Da stehen sie nackig unter der Dusche. Das Wasser fließt an ihren Körpern herab. Jeder ist anders geformt, mehr oder weniger behaart, mehr oder weniger rasiert an allen möglichen Stellen. Gestern Abend war ich noch schnell in der Muckibude, mir den langen Tag aus dem Kopf laufen. Das tut gut. Einmal die Körpersysteme hochfahren und dem Kopf zeigen: Du bist nicht allein auf dieser Welt. Nimm dich nicht so wichtig. Also lief ich auf dem Laufband und lief. Eine halbe Stunde. Dabei sah ich Männern zu, die sich beim Billard maßen. United Kingdom Championship. Fernsehen.
Keine Frau an Bord, die die Kugeln über den grünen Stoff schubste. Männerdomäne. Ich war spät dran. Hatte in Köln bei einer Freundin, die mir einen schönen Job vermittelt hat, noch Kaffee getrunken. Vor ewiger Zeit habe ich mit ihr zusammengearbeitet. Nun plötzlich die Mail und der Kontakt zu einem netten Kunden. Auf der Rücktour habe ich noch die Wocheneinkäufe erledigt – Bioladen, Supermarkt, Supermarkt. Deshalb blieb nur Zeit fürs Laufen. Keine Hanteln, keine Maschinen. Danach dann schnell unter die Dusche.
Da standen sie. Zwei Männer wie Gott oder wer auch immer sie geschaffen hat. Im angeregten Gespräch. Ich konnte kaum weghören und ganz ehrlich: Wollte ich auch nicht. Bin ich zu neugierig? Aber was sollte ich tun? Zwei junge Männer. Young Guns. Junge Väter, wie sich herausstellte, die sich gegenseitig ihr Leid klagten. „Da komme ich nach Hause, da kommt mir mein Sohn schon entgegen. Was ist denn, frage ich. Die Mama hat nur gemotzt. Da könnte ich ja schon. Noch nicht mal gesessen, keinen Kaffee getrunken.“ „Kenn ich.“ „Und dann sag ich zu meiner Frau: Soll ich mal mit den Kindern rausgehen? Und weißt du, was sie sagt? Klar, da kommste von der Arbeit und dann gehst du mit den Kindern raus. Und ich darf hier die Putze spielen oder was?“
Kinderzeit. Wenn sie noch klein sind. Oi, oi. Nicht ganz so einfach. Der junge Mann hatte dann aber eine Lösung für sich. „Weißte, manchmal kotzt mich das an. Da kannste noch nich mal Samstagabend ausgehen. Manchmal hilft da nur eins, sich richtig einen ballern.“ „Kenn ich.“ „Vor kurzem kam ich nach Hause. Wieder Theater. Dann rief einer aus dem Betrieb an. Da habe ich die Gelegenheit gleich ergriffen. Raus hier. Muss noch mal weg. Probleme in der Firma. Hab meine Sporttasche mitgenommen, bin in die Firma, hab da mit den Kollegen ’nen Kaffee getrunken, bin dann zum Sport und war um 10 wieder da. Sie hat mich dann gefragt: In der Firma alles in Ordnung? Ja, haben wir hingekriegt.“
Fiftyfifty. Zwei Parts, zwei Seiten einer Medaille, der Versuch, den Kopf über Wasser zu halten, sich selbst zu bewahren in einer Situation, die manchmal glauben macht, das „Ich“ würde ertrinken. Abschied von Jugend, Party, Leichtigkeit. Erwachsen werde. Ein manchmal schmerzlicher Prozess. Verantwortung für andere übernehmen. Neben dem Ich die Familie. Während die anderen draußen sind- Kino, Kneipe, sonst was – sitzen die jungen Eltern erschöpft Zuhause und warten darauf, dass die Kleinen einschlafen. Und pennen die dann endlich, ist der Abend vorbei. Müdigkeit greift um sich. Nicht so einfach, durch die Zeit der „jungen Eltern“ durchzukommen. Und die Beziehung zu bewahren. Da sind ja nicht nur die Kinder.
