Tomas Tranströmer ist gekommen…

Und ich war nicht da. So ein Ärger. Er hat geklingelt und ich wahr wohl gerade irgendwie um die Ecke oder so und schwupps fand ich einen Zettel im Briefkasten. Das Paket kann morgen im Schreibwarengeschäft des Nachbardorfes abgeholt werden. Dieser Briefträger. Kann nicht Hans-Jürgen gewesen sein, der hätte gewusst… Warum lässt die Post irgendwen Tranströmer bringen? Der hat den Nobelpreis! Ein wenig Respekt vor dem sanft gesetzten poetischen Wort. Sämtliche Gedichte. Zurück ins Postauto und weg. Und ich hatte schon gewartet. Sehnsüchtig.

Schwamm drüber. Jetzt liegt es hier, das gesamte lyrische Werk des schwedischen Literatur-Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer. Als ich die Kinder vom Bus geholt habe, hatte ich vorher noch einige Minuten Zeit. Rein in den Laden, Tranströmer her, raus aus dem Laden, rein ins Auto, lass die Hüllen fallen Amazonkarton und noch die Zellufanfolie vom Körper gerissen, ohne Kratzspuren auf dem Rücken hinterlassen zu haben. Die erste Zeile. „Das Erwachen ist ein Fallschirmsprung aus dem Traum.“ Ja. That’s it, baby. Poetisch, bildreich, einfühlsam geht es weiter. Kauft, kauft, nehmt reichlich. Wie immer: Bitte bei eurem Buchhändler, der die kulturelle Feste eures Viertels, Dorfes ist. „Ist das letzte Buch verkauft und schließt der Vorhang der Regale, wird es einsam in den Herzen eines Volkes, das auf den Duft des frisch bedruckten Papiers ganz ohne Not verzichtet.“

So. Mehr habe ich heute nicht zu sagen, zu schreiben. War ein aufregender Tag. Mein Großprojekt kommt ins Rollen. Heute habe ich das erste von 34 Interviews per Telefon geführt. Gesprächspartner war ein Dokumentarfilmer. Jetzt kommen noch einige Berühmtheiten, weshalb mir heute kurzfristig der Arsch auf Grundeis ging. Bammel. Ich meine, ich bin ja generell nicht auf den Mund gefallen und weiß den Degen der Sprache schriftlich wie mündlich zu führen, aber ab und an ist Kreativität auf Knopfdruck anstrengend. Mental. Egal. No. 1 ist immer schwieriger als die No. 2, No. 3… Hoffe ich:) Ist ein schönes, schönes Projekt und ich habe zu tun, zu tun, zu tun… Bye.

P.S. Hätt‘ er doch heute einfach mal blogblau machen können. Kann er nich… Also dieser…

Das Foto, das nicht geschossen wurde

Hallo, ihr Lieben. Bin zurück von großer Fahrt. Wir hatten viel, viel Spaß und nun kehre ich zurück in den sicheren Hafen der Heimat. Landgang, Landleben. Das Dorf hat mich wieder. Wie nun starten? Grübel, konzentrier, denk nach. Langsam ankommen, wieder reinkommen.

Zuletzt war da das Gedicht von Claudia Schönfeld. Hat es euch gefallen? Mir sehr. Davor war der Text über das Gedicht, das nicht geschrieben werden will (und nun in zwei Versionen vorliegt, die es noch nicht sind). Und nun schreibe ich über ein Foto, dass nicht geschossen wurde. Am Tag der Abfahrt nach Norderney bin ich morgens noch schnell mit Cooper eine Runde gegangen. Runter ins Maikäfertal.

Das mache ich fast jeden Morgen und die Runde ist meine Lieblingsrunde. Oft habe ich den Fotoapparat dabei und schaue, ob irgendein Detail fotografiert werden möchte. Meistens passiert da unten nicht viel. Manchmal denke ich sogar „Ach, sieht heute langweilig aus.“ Es gibt dann auch Tage, an denen ich keine Lust auf das Maikäfertal habe – „Schon 1.000 mal gesehen.“ Dann gehen Copper und ich hoch auf die Höhen. Suchen den Weitblick.

