Die kleine FRITZ!Box 7530 und die große, weite Welt

Profan ist das Leben. Nicht manchmal, jeden Tag.

Umgeben von den großen Themen der Zeit, von Umwälzungen und Transformationen, von globalen Ereignissen und permanenter Veränderung im Wandel von allem.

Und doch geht morgens einfach nur der Wecker, wir stehen auf, putzen die Zähne, trinken Kaffee, essen eine Kleinigkeit und gehen im weiteren unseren Tagesgeschäften nach. Jede und jeder in seinem Leben. Am Abend, wenn wir ins Bett gehen, was ist dann schon passiert? Ist die Welt explodiert? Ruhig ist es. Du küsst sie auf die Wange, legst dich auf deine Lieblingsseite, schaltest alles aus. Dann geht der Wecker.

Im Grunde leben wir zu 99 % das kleine Leben. Manchmal plustern wir uns zu Größerem auf, fühlen innere Revolte, sagen Dinge, vielleicht tun wir sogar was. Aber am Abend wird alles wieder ruhig und am Morgen klingelt der Wecker.

Was das mit der FRITZ!Box 7530 zu tun hat?

Das habe ich erfahren, als sie ausfiel. Keine Kontrolllampe leuchtete mehr. Und damit war ich raus aus dem großen Spiel meines kleinen Lebens hier im Homeoffice irgendwo im Nirgendwo.

Kein ZOOM, TEAMS, Skype. Kein Spiegel online, Facebook, keine Mails.

An einem unbedeutenden Montagmorgen, als die Woche starten sollte. Da stand die Schale mit Cappuccino, also eigentlich ein französischer Milchkaffee der Sorte Grand Creme, aber eben mit italienischen Espressobohnen und aufgeschäumter Milch zubereitet. Die Kaffeemaschine, die ISOMAC Maverick, ist auch so ein kleiner bedeutender Teil der Geschichte, bleibt hier und heute im Weiteren aber absolut unerwähnt.

Ich trank einen Schluck Kaffee, öffnete das Laptop, wollte starten mit Mail- und Kalendercheck. Mit einer positiven, freudigen Haltung in Richtung “Alter, was liegt an, was geht?”.

Niente, nothing.

Noch blieb alles souverän. In mir. Kein Thema. Browser-Check, mal das W-Lan neu starten.

Tot.

Rien ne vas plus.

Ich bleib weiterhin ruhig. Mal kurz Router checken, Kabel ziehen, neu starten.

Keine LED leuchtet. UPS! Merkwürdig. Strom? Ich schalte das Licht ein. Leuchtet, der Router nicht.

Ab diesem Augenblick wurde es spannend. Vor meinem geistigen Auge liefen die Tagestermine ab und dann das Szenario, was ich nicht werde tun können, weil ich offline bin.

OFFLINE im Homeoffice ist wie nicht mehr auf dieser Welt. Abgetreten, so gestorben wie dein Fucking Router.

An der Wortwahl merkt ihr, dass mein Inneres sich daran erinnert, dass ich wohl meine Gutlaunigkeit verloren habe. Genau genommen war ich von 0 auf 100 vollgepumpt mit Adrenalin. Diesen Mr. Bolt hätte ich auf der Strecke stehenlassen wie einen Anfänger.

Karma.

In jedem Augenblick bestimmt man selbst die eigene Zukunft. Letztlich bestimmt man selbst, im falschen Moment am falschen Ort zu sein.

Ich hatte meinen Router ausgetauscht. In blindem Aktionismus, nicht wissend, was auf mich zukommt. Anfang des Jahres hatte ich einen Artikel über MESH-Netzwerke gelesen, die ein Haus wie unseres perfekt mit W-Lan versorgen. Da wir hier völlig dekadent in vielen Zimmern leben, dachte ich mir, es wäre eine gute Idee, so ein MESH-Netzwerk aufzubauen.

Der Plan war, einen zweiten, neuen, schöneren Router zu kaufen und die beiden Geräte aus gleichem Hause symbiotisch zu verbinden.

Sagen wir, Plan A.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Die Geschichte landete bei der Polizei und in diversen Call-Centern.