Ich hätte dem jungen Mann am liebsten gesagt: Schafft euch Freiräume! Arbeitet zusammen. Macht das so, dass ihr nicht das Gefühl habt, eingesperrt zu sein. Der Tag war zu lang, das Thema zu groß, mein Körper voller Seife. Raus aus dem Kopf. Müssen die jungen Männer selber durch. Die wirkten trotz bedenklicher Vorgehensweise (ballern, verpissen) sehr nett. Die machen das schon. Irgendwie. War auch nur eine Momentaufnahme. Unter der Dusche. Wo das Leben überall Geschichten schreibt…
Euch einen schönen Tag. Solltet ihr unter zu wenig Freiraum in eurem Leben leiden, schaut doch mal nach, ob es da nicht andere Konzepte geben könnte. Falls ihr genügend Freiraum habt, genießt ihn. Ich für meinen Teil gehe jetzt mit Cooper raus in den Schnee. Durchatmen. Ciao.
Hallo Jens,
ja, Eltern zu sein, vor allem junge Eltern, und trotzdem noch Individuum zu bleiben, ist schon schwierig. Ein Kind verändert die Zweisamkeit. Aber da müssen alle Eltern durch. Auch die jungen Spunte werden das schon hinkriegen. Man wird ja nicht als Eltern geboren, sondern wächst da hinein.
Nebelige Grüße
Annegret
Hi Annegret,
Freunde von uns haben noch ein drittes Kind bekommen. Das war für mich unvorstellbar. Für mich. Ich glaube, da hätte ich mich aufgelöst. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es den jungen Männern geht. Du hast recht, da muss Mann durch. Frau ja auch. Und irgendwann ist Licht am Ende des Tunnels und du bist so froh, sie zu haben. Aber die ersten beiden Jahre – rumtragen, Geschrei, Windeln wechseln, keine Mahlzeit normal zu sich nehmen können, immer alle Sinne offen – es ist so still? Es ist so laut? Was war das? Ist die Tür zur Treppe zu? Wo… Was… herrje. Tausend Kreuze.
Liebe Grüße
Jens
Mir bleibt zu diesem Beitrag nur eines zu schreiben: Danke für deine Worte!
Hi Raoul,
gerne geschehen.
Viele, viele Grüße und viel Spaß beim Tannenbaumschlagen
Jens
Meine beiden waren „groß“ und ich wollte endlich mein Abitur machen. An einem Wochenende, die Kinder waren auf die Omas verteilt, mein Mann und ich hatten mit der Firma meines Mannes Betriebsausflug, vorher noch auf die Bootsausstellung in Friedrichshafen, unter der Dusche im Hotel plötzlich die Erkenntnis, dass ich schwanger bin. Keine gute Idee zu dieser Zeit. Abtreibung? Nein, niemals. Abitur? Dann halt nicht jetzt, sondern später.
Heute ist mein kleines Dilemma 20 Jahre alt und ich bin so froh, dass ich sie habe. Mein Abitur habe ich inzwischen auch gemacht, also alles paletti.
Übrigens war Christine als Kind der größte kleine Teufel, den wir produziert hatten, die kam auf Ideen, auf die waren ihre Geschwister nie gekommen.
Herzlich
Gitta
Hi Gitta,
klar, wenns passiert, passierts. Hätte sich bei uns Nummer 3 reingemogelt, hätte das auch irgendwie funktioniert. Allerdings war Zoe als Baby dermaßen anstrengend, das war nervtötend. Die hat so laut geschreien, wenn ihr iregndwas nicht gepasst hat, die musste man vom Ohr weg halten. Heute ist sie ein absoluter Sonnenschein. Aber die ersten jahre bis zum Kindergarten. Sie wollte zum Beispiel auf keinen Fall ins Tragetuch. Da musste ich dann mit Kinderkarre über die Feldwege. Ach. Aber irgendwie klappt es ja immer.
Liebe Grüße
Jens
Andreas war schon ziemlich anstrengend in seinen ersten Lebensjahren, wobei er auch als mein erstes Kind meine ersten Schritte als Mutter aushalten musste. Claudia dagegen die Ruhe in Person, sie bekam unsere ersten wirklichen Versuche ab, ein Kind für die Welt da draußen zu rüsten, arme Claudia. Na ja und Christine, die hatte uns immer fest im Griff, nix mit Ruhe, Quirrligkeit bis zur Erschöpfung. Andreas hat nix gegessen was warm war, das musste alles abgekühlt sein, Claudia hat niemals Brei gegessen, bis zum heutigen Tag mag sie das nicht und Christine hat niemals Fertiggläschen gegessen. Christine fegte immer durch die Wohnung wie ein Hurrikan und hinterließ dabei eine breite Straße der Verwüstung, das war unglaublich. Claudia blieb dort sitzen wo sie hingesetzt wurde und Andreas wuselte dawischen herum.
