nimmermehr

für Eva S.

dein Wort retten
aus den Klauen klauben
eine schöne Birne zurücklegen
in den Korb mit Tuch

Katharsis
kein Kampf, kämpfen
nehmen
mit der Hand Silbe für Silbe
nim
mer
mehr

Wie Wellen
trägt
spiegelt das Wort
den Blick zurück
in unvergessener Sehnsucht
ein Abschied vom Meer

Drum nehme ich es
für dich
auf eine Kreuzfahrt
schrubbe die Rundungen der n und m
außen und innen
poliere sie sanft
lege sie in die Sonne
halte sie in den Wind
trage sie in einem goldenen Kistchen
bis zum Wendekreis

Bringe sie zurück
und lege sie frisch
in deine Hand

jens schönlau, märz 2011

 

#schoenesWort

So heißt eine Twitteraktion der Seelenfreuden. Das Netz kann nicht nur aufdecken, vor sich her treiben und stürzen, es kann auch Seelenbalsam liefern. Das finde ich momentan sehr wichtig. Bei all dem, was auf den Bühnen der Welt augenblicklich los ist, muss es Gegengewichte geben, damit der entstehende Zorn nicht zu mächtig wird. Nur all zu gerne lassen wir uns in Polarisierungen treiben, in Feindschaften. Dabei müssen wir aufpassen, uns nicht in den Fallstricken der Gehässigkeit zu verfangen. Nicht nur für Verteidigungsminister gilt das Prinzip von Ursache und Wirkung, es gilt für uns alle. Was wir tun, was wir sagen, bestimmt, was mit uns geschieht. Schlagen wir mit Worten über die Maßen auf andere ein, werden diese Worte zurückkommen. Wir ernten, ernten, ernten, was wir säen, säen. Singen die Fantastischen Vier, die wahrscheinlich wissen, wovon sie singen. Wir wissen es alle, lassen uns dann aber doch gerne wieder mitreißen. Natürlich muss gesagt werden, was wahr ist. Aber: Unseren eigenen Frust und Zorn sollten wir dabei nicht übermäßig in die Welt schwappen lassen.

Deshalb: Werft doch mal einen Blick auf die auf die schönen Dinge. Bewusst. Ganz entspannt, auch wenn die Welt gerade Kopf steht oder es vielleicht bei euch momentan nicht so gut läuft. Wie hier: „Always Look on the Bright Side of Life“.

Vielleicht seht ihr euch heute einmal die schönen Worte der Aktion #schoenesWort an. Die ist auf Twitter über ein 140 Zeichengespräch zwischen @pundp (Gesine von Prittwitz) und @tiniaden (Jost Renner) entstanden. Beide sind durch ihre Leidenschaft für Buch und Kultur mit den schönen Worten der Welt eng verbunden. Jost Renner verehrt sie nicht nur, er weiß sie auch anzuwenden und sanft ineinanderfließen zu lassen. Wer seine Lyrik liest, weiß, was ich meine. Hier der Link zu seiner Seite LiebesEnden, den ihr auch in der Blogroll rechts findet.

Seit Januar nun wächst die #schoenesWort-Liste. Täglich kommen neue hinzu. Eine gute Sache, dass sich Menschen quer durch die Republik Gedanken machen, welche Worte schön sind. Dass sie nachfühlen. Sprache ist Denken, behauptete der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein. Schnell gegoogelt, um richtig zu zitieren: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Ludwig Wittgenstein, „Tractatus logico-philosophicus“, 1921. Unsere Sprache, unsere Welt. Ursache und Wirkung. Was geben wir in unseren Kopf hinein, in unser Sprachzentrum, was lassen wir dort wirken?

Ich empfehle: Schöne Worte. Damit das Gleichgewicht bleibt. In der täglichen medialen Wortflut kommen sie eher weniger vor. Wir müssen sie uns selbst in unsere Speicher des Schönen downloaden. Gedichte lesen, Theater besuchen, schöne Bücher lesen. Denn: Schöne Worte sind wie Handschmeichler. Seelenschmeichler, die leider in ihrer Wirkung unterschätzt werden. Die dunklen Worte wirken stärker, kräftiger, energiegeladener. Aber: Das weiche Wasser besiegt den harten Stein, zitiert Brecht Laotse. Das ist doch sehr hoffnungsvoll und hoffnungsfroh. Hier der Link zu der langen, langen Liste der Aktion #schoenesWort. Möchtet ihr auf Twitter welche hinzufügen, weil sie euch gerade zufliegen oder sie euch schon immer wertvoll und wichtig sind, dann schreibt das Wort ins Twitterfeld und fügt #schoenesWort hinzu. Das wird dann automatisch erkannt und von Gesine von Prittwitz der Liste hinzugefügt. So könnt ihr heute mit eurem schönen Wort ein kleines Stück Unsterblichkeit erlangen. Viel Spaß dabei.

