhr hinunter, ein wenig promenieren. Sehen und gesehen werden. “Guten Tag, Herr Komerzialrat. Gnädige Frau.” Bewegung. Dieses Wochenende bei Viveka gab es Leckereien. Aus den oberbergischen Wäldern. Pfifferlinge, Steinpilze. Die schießen derzeit aus dem Boden, dass es eine wahre Wonne ist. Pilze, Pilze, Pilze. Heute Gnocchi mit Pfifferlingen. Olivenöl, Schalotten, ein wenig Knoblauch, Tomate mit den Zwiebeln und Knoblauch zergehen lassen, sanft, bitte, nicht zu hoch die Flamme, den Geschmack schonen, entwickeln. Feinfühlig. Die Pfifferlinge sehr, sehr klein schneiden. Hinzugeben. Rühren, dass nichts ansetzt. Nach einer Weile, wenn die Pfifferlinge eine schöne Konsistenz haben, weich, aber nicht matschig, die Gnocchi hinzufügen und ein wenig kochendes Wasser. Das nimmt den Geschmack auf und wird dann von den Gnocchis aufgesogen. Ein wenig Butter hinzugeben, frische Petersilie, Pfeffer, Salz. Es dauert nicht lange, und es kann serviert werden. Wer will, löscht ein wenig mit Sahne und eingequirlter Speisestärke ab. Ein bisschen Parmesan hinüberstreuen, einen Ruccolasalat dazu… Ja, dann tun die Schritte Not.

Obwohl wir es andersherum gemacht haben. Erst sind wir gegangen, sind also in Vorleistung getreten, und haben dann. Hungrig gekocht. Von gestern hatten wir noch ein Gulasch mit Steinpilzen. Wir konnten also schwelgen, was wir getan haben. Sonntagsessen.

Ruhr_Landschaft_2014

Von Essen Werden bis Essen Kettwig sind es sechs Kilometer. Schön an der Ruhr entlang. Äußerst angenehm der Weg und beschaulich. Ab und an stören wild klingelnde Sportradler, die Angst um Zeitverlust haben. Der Zeit-Geschwindigkeits-Blutdruck-Adrenalin-Messer am Lenkrad fordert Leistung. Und dann kostet so ein duseliger Spaziergänger mit Hund plötzlich 3 Sekunden oder so, weil man bremsen muss. Mit wieder antreten dauert das, bis man die Zeit rausgeholt hat. Am Ende ist man dann womöglich unter der persönlichen Bestzeit vom letzten Sonntag. Schande. Entschuldigt bitte, ihr lieben klingelnden Radler. Gerne hätte ich mich in Luft aufgelöst und wie die Volksbank den Weg frei gemacht. Aber allein, ja, der Weg ist so eng. Sorry, sorry.

Aber der liebe Gott oder wer auch immer hatte ein Einsehen und setzte dem Spiel ein Ende. Die Himmelsschleusen öffneten sich auf halber Strecke und es fielen Trilliarden Wassertopfen pro Millisekunde aus allen Wolken. Panik! Und jetzt? Rettung naht, mein Freund. Bleibe er ruhig. Viveka hatte einen Schirm in ihrer Ausrüstungstasche. Kein Lippenstift, kein Kayalstift, aber einen Knirps. Der war zwar ein wenig kaputt, hat uns aber gerettet. Wir haben uns oben auf die Lehne einer Parkbank gesetzt, haben uns eng aneinander gekuschelt und dem Schauspiel über der Ruhr zugesehen. Die Ruhr ein einziges Tropfenmeer. Plitsch, Platsch.

Ruhr_Blätter_2014

Ruhr_Regentropfen_2014

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Dann fragte ich mich: Wo ist Herr Cooper? Tja. Der lag unter uns unter der Bank. Unter unseren Füßen und damit auch unter dem Schirm. Schlaues Kerlchen, Respekt. Und so warteten wir eine Viertelstunde, genossen die Zweisamkeit mit Hund, sahen dem Spektakel zu und freuten uns des Lebens. Und dann, wie das im Leben so ist, kam die Sonne und wir zogen weiter bis Kettwig und nahmen die Bahn und den Bus mit Adams Fahrkarte und trafen trocken Zuhause ein und kochten und freuten uns und… Hach.