Zunächst hatte ich einen gebrauchten 7530 kaufen wollen für zarte 55 Euro. Guter Deal, schlechte Umsetzung. Einem Betrüger habe ich mich anvertraut, der eine Identität gestohlen hat und dem ich auf sein Konto der Kreissparkasse Siegen das Geld überwiesen habe. Seither ist Marco A. aus Siegen verschwunden. Einen LinkedIN-Account hat er, einen bei Xing. Man könnte glauben, es gäbe ihn. Naiv. Lehrgeld.

Also Plan B. Neu erstehen. Über das Web. Fritzi kam an, alles lief rund, MESH super, ich glücklich. PENG! Tot. LED aus.

Besagter Montagmorgen. Den alten Herrn 7560, den ich zum MESH-Repeater degradiert hatte, musste wieder Router werden in kürzester Zeit. Ein wenig eingeschnappt ob der Situation ließ er mich nicht gewähren. Access denied! DU nicht, Schönlau.

Er war ja kein Router mehr, also kam ich an ihn über die Routerdaten nicht ran. Boah ey, hat der mir den Stinkefinger gezeigt. Ich wusste nicht, das grüne LEDs so fies grinsen können.

Aber: Nicht mit dem Commander. Ich liebe Google. Die amerikanischen Server wringe ich aus wie einen Schwamm, und wenn ich bis zur Seite 1.000 gehen muss. Ich denke, es war so in etwa Seite 6. NOTFALL-IP. Yep, jetzt habe ich dich, du kleiner Stinker. Das trojanische Pferd, das mir hilft, dir deinen kleinen Datenarsch aufzureißen.

ACCESS!

Das wird ihm nicht gefallen haben. Im Gegensatz zu ihm bin ich zumindest weniger nachtragend. Ich habe mich auf Teamwork mit ihm geeinigt, eingegeben, was eingegeben werden muss (finde unter Adrenalin mal die Mappe mit den Zugangsdaten! ALTER!!!) und die Sache lief.

Es kam dann der neue Router, den toten Router habe ich für 4,99 eingesendet, die 4,99 habe ich von PayPal nach Antrag zurückbekommen. Den neuen Router habe ich dann eingerichtet, die Zugangsdaten hatte ich ja nun gefunden. Alles easy.

Bis auf: Die rote LED.

Von Anfang an.

Start Teil 2 eines irdischen Martyriums, wie es Raffael nicht besser hätte malen können. Ich sehe mich als der Heilige Johannes (Jens = Johannes) an der Decke einer italienischen Kirche in meinem Routerdesaster abgebildet. Nur ein Tuch um die Hüften, ansonsten getragen vom finsteren Blick des Leids.

Mein Problem? Alles lief. Gut, perfekt. Nur eben, ROT.

ERROR. (habe ich euch schon die Geschichte von ERR73 meines eMountainbikes erzählt? Keine Sorge… Nicht hier und jetzt:)

Natürlich hätte ich locker sagen können: FUNZT! So what.

Aber so bin ich nicht. Die Dinge müssen laufen wie geplant. Manchmal sagt meine liebste Viveka zu mir: Pedant.

Nun. Ja, nein. Nicht so wirklich, aber irgendwie auch. Schon. Wenig. Eigentlich auch nicht.

Jedenfalls Hotline AVM Berlin telefonisch, per Mail, per Mail, per Mail…

Ich habe jetzt arabischstämmige Freunde in Berlin, bei denen ich sicher auch einfach mal klingeln könnte. Wir haben viel gemailt, uns ausgetauscht. Ich kenne nun alle Winkel meines 7530. Alle Haken gesetzt und zurück. Auf Werkseinstellungen zurückgesetzt, neu eingerichtet, Support-Berichte gesendet, Fotos, Bildschirmaufnahmen.

Das ging lange. Lange. Lange lange. Sehr lange hin und her. Zwischendurch empfahl man mir, mit meinem Internetprovider zu sprechen. Auch hier fast eine Stunde gemeinsam Häkchen setzen und zurück. Dann sollte ich den Router so umstellen, dass die gesagte LED einfach für ein anderes Thema steht. Also: Ignorier die Warnung einfach. Fast war ich so weit, aber: Statt Rot leuchtete die LED mit anderer Aussage nun Orange. Genauso Kacke. Inakzeptabel. Welche Farbe haben Warnwesten? Eben.