Von der Entdeckung einer Schatzkiste

Schatzkisten sind nun wirklich etwas Schönes. All das Gold, die Juwelen, Diamanten, Diademe und die wunderbaren großen Taler. Hineingreifen und dieses frische Gefühl von Reichtum spüren. Kühler Glanz, Erhabenheit, Herrschaft. Ich fantasiere. Was Johnny Depp mit der wunderschönen Penelope Cruz demnächst auf der Leinwand auslebt, durfte ich bereits am Wochenende erfahren. Ich habe eine Entdeckung gemacht!

Nicht im Wald mit Hacke und Schaufel. Auf unserem verwunschenen Speicher. Da wir in einer möglichst leeren Wohnung leben, in dem es kaum Schränke, keine Sessel, keine Couch und ganz wenig Stauraum gibt, wandert die Vergangenheit regelmäßig auf den Speicher. Seit Jahren nun hatte ich eine Kiste vermisst, die ich an einem Ort ganz tief hinten drin in der Ecke nach Norden vermutete. Sie war 2006, als wir hausintern die Etagen zwischen Wohnen und Arbeiten gewechselt hatten, dort oben gelandet.

Nun kam am Freitag Zoe aus der Schule nach Hause und erzählte begeistert vom Zweistromland und Babylon. Ihre Augen leuchteten und es sprudelte aus ihr heraus. Die alte Zeit, die Geschichte, vermischt mit den Wahrheiten der Bibel. Der Turmbau, die Verworrenheit, die vielen Sprachen, die Kulturen. Sie vergaß, zu essen. Ich erzählte ihr vom Pergamonmuseum in Berlin. Dass dort ein babylonisches Stadttor aufgebaut ist und es einen Bereich babylonischer Denkmäler gibt. „Wann fahren wir? Papa! Ich will das sehen.“

Der Einstieg ins Wochenende war also Babylon. Mein Problem ist, wenn solche Dinge im Hirn angetickt sind, gibt es kein Halten mehr. Das verselbständigt sich. Da oben hat jemand anderes das Sagen. Also lief der Pergamon-Babylon-Film. Am Samstag war ich dann glücklicherweise im Wald und habe eine große, kranke Fichte gefällt und eine bereits am Boden liegende, vom Sturm erlegte Fichte mit meiner Stihl MS23 zerteilt. Alles auf den Hänger meines Traktors und ab nach Hause. Kopf frei. Nur noch Bäume drin. Hohe, große, schwere Bäume.

Samstagabend dann waren wir in Köln im Schauspiel und haben uns mit Freunden „Die Wellen“ nach einem Roman von Virginia Woolf angesehen. Ich habe seit rund fünfzehn Jahren zum ersten Mal wieder ein großes Theater betreten. Ein Haus der öffentlichen Hand. Nachdem Karin Beier in Köln eine neue Theaterkultur geschaffen hat, war die Neugierde dann doch größer als das Gefühl der Ablehnung. Es war ein faszinierender Abend. Ganz anders. Die Schauspiele/rinnen lasen den Text und setzten sie gleichzeitig per Video um. Tolle Bilder auf der Leinwand, als wären sie aus einem berühmten Kinofilm, dabei entstanden sie gerade auf der Bühne. Eindrucksvolle Aufnahmen und Stimmen. Links und rechts der Bühne hohe Regale voller Requisiten, um die kleinen Szenen auf einem langen Tisch immer wieder neu aufzubauen. Ich war: überwältigt.

Sonntag dann zurück zum Pergamonaltar. Wenn alles klappt, fahren Zoe und ich einen Tag mit der Bahn hin. Ab Hamm per ICE. Ich wusste, dass ich auf dem Speicher noch einen Ausstellungskatalog des Pergamonmuseums hatte. Den wollte ich Zoe zeigen. Gekramt, geschaufelt, geächzt, gestöhnt, in den Tiefen unseres Archivs entdeckt. Da war sie. Die Schatzkiste. Voller Bücher, voller CDs, die ich jahrelang vermisst hatte. Ich dachte, die wären einfach weg. Irgendwie abhanden gekommen. Juwelen, Diamanten, Diademe. Zoe und ich haben uns dann den Pergamonaltar angesehen, den Kampf der Götter mit den Giganten. Gigantisch, der Ausdruck in den Gesichtern, die Details der Körper. Michelangelo, Psychologie, Leiden, Mut, Auseinadersetzung. Menschsein. Weil wir auch meine Shakespeare-Gesamtausgabe gefunden haben, lasen wir dann als Gute-Nacht-Geschichte den Anfang von Romeo und Julia. Und zum Frühstück heute Morgen, als Ela die Kinder zum Bus brachte und vor mir ein Cappuccino in einer französischen Boule dampfte, hörte ich Once Upon A Summertime von Miles Davis (Leider gibt es nix auf Youtube. Auf dieser Seite ist der Song etwas schwierig zu finden – es ist der 56te von oben – ihr macht das schon). Ein Wochenende voller Schätze. Es ist alles da. Immer. Der Blick allein schweift manchmal in die falsche Richtung und wir sehen Dinge nur, deren Anlitz Schönheit zu negieren sucht.