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Skelettierte Türme, Musiknervensäge und ein echter Impala

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Wenn einer eine Reise tut…

Man. Das Wochenende zog sich hin. Am ersten Mai, war ich allein unterwegs, nachdem niemand Lust hatte, mich zu begleiten. Selbst Herr Cooper hatte keine Zeit. Freitag habe ich gearbeitet. Mehr oder weniger. Und Samstag bei Freunden im Garten Steine geschleppt, arrangiert, zu Mauer aufgeschichtet. danch traf mich ein Gefühl. Sehnsucht. Ich wollte, ja, nach Essen. Also habe ich mit Ela alles abgesprochen, habe meine sieben Sachen gepackt und bin abgeflogen. Viveka von der Arbeit abholen. Spät am Abend.

Sonntag haben wir uns aufgemacht, die Zeche Zollverein zu erkunden. Schönes Wetter, blauer Himmel, angenehme Temperaturen. Wir haben vor dem Ruhrmuseum geparkt und haben uns in Zweisamkeit treiben lassen. Schön. Die Ausstellungen ließe uns kalt. Ins Dunkle eintauchen, wenn der Himmel strahlt? Non, merci. Das Museum ließen wir links liegen, um tiefer in das Gebiet einzudringen. Hin zur Kokerei.

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Da mussten wir am Eingang er Ausstellung vorbei. Ein Plakat verriet den Titel: 1914. Das Foto mit den Soldaten mit den Gasmasken das Thema: Krieg. Och nö. Zudem lief schreckliche Musik, die sich sphärisch an jedes Luftmolekül klammerte, um anzulocken. Pah! Au Mann. Die Musik, sehr schwer, traurig, schräg, intellektuell, hat schon ein wenig weh getan. Ich war froh, als wir den Schallraum verlassen haben, auch wenn von Ferne ab und an ein Akkord des Schreckens herüber wehte. Wer macht so etwas? Wer zielt darauf ab, Menschen an sonnigen Sonntagen dermaßen zu belästigen? Ist das Kunst, oder kann das weg? Bitte. Tonne. Mit allem Respekt. Herrje.

Wir retteten uns. Selbständig. Distanz zum Klang. Alles große Bilder, aber ich wollte nicht fotografieren. Zunächst. Zu gelernt, all das. Industriekultur. Rost, Rohre. Also folgten wir einem Weg, der von Bauzäunen gesäumt war. Allen Ortes wird dort gebaut, entsorgt, verändert, gerettet und weiß der Himmel was getan.

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Am Ende des Wegs bot sich uns dann ein unerklärliches Schauspiel. Ein alter Reisebus, ein Cateringzelt, eine gelber Ciröen-Transporter aus der alten Zeit und Tische und Stühle in der Sonne. Eine Rast. Eine Möglichkeit, verwöhnt zu werden. Mobile Gastronomie. Und: Ein himmelblauer Chevrolet Impala. Erinnert ihr euch? In diesem Blog. Kürzlich. Das Buch eine Autors aus Essen(Kaffeetrinken in Cabutima mit Wolfgang Cziesla), in dem genau so ein Auto vom Protagonisten gefahren wird. Die Kreise schließen sich, das Schicksal wirft einem Dinge vor die Füße.

Wir nahmen Platz, unterhielten uns mit dem Wirt, ließen uns zwei Rotwein einschenken und schauten dem Treiben zu. Dort stand neben dem Impala eine alter Reisebus und Menschen waren damit beschäftigt, Dinge in die Halle hinter uns zu transportieren. Und aus ihr heraus. Unerklärlich.

Dann gesellte sich der Fahrer des Impalas zu uns und erzählte uns eine Geschichte. Dafür liebe ich dieses Ruhrgebiet. Also die Menschen. Offen, frei, verrückt. Er erzählte von einem Freund, der mit seiner Frau vor Gericht landete. Seine Frau hatte Salat angerichtet, ohne ihn ausreichend zu waschen. Das Ergebnis war ein knirschendes Geräusch auf den Zähnen. Und dieses Gefühl. Also echauffierte er sich und sprach von Schmirgelpapier Schmirgelpapier?, fragte die Frau.

Es ging hin. Es ging her. Er fuchtelte mit dem Messer und die Anwältin der Frau schrieb einen Brief, in dem von Bedrohung die Rede war. Zack, traf man sich vor Gericht. Nun ging es um den gesamten Kontext des gemeinsamen Lebens. Der Freund, ein südländischer Einwanderer, verstand die Welt nicht mehr. Was so alles auf den Tisch kam. Führen Frauen Checkliste? Tagebuch heißt das! Ah!

Die beiden Männer dachten sich, jetzt schlägt das Imperium zurück. Und so bereiteten sie sich als Freunde gemeinsam auf den nächsten Prozesstag vor. Sie schrieben auch eine Checkliste. Das machte es für den Richter schwierig, über Schuld und Unschuld zu urteilen. Und so kam die Frage auf, ob die beiden lieber Sterne oder Erdewollten? Also Frieden oder Krieg? Man einigte sich. Im Wesentlichen ging es wohl darum, dass der Salat einfach besser gewaschen wird.