Dann kam eine Mail von AVM, die mich fragte, wie mir denn der Service so ganz allgemein gefallen würde…

Ich schrieb irgendetwas von “Ich will keine neuen Mail-Freunde, sondern ausschließlich das Erlöschen der roten LED, die für WARNUNG steht!”.

Manchmal bin ich ein nervöses Tierchen, wenn Gefahr droht. Homeoffice mit rotem Lämpchen? Der Kontakt zur Welt am seidenen Faden? Montagmorgen mit dem hoffnungsvollen Gefühl, dass es klappen könnte?

Hast du jetzt echt bis hierhin gelesen? ORDEN. Held*in. Respekt. Kurze Pause. Kaffee? Gebäck? Smalltalk? Ruf an:)

Ich denke, mein Ton in der Mail war nicht so fürsorglich nett. Wenn nervöse Tierchen in Panik geraten, verwandelt sich der Kuschelfaktor in Monsterzähne mit Tötungsfunktion. RATSCH!

Kurze Zeit später traf der neue Router ein, dessen Kennung “Outlet” ist. Kleiner Scherz seitens AVM, die Jungs haben Humor und wissen, wie man Vertrauen in die Marke aufbaut. YEP!

Und?

Mensch, läuft. Herr Schönlau ist zurück im Leben und kann wieder bloggen, weil er nicht mehr ständig mit den Jungs von AVM mailen muss. Vermissen tu ich sie schon, den Christian und den Marwan, die mich anfangs für grenzdebil hielten. Ist O.K. das mit der roten LED hatten sie noch nie. Da kann man schon mal denken: SPACKO. Vergeben.

“Guten Tag Herr Jens Schönlau,

vielen Dank für Ihre nette Rückmeldung.

Es freut mich zu hören, dass der Fehler mit der neuen FRITZ!Box nicht auftaucht. Wir werden uns die defekte FRITZ!Box dann näher ansehen, da wir diesen Fall bisher nicht kennen.

Ich hoffe, die Austausch FRITZ!Box, kann nun das Vertrauen wieder aufbauen, da uns mit der 7530 keine Probleme bekannt sind und genau wie die FRITZ!Box 7560 ohne Probleme durch laufen wird/kann.

Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Ihrer FRITZ!Box 7530.
Falls Sie weitere Unterstützung benötigen, so zögern Sie bitte nicht sich wieder zu melden – wir helfen gerne. 

Freundliche Grüße aus Berlin”

Was meint er mir wird/kann? Nun.

Ob das mit dem nicht zögern ernst gemeint ist?

So ist das also, mit dem eben mal die Welt retten und den großen Themen der Transformation. Ist dein Router kaputt, bist du am Arsch und die Welt weiß nicht einmal, dass es dich gibt.

Danke für das tapfere Durchhalten beim Lesen. Wie bist du eigentlich drauf, dass du so langweilige Routerstorys liest? Hast du kein Leben? Kümmere dich mal um Wichtigeres… Is ja mein Routerproblem. Mann, ey.

Küsschen:)

Vater.

Mit Kindern ist gut, ohne Kinder ist auch gut.

Ich traf mal einen Mann in Frankfurt auf einem Ball mit edlen Getränken, der trug in seinem feinen Zwirn eine mich berührende Traurigkeit. Er hatte eine große Anziehungskraft auf mich, weil sein Geheimnis als Schatten um ihn schwebte, obwohl er schön und leicht war wie ein Mensch, dem niemals etwas geschehen ist.

Seine Frau hatte Knochen aus Glas und ein Kind wäre ihr Tod gewesen. Er erzählte mir die Geschichte, als um uns herum diese wichtigen Menschen saßen, die jemanden treffen wollten, der ihnen Geld bringen würde. Montserrat Caballé sang, Nina Ruge moderierte, es gab Getränke ohne Ende und mir war nur diese Geschichte wichtig.

Sie litten. Kein Kind. Irgendwann konnte sein Vater es nicht mehr mit ansehen und sagte ihm. Junge. Mit Kind ist gut, ohne auch.

Da fiel ihm ein Stein vom Herzen und er war frei. Ich auch, an dem Abend. Ich litt mit ihm, ich hätte ihn küssen können. Er gehört zu den Menschen in meinem Leben, die mich am tiefsten berührt haben. Ich habe ihn nie wieder gesehen.

Vatertag 2021.