Am Donnerstag nun erwartete mich eine Überraschung. Als ich unten ankam, zeigten sich gerade die ersten Sonnenstrahlen. Der Bach war bis zur oberen Uferkante voller Wasser, was schon einmal ungewöhnlich war. Über den Bach zog sich entlang des Tals ein Nebelband. Das schwebte einige Meter über dem Bach und war auch nur einige wenige Meter hoch.

Cooper und ich waren schon angetan. Das sah wirklich gut aus und das hatten wir so noch nicht gesehen. Bislang. Dieses Tal ist wirklich wandelbar. Cooper und ich gingen am Bach entlang weiter hinein. Richtung alte Birke, die an der Weggabelung steht, die ins Quertal führt. So rund 200 Meter vor der Birke blieb ich stehen und traute meinen Augen nicht. Ein komplett durchinszeniertes Bild. Links von mir der Bach mit dem Nebelstreifen. Darüber stand im Westen der noch leuchtende Vollmond. Mein Blick wanderte nach Osten und sah am Himmel einen Wolkenstreifen, den die ersten Strahlen zur Hälfte rot färbten.

Irgendwie, als wäre diese Wolke ein Spiegel gewesen, landeten die Strahlen als helles Licht auf der Wiese neben mir und tauchten das Gras in ein sattes, leuchtendes Grün. Der Vollmond, der pralle Bach, das Nebelband, die rot strahlende Wolke, das grün leuchtende Gras. Super arrangiert. Mein Herz hüpfte bereits. So schön. Und dann sah ich die Rinderherde. Schwarz-weiße Jungkühe. Die lagen im Schutz einer Eiche aneinandergeschuschelt und sahen aus, als würden sie ein Krippenspiel aufführen. Friede auf Erden.

Tja. Was soll ich sagen. Ganz ehrlich. Ich hatte meine Kamera nicht dabei. Ich konnte das Bild fotografisch nicht festhalten. Es ist in meinem Kopf, aber von dort bekomme ich es nicht auf die Festplatte. Kein USB-Stecker im Nacken. Mein erster Impuls war, nach Hause zu laufen, um die Kamera zu holen. Dann dachte ich mir: Quatsch. Du kommst zurück, alles weg. Der Augenblick verschenkt und in Hektik zerbröselt. Also habe ich mich hingestellt und habe geschaut, geguckt, aufgesogen, genossen. Dieses Licht, diese Konturen, die Farbe, diese Atmosphäre.

Es dauerte nicht lange, und das Licht änderte sich. Die Wolke zerfiel in zwei, dann drei Teile, das grüne Leuchten der Wiese verschwand und schon war das Bild in seinem kraftvollen Ganzen aufgelöst. Und so muss ich sagen: Ich hatte einfach wirklich Glück, in diesem Moment dort gewesen zu sein. Was für ein Schauspiel. Wie schön kann die Natur sein. Mit einigen kraftvollen Pinselstrichen eine Atmosphäre zaubern, die nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Jetzt gehe ich mit Cooper wieder runter. Nehme die Kamera mit und werde sie wahrscheinlich nicht aus der Tasche holen. Das dürfte die nächsten Tage schwierig werden, knipsenswerte Szenen zu finden. Ich wünsche euch eine schöne Woche. Jens

Des Bloggers neue Schuhe.

„Haha, wir wollen Fotos sehen! ;)“ Vorgestern hatte ich im Überschwang zweier persönlicher Veränderungen unvorsichtig auf Twitter gepostet: Neue Schuhe, neue Frisur. Daraufhin kam Utas Aufforderung, Fotos zu liefern. Here we go:

Das war doch gemeint, oder? :) Es heißt doch immer, dass sich Frauen so sehr für Schuhe interessieren. Ich erinnere mich an Imelda Marcos, die Frau des philippinischen Ex-Diktators, die es nach Wikipedia auf 1.060 Paare gebracht hat, die sie heute zum Teil in einem eigenen Schuhmuseum ausstellt. Ts.