Erinnerungen so wertvoll, so schön.
Herzlich
Gitta
Hi Gitta,
die ganzen Erinnerungen. Wir haben viele Videos. Die Kinder lieben es, die zu schauen. Das machen Sie zum Beispiel, wenn sie karnk im Bett liegen. irgendwann sind dann alle da und lachen und rufen 2Guick mal da…“.
Liebe Grüße
Jens
Komme erst heute Abend dazu, deine letzten Einträge zu lesen, Jens. Dabei ist mir der Titel des heutigen natürlich heute morgen gleich ins Auge gesprungen, haha… Also mal ehrlich, da erwartet man bzw. frau ja doch was anderes – ein anderes Foto als so ein menschenleeres (wenn auch schönes) Meeresfoto – und irgendwie auch andere Gespräche. Männer unter der Dusche – reden die nicht über Frauen, Autos, Fußball? Dass sie nicht über ihre „Problemzonen“ reden, habe ich ja erwartet – aber über ihre Probleme? Wow, da hat sich ja offenbar doch was getan, zumindest bei der jüngeren Generation. Das ist ja doch irgendwie beruhigend, wenn auch nicht ganz so spannend. Ich meine, die Themen Kinder, Windeln, Krankheit und durchwachte Nächte, das kennen wir ja aus eigener Erfahrung…
Also, lausch du mal ruhig weiter und lass uns Frauen wissen, was so in euren Köpfen rumgeistert, damit trägst du zur Verständigung unter uns bei, auf jeden Fall!
Lieben Gruß, Uta
Hi Uta,
die Sache mit den Headlines. Hat tatsächlich für regen Seitenbesuch gesorgt. Ab und an spiele ich dann gerne mit verheißungsvollen Überschriften zwischen Damenunterwäsche und duschenden Männern. Dieser leichte Prickel schein gefragt zu sein. Sex sells. Hatten wir ja schon. Da ich ja nun aber nich zum Schmuddelblog mutieren möchte, lenke ich die Themen dann doch in sanfteres Fahrwasser. Obwohl da scheinbar manchmal mehr gewünscht ist… Männer unter der Dusche reden selbstverständlich über alles. Kommt ja immer drauf an, wer da gerade duscht. Du kannst dir es so vorstellen: Du sitzt mit einer Freundin bei einer Tasse Kaffee. Die Themen kommen und gehen. Was gerade aktuell ist. Männer führen diese Gespräche unter männlichem Vorzeichen gerne unter der Dusche. Ich finde das, sofeern ich nicht gerade selbst involviert bin, immer sehr interessant. Da wird über Gott und die Welt geredet und parallel der „piep“ eingeseift. Gründlich. Überall. „Und wie läuft’s im Job?“ Finde ich immer lustig.
Natürlich kann ich hier auch nicht zu viel preisgeben, da ich mein Geschlecht ja nicht in die Pfanne hauen will. Und ein paar Geheimnisse müssen ja auch bleiben, sonst…
Liebe Grüße
Jens
ja echt. die armen männer. können nicht mehr ausgehen.
denken die vielleicht mal dran, was ihre frauen so alles nicht mehr machen können? ich sehe da keinen fortschritt in deren köpfen. gleichberechtigte kindererziehung sieht anders aus.
Hi Franzi,
yep. Nun mus ich allerdings zur Ehrenrettung dr Männer etwas sagen: Die Kindrzeit tut manchmal so weh. Da bleibt nix. Ich habe mit zwei Kindrn fifty-fifty in Erziehung und Versorgung praktiziert. Manchmal hab ich gelaubt, ich löse mich auf. Ela ging es genauso. Da kommt Mann und Frau komisch drauf. Da wird um ein paar Minuten gekämpft, um in Ruhe iregndetwas für sich alleine zu tun. Das ist kaum vorstellbar. Ich konnte mich gut in die beiden jungen Männer, aber auch in die jungen Frauen hineinversetzen. Manchmal schaltet da die Ratio aus und das Ego schreit nur noch „Rette mich“. Von außen natürlich verurteilenswert, steckt man selbst drin, sieht das anders aus.
Liebe Grüße
Jens