So saßen wir in der Sonne, schauten auf den alten Bus (der Fahrer hatte mit ihm früher eine Baskettball-Mannschaft der 2. Liga gefahren, die regelmäßig beim Überholen neuerer Reisebusse ihre nackten Popos zum Gruß an die Scheibe drückte), tranken Wein, ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen, schauten dem unerklärlichen Treiben an diesem verlassenen Ort zu und lauschten Geschichten, die einfach angeflogen kamen. Wir fühlten uns sehr wohl.

Irgendgwann waren wir die letzten. Alle hatten eingepackt und da saßen nur noch Viveka und Jens auf Stühlen, die im gelben Citröen erwartet wurden. So gingen wir, ließen uns Treiben, gerieten auf Abwege und ich bekam Angesichtes dessen, was zu sehen war, doch noch Lust auf Knipsen.

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Ach, es war schön. Abenteuer. Die Welt da draußen mit ihren Schauspielen. Schön. Einfach schön.

Und jetzt die Rumänen…

Focus Seite

Ja Mann, was weiß ich eigentlich über Rumänien? Bilder im Kopf, sonst nix. Dracula, Transylvanien, Pferdefuhrwerke, ein toter Ceaucescu und erzkonservative CSU-Bayern, die mit Rumänen Wahlkampf betreiben. Kohl, Koch, Seehofer. Wie war das damals: Das Boot ist voll. Dann brannten die Häuser. Biedermann und die Brandstifter. Immer schön einheizen und Stimmung gegen Menschen machen und Angst schüren. Des lieben, hart verdienten Geldes wegens, dass dann die anderen in Saus und Braus verprassen. Janos hat da die schöne Geschichte vom Maulwurf und der Grille gemalt, die den ganzen Sommer über gefiedelt hat. Und? Im Winter setzt sie der Hirschhornkäfer (als Hundebesitzer mag ich keine Jäger, die nerven nur und lauern einem auf und sind tiermordende Großkotze mit perfidem Revierverhalten – wie Hausmeister in grauen Kitteln – tu das nicht, tu jenes nicht, des armen Wildes wegen, dass sie dann zum Wohle des Tieres erschießen. Hä? Nun gut, klar, es gibt auch nette Jäger. Aber einige. Vollschuss.) vor die Tür: Hast den ganzen Sommer nur gefiedelt! Nun sieh zu, wie du klar kommst! Und so stapft sie durch den hohen Schnee in dünnen Schühchen. Herrje. Das Mitgefühl ist nicht die Stärke der christlichen Vorreiter! Wie machen die das immer mit ihrem Gewissen und den sonntäglichen Kirchenbesuchen und den folgenden Reden? Ablassbriefe? Beichten? Schizophrenie?

Nun, Thema dieses Beitrages ist ein ganz anderes. Erinnert ihr euch an Den kommen die Polen holen? Da war unser alter Focus im Oktober den Weg des Gerechten gegangen. Also ab nach Polen in die Heimat Wojtylas. Von dem habe ich den Versuch in Erinnerung, Christen, Juden und Moslems zu versöhnen. Mit krummem Rücken nach Jerusalem. Eine seiner letzten Reisen, oder?

Im Oktober hatte Adrian die Kiste aufgeladen und sie mit nach Osten genommen. Der Wagen war alt, hatte den Erdball mehrfach umrundet und durfte sich nun darauf freuen, eine polnische Wellnessfarm für Westkarren zu besuchen. Nun geht es ihm gut, er läuft weiter rund und ist der Schrottpresse noch einmal vom Haken gesprungen. Ich hatte Ersatz besorgt bei einem wunderbaren türkischen Mitbürger, der eine wahrhaft weise Freundlichkeit besaß und mich in zwei Gesprächen mit wunderbarem Mokka beglückte. Das hatte Stil, die Karre läuft, alles gut.

