Jonathan Meese ist die Konsequenz.
Am Ende, wenn nichts mehr geht, wenn die Lichter ausgehen, sich die Menschen zur Ruhe legen, wenn sie im Privaten verschwinden, in den IKEA-Rückzugsräumen, wenn sie die “Fickzellen mit Fernheizung” (Heiner Müller, Medeametrial Landschaft mit Argonauten) warm halten, kommt die Zeit, wachzurütteln, ein neues 68, ein wildes Szenario, das schreit, spuckt, kotzt und den Hitlergruß als Provokation in den Himmel wirft.
Jonathan Meese ist Künstler. In Tokio geboren 1970. Er kam mit seiner Mutter zurück aus Japan, sprach nur Japanisch, lief durch Düsseldorf und schrie “I kill you”, weil er die Sprache nicht sprach, nicht verstand. Ein Wahnsinniger, könnte man denken, wenn man ihn sieht, wenn man seine Performances auf Youtube sieht, seine Manifeste hört, seine Reden, seine Gesten, seine KUNST.
Er zieht sich zurück aus der Realität, weil er sie nicht erträgt. Geht raus und ruft die “Diktatur der Kunst” aus. Bedient sich der Mythen, der Diktatoren der Geschichte und sagt, dass sei Vergangenheit und die Kunst die Zukunft. Er glaubt nicht an Politik, an Demokratie, an die reale Realität. Er wirft seinen Künstlerkollegen vor, angepasst zu sein. Sich nicht einzumischen. “Systemzerstörend? Null Komma Null.” Dabei sieht er sich selbst nicht im Mittelpunkt. Der Künstler sei unwichtig, könne auch ein Tier sein, die Kunst allein zähle.
Meese ist ein Star. Ausstellungen weltweit. Anerkannt von den Großen der Szene. Kiefer, Baselitz, Immendorf. Er wird gesammelt, ausgestellt, hofiert. Er arbeitet mit der Volksbühne zusammen, mit Castorf – klar, die Lebendigkeit des Poststrukturalismus. Foucaults Auferstehung – Wahnsinn und Gesellschaft. Das ist einer, der lässt nicht los, der fighted unermüdlich. Ein Agent Provocateur. Die Kunst wird wieder politisch. Da ist einer, der hat das Provokationspotenzial von Beuys. Ein Aushängeschild der deutschen Contemporary Art. Ein Enfant Terrible.
Endlich.
Es tut gut zu sehen, dass einer die Grenzen sprengt mit jeder Menge ART-TNT. Dass da einer die Energie hat, dagegen zu gehen. Gegen die Normalität des Kunstbetriebes und des eingeschlafenen Denkens. Einer, der provoziert und inspiriert. Alles auf den Prüfstand stellt. Das Anti-Valium, Nietzsches Anti-Christ, das Dionysische. Ein neuer Traum als Stachel im Fleisch.
Jonathan Meese hat nur eine Grenze. Seine Mutter. Sie ist in seinem Atelier dabei, wenn er malt, entwirft, klebt, gestaltet, formt, was auch immer. Sie ist sein Halt. “Meine Mutter ist der Zugang zur Realität für mich. Wenn sie weg ist, geht es erst richtig los.” Puh. Er hat Angst vor dem Draußen, sagt er. Die Streifen seiner schwarzen adidas-Trainingsjacke schützen ihn, sagt er. Er will das Draußen nicht und geht doch rein wie kein anderer. Wir alle werden mit Meese noch viel Spaß haben. Mit einem Künstler, der ein Bewusstseinserweiterungsprozess ist. Jonathan Meese.