Mir war und ist das Glück beschieden, zwei Kinder zu haben. Pella und Max. Ich war bei ihrer Geburt dabei. Ich hatte das Glück, mit einer wunderbaren Frau zusammen zu sein, die mir 50 % gab. Die es verlangte und zuließ. Wir haben Job und Kinder fifty-fifty geteilt. Deshalb der Name dieses Blogs.

Ich weiß nicht, was aus mir ohne all das geworden wäre. Keine Ahnung. Als sie da waren, wurde ich auf einen Schlag erwachsen. Da war kein Baum mehr, hinter dem ich mich vor dem Leben hätte verstecken können. Du bist Vater, du hast Verantwortung, du entscheidest. Du gibst vor. Du erziehst. Ohne von Irgendwas überhaupt irgendeine Ahnung zu haben. Willkommen im wahren Leben.

Heute sind sie 21 und 24 Jahre alt. Sie leben in Köln. Sie leben ihr Leben.

Sie sind das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Sie sind die tiefste Tiefe, die ich erlebt habe. Ich bin voll von ihnen.

Nun. Vater sein. Klingt so profan.

CRAZY, CRAZY:)

Alter, wie fühlt sich das denn an? Kann gar nicht sagen, beschreiben, wie das ist. In diesen Zeiten, in denen man schreien könnte oder auch nicht. Umgeben von diesem Thema No.1, das durchdiffundiert. Da gibt es nix, was das aufhält.

Wo du hinkommst, schon da. Kuckuck!

Ist schon eine ganz schöne Arschgeige, die wir uns da eingefangen haben. Ich würde ja sagen, lasst uns irgendwie das Beste draus machen. Will aber nicht so richtig raus aus der Tastatur und meinem Kopf.

Am liebsten wäre ich mental schon durch. Haken dran und weiterleben in meiner kleinen Welt. Atmen, weiteratmen. Lächeln. Bezaubernd süß und schön. So reizvoll und anmutig es nur geht. Klappt nicht, die Lippen haken.

Was nur sollen wir tun?

Bitte nicht mehr schimpfen. Das finde ich fast noch schlimmer als Pandemie. Ja, stimmt ja alles, oder manches, oder vielleicht ein wenig davon. Aber was können wir uns dafür kaufen? Was hilft’s?

Da wird Leben in Gesellschaft zum Beziehungshorror, aus dem man nicht aussteigen kann.

Küssen hilft definitiv und guter Sex. Ist ja jetzt Raum und Zeit da. Sich den guten Gefühlen hingeben, Körper und Seele in Tiefe tanzen lassen. Anschmiegsam, voller Liebe und Hingabe.

Genau.

Übt doch mal Hingabe. Oder? Vielleicht. Sich dem Leben hingeben in der Wollust und Fülle der Möglichkeiten des Seins. Laberrharbaber. Aber echt mal. Raus aus der Oberflächlichkeit des Meckerns, Schimpfens, Verzweifelns. Der Liebe fröhnen in all ihren Spielarten.

Warum nicht? Da die weltlichen Abenteuer gerade schwach gesät sind, kann man doch mal den Südpol der Emotionen erobern. Wie tief kann deine Liebe gehen? Was steckt in dir? Wie groß ist dein Herz, was kann deine Seele?

Fernseher aus, Corona aus, Facebook aus.

Pack deine sieben Sachen. Werde smooth. Schließe die Augen und stell dir Fragen, die du dir nie stellst. Nur Fragen, die du dir noch nie gestellt hast. Fragen, die mit dir, deinen wahren Gefühlen und deinem Leben zu tun haben.

Ein Beispiel?

OK, ich überlege.

Wenn du deine Seele wie ein Puzzle ausrollst, welches Teil magst du am Liebsten?

Nicht so schnell. Wie viele Teile hat denn dein Puzzle und welches Motiv stellt es dar? Siehst du Menschen, Landschaften, Gefühle, Farben, Autos?

Setz dich doch mal hin, am Abend. Ruhig. Kerze, Duftöl, vielleicht ein Blatt Papier. Kuschel dich ein, schließe die Augen, lass deine Seele fliegen. Den Vogel aus dem Käfig. Wo fliegt er hin? Wo landet er?

Wie weit kommst du mit deiner Reise, wie viel lässt deine Seele zu? Kommst du ran? Einen Millimeter oder mehr?