Da Schuhe für das persöbnliche Auftreten bekanntlich eine wichtige Rolle spielen, habe ich letzte Woche investiert. Ich war mit Zoe unterwegs, die neue Herbst- und Winterschuhe brauchte und bin mit ihr auf dem Rückweg vom Kieferorthopäden in einem Schuhladen gelandet. Wir beiden haben dann ihre Füße vermessen und sind durch die Reihen geschlendert. Sie hat ihren ganz eigenen Schuhgeschmack und mit Hinweisen oder gar Empfehlungen muss ich da sehr zurückhaltend sein. Wir wurden fündig! Und weil wir gerade in diesem Laden waren, habe ich auch nach Schuhen für mich geschaut, weil ich nächste Woche ein Briefing in Bonn bei einer großen staatlichen Organisation habe. Ela und ich konnten uns gegen andere Agenturen durchsetzen. Nun muss ich dort natürlich vernünftig auflaufen. Neue Schuhe geben da ein gutes Gefühl und stärken das Standing:)

Es sind übrigens Schuhe der Marke FRETZ aus der business men Linie. Aus der Schweiz. Mit Ledersohle. Sehr schlicht und schlank geschnitten. Komplett aus Leder – auch die Sohle. Ich mag einfach pure Naturprodukte. Wolle, Baumwolle, Leder.

Zufallstreffen mit Paul.

Manchmal. Also wirklich. Da kulminieren die Dinge. Es sind Augenblicke, die so dicht sind. Ich werde alt (nicht wirklich), die Erinnerung, die Vergangenheit rückt gerade nach vorne. Die Gedichte, die Flashs. Gestern Abend war ich in Köln. Wally Bockmayer und Rolf Bührmann hatten mich zur Premiere ihres neuen Stücks „Trude zum Dessert“ ins Scala-Theater eingeladen. Ich war früher, 1994, Wallys Regieassistent und Wally war der Regieassistent von Rainer Werner Fassbinder. Heute macht Wally kölsches Trashtheater. Einfach sehr besonders, weil so vollkommen anders und hemmungslos. Mit einer tollen, tollen Gigi Herr.

Ich fuhr also nach Kölle, über die Zoobrücke den Dom im Blick, fuhr ins Parkhaus und eilte ins Scala-Theater am Ring. Die Fußgängerampel war grün, ich ging, mal wieder in Gedanken, als mein Innerstes Auraalarm gab. Bekanntes Wesen in der Nähe. Silhouette aus Augenwinkeln gescannt und erkannt. Meldung: Bekannte Person. Letztes Treffen vor ca. 15 Jahren. Erfüllt alle Spezifika von Paul, obwohl die Kleidung nicht stimmt. Ich sah ihn an. Haare voller Farbe, Kapuzensweater voller Farbe, alte Jeans, Turnschuhe. Ne, kann nicht sein. Den Paul, den ich kenne, der ist Opernregisseur, ist stets elegant gekleidet, trägt gebügelte Hemden, teure Schuhe. Trotzdem: Er ist es, kein Zweifel.

Bleibe stehen, gehe auf ihn zu, umarme ihn, der alten Zeiten und der großen Freude wegen. Er lässt es geschehen und sagt plötzlich: Jens! Ja, Paul. Ich. Jens. 1992 war ich sein Regieassistent bei den Händel-Festspielen in der Nähe von Halle. Genauer gesagt in Bad Lauchstädt im wunderbaren Goethetheater. Später zeigten wir Alcina in Potsdam im Schloss Sanssouci. Wir inszenierten also Alcina mit Sängern und Sängerinnen, die richtig gut und richtig teuer waren. International besetzt. Dazu ein Orchester und eine Balletttruppe. Zu meinem Job gehörte es unter anderem, den Probenplan mit internationalen Auftritten zu koordinieren. Sechs Wochen Non-Stopp-Arbeit. Großes Kino. Dramatischer Verlauf! Absetzung des Regisseurs, Einsetzung des Regisseurs, Geldknappheit, Landesbürgschaften und sensible Sänger und Sängerinnen, die so gar nicht mit dem ostdeutschen Charme ihrer Privatunterkünfte zurecht kamen. In meiner Unterkunft, ein altes Jugendzimmer unter dem Dach, durfte ich morgens immer mit dem Wellensittich der Familie frühstücken, der mich aus seinem Käfig irgendwie immer komisch beäugte. Ich glaube, der war bei der Stasi. Ein Wellensittich mit Augen, als würde einen eine Kuh angucken.

