Van Ackeren skizziert Schönlau

van Ackeren_Jens

Norbert van Ackeren hat mich skizziert. Die Skizze war die Vorbereitung für ein Bild, auf dem Viveka und ich porträtiert sind. Norbert hat ein halbes Jahr daran gearbeitet. Nun ist es fertig und hängt in seinem Atelier. Zeit für ein Gespräch. Über die Kunst, das Warum, den Antrieb, den Duktus, den Sinn, den Weg.

Natürlich bin ich gespannt wie ein Flitzebogen. Demnächst, gerade ist keine Zeit. Job. Präsentationen. München. Schon wieder. Egal.

Kürzlich waren Barbara und Norbert hier an einem Wochenende. Landpartie. Ein Abend mit Viveka und mir. Wir haben draußen gesessen, in den Sternenhimmel geschaut, die Feuerschale entzündet, geredet, gelacht, ein wenig über Kunst gesprochen. Ein schöner Abend. Leicht. Sommer.

Ein zweiter Abend nach dem, als Norbert uns das Bild präsentiert hat. Mit Tam-Tam. Enthüllt und Viveka und mich dann alleine gelassen, damit es wirken konnte. Puh. Das Bild ist groß, sehr groß. Ich weiß nicht, aber ich denke 1,4 x 1,0 m. Öl. Leinwand. Kupfer. Metall. Oxide.

Da standen wir mit unseren Spiegelbildern konfrontiert, der Blick des Künstlers auf unsere Seelen. Berührend. Nun ist es im ersten Augenblick ein psychologischer Effekt, der rätseln lässt, was die Konfrontation mit sich selbst, die Auseinandersetzung eines anderen mit der eigenen Seele, zu bedeuten hat. Was ist das? Was soll das? Weshalb?

Dreht man die Ich-Perspektive um, verschwindet die Psychologie und wird zu einem Entwicklungsprozess. Da ist ein Maler, der seinen Weg geht, der sich ein Sujet sucht, in dem er sich verliert. Welcher Anteil ist größer im Bild? Die Gemalten, der Malende? Ich habe noch keine Antwort gefunden, obwohl ich sie erahne. Das ist spannend und ich werde ein Ateliergespräch führen, um dem auf den Grund zu gehen.

Als Barbara und Norbert früh morgens gefahren waren, hatten sie die Skizze oben zurückgelassen. Eine Überraschung. Die Vorlage für das große Bild, die Annäherung. Sie hängt jetzt in meinem Büro. Daneben
das Bild meines Urgroßvaters. Der Mann mit dem Hut. Der Photographenmeister mit dem schüchternen, netten Lächeln. Wir begegnen uns dort an der Wand.

So ist dieser Blog jetzt um eine Geschichte reicher, die mir wichtig ist.

Leben unterm Ebertplatz

Labor

Die Kunst ist eine ökologische Nische.

Fernab der großen Museen und Events sucht sie sich Orte, an denen sich atmen lässt. Die freie Szene besetzt die Räume, in denen der Kommerz erstickt. Ökonomische Fehlplanungen. Eine Unterführung aus Beton. Ladenlokale im Souterrain. Unterm Ebertplatz eine Welt für sich, eine Welt mit eigenen Gesetzen. Ein Niemandsland, eine Murakamische Zwischenwelt. Afrikaner, Russen, Galerien, Künstler und ein Copy-Shop.

I like it. So wie damals die besetzten Häuser in Aachen. Provisorische Kneipen, Sperrmülltische, gefledderte Sofas, Flaschenbier, Kerzenschein, Punk-Musik. Manchmal gehen die Regeln flöten und Zwischenkulturen nehmen sich den unbeachteten Raum. Und für eine Zeit lang wird es geduldet.

Dort können Dinge entstehen, die dem System entweichen. Dem System des Funktionierens, das dem Duktus der produktiven Geschwindigkeit unterworfen ist. Hetzen. Erledigen. Abhaken. Produzieren. Kosten senken. Gewinne erwirtschaften. Vorwärts gehen. Bitte nicht stehenbleiben.

Köln, Ebertplatz, die Rolltreppen hinunter oder langsam abfallend aus der U-Bahn kommend am Göddertz’schen Brunnen vorbei. In der Ecke links die Obdachlosen. Manchmal laut, manchmal aggressiv, manchmal Russen. Viel Alkohol. Abstand halten, weil es manchmal kratzig wird, unverständlich, gefühlt unangenehm. Liegenlassen.