Trink dabei keinen Alkohol, der öffnet die Türen nur vermeintlich. Du glaubst, du fliegst, und wenn du wach wirst, stehst du in Unterhose in der Küche und hast dich keinen Millimeter bewegt.

Manchmal mache ich diese Reise und komme unterschiedlich weit, je nachdem was da oben zwischen den Ohren los ist. Wenn es ruhig ist, nichts fordert und will, wenn es warm ist und safe, wenn sich Leben wie gestreichelt werden anfühlt, dann. Nun.

Es gibt so viel mehr als dieses irdische Leben in seinem Geraune. Hinter den sieben Bergen…

Reisen, ohne zu verreisen. Entdecken, ohne das Haus zu verlassen.

Sich selbst das große Abenteuer sein und die spannendste Reise überhaupt unternehmen.

Herze euch.

Manchmal frage ich mich, ob das, was ich denke, überhaupt irgendwer versteht. Oder bin ich vielleicht ganz allein auf diesem Planeten. Wer weiß. Egal. Hauptsache, es macht Spaß:)

Bin ich jetzt Kaspar Hauser, oder was?

Ein Jahr wusch und weg. Keine Angst, aber ständig ein mulmiges Gefühl. Ich hatte keine Angst, zu sterben. Wollte das Zeugs aber auch nicht an den Fingern haben. Wie oft bin ich ihm begegnet? Wie oft war er da, und hat es nicht geschafft? Wie oft habe ich ihn mit Seife gekillt und in den Abfluss gejagt?

Das Schlimme an diesem kleinen Mega-Arschloch ist, dass er mich trennt von den Menschen. All das, was Spaß macht, die Begegnungen, die Sprüche, Kleinigkeiten. Das, was Menschen ausmacht. In Lockerheit. Spontan mal vorbeifahren und klingeln und sich auf nen Kaffee hinsetzen und hören, was geht.

Ich bin menschlich faul geworden, habe mich ein wenig an meine Diaspora, den stillen Rückzug ins Ich gewöhnt. Ohne Menschen lebendig zu treffen, kann ich nicht mit den Social Media. Nicht wirklich. Wenn ich nicht real Worte höre, ist das Posten keine Alternative zu nichts.

Bestenfalls ein wenig Ablenkung.

Allmählich kommt mein Rhythmus durcheinander. Pandemie-Jetlag. Manchmal sitze ich hier an meinem Küchentisch und arbeite einfach. Viveka ist nicht da und die Themen sind spannend. Gerade habe ich MIRO entdeckt, ein Tool, das mein Herz hat hüpfen lassen. Ein Kinderspielplatz des Denkens mit dem IKEA-Smaland und der Phantasialand-Ecke und dem Mondflug.

Du knallst einfach alles rein und schaffst deine eigene Welt. Max hat früher viel Mindcraft gespielt und das war echt Wahnsinn. Die Welt wuchs und wuchs und wuchs.

MIRO ist mein Mindcraft. Alter, hätte ich das im Studium gehabt. Das ist eine Kunstform. Du ordnest deine Gedanken mit all dem, was dein Denken braucht. Wenn du dein Gehirn kennst, wenn du weißt, wie es tickt, wenn du die Trigger kennst, dann baust du dir deine Welt des Abhebens. Arbeiten, denken, gestalten in schön.

LIKE it:) NO! Love it:)))

Bin gespannt, was bleiben wird. Dornröschen erwacht aus dem hundertjährigen Schlaf. Und? Wie siehts aus? Erkennste noch was?

Wird nicht mehr so sein wie früher, aber auch nicht ganz anders, aber eben ein klein wenig doch. Haben wir schon vergessen, wie es war? Wie war dieses Normal? Auf eine Party gehen. Klingeln, Tür auf, Küsschen, Geschenk, wer ist denn schon da?

Ach, ihr Lieben. Es lebt sich als führe man im zweiten Gang über die Landstraße. Ja, man kann entspannt zuschauen, aber es passiert nichts. Oder das Falsche. Wer will das schon. Kack Programm.

Ich will leben in vollen Zügen. Habe ich ein Jahr oder zwei zu verschenken?

Niet.

Und parallel läuft der technische Fortschritt. Die Maschinen sind am Drücker und übernehmen, während wir uns in unseren Löchern verstecken. BÖFF.