Euch wünsche ich eine schöne Schatzsuchen-Woche – schaut mal nach, was da ist. In den Stübchen und Eckchen des Seins.

True Grit, The King’s Speech, Pina.

In diesem Jahr hat es Hollywood geschafft, mich ins Oscar-Fieber zu ziehen. Hallo Herr Schönlau, schön, dass sie sich auf den Walk of Fame gemacht haben, und ein paar Sterne vergeben wollen, die Menschen an den Himmel schießen. Gute Überleitung, Sterne, Western, US-Marshall Jeff Bridges und Texas-Ranger Matt Damon. Beide tragen einen, wie einst John Wayne, in dessen Fußstapfen sie mehr oder weniger treten. True Grit. Gestern Abend in Siegen. Skurriles Publikum, die Popcorntüten werden immer größer, für die Becher mit der schwarzen Geheimniskrämer-Limonade dürften 10.000 Xe vor dem L nicht mehr ausreichen. Wieso erinnert mich das – ich werde jetzt mal im Stile der Coen-Brüder böse und sarkastisch – an die Fütterung von diesen netten intelligenten Tieren, die im Kino manchmal Babe genannt werden? Neben mir zogen sich zwei Jungs auf ihrer Kuschelbank die Mega-Portion Tortilla-Chips mit Doppeldip rein. Das knackste und roch streng nach chemischen Gewürzen und Dip. Die Jungs waren zudem über ihre Kuschelbank überrascht – „Hey, wie assi is das denn? Deshalb hat die Alte so gegrinst.“ True Grit. Western, harte Burschen.

Ziemlich viele Oscars sollen die Coens, Bridges und Damons bekommen. Moment. Ein Name fehlt: Hailee Steinfeld. 14 Jahre alt, oscarnominiert. Sie spielt in diesem Remake des 70’er Klassikers mit John Wayne die Mattie, die den Rachefeldzug am Mord ihres Vaters in die eigenen Hände nimmt. Was sie da spielt, ist nicht nur für ihr Alter oscarverdächtig. Ganz in der Rolle, zweihundertprozentig überzeugend. Bridges spielt schon gut, aber Steinfeld ist grandios. Leider kackt Damon ab. Vielleicht auch nur durch die leicht veralbernde Synchronstimme, vielleicht wollten die Coens zu viel. Er wirkt als Texas-Rancher La Beef ein wenig turtelig überzeichnet. Schade, wo ich diesen Sexiest Man Alive (nicht meine Aussage) doch tatsächlich ziemlich gerne mag. Allerdings nicht, wenn er durch Szenen hampelt.

Was passiert im Film? Einiges Skurriles. In Sepiafarben gemalt, werden die rauen Zeiten inszeniert. Schmutzige Unterwäsche, Whiskeyflaschen, da hängt jemand hoch an einem Baum, wird abgeschnitten, fällt herunter, von einem vorbeiziehenden Indianer mitgenommen, um an einen weißen Medizinmann verkauft zu werden, der ihn weiterverkaufen will, nachdem er ihm die Zähne gezogen hat. True Grit. Wahrer Mut. Klar, den haben die Coens. Die machen einfach. Deshalb kommt Bridges so gut, weil er sich fett – im wahrsten Sinne des Wortes – auf den breiten Rücken der Rolle setzen kann. „Ich wollte mal auf einem Pferd sitzen“, sagte er in etwa so. Den alten Stinkstiefel kann er wie kein zweiter. Oscars? Ja. Auf alle Fälle für Hailee. O.K., Jeff würde ich auch einen geben. Für den Film? Muss nicht unbedingt. Total umgehauen hat er zwar viele Cowboys, die mit klaffenden Wunden von Pferden fielen oder an die Wand geknallt wurden, mich aber nicht. Emotional hat er nicht gepackt. Frech ist er, verspielt. Den Kick hat er nicht.