Tja. Mit jenem Auto. Weil wir aber zwei Kisten brauchen und aufgrund unserer familiären Situation mit Liebesverhältnissen in Essen und Köln ziemlich viel rumkommen, hatte nun auch das zweite Fahrzeug – unser Urlaubs-Kinder-Hunde-Familien-Kombi – den Geist aufgegeben. Zwei Turboladerschäden hintereinander. Die erste Reparatur kostete 1.600,00 €. Es stellte sich raus, dass dieses TDCi-Modell motorenmäßig ziemlich kacke konstruiert ist. Falsche Ölleitungen, Hohlschrauben mit Sieben, die sich notorisch zusetzen und den Fordhändlern ganze Armeen von Geschädigten in die Arme treiben. Und nicht nur den Ford-Händlern – das Motorenkonzept ist auch in Citroens und Peugeots verbaut. Irgendwie reingefuckelt in die Karosserie und Turbolader ade wegen nix Öl. Boah, ey. Hals ohne Ende. Mittlerweile bin ich Turbolader- und Ölzuführungsspezialist für Ford Focus 1.6 Liter TDCi-Motoren. Ford hat das einfach mal so laufen lassen und auch das überarbeitete Modell hinsichtlich der Ölversorgung nicht überarbeitet. Das Turbolader-Ableben geht fröhlich weiter. Ford-Händler bestätigen das und arbeiten mit obskuren Vorfiltersystemen, die die Reparatur noch einmal um rund 300 Euro teurer machen. Kommt gut, wenn man schon bei 150.000 km 1.500 Euro für den obligatorischen Wechsel des Rußpartikelfilters gelatzt hat. Bravo! Gut überlegt. Ich denke mal, dass die eine oder andere Familie in Deutschland aufgrund dieser Konstruktions-Weltmeisterleistung schön Zuhause am Baggersee verbringen konnte, weil die kleinen Konstruktionsprobleme das Urlaubsbudget geschluckt haben. Shareholder-Value – Hauptsache die Gewinne stimmen.

Wir fahren jetzt Renault. Das Web hat bezüglich des Motors und des Turboladers mehr Positives als Negatives ausgespuckt. 1.5 dCI. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Jetzt waren wir ziemlich blank. Diese Karren fressen einem die Haare vom Kopf. Was will man machen? Landleben. Der Natur so nah, von allem anderen so weit weg. Bis Köln mit öffentlichen Verkehrsmitteln ca. 2,5 h. Für 65 Kilometer. Zur Arbeit nach Attendorn – das wären, wenn überhaupt möglich, sicherlich auch mehr als 2 h. Erst einmal eine Stunde lang nach Gummersbach… Wir waren aber nicht nur blank, sondern hatten auch noch eine kaputte, vom Schrauber unseres Vertrauens zerlegte Schrottkiste am Hals. Ich meine, der Wagen war eigentlich echt super. Ghia-Ausführung mit allem. Elektrisches Glasschiebedach, Klimaautomatik, Sitzheizung, Tempomat, Multifunktionslenkrad, CD-Spieler, Alufelgen, 8-fach bereift, Anhängerkupplung und all so’n Schnickschnack. Bequem, komfortabel. Aber kaputt.

Focus Klima

Da stand er nun und lag mir im Magen. Was tun damit? Der Freund eines Freundes wollte ihn kaufen. Für wenig Geld. Nö. Ich meine, wenn es einen so erwischt hat, hat man nix zu verschenken. Mein Gefühl sagte mir, 2.000 bis 2.400 Euro. Die wollte ich haben. Also fotografiert, abends rein in mobile und los gings. 2.000 hatte ich geschrieben. 5 Minuten, 5 Mails (meine Telefonnummer habe ich nicht reingesetzt). Bei dem Erfolg hab ich gleich den Preis erhöht. 2.400. Weitere Mails. Wieder ein Adrian, ein Toni, ein Tony, ein Dragon und ein Fane. Alle mit der Bitte, doch meine Telefonnummer rauszurücken. Sie selbst hatten als Vorwahl 040. Rumänien. Ich habe zurückgemailt, um mal zu schauen, wer wirklich interessiert ist und wie das mit dem Preis so hinhaut. Angebot und Nachfrage. Bald hatte ich den Preis raus: 2.200. Am nächsten Tag musste ich arbeiten, hatte ein langes Telfonbriefing und die Jungs parallel im Mailaccount. Die ersten hatten dann über meinen Namen meine Telefonnummern rausbekommen und riefen an. Mit Dragon, der den Wagen un-, un- unbedingt haben wollte, hatte ich für die nächsten Stunden einen netten Telefonkontakt.