Die alten Ladenlokale. Vier Galerien. Eine afrikanische Bar, eine Kneipe. Der besagte Copy-Shop. Lebendig. Pur. Herausgenommen aus dem Kontext Köln. Eine eigene Welt. Ich mag sie. Ein Hauch Anarchie. Unpolitisch. Nichts fordernd, nur sein. Subkultur im wahrsten Sinne des Wortes, und doch nicht. Denn: Hier lebt neben allem eine Kultur, eine Kunst, die sich nicht unterordnet. Die sich nicht unterordnen muss. Lebendig, anspruchsvoll. Kein Schickimicki, keine Nase-hoch-Galerien. Kunst um der Kunst willen.

Im Labor Ebertplatz. Gerd Mies, Michael Nowotny, Norbert van Ackeren. Ein ständiges Arbeiten, ein lebendiges Programm, Überraschungen, Aktionen, gelebte Kunst. Für alle. Gegen Spenden in die Spendenbox. Kein Eintritt, keine Security, keine Jackenabgabe. Anfassbar, ansprechbar.

Die nächste Ausstellungseröffnung am Freitag. Wenn ihr Zeit habt. Wenn ihr der Welt entfliehen möchtet. Wenn euch das Leben in der Normalität oben manchmal langweilt. Nehmt die Rolltreppe…

Mila

PEARLS of DELPHI – Kunst im Sexshop- Essen ART WALK

Pearls

Essen, Fußgängerzone. 800 Quadratmeter ehemaliger erotischer Geilheit. Onanierende Männer auf mehreren Etagen. Draußen läuft die Konsumflut. Dekoartikel für das Fensterbrett, die Anrichte. Neue Schuhe, Gardinen, Heißluftfön, Jeans – alles, was man tragen kann.

Weihnachtsgeschäft in einer der größten Städte Deutschlands. Vergessen im Ruhrgebiet. Im Westen nichts Neues. Der Kampf um Regeneration tobt, der Wandel, die Perspektiven, die Hoffnung, die erwacht und zuletzt stirbt. Wir befinden uns im Jahr 2014, RWE, der Geldgeber der Stadt, hat verkackt. eON hat gerade öffentlich erklärt: Reitet ohne uns weiter. Wir haben auf Atomkraft und Kohle gesetzt und wundern uns nun, dass wir verloren haben. Guten Morgen, liebe Energiekonzerne, wie wars im Dornröschenschlaf? Wie ist es, wenn man von Prinzessin Angela in der neuen Zeit wachgeküsst wird? Kohle futsch. Adieu, mon amour. Erlaubt mir, euch keine Träne nachzuweinen.

Kunst. Ein viel schöneres Thema. Nobler, sensitiver, eleganter, wacher. Menschen, die hinschauen. Nicht in fetten Limos von Vorstandsfressen zu Vorstandsfressen fahren. Belächelt, Könner. Innen. In diesem Fall.

Die Stadt Essen ist bewegt worden. Von Menschen, die Kunst betreiben. Es hat Besetzungen von Gebäuden gegeben in den Vierteln im Norden. WIR BRAUCHEN RAUM. Ateliers. Hey, hat geklappt. Leute, manchmal überrascht das Leben mit Zeichen und Wundern. Selbstverständlich im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Kein Schäferidyll, aber Mieten ab 3,50 € den Quadratmeter. Wirkt. Funzt.

Beim ART WALK 2014 durften die Menschen der Stadt sehen, was gewachsen ist. Eine Menge. Viveka und ich haben uns einer Führung angeschlossen. Zwei Stunden von Atelier zu Atelier, von Projekt zu Projekt. Es ist pure Wolllust. Eintauchen in Bildwelten. Fantasie, Kraft, Schönheit, Gedankenspreizung. Fernab der Fußgängerzone. Der Autobahnen konventionell bürgerlichen Denkens. Oh ja, wie gerne ich dieses alte Klischee des Verteufelns des Bürgerlichen aufgreife.

Pearls of Delphi. Mein Projekt für diesen Tag. Künstlerinnen in einem alten Pornoschuppen. Beine breit mitten in der asphaltierten Fußgängerzone, das Eingangsbild zwei Schenkel rechts und links der Eingangstür. Es war eine Reinwaschung. Die Showtreppe im Foyer. Hinauf in den abgerissenen Club vergangener Zeiten. Hier liefen die Filme, gab es das Zeugs, die Kabinen, die Lust, all die unschöne, schmierige Männlichkeit. Und nun: Künstlerinnen, die mit ihren Arbeiten das alles wegschieben. Die mit breiter Schulter Weiblichkeit zelebrieren.