Vielleicht The King’s Speech? Hab ich letzte Woche gesehen. Auch in Siegen. Kaum Publikum. Eindeutiges Oscar-Votum? Langsam. Auch hier schreibt die Presse und die Werbetrommel rührt. Bombastische Superlative der Kategorie über allem sind da zu vernehmen. Welche Kraft die Maschinerie entwickelt. Welchen Sog. Wie von Sinnen tippte ich mein Ja unter die Online-Reservierung und ließ mich wie ein Schaf vom Hirten in den Kinosessel locken. Dieses Mal von den werten Engländern, die in Hollywood gerne groß auftrumpfen würden.

Komischerweise wieder Sepiafarbtöne. Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Alles braun, schwarz, grau, blass. Pastellig. Wie in True Grit. Zeiterscheinung. Eine Ästhetik, die wunderbare Kameraeinstellungen in den Londoner Nebel zaubert. Schön anzusehen. Die Kamera, ihr würde ich den Prinzen in Gold an das Objektiv hängen. Hier, nimm, mein wachsames Auge. Und dann ist da Co-Co-Colin Fi-Fi-Firth, der bereits für den Oscar nominiert ist. Der stottert sich ganz schön was zurecht. Ohne Unterstützung, wie er gesagt hat. Es gibt viele Leute, die einem helfen, mit dem Stottern aufzuhören, eine Einweisung in prachtvolles Stottern ist am Markt der Coaches und Trainer nicht abrufbar. Meint er. Firth hat sich eingefühlt, hat sich das bei Könnern abgeschaut. Und er hat seine Sache britisch stocksteif gut gemacht. Die Gespräche mit seinem Logopäden, der innere und äußere Kampf sind sehenswert. Firth oder Bridges? Es wird ein Kopf- an Kopfrennen. Zumindest aus meiner Perspektive. Wie die Jury drüben in den States denkt und tickt, keine Ahnung. Die haben ein anderes Verhältnis zu Sternen und Sternchen.

Ja, ich habe etwas vergessen. Den Oscar für den besten Film. Hier bringe ich ganz deutsch alternativ ein drittes Pferd auf die Rennbahn. Pina von Wim Wenders. Ich antizipiere, nehme vorweg, weil ich den Film noch nicht gesehen habe. Nur den Trailer. Weshalb dann meine Favoritenbelegung? Ich meine, fernab der Oscars. So weit ich weiß, ist Pina nicht nominiert. Oder? Hab gegoogelt und so schnell nichts gefunden. Egal. Ich werde ihn mir ansehen, wenn das hier in der Gegend möglich ist. Ob Filme über Tanztheater auf dem Land gezeigt werden? Passt nicht zu den XXXXXL-Fressorgien, die hier abgehalten werden. Ich denke, Pina schafft es nicht aufs Land. Egal. Also ein Doppelegal. Zweimal. Was mir der Trailer gezeigt hat, die Poesie, die Bilder, die Ästhetik, die Tänzer/innen, der Ausdruck – das ist mir nicht egal. Sehr vielversprechend. Scheinbar eine authentische Hommage an die Größte des Tanzes: Pina Bausch. Gestorben 2009. Auferstanden 2011?

Macht euch selbst ein Bild, was euch gefällt und wie es euch gefällt. Hier die Trailer-Links (bitte jeweils ein wenig warten, die Trailer beginnen dann automatisch). Viel Spaß mit großem Kino – ob Oscars oder nicht:

True Grit

The King’s Speech

Pina

Schneefrei im fiftyfiftyblog.


Gestern hörte ich im Radio, dass heute Nacht Schnee aus Russland herüberwehen würde. Klar, dachte ich. Schnee. Die Frau vom Wetterdienst klang zwar ziemlich überzeugt und sagte „Im Siegerland schneit es in der späten Nacht.“ Da ich draußen die Wildgänse zurückkommen sah, konnte ich die Schneenummer nicht glauben. Wollte es nicht glauben. Und dann: Alles weiß am Morgen. Zappa! Das Telefon klingelte, die Schulbusse würden eine Stunde später fahren. Morgentiming, minutiöser Zeitplan hinfällig. Eine Stunde später kam der Bus dann nicht. Wir warteten, wir warteten, meine Bloggingzeit schwand. Wir fuhren nach Hause, Cooper verlangte nach seiner Runde und jetzt wartet Arbeit. So kann’s gehen. Kein Blogbeitrag, nur ein düsteres Zweigefoto und mal wieder ein Sonnenaufgang – dieses Mal im Maikäfertal, gestern. Schönen Schneetag euch:)