Nun ist in diesem Business eine gewisse Linie gefragt, sonst versinkt man im Chaos und geht unter. Also schrieb ich mir auf die Fahnen: Jungs, sorry, ich weiß, ihr würdet aus Rumänien kommen, aber es ist so – wer zuerst die Kohle auf den Tisch legt, kriegt den kaputten Focus. Fane mailte ins Briefing. In zwei Stunden hol ich ihn ab. Nachdem das Telefonbriefing dann beendet war, läutete Dragon durch. Und? Ich berichtete ihm von Fane, der bereits unterwegs sei. Dann rief Fane an, dann Dragon. Dragon schwor Stein und Bein, dass er ihn Montagfrüh abholen würde. Zwischendurch sagte mir Adrian, er würde Sonntagmorgen kommen. Ein Hin, ein Her. Dragan war mir, das muss ich so zugeben, am sympathischsten. Er hatte auch das überzeugendste Argument: Ich will den Wagen für mich haben! Tja, das hätte ich auch gerne gesagt…

Es war ein irrer Tag. Als hätten sich alle verabredet, mich gänzlich wahnsinnig zu machen. Meine rumänischen Freunde, Jobs, Mails, Anrufe, Kinder. Hammer. Um 14.30 Uhr dann der Anruf. Sind gleich da. Dragon fragte nach, ob der Wagen jetzt wirklich abgeholt sei? Nein, noch nicht! Ich versprach, mich zu melden. Das versprach ich allen, auch Toni, der 1.450 geboten hatte. Die Ersatzteile seien so teuer, mehr könne er nicht geben. Sorry, Toni, weißt du, das hier ist mit Turboladern und diversen Reparaturen auch kein Kinderspiel.

Die Jungs rollten auf den Hof. Mit Anhänger. Fanes Jungs. Er war nicht dabei. Die beiden begutachteten die Kiste, sprachen kein Wort Deutsch oder Englisch und berichteten alles mobil nach Rumänien. Am Ende dann gab mir der Kleinere mit wichtigem Gesichtsausdruck den Handapparat: Chef Fane. Ja, klar, dann ging es los. Preisverhandlungen. Ich meine, vier Leute wollten die Kiste haben. Habe ich Fane auch gesagt. Du musst nicht. Kommt ein anderer. Er redete vom fehlenden Turbolader, dass er den kaufen müsse und vom fehlenden Reserverad (die Kisten haben heute Reparatur-Kits). Handapparat zurück an die Jungs. Ich blieb stur. Palaver. Gucken. Haube auf, Haube zu. Chef Fane. Turbolader, Reserverad. 100 Euro runter. 50. Nein, 100. MANN! O.K. Kohle bar auf die Kralle, kein Vertrag, Papiere übergeben, aufgeladen und Tschüssikowski. Das war eine Sache der Ehre. Fane konnte vor seinen Leuten nicht das Gesicht verlieren. So was nimmt mir die harte Linie. Geschäfte unter Männern. Wissen, was der andere fühlt. Alles komplett irrational.

Das Aufladen war ein Abenteuer für sich. Den Seilzug mit Altöl geschmiert, tropf. Die kaputte Umlenkrolle mit einem Eisenhebel zurechtgerückt (mein Part). Teamwork. Händedrücke, Lächeln, Abfahrt, Hupen, Winken. Ciao, Jungs. Grüßt mir Rumänien. Mir wurde warm ums Herz.

Telefon. Dragon. Sorry, ist weg. Für wie viel? 2.100 Schweigen am anderen Ende. Geistiges verarbeiten. Was? 2.100? Ich hätte dir 2.200 gegeben. Montag. Konnte er nicht verstehen. Heute ist Montag, ich musste arbeiten und Ela auch. Ich glaube auch nicht, dass das ihre Welt gewesen wäre. Telefonate mit Fane und Dragon und Verhandlungen und Aufladen und… Dragon hat sich bedankt, sehr freundlich. Tat mir leid, aber so geht Auto-Business. Mal gewinnst du, mal verlierst du. Kann da gerade mitreden.

So. Story zu Ende. Jetzt könnte ich noch von den ganzen Reifen erzählen, die gerade samt Felgen in unserem Gartenhaus liegen. Zwei Autos vierundzwanzigfach bereift. Wenn die alle passen würden. Aber es gibt Lochkreise, Einpresstiefen, Reifengrößen, Felgen mit vier und fünf Schraubenlöchern – aber das ist eine ganz andere Geschichte und zudem eine Wissenschaft für sich, in die ich mich auch einarbeiten durfte. Aktuell habe ich zwei Semester Automobilwissenschaft studiert.

Jetzt könnt ihr mir zwei Gefallen tun. Erstens: Bitte gut über Rumänen denken und sprechen. Zweitens: Mir die Daumen drücken, dass die Karren jetzt mal halten. Grazie.

Focus schräg

Der Blick aus dem Zimmer meiner Kindheit

Schiefer Turm/Kaisersesch. 2013
Schiefer Turm/Kaisersesch. 2013

Was ist Kindheit?

