Walking along cold water in frosty february…

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Ladies, gentlemen. You know: Februray. Cold Water.

Wir müssen noch ein klein wenig durchhalten, wenn auch Hoffnung am Horizont aufblüht. Bald ist Frühling. Und: Yes. Pronto. Habe gebucht. 3 Wochen Levanto. Wieder. Obsessiver Wiederholungstäter. In diesem Jahr Zoe und ich. Jim ist mit seinen Leuten unterwegs – ihr erinnert euch vielleicht. Ein Auto, sechs freie Wochen, ein wenig Geld und die Welt ist so weit und macht nichts anderes, als zu warten… Wie gerne ich dieses Gefühl. Noch ein einziges Mal. Das ist die eigentliche Sehnsucht nach Jugend. Diese Momente des Staunens und Überwältigtseins vom allerersten Mal. Also nicht so, sondern allgemein. In allem.

Freitag. The day after. Abschied von Drago, herzlich willkommen in Essen. Ausschlafen. Liebevoll empfangen und umsorgt werden. Der Klimawandel tut so, als würde er pausieren. Es ist sehr frostig. Machen wir uns nichts vor, all das Gerede von das ist doch nur eine natürliche Laune der Natur… Vergesst es. Auch beim Klima haben wir so richtig ziemlich verkackt. Es kulminiert. Nach den Peace-Jahren der Seventies haben wir ab dem 6. März 1983, als Monsieur Poire die Macht ergatterte, einen Abstieg in Frieden und Wohlgefallen erlebt, der nun wahrlich erschreckend ist. In dem Maße, wie sich das Weltklima aufheizt, nehmen die zwischenmenschlichen Temperaturen ab. Wir müssen jetzt hier nicht erwähnen, wo überall die Kacke dampft. Gemeinsam können wir einen Strich unter die Rechnung ziehen und feststellen: Die Egos wachsen, die Bereitschaft zu töten, ist allerorts hoch. Krieg ist salonfähig, die Frage nach dem WHY hat sich aufgelöst. Geben wir doch zu, dass wir die 1. Mai-Friedensdemos belächelt haben. War doch nicht mehr notwendig, da was zu unternehmen. Wo doch alles so gut gelaufen ist.

Wie viele Tote sieht man, wenn man im Februar 2015 Tageschau schaut oder Spiegel online von oben nach unter durchscrollt? Stellvertretend. All die Brennpunkte. Freude über Bombardements auf IS. Kobane ist frei. Und in Schutt und Asche. Von US-Fiegern mit besten Absichten fein säuberlich zerlegt. Das Unterste nach oben gekehrt und das Oberste nach unten. Eine zerstörte Stadt ist die bessere Alternative. Irrsinn.

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Fragen wir uns: Was ist passiert? Cold water. Es war so gemütlich in der Komfortzone der Neunziger. Da konnte man glauben, man würde so etwas wie gesellschaftliche Weiterentwicklung nicht mehr brauchen. Kunst wäre so etwas wie eine Aktie. Ich habe in London die Deutsche Bank mit ihren Riesenkunstwerken gesehen. Ein Foyer wie ein Museum. Und die Modern Tate auch von Ackermann & Söhnen bezahlt. Supported.

Tatsächlich haben wir die Innovation aufgegeben. Wir können per Web alles machen. Posten, liken, buyen, mobben, dissen, Revolutionen begleiten, Kampagnen starten, verurteilen, Regierungen zwingen und zwängen. Aber wir können den feinen Weg des Diskurses nicht mehr gehen. Das war einmal eine Einstellung, ein Entwicklungsprinzip. Schauen, was fernab der Wege möglich ist. Seit 1983 haben wir an Intelligenz verloren, haben Wichtiges aufgegeben, vergessen.