Vor Augen führen, was fehlt. Nachspüren, wie wichtig die anderen sind.

Wir sind Menschen. Wir brauchen einander. Ich kann und will ohne euch nicht. Ihr fehlt mir, verdammt. Ich möchte euch küssen.

20. Juni 1976

10 Jahre bloggen. Alles erzählt, alles Innere nach außen gekehrt. Über Grenzen gegangen, das es weht tat. Den Menschen, die gelesen haben.

Gerade ist viel los, ich arbeite viel und auch ansonsten beanspruchen mich Menschen, die meine Talente gebrauchen können. Wenn jemand Autos reparieren kann, wird er gefragt, wenn ein Auto kaputt geht. Ganz normal. Sag mal, mein Fiesta macht so komische Geräusche, könntest du mal…

Ich weiß nicht, ich habe zu viele Talente. Irgendeines kann immer irgendwer brauchen. Den Arbeitslosenantrag ausfüllen. Den Webtext schreiben. Mal drauf schauen, wie es im Leben weitergehen könnte.

Ein gefragter Mann bin ich, wer hätte das gedacht.

Es hat mit meinem Kopf zu tun und mit meinen Händen. Beide verstehen sich gut und ich helfe gerne.

Heute war ich müde. Eigentlich hätte ich raus gemusst, raus gewollt. Sonne im Februar, warm draußen, aber ich war müde nach einer intensiven Woche und einem Samstag im Dienste der Familie. Ich kann Küchen aufbauen, Herde anschließen, Stichsägen durch Küchenplatten führen. Gerne. Es war schön. Es hat mir gefallen, da zu sein. Wenn man hilft, ist man nah dran, gerne gesehen und für einen selbst ist es ein schönes Gefühl.

Nur war ich heute erschöpft und habe mich ins Bett gelegt, um Filme zu sehen. Seichtes, Sanftes. Ich bin in den Achtzigern gelandet und plötzlich in einem Gefühl der Vergangenheit. Den Ausschlag hat ein Song von den Simple Minds gegeben. Don’t forget.

Da war ich wieder im damals und in diesem alten Gefühl. 1985.

Würde ich die ganze Geschichte erzählen, all die Gefühle, all den Wahnsinn. Ich weiß auch nicht, ob ich an all die Dinge tiefer denken möchte. Es sind einige Leute gestorben. Bei Unfällen, durch Krankheit. Freunde, Schulfreunde. Unter anderem.

Ich kam aus einer Zeit, die wie ein Schleier über mir gelegen hat. Ich weiß bis heute nicht, weshalb all die Dinge geschehen sind. 1974. Ich war 9 Jahre alt, als sich alles änderte. Von einem auf den anderen Tag ging es aus einem behüteten Leben in ein nicht enden wollendes Chaos. Zu der Zeit war ich in einer dritten Klasse irgendwo im nördlichen Nordrhein-Westfalen. Ich sang im Chor, spielte Fußball und war der kleine blonde Junge, den alle mochten. Wir wohnten neben einer Eisfabrik und ab und an lud uns die Tochter ein, am Swimmingpool zu liegen. Und irgendwann gingen wir mit ihr in die Fabrik, uns Eis zu holen. Egal welches. Die dicksten.

Es war ein Paradies. Mein älterer Bruder erwischte mich mit Uschi unter der Bettdecke. Wir feierten Kindergeburtstage, spielten mit allen Kindern der Straße Verstecken, fuhren mit den Rädern durchs Moorgebiet zum Baggerloch. Ich war ein süßer kleiner Junge, ein Clown, ein Racker, ein Abenteurer. Die Welt mochte mich. Wir tranken manchmal bei unserer Klassenlehrerin Zuhause Tee. Sie hatte Batiktücher an der Wand.

Es hätte alles so bleiben können, aber mein Vater war ein unsteter Geist. Ein neues Jobangebot. Er hielt es in der Firma nicht mehr aus, wir mussten weg. Für ihn nur eine weitere Station auf dem Weg. Ein neuer Schreibtisch, eine neue Aufgabe, ein neuer Abschnitt. Ich verabschiedete mich von meinen Freunden. Ich habe sie nie wieder gesehen. Wir waren nur Kinder, was zählt das schon. “Sagt Auf Wiedersehen.”