Wenn man Vater ist, was ist Kindheit dann? Das, was man sieht, oder das, was vergangen ist? Kürzlich war ich Zuhause. In dem Zuhause, das mein Zuhause war, als ich als Kind in der Eifel lebte. Von 1974 an. Es war ein Umzug, der mir damals weder gefallen noch geschmeckt hatte. Ich war nicht gefragt und dann meiner Sprache beraubt worden, weil meine Sprache dort keinen Wert mehr hatte: Bist du was Besseres? Bin ich gefragt worden, weil ich die Sprache, die in der Schule gesprochen wurde, nicht verstand, nicht mochte, nicht lernte, nicht sprach.

Die Sprache war laut, rau, kehlig. Krankheit hieß die Freck. Wer tot war, war kapott. Eine Küche hieß eine Küsch. Mir tat es weh, auf das e zu verzichten, das s einzufügen, also habe ich es nicht getan und habe mir einen schwarzen Hund besorgt und habe mich aufgemacht in die Wälder. Aus denen bin ich erst wieder heraus gekommen, als ich die Eifel verlassen habe. Mit 17. Ich war im Krieg mit diesem Dorf, das mir nichts wollte. Es war die Sprache, die schmerzte. Ich habe mich arrangiert, habe mich bemüht, habe mich integriert, aber. Es ging nicht. Es gibt Orte, da gehört man nicht hin. Beim besten Willen. Es ist eine Aufgabe, sie nicht zu verdammen, Frieden zu finden.

Weshalb ich das hier schreibe? Tagebuchnotiz. Vervollständigung meiner Aufzeichnungen. Erinnerungen aufgrund eines Fotos, das ich kürzlich geschossen habe. Meine Mutter ist 75 geworden, ich war mit Viveka und Zoe dort, habe meine Brüder getroffen, habe aus dem Küchenfenster gesehen, das früher mein Kinderzimmerfenster war. Wir hatten uns ein Zimmer geteilt, mein jüngerer Bruder und ich. Später, im spannenden Alter habe ich das Zimmer mit einem Schrank geteilt. Ich wollte alleine sein, dafür habe ich in Kauf genommen, auf Tageslicht zu verzichten. Es lief Cat Stevens, ich trank parfümierten Tee von Sir Winston. Die Dose in Rosa, Jasmin, das Teeservice mit Stövchen aus dem Supermarkt für 9,99 DM.

Die Kirche. Ich wollte Messdiener werden, weil ich Geld mit dem Austragen des Pfarrbriefs verdienen wollte. Kein Job für Evangelische, die eh merkwürdig waren. Diaspora, kleine Kirche oben auf dem Berg. Bist du in einer Sekte? Manches Wissen war zu der Zeit noch wie geheim, die Autobahn hatte das Dorf erst kurz zuvor erreicht, und tatsächlich hat es Menschen gegeben, deren weiteste Reise im Leben bis nach Koblenz geführt hatte. Ja, ich war evangelisch. Nein, das ist keine Sekte. Ich habe dann einen anderen Job gefunden. Samstags die Straße kehren bei Dr. Meyer und seinen Schwestern vor dem Haus, das für mich eine Villa war. Das Fegen wurde kontrolliert, manchmal musste ich nachfegen. Gut. Für 40 DM im Monat, kein Problem.

Dr. Meyer war im Ruhestand. Er hätte meinen Vater retten können, aber niemand hat daran gedacht, ihn zu holen. Das war 1976 während der Fußball-Europameisterschaft. Meinem Vater war es nach dem Spiel gegen Jugoslawien nicht gut. Es war der 17. Juni 1976. Deutschland gewann nach Verlängerung, mein Vater ließ seine linke Körperhälfte in der Nacht. Der Schlag. Der Arzt kam erst am nächsten Abend. Keine Zeit. Dann war es zu spät. Krankenwagen, Blaulicht, zwei Jahre später kam er zurück. Wie sein Vater nach dem Krieg, verändert, abgemagert, traurig.

Er hat sich zurückgekämpft, hat Autofahren gelernt, hat getanzt, gefeiert wie kein Zweiter. Er ist ein wilder Mann geblieben und hat bis zu seinem Tod drei weitere Schläge überlebt. Ein zäher Brocken. Wenn ich auf diesen Kirchturm schaue, der gerade restauriert wird, denke ich an ihn. Die Zeiten früher, als ich Kind war, als die Autos orange waren, die Väter Koteletten trugen und Hosen mit Schlag. Verrückt.