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Rom konnte Gewölbedecken bauen, das Mittelatlter konnte das nicht. Rom konnte in der Malerei Perspektiven und Dimensionen abbilden, im Mittelalter waren die Hände flach in 2D hingewichst. Vergessen. Wissen geht verloren. Menschen vergessen. Arroganz gegenüber dem Vergangenen. Möglichkeiten aufgeben. Sich Strauss-Kahn und Co. anvertrauen. Sarkozy, Berlusconi. Die ganze große Show der Ego-Maniacs. Oberflächlichkeit und stumpfes Geplapper par excellence. Aufgegeben, was Wert und Wichtigkeit hat.

Nun zahlen wir einen Preis. Laufen der Entwicklung hinterher. Früher war die Diskussion, wie machen wir die Welt besser? Wie retten wir sie? Heute: Wie können wir das Mittelmeer verminen und mit Stacheldraht durchwirken? Wie können wir unsere Bahnhöfe vor Terror schützen? Wie retten wir Banken und Inflation und Deflation und Wachstum und Renten und Konsum und all den Scheiß. Wie können wir in diesem Land überhaupt noch zusammenleben, ohne im Hass der Orthodoxen aus allen finsteren Ecken zu ersticken? Um wieviel schöner ist ein 1. Mai-Friedensmarsch als all die extremewalks der Voll-voll-voll-Idioten aus allen Richtungen.

Ein Vollidiot ist übrigens, wer seine Meinung mit Schlagen, Quälen und Töten durchsetzen will. Fangen wir an mit einer Liste ab 1983: Da sind ziemlich viele drauf. Von Hoyerswerda über Moskau und Washington bis Indien und Guantanamo und Abu Ghareib und Kobane und Somalia und Nigeria und Donezk und Kiew und Peking und Fukushima und Budapest und, und, und… Überall Kerle mit wahnsinnig dicken Eiern im Schritt und der Vorstellung von ICH.

Es ist sehr kalt im Februar 2015. In Kobane ist eine Frau gefallen, die ich liebe. Nicht so, klar. Die Kommandantin der YPJ. Der weiblichen kurdischen Befreiungsarmee. Kobane war schon befreit, da ist sie scheinbar im Kampf um die umliegenden Dörfer gefallen. Erschossen von IS. Denke ich. Ich weiß es nicht und recherchiere auch nicht, weil mich diese ganze Gewalt kotzen lässt. Angela fährt nach Kiew und Moskau. Und ich freue mich, dass wir eine besonnene Kanzlerin haben, auch wenn ihre Partei noch nie meine war. Keine Waffen in die Ukraine. Keine Munition für Idioten – egal, auf welcher Seite. Es reicht. Hört auf. Ist doch mittlerweile egal, wem die Ostukraine gehört. Schon jetzt wird es dauern, bis der Hass aufhört. Wie kann eine Welt nur in so vielen Punkten, Orten verkacken? Wie kann man nur so abgrunddämlich eine Welt vor die Wand fahren? Wie kann man nur auf so breiter Linie politisch, ideologisch, religiös versagen?

In diesem Jahr werde ich 50 Jahre alt. Vietnam habe ich nicht miterlebt, den 2. Weltkrieg über all das, was durch meine Vorfahren weitergegeben wurde, zu Genüge. Meine persönliche Entnazifierung in den Seventies hat gereicht. Danke. Auschwitz-Filme habe ich bis zum Ende meines Lebens genug gesehen. Gelungen. Von mir mir wird niemals eine Antisemitismusgefahr ausgehen. Versprochen. Hand drauf. Ich habe gedacht, wir hätten das Schlimmste erlebt. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Die Kriegsbereitschaft war nach meinem Empfinden schon sehr lange nicht mehr so hoch. Dass Russland und die Nato bereit sind, einen europäischen Stellvertreterkrieg zu führen ist einfach Wahnsinn. Eine vollkommen neue Qualität.