Wir landeten in der Fremde. Die Kinder sprachen eine andere Sprache, keine Lehrerin wollte mir mir Tee trinken. Ich wurde angeschrien, einmal geschlagen. Weil mein Vater eine Position in der Fabrik des Dorfes hatte, wollten die Kinder wissen, ob ich was besseres bin. War ich was besseres? Woher sollte ich das wissen? Was hätte ich sagen sollen? “Was hat euer neues Auto gekostet?” Ich hatte auf keine Frage irgendeine Antwort.

Es war sehr einsam geworden um mich. Plötzlich war ich ein Exot, ohne ein Exot sein zu wollen. Aber je mehr sie sagten, dass ich anders bin, desto mehr fühlte ich mich anders. Und ich war es auch. Ich konnte mit ihnen spielen, dabei sein, aber nicht dazu gehören. Ganz ehrlich? Ich wollte es auch nicht. Irgendwann brachte ich einen Hund mit nach Hause, der eine Hündin war. Jimmy. Mit ihr zog ich los und genoss das Alleinsein im Wald. Keine Fragen, kein sich beweisen müssen. Frei.

Das ist bis heute geblieben.

Es kam der 20. Juni 1976 und es schien, dass meine Familie von einem Fluch getroffen wurde. Von einem Schlag. Uli Hoeneß verschoss am Abend den entscheidenden Elfmeter im EM-Finale und damit meinen Vater ein Stück weit aus dem Leben. Am nächsten Morgen und bis zum Ende seines Lebens war er halbseitig gelebt. Jetzt waren wir nichts Besseres mehr. Das Geld wurde knapp, der Papa durchlief eine zweijährige Krankenhaus-Odyssee und bei mir setzte die Erinnerung aus.

Ich saß Nachmittage stumpf vor der Heizung, machte keinerlei Hausaufgaben und wartete darauf, dass irgendwie alles wieder so sein würde. Das tat ich sechs Jahre lang.

1982 floh ich aus meiner bedrückenden Welt in ein Internat, um mich zu befreien. Es war keine Option mehr, zu bleiben. 17 Jahre alt war ich und es gab keinen Weg mehr zurück. Fortan stellte ich mein Leben auf meine eigenen Füße. Ich begann zu schreiben, weil das ein Talent ist und meine Form der Therapie. Wenn es aufgeschrieben ist, ist es fast, als sei es ausgesprochen. Ich habe viele Gespräche auf Papier geschrieben und später in Rechner gehackt.

Es war eine Flucht und ich landete im Paradies. Ich veränderte mich, fand wieder Tritt, kehrte zurück ins Leben, war wieder einer, den alle mochten. Schönlau. Sie feierten mich, sie mochten meinen Wortwitz, meine Verrücktheit, meine Ideen, mein über Grenzen gehen. Ich verliebte mich in sie, sie verliebte sich in mich. Wir schliefen miteinander, detailliert geplant und in tiefer Liebe. Was habe ich sie geliebt. Wie viel Trost sie war und wie lustig, was für ein schönes Lachen sie hatte. Wir konnten voneinander nicht lassen, schrieben Briefe, wenn wir uns einen Tag nicht sahen. Ihr Vater hasste mich, es war mir egal. Die anderen Jungs wollten sie, es war mir egal. Es war ein Traum.

Wir feierten. Ich tanzte wie verrückt. Ich habe nie aufgehört, wie verrückt zu tanzen. Musik ist eine der Fluchtoptionen, in Verbindung mit Tanz ist sie Droge. Es fühlt sich an, als würden die Augen nach hinten wegklappen.

Genug.

Das Gute, diesen Text wird niemand lesen. Ich werde ihn nicht posten, nicht verbreiten. Er wird hier stehen in meinem Tagebuch und mich daran erinnern, wie es war. Eine Andeutung. All die Facetten jener Zeit. Sie hat mich geprägt. Sie hat mich abgehärtet. Manchmal, wenn es hart auf hart kommt, bin ich ganz ruhig und kein wenig verzweifelt. Es kann mir nichts. Nicht mehr so wie damals.

Heute bin ich ein glücklicher Mann in einem normalen Leben. Was mir fehlt ist ein Hund, mit dem ich im Wald Einsamkeit genießen kann.