In dieser Inszenierung also begegnete ich Paul. Ein sehr feiner Mensch mit einem solch großen Gespür für Musik. Nach 20 Jahren Oper hat er nun das Metier gewechselt und eröffnet ein südafrikanisches Restaurant. Deshalb die Farbe, die Klamotten. Paul ist in Kapstadt geboren. Liegt also nah, dass er ein südafrikanisches Restaurant eröffnet. Wird bestimmt gut, weil er ein Händchen für leckeres Essen hat. Ela und ich durften mal kosten, er hatte uns zu sich eingeladen. Damals. Dann bin ich Familienvater geworden und er hat überall in der Welt inszeniert. Und nun begegnen wir uns auf der Straße. Schön. Er hat mich eingeladen, vorbeizukommen. Werde ich machen. Einen Wein trinken, über Alcina und die guten alten Zeiten reden.

Auszeit eines Alleinerziehenden!

Temporär, partiell Alleinerziehenden. Ist das eine Arbeit! Neben der Arbeit. Holla. Die ganze Woche schon wirke, wedle und feudel ich. Fahr die Kinder, hol die Kinder, nehme Termine wahr, wecke, mache Frühstück, schmier Brote, koche, putze, wasche, organisiere… I know: Die meisten von euch kennen das. Nun, ich kenne das ja auch. Aber eben im fiftyfifty-Modus. Vier Beine, Augen, Arme und zwei Gehirne, die an alles denken und das Schiff schaukeln.

Klage ich gerade? Nein, nein. Es ist eine schöne Woche. Tatsächlich habe ich die Kinder für mich allein, was deutlich mehr Nähe bedeutet, da ich ja jetzt alleiniger Ansprechpartner bin. Die beiden erzählen den ganzen Tag. Wo normalerweise sonst noch Elas Ohren sind, da sind jetzt nur meine elterlichen Ohren, in die all das, was im neuen Schuljahr so geschieht und passiert, einläuft. Mein Gehirn arbeitet in allen Bereichen auf Hochtouren. Ich kann Multitasking!!! Wahrscheinlich mit einer dreifach Portion Adrenalin im Blut, aber es klappt.

Gestern Abend hat Zoe bei ihrer Freundin geschlafen, also hatten Jim und ich Jungsabend. Wir haben uns einen Film im hiesigen Billig-Drogeriemarkt besorgt, Sweets zum Naschen, haben im großen Klassenzimmer unserer Alten Schule den Beamer aufgebaut – Jim hat zusätzlich für den perfekten Sound vier Boxen dran gebastelt – und einen vergnüglichen Heimkinoabend verbracht. Vorher mussten wir allerdings die Wäsche vom Speicher holen und falten. Nach der Hälfte entwickelte Jim eine akute Wäscheallergie und kümmerte sich mal lieber um das technische Cienema-Equipment… Diese Wäscheallergie hat er scheinbar von mir geerbt – nur ich musste da durch. Diese fuckeligen kleinen Socken und diese vertrackten Spannbetttücher, die man 100 Mal legen, drücken, falten, glattziehen kann und die sehen immernoch aus, als hätte man die zusammengeknuddelt. Hey, ich habe da einen Ruf zu verlieren! Was wird Ela sagen, wenn da so Wäschebeulen im Schrank liegen. Ich habe ein wenig getrickst und die Kanten über das Geknuddel gezogen. Geht jetzt optisch so einigermaßen:)

Heute Morgen dann haben der Herr Cooper – mein schwarzer, labradoriger Hundefreund – und ich eine alleinerziehenden Auszeit genommen. Bude aufgeräumt und raus in die Natur. Kopf frei kriegen, in die Weite schauen. Das war schön. Kleine Blümchen, dieses nette Biotop mit den schönen grünen Farben. Oben, den Berg rauf. Da bin ich dann ganz, ganz allein mit Coopi. Landleben. Wie ihr oben gesehen habt, habe ich dabei auch an euch gedacht und ein paar Fotos geschossen.