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Es ist an der Zeit, wieder ein wenig Wärme in die Welt zu tragen. Mit Sonnenblumen wird das nicht mehr möglich sein, vielleicht aber mit den neuen Mitteln, die die alten sind. Wir brauchen grenzenlose Solidarität. Das menschliche Mitfühlen als stärkste aller Kräfte. Das Aufgeben dieses Gefühls, voneinander getrennt zu sein. Aufgeteilt in dies und jenes. Klingt wie Ringelpietz mit Anfassen oder Seifenblasen im Selbsthilfekurs. Aber was, bitte schön, bleibt? Kalaschnikow? Präzisionstöten per Drohne?

Wo anfangen? Keine Ahnung. Nebenan? Think global, act local. Früher hieß es immer: Bei sich selbst. Ich weiß es nicht mehr. IS? Ukraine? Fukushima? Somalia? Budapest? Krieg, Sanktionen, Drohungen, Gewalt. Es ist kalt im Februar 2015. Verdammt kalt. Auf Facebook gibt es Lösungen im Sekundentakt, alle wissen, was zu tun ist. Eine Kakophonie. Was für eine Kacke…

On the road with good old Drago

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Manchmal trifft man im Leben auf alte Bekannte. Mit den Fußballjungs hatte ich mich Donnerstagabend im Kristallsaal der Kölnmesse eingenistet. Große Straßenbauersitzung des Verbandes. Karneval, alles, was geht. Guido Cantz, Blötschkopp Marc Metzger und die Paveier zum Schluss. Die Kölner Karnevalsprominenz am Start.

Und wen treffe ich im Saal? Drago. Ewig nicht gesehen. Die Sitzung war zu Ende, es war spät und wer sitzt da, typisch am weißen Flügel? Drago, der alte Halunke. Hat immer was laufen. Import, Export, Gebrauchtwagen – nicht immer mit allen Papieren und manchmal leichten Gebrauchsspuren im Schlossbereich. Ferraris, Porsches, BMWs auf Bestellung – den da? Genau den da? Also nicht den gleichen, sondern denselben.

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Mit Grenzen hat er’s auch nicht so. Papiere vorzeigen, bleibt mal entspannt. Lieber auf dicke Hose. Kempinski, schöne Frauen und Champagner. Vieuve Cliquot. Aber nie aus dem Angebot. Da ist er manchmal auch ein wenig komisch. Nicht die 250 €-Pulle vom Service, zu teuer, aber die 50 €-Pulle aus dem Supermarkt. Einmal war die im Angebot, da hat er die Kassiererin per Charme gezwungen, den Originalpreis am System vorbei einzutippen. Gab’s ‘nen Zwanziger für. “Du kannst doch keinen Cliquot im Angebot kaufen. Wer soll den denn trinken.”

Stil hat er, der Drago. Mehr oder weniger. Kommt mir immer ein wenig wie ein Bruder vor. Das hat was von schizophrenen Anteilen im Kopf, wenn ich ihn mal wieder so überraschend treffe. Was für ein Typ. Plötzlich sitzt er da, alles ist wie immer, wie nie weg gewesen (zwischendurch mal so 14 Monate weg, ohne Bewährung, klar…), sieht mich, grinst sein Drago-Lächeln und es geht an die Theke.

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Was haben wir gelacht. All die alten Geschichten. Mann, der ist mir echt ans Herz gewachsen. Vielleicht sehe ich ihn nächste Woche wieder – Karnevalssitzung vom Fußballverein. Man kann nie wissen… Wenn dann noch Malle Ralle kommt, sind die Drei von der Tankstelle perfekt.

Die Schönheit der Trostlosigkeit im Januar

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Es ist Januar, was, hey, soll man da sagen. Die Zugvögel sind weit weg und denken noch lange, lange nicht daran, zurückzukommen. Wer schlau ist, kehrt Deutschland den Rücken und bucht ein Sonnenleben irgendwo all-inclusive.

Bleiben die Trostfaktoren. Seit Dezember geht es lichttechnisch steil aufwärts. Dieser point of no return ist überschritten. Liegt der erst hinter einem, läuft die Zeit in die richtige Richtung. Aber, es dauert. verdammt Scheiße lang. Unmenschlich lang, denn der Mensch braucht Licht zu leben, sonst fehlt alles – Vitamin D und gute Laune und der Schwung des Sommers.