Nun sitze ich hier in der Küche. Nebenan drückt sich Jim davor, seine Wäsche vom Boden zu räumen. Ela und Zoe sind in Wuppertal und schauen ein Stück von Pina Bausch. Ende November hält Zoe ihren Vortrag. Sie wird über das Leben der Pina Bausch sprechen und dann wissen, was in ihr getanzt hat. Herr Cooper liegt zu meinen Füßen, leckt sich die Pfoten und morgen Früh werden wir in den Wald gehen. An den Ort, wo meine Heimat ist, wo ich immer und überall Zuhause bin, wo die Seele es warm hat, nichts will, nicht schaut, nicht macht, nur ruht in allen Zeiten.

Feuerwehr, Habermas, Foucault und was genau ist passiert?

Parkplatz_red

Ich warne euch vor, bevor ihr zu lesen beginnt.

Dies wird sehr wahrscheinlich ein ein wenig kryptischer Beitrag. Das hängt damit zusammen, dass Texter generell ein wenig schräg sind und das Gehirn nach intensiver Textarbeit wie ein überpowerter Prozessor überhitzt. Das kann zu Fehlfunktionen und Übersprungshandlungen führen. Dieser Text ist eine solche Übersprungshandlung, quasi ein Auslaufen, so wie es die Fußballprofis nach ihren Bundesligaeinsätzen praktizieren. Wirr. Ohne Bedeutung. Wie Blindtext. Lorem ipsum. Was Sie hier lesen, macht keinen Sinn und zeigt nur, dass hier etwas Sinnvolles, zum Beispiel Ihre Botschaft, stehen könnte…

Ein Lauf ohne Bedeutung, rein funktional, vielleicht kleine Gespräche, mit sich selbst, ein wenig Reflexion. Allmählich komme ich hier schräg drauf. Ela ist mit Jens, den Kindern und Herrn Cooper an der Küste. Ferien. Derweil sitze ich hier und schreibe für Geld, weil es einiges zu tun gibt. Zwei Tage war ich in der Agentur unter Menschen, seit Dienstagabend bin ich nun mutterseelenallein hier in den dicken Bruchsteinwänden eingemauert. Verbunden mit der Welt nur über die Kupferlitzen des rosaroten Panthers mit dem Pink-T. Telefonate am Abend. Rettungsanker, Handreichungen, Freundlichkeiten. The immense emotional power of warm and heart beating human beings. Sagte ich doch, kryptisch.

Der Kühlschrank leert sich allmählich, die Textaufgabenliste hat sich deutlich verkürzt und später kommt Frau Vi, mich zu retten. Dem Herrn sei dank. Schön, dass draußen die Herbstsonne scheint und alles in warmes Licht hüllt, das mir in appetitlichen Portionen durchs Fenster gereicht wird, als stünde ich in Konsumerwartung am Fenster des MC-Drive-Schalters. Nee, keine Mayo.

Was es mit dem Foto oben auf sich hat? Ist mir eben in die Finger gefallen. Das ist in Köln entstanden und hatte mir schon gefallen, als ich es gemacht habe. Das war auf dem Weg zum Labor Ebertplatz. Ein Parkplatz von einer Brücke. Der Versuch, Ordnung zu schaffen, die sich in den Spuren menschlicher Präsenz verliert. Alles hat seinen Platz, die Linien bestimmen, die Buchstaben sagen es und doch ist klar: Kein Schwein hält sich dran. FUCK. So isses nunmal. So, könnte man sagen, läuft das Leben. Abkommen werden gebrochen, idiotische Entscheidungen getroffen, Kanzlerinnen abgehört. Ein wenig Bad Boy in uns allen. Schnell noch diese kleine Heimlichkeit ungesehen. Ts.

Jim war mit von der Partie, mit auf dem Weg, hatte auch seine Kamera dabei. Einige Schritte weiter schauten wir von der Brücke herab auf Paare am Strand. In Zweisamkeit in der weiten Welt verloren. Zusätzlich ein Vater mit zwei Kindern am Rande. So isses. Insel der Glückseligkeit. Ein erzählendes Foto, kein Tatort wie oben. Lustig sind die Farben. Zuordnungen. Links ist das junge Paar, sie mit pinkem T-Shirt, er mit schwarzer Haut. Rechts die beiden Frauen, vielleicht Mutter und Tochter, in angeregter Unterhaltung. Sie, Miriam die Tochter, gestikuliert mit ausgestreckter Hand: “Weiß du Mama, er hat sich so verändert. Wir wollten, du weißt, und nun ist irgendwie alles anders. Ich wünschte…” Oder: “Ich kann mein Glück nicht fassen…” Die Frau rechts in schwarzer Kleidung, beide auf pinker Decke. Die Farben schaffen Verbindungen, das verloren wirkende Sitzen dort ebenso. So klein sehen sie aus, oben von der Brücke hinunter. Ich hatte kein Stativ und kein Tele. Leider ist die Aufnahme nicht scharf. Husch, husch. Egal. Wozu? Die Geschichte ist die gleiche.