Ich könnte hier nun das ganze Projekt präsentieren. Alle Künstlerinnen, die sich zusammengetan haben, um den Raum zu bespielen. Letztlich habe ich mich für zwei entschieden, die mich am meisten bewegt haben. Snezana Dimitrijevic und Linda Wirth. “Holy Life” und “procession”. Malerei und eine Installation.

In zwei Räumen nebeneinander. Abrissatmosphäre. Wie damals die Abrissekstase.

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Viveka und ich haben uns vorgearbeitet. Staunenden Auges. Wohin schauen? Was heranlassen? Wo Anknüpfungspunkte schaffen. procession. Da war es so weit. Ein dunkler Raum, in dem Filmmaterial von der Decke hing und düstere Musik Distanz erzeugte. Kunst zeigt sich, wenn sie berührt. Keine Erklärung, keine Erläuterung. Direkt in die Blutbahn, das Nervenzentrum. Nicht als Welle, Tsunami, überbordend, plättend. Aber als ein Eindruck, der einer ist. Wenn Fragen entstehen, sich der Geist bewegt, Fragen entstehen, Neugierde. Wenn man bleiben möchte. Länger als ein kurzes Verharren. Wenn man wissen möchte, wirklich, was das zu bedeuten hat.

procession hat mich gefesselt. Ein dunkler Raum ohne Fenster in einem ehemaligen Erotikcenter. Drei Fotos von Frauen an weißen Wänden in einer heller Ecke. Um dort hin zu gelangen, musste man sich durch Filmbänder durcharbeiten. Linda sagt: Alte Videotapes. Familienfilme. Kriegsfilme. Kampf. Sinnbildlich: Die Katze auf dem heißen Blechdach. Apokalypse now.

Bedrückend, die Szenerie. Die Dunkelheit, die Filmbänder, durch die man sich den Weg bahnen muss. Die Musik, die Fotos. Und gleichzeitig faszinierend, intensiv, gut. Ein gelungener Ort. Wahrheit im Sinne von Authentizität. Geschlechterkampf an diesem Ort, Widerstand, Empfinden, Qual und Ästhetik. Unter die Haut. Empfindsam und grob, eine Mischung, die hält und erzählt, ohne ein Wort zu sprechen.

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Ein Raum weiter. Die Nachbarin. Ikonen an der Wand. Ikonen? Ich trau meinen Augen nicht. Zunächst einmal dieser wundersame Raum. Das Foto oben. Die Tapete, der Heizkörper, die Tür in der Ecke, der Blick auf Betonbauten. Wahnsinn. Der Raum von Snezana Dimitrijevic. Irgendwo habe ich gelesen, dass sie in Belgrad Kunst studiert hat. Der Raum it abgewrackt, die Decke demontiert, die Tapete teils abgerissen. Hier hängen ihre Bilder. Ikonen im klassischen Stil. Die Heiligenthemen. Ich muss zugeben, ich war irritiert. Bin von Bild zu Bild und habe mich gefragt: Ikonen? Erotikcenter. Ikonen. Jahr: 2014. Wie meint sie das? Heiliges Leben.

Es war eine spezielle Situation. Ich ging von Bild zu Bild und Snezana Dimitrijevic schaute zu, wie ich mich vorabeitete. Der Blick auf die Ikonen, durch das Objektiv der Nikon. Sie hat mir zugeschaut, wie ich ihre Bilder angeschaut habe. Und dann: Darth Vader. In der Ecke. Neben der Tür, aus der ich gekommen war. PENG! Hey. Mein Bild. Stundenlang rumgelaufen, alles gesehen. Kunst. Vorher hatte ich einen Favoriten. Ein Gemälde, das Nervenzellen darstellt. Sehr fein gemalt. Beeindruckend. Aber dann. Darth. Feingold. Auf Holz. Wenn Kulturen gesprengt werden. Wenn Russland Amerika trifft. Wenn die Teilung in das west- und oströmische Reich in einem Bild aufgehoben wird. Wenn sich Geschichte banal neutralisiert. Wenn Profanes zur Message wird. Wenn ein Darth der Vater des Friedens wird. Ein Bild, das ich kaufen würde, wenn ich Kunst kaufen würde. Es wäre dabei. Auf jeden Fall. Du bist mein VATER. Yepp. Ein Heiliger, so wahr mir Gott helfe. Abflug.

Darth

Darth II

Feine Post von Sebastian Linnerz aus Köln

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Es geht auf Weihnachten zu. Da geschieht es ab und an, dass schöne Post ins Haus flattert. Grüße, Wünsche, Nettigkeiten. Analog. So richtig in die Blechbüchse vor der Tür. Ein Briefträger mit gelbem Auto fährt vor, steigt die drei Stufen der Alten Schule herauf, öffnet den Deckel und versenkt. Zack.

In letzter Zeit sind wirklich schöne Dinge gekommen. Viel, viel besser als Zalando und Co. Ich bin satt. Bäh. Mag gerade nix kaufen, konsumieren. Brauch nix, hab alles, viel zu viel und müsste endlich den Krempel vom Speicher loswerden. Bücherkartons, Klamotten. Es ist so viel Arbeit, all das Zeugs wieder aus dem Haus zu kriegen. Dieser alte Wunsch. Ein Zimmer, ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, ein Schrank. Holzboden. Karg. 1991 in Heidelberg. Untermiete. 6 Wochen am Stadttheater als Hospitant von Uli Becker – Karate Billy kehrt zurück. Ein Wendestück. Da hatte ich so ein Zimmer. Da lässt es sich gut atmen.

Zurück. Die Post. Hat mich in den letzten Tagen mehr als verwöhnt. Hätte ich die Zeit, hätte ich schon längst geschrieben. Über den Kunstkatalog von Helga Mols. Sie hat mir ihre Werke anvertraut, ich durfte den Katalog texten. Mein erster Kunstkatalog. Ich hatte die Ausstellung 2008 mit aufgebaut als Groupie, sie gesehen, bestaunt, bewundert und dann eben auch betextet. Geilomat. Habe ich euch irgendwann mal erzählt, dass mir Kunst immens viel bedeutet?

Ich will sie nicht besitzen, obwohl mir Helga nun ein Werk schenkt, das einen Ehrenplatz bekommen wird. Ich will sie empfinden. Manchmal, wenn es stimmt, passt, ist das so ein spezielles, intensives Gefühl, das stimuliert. Kopf, Gedanken in Bewegung setzt. Es geschehen Dinge, die ohne Kunst nicht geschehen würden. Wie ein Auslöser. Mir geht es dann gut. Ich habe das mit Werken berühmter Künstler erlebt. Venedig, Renaissance. Mit Arbeiten im Museum Ludwig und in anderen Contemporary Art Häusern. Aber eben auch mit Arbeiten von Helga Mols, David Grasekamp, Trash Treasure, Norbert van Ackeren, Gerd Mies, Ralf Mazura oder eben auch mit dieser bestimmten Arbeit von Sebastian Linnerz.

Im März 2013 habe ich ihn in Köln kennengelernt. Ein Kunstprojekt im Hause Wertheim. Ein leerstehendes Gebäude kurz vor der Renovierung. Die Kunst hatte für ein Wochenende einziehen dürfen und hatte es getan. Die Stimmung war ein wenig wie Köln früher. Habe ich gehört. Aufregend war es. Mir sind solche Aktionen lieb. Als ich in Sebastians Raum kam und die leuchtenden, gestapelten Worte sah, habe ich mich sehr gefreut. Hingesehen, fotografiert, aufgenommen, nachgedacht, geredet, gespeichert, um später zu schreiben. Manchmal weiß ich: Das kommt in den Blog. Kiste zu.

Er hat sich bedankt und gefreut und mich eingeladen zu weiteren Ausstellungen. Ich wäre gerne gekommen, aber derzeit konzentriert sich mein Leben auf drei Dinge: Freundin, Familie, Arbeit. Drei intensive Komponenten, die mich ausgesprochen ausfüllen. Durchaus im positivsten Sinne. Aber eben auch zeitlich und oft auch gedanklich. Alle diese Lebenszutaten sind außerordentlich und hegen einen Anspruch. Durchaus ein Niveau, wie ich es mir wünsche. Gleichermaßen aber eben auch fordernd, wodurch der fiftyfiftyblog ins Hintertreffen geraten ist. Oft fehlt mir einfach die Puste. Der Funken, den Text, das Gedicht zu schreiben und so erlischt die Glut, bevor die Flamme zündet. Pffff.

Nun also liegt hier die feine Post von Sebastian Linnerz. Ein DIN A5-Couvert. Meine Adresse, mein Name geschwungen aufs Papier gelegt. Oh. Ein vorsichtiges Öffnen. Eine Karte, eine Fotografie, ein besprühter NOTRUF. PRESS. Ein Katalog. Ich schlage ihn auf. Angenehmes Format, gutes Papier. Fotografien. Serien aus verschiedenen Zeiten. Die Leuchtkästen. Und daneben: Ein Textauszug aus dem fiftyfiftyblog.

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Sebastian hatte mich gefragt. Natürlich habe ich JA gesagt. Gerne. Auch, weil ich fast immer JA sage. Wenn ich mit meinen Worten was tun kann, helfen. Sehr gerne. Kunstkataloge, Hebammenseiten, Bewerbungen. Viele können Worte gut gebrauchen. Früher habe ich ausschließlich davon gelebt, sie aneinanderzureihen. Aus Texten sind Ideen und Konzepte geworden. Komisch, in der Agentur sind Texte nur noch ein Teil meiner Arbeit. Und das, wo ich doch hier im Blog so viel trainiert und experimentiert habe. Mit Rhythmen gespielt, mit Klang, Tempo, mit Slang, mit stärkeren und schwächeren Wörtern. Mit Stiländerungen, Themenvariationen. Wer weiß, wofürs gut ist. Egal.

Es ist ein feinfühliger Katalog mit eleganten Texten. Er hat mein Herz berührt. Mit den Engelbildern von Kölner Friedhöfen. Und mit der Geschichte, wie es zu den Fotos gekommen ist. Eine Liebe, zwei Kinder, ein Ritual. Ich habe mir die Zeit geklaut, auf www.SebstianLinnerz.de zu stöbern. Grafik-Design. Kunst. Buchcover. Ausstellungen. Alles angenehm ruhig, positiv zurückgenommen, geschmackvoll und dadurch kräftig intensiv. Stimmig, anspruchsvoll, geerdet.

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Ein Luxus, solche Post zu bekommen. Bleibt mir, danke zu sagen, lieber Sebastian. Und: Congratulation.

P.S. Möchtet Ihr auch schöne Post bekommen? Könnt ihr bestellen. Kostenlos. Nicht den Katalog von Sebastian, aber aktuell das Magazin #23 der Kulturstiftung des Bundes. Der Titel: TIER. Wow. Sehenswert, lesenswert. Und bestellbar. Kommt dann regelmäßig ins Haus und beschenkt die Sinne. Der Link? O.K. Kommt: Hier.

Marat/Sade als furioses Theaterspektakel – unbedingt ansehen!!!

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Feuer. Lust. Expression.

Zur Aufführung kommt Marat/Sade von Peter Weiß in der Inszenierung von Marcus Lachmann. 27 Schauspielerinnen und Schauspieler kehren als wahrhaft beseelte Truppe ihr Innerstes nach außen. Als ich das Stück las, wusste ich nicht. Würden sie das hinbekommen? Die Revolution. Wie sie ihre Kinder frisst. Machtkampf, Seelennot, Wille – dargestellt durch Insassen der Nervenheilanstalt Charenton. Stück im Stück im Stück im Stück. So viele Fäden der Geschichte. Der Bezug zur Gegenwart. Der Verrat an den Idealen. Mehr denn je Zentrum und Wesen der menschlich gesellschaftlichen Phylogenese. Wie verhalte ich mich? Zu welche Seite der gesellschaftlichen Entwicklung möchte ich gehören?

Und dann das! Ein Theaterabend der barocken Fülle. Jeder Augenblick prall. Angebote über Angebote. Jede Figur fein gezeichnet, alle Akteure in jedem Moment konsequent im eigenen Geschehen, in der eigenen Figur. Wo hinsehen? Welches Schauspiel aufnehmen?

Die Figuren und Handlungen greifen ineinander, sauber inszeniert. Der Wahnsinn der Insassen ist in einer Art und Weise dargestellt, die professionell ist. Keine Überzeichnung, kein blinder Aktionismus, konsequent aus der jeweiligen Figur heraus gespielt.

Was macht Marat in der Wanne? Was macht de Sade? Was die Schwestern, Wärter? Roux, der Aktivist? Die Insassen? Jede Individualgeschichte ist stringent durcherzählt. Die Hauptakteure treten in den Vordergrund, treten zurück, wechseln sich ab, spielen miteinander und werden kraftvoll flankiert, getragen vom Ensemble.

Ein Gesamtauftritt geprägt durch Kraft, Energie, Sensibilität für das Geschehen und Bilder, die von ergreifend bis wunderschön reichen. Man glaubt nicht oder vielleicht vergisst man es, dass man hier in der Sporthalle einer Schule sitzt und sich vom Geschehen fesseln lässt. Die Truppe würde auch auf großer Bühne der Stadttheater alles an die Wand spielen. Als ginge es um ihr verdammtes Leben.

Keine Sekunde Langeweile. Das Timing stimmt, der Rhythmus der Szenen, das Tempo, das anzieht, nachlässt, aufbraust, ruhig ausläuft. Im Hintergrund immer wieder der Chor, der mit Klangteppichen Atmosphäre schafft.