Heute hat es mich, uns hart erwischt. Viveka und ich haben die Italienreisenden des letzten Sommers zum Diaschauen eingeladen. Ela, Michaela, Jens und Jens, Jim und Kalle und Freunde, Freunde, die Lust hatten. Hier nach Essen. Ist manchmal schon lustig, da kamen Ela und Jim und Cooper, mit denen ich die Woche über zusammenlebe, zu Besuch. Zoe war auf einer Party.

Es gab italienischen Wein, Spaghetti Frutti die Mare (ich weiß jetzt, wie es geht – es gibt ein paar Kniffe – das erste Mal in meinem Leben habe ich mir ein eigenes Rezept aufgeschrieben, weil Viveka und ich letzte Woche Probe gekocht haben). Das zweite Gericht war ein Pfifferlings-Steinpilz-Risotto mit getrockneten Pilzen vom letzten Herbst (oberbergische Eigensammlung). Auch da weiß ich jetzt, wie mit getrockneten Pilzen umzugehen ist (lange einweichen und das wunderbare Pilzwasser später mit Gemüsebrühe aufkochen, um damit den Reis weich zu kochen). Zum Abschluss: Tiramisu – mein erster Versuch – die Creme war lecker, die Biscuits hätten etwas mehr Espresso vertragen.

Und dann: Highlight des Abend. Fotos. Natürlich keine Dias, alles digital. Meer, Sonne, Strand, Italien, Ligurien, Cinque Terre, Menschen, Freunde, Familie, Geliebte. Und das im Januar. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt. Doping auf halber Strecke. Bald kommen die Krokusse, Karneval, die Narzissen, Ostern…

Zweig

Heute aber, noch nichts von dem. Schnee und Schneematsch, Nebel, Regen, Feuchtigkeit, Kälte, Schneereste. Das bedrückende Bild von Kindern, die auf braunem Matschschnee Schlitten gefahren sind. Viveka und ich waren Stunden unterwegs. Über weiße Wiesen und Felder zum See runter. Wir wollten nach Kupferdreh – eine spontane Idee. Im Bahnhof dort, eine Kneipe, was trinken.

Holzreste

Der Hin- und Rückweg grau. Die einzigen Farben: Neonjogger mit Leuchtapplikationen zum Erblinden, Mountainbiker mit ähnlicher Farbblindheit und die bunten Bojen auf dem Baldeneysee. Rein theoretisch hätte man in Depression verfallen können. Bin ich nicht, sind wir nicht. Weil diese Ruhe auch etwas Schonendes, Entspannendes, Reduziertes und fernab eines prallen Sommers einfach auch etwas sehr, sehr Schönes hat. Es lohnt sich, offenen Auges au die Details zu schauen. Winterschlaf. Ausruhen, die Augen schonen. Letztlich hat es Spaß gemacht und meine Kamera hat sich gefreut, mit dem Januar zu spielen.

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Große Deals, kleine Deals, die 18 und andere Wahnsinnigkeiten

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Leute, Leute, Leute, Leute! Ich sage euch…

Manchmal, aber nur manchmal, aber letztlich eigentlich immer ist dieses Leben nichts anderes als der nackte Wahnsinn am Rande der Katastrophe. Der Wecker geht, du verfluchst das unsichtbare Vorbeirauschen der nächtlichen Stunden. Weg. Am Abend beim Einschlafen, beim Einkuscheln ins Kissen, beim Aufkommen dieses seligen Gefühls unbändiger Gemütlichkeit, wenn die Gedanken und Augen schwer werden, die Füße warm und der letzte Atemzug sagt: Hey, wie grenzenlos schön ist Panama. Brrrrrrrrr…..

You know? Und dann am Morgen? Noch kein Auge geöffnet, da rattert es schon los. Der Tag in Sequenzen, dieses Programm menschlicher Abläufe im System Ernährung, Jagd, Familie, Ämter (Steuer), Energieversorgung, Gemeinde, Job, Schule, Sex… Unendlich, die Liste.

Letzte Woche drei Tage München. Diese Woche zwei Workshops. Wach sein. Aufnehmen, Inspiration sammeln, Energien bündeln. Der Kopf brummt. Kochen für die Kinder. Mit Herrn Cooper morgens raus – ein Kapitel für sich, dieser schwarze Hund im schwarzen Morgen. Kürzlich war er weg. Aufgelöst in Dunkelheit und nicht zu finden auf den Komposthaufen der Nachbarn. Mit dem Auto durchs Dorf, die Zeit lief, Termine standen an. Und ja, dort, wo ich dachte, war er. Ein Knochen hatte ihn gelockt. Gerochen aus 200 m Entfernung. Taschenlampe an, zwei grüne Knopfaugen, ein wedelnder Schwanz und ein Mamutknochen quer. Sack! In die Karre, nach Hause, ankleiden für einen Kundentermin, ab dafür.

Los. Marsch, Marsch. Und zwischendrin all der Alltag. Mit der Versicherung um die Schadenfreiheitsklasse kämpfen – ja, ich bin ein echter revolutionärer Schadenfreiheitsklassenkämpfer. Den Gasvertrag kündigen, um im nächsten Jahr wieder 400 € zu sparen. Dafür muss man schon mal nicht mehr arbeiten. Und dann die Frage: Was koche ich? Und wie ist das mit den Kindern? Sind die noch Kinder, oder schon groß? Noch aufstehen, oder selber machen lassen? Jim ist jetzt 18. Fährt selber. Macht selber. Wie geht man mit 18-jährigen Söhnen um? Next Step, wieder so ein neues Kapitel. Viele Gedanken.

Die freien Jobs. Der Outdoor-Katalog, emotionale Geschichten, keine Werbung, von den Gefühlen erzählen, die da draußen entstehen. Vom Scheitern, vom Schaffen, vom Überwinden, von den Momenten, die befreien, die bleiben, die geben, verändern. Telefoninterviews, rauskitzeln. Skypetelefonat mit dem Kunden in Singapur. Die Leitung bricht ab. Über Reisen sprechen, Energie tanken, wiederkommen, ändern, intensiver werden. Glücksgespräche.

Den Tag durchgetextet, durch Serverprobleme aus dem Homeoffice heraus den Kontakt zur Agentur verloren, einen großen Topf Ratatouille gekocht, der auch für morgen reicht, wenn Jim und seine Bande zum Mathelernen kommen, und nach Feierabend versucht, meinen Hauspart zu putzen, um morgen möglichst früh nach Essen zu kommen. Dort wird es am Wochenende ein großes Treffen der Italienreisenden des letzten Jahres geben – Viveka und ich haben schon festgelegt, was wir kochen werden. Den Wein habe ich eben gekauft und besondere Zutaten.

Ich hatte versucht, zu putzen, bin aber ausgebremst worden. Ela hatte heute zwei Yoga-Kurse – da braucht das Haus dann eine Ruhepause. Gerade war der erste Kurs weg, da wollte ich hochmotiviert wegsaugen, was das Zeug hält. Da kam Zoe und berichtete vom Eintreffen der Neuen. “Hä?” “Papa, heute fängt Mamas neuer Kurs an. 19.30 bis 21 Uhr.” Mist. Vergessen. Verspielt, nicht mitgekriegt? Verzweiflung. Um 21 Uhr anfangen zu putzen? Saugen, wischen? Dann ist es halb Elf. Nö, also echt, nee. Und dann? Och, so sweet. “Papa, ich putze morgen für dich.” Mann ey, die können einem echt das Herz brechen. “10 Euro?” “Will kein Geld.” War klar. “Was kann ich machen?” “5x nicht motzen, wenn du mich irgendwohin fahren musst.” DEAL!

Tja, dann hatte ich Zeit. 19.30 Uhr und der Abend hat begonnen. Hab ich Viveka angerufen. Und gelacht. 120 Minuten beste Unterhaltung. Was habe ich gelacht. Leider kann ich euch die Details nicht schildern, weil ich hier sonst Persönlichkeitsrechte verletze und morgen einfach auf die Fresse kriege, wenn ich Interna ausplaudere. Mann. Juckt in den Fingern, aber klar, nein, Ehrenkodex. Schließlich liest das ganze WWW mit. Herrje.

Auf jeden Fall haben WIR beschlossen, dass es nicht sein kann, dass Zoe alles allein putzt. Deshalb haben wir dann irgendwann aufgelegt, damit ich saugen kann. Zumindest. Halbe-halbe. Zwischendurch haben Viveka und Zoe telefoniert und ausgehandelt, dass es doch einen anderen Ausgleich gibt. Ein Heimspielbesuch des 1. FC Köln. DEAL! Bin dabei. Die ganze weite Welt ist ein endloses Geben und Nehmen.

Jetzt zeigt die Uhr 23.12 Uhr, die Bude ist gesaugt und ich freu mich aufs Wochenende in Essen. Jim, Ela, Jens und Cooper kommen am Samstag zum Bildergucken (Sehnsucht Italien), Zoe ist auf einer Party bei einer Freundin. Schade – leichtes Vermissen jetzt schon. Darf gar nicht dran denken, wenn die mal ausziehen. Puh. So, damit dürfte alles erschlagen, gesagt und berichtet sein. Mehr oder weniger. Morgen Früh steht ein Anschreiben auf dem Programm und der Singapur-Job – eine Internetseite, eine One-Page für eine Konferenz – muss ich sehr feinfühlig rangehen. Texten. Ja. Gute Worte finden, die dem gerecht werden, was da passieren kann. Verheißung, Möglichkeit, kribbelnde Anregung.

Das Leben ist schnell, bunt, energetisierend, aufregend und wahnsinnig – ich komme kaum noch mit, das alles festzuhalten. Wenn alles klappt, so wie es mir wünsche, wird in all dem Tohuwabohu im Frühjahr ein Projekt in Köln stattfinden, in dem ich mit einem geschätzten Künstler zusammenarbeiten werde. Vielleicht werde ich nach langer Zeit mal wieder Gedichte lesen. Viveka und ich haben schon ausgewählt und Lesen geprobt – boah ey, sie ist so streng. Da musst du wirklich komplett genau lesen. Kleine Deals, große Deals, Singapur, 18, Italien, Leben. Momentan kann ich hier in meinem Onlinetagebuch nur einen Bruchteil der Geschehnisse hinterlassen. Es ist viel, es ist herausfordernd, es ist schön.

Wie zart ist zart

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Mögt ihr Zartheit? Dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn das Leben einen Augenblick lang kein Gewicht hat, wenn nichts drückt, schwer ist, zwingt, will.

Ich mag dieses Gefühl. Es macht Momente weich, nimmt ihnen die Schwerkraft, die Krallen.

Der zarteste Moment der Zartheit ist ein weiches Küssen, das fliegt. Wenn sich Lippen berühren, fast ohne sich zu berühren, wenn es ist, als würde ein Strom fließen, als würden einzelne Atome sich lösen, um leicht umeinander zu schweben.

Was Fingerkuppen können. Ohne Kontakt. Fast dran. Wie ein Springen oder nicht. Wenn Zartheit von Liebe getragen ist. Von einer schwebenden, leichten, wohlwollenden, freien Liebe. Die eine Waage nicht ausschlagen lässt.

Ich liebe Zartheit als Status und Möglichkeit. Zartheit im Denken, in der Berührung, im Blick. Und dort besonders. Wenn die Augen weich werden und aussehen, als wären sie nicht von dieser Welt. Über Zartheit sprechen, sie bewahren, beflügeln, schützen, umhüllen, tragen. Wie ein kleines Tier schützend.

Weihnachtslampe