rhine
rhine

Was sagt uns das alles? Zwei Dinge: Erstens findet Leben größtenteils im Kopf statt. Wir machen die Bilder, definieren sie, interpretieren, ziehen Schlüsse und glauben dann an die Wirklichkeit. Zweitens sind es die Menschen, die diesen Bildern ihre Geschichte geben und uns den Anlass, unseren Kopf zu benutzen und die Relationen zu bestimmen. Früher sprachen wir von Philosophie und Existenzialismus. Wir lasen Foucaults Wahnsinn und Gesellschaft, interessierten uns für Habermas und die Frankfurter Schule und glaubten, irgendwo Strukturen erkennen zu können, die leiten, führen, Sinn geben, retten.

Lest ihr Foucault oder Habermas? Ich auch nicht mehr. Ist das Desillusionierung? Oder Erkenntnis? Nehmen wir an, wir ziehen durch die Welt, so wie Jim und ich es mit den Kameras getan haben, um auf dem Weg zu einem Kunstprojekt die Welt in kleine Rahmen zu packen und sie taschengerecht mitzunehmen, und versuchen, die berühmte Wahrheit zu finden. Was dann? Nichts. Gar nichts. 100% egal. (Haben wir natürlich nicht gemacht, das mit der Wahrheit und dem Finden, wir wollten nur gehen und fotografieren und ankommen. Der angedeutete Tiefendiskurs ist nur Fake, wir bleiben schön entspannt an der Oberfläche, weil ja morgen Feiertag ist. Was feiern wir? Egal. Irgendwas mit Aller. Herzlich Willkommen in der Welt der Entfremdung. Haben wir vielleicht die Wurzeln im christlichen Kontext verloren? Sollte es nicht lieber einen iPhone-Feiertag mit Komplett-Flatrate für alle geben inklusive geschenktem Big-Mac-Menue-XXL? Oh, oh. Er wird zynisch. Böses Vogelzeichen. Keine Sorge, nur ein wenig Sprachspielerei. Zurück.) Wo war ich vor der Klammer? Gebt zu, ihr wisst es auch nicht. Augen hoch und schnell mal nachgelesen.

Ah. Foucault, Habermas, ankommen. Klingt wie die pointierte Zusammenfassung der vergangenen 30 Jahre meines irdischen Lebens.Einfach nur ein paar kleine Details und Arabesken weggelassen. Nun, allmählich kühlt mein Rechenzentrum ab und ich merke, ich falle zurück auf DEFCON 2. So allmählich wieder grüner Bereich oder das, was man so landläufig (was ist das eigentlich für ein komisches Wort?) normal nennt. Gleich stelle ich das Arbeiten ein (morgen Früh muss ich noch frisch eine Runde drehen und mach da für drei, vier Stündchen Allerarbeit draus) und beginne mit der Feierabend-Entspannung. Aufgabenfrei. Die Familienwäsche habe ich gestern erledigt. Drei Maschinen gewaschen und die Wäsche aufgehangen, nachdem ich die von letzter Woche von der Leine geholt hatte. Gefalten ist die nicht, weil wir das im familiären Teamwork machen. Trennen und dann jeder seine, sonst wirste im Zusammenleben mit jungen Menschen im emotional interessanten Alter rechtschaffend bekloppt.

Freunde der guten Unterhaltung und der Herausforderung fiftyfiftyblog, wenn ihr es heute bis hierher geschaftt habt, dann seid ihr echte Eisenbeißer. Congratulations, Orden, Ehrenzeichen, Salut. Peng, Peng. Ich danke allen und insbesondere den Nahestehenden des fiftyfiftyblogs für die wertschätzende Aufmerksamkeit und verbleibe mit aufrechten Grüßen bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Und jetzt alle! Hä? War mir so eingefallen. Malle, denk ich. Kurzschluss im Oberstübchen. Egal, Hauptsache, es macht Spaß und dann in diesem Sinne. Nö. Punkt. Ciao, ciao. Und ab dafür… Blauer Schalter rechts, Countdown und veröffentlichen (ist der Ruf erst ruiniert…).

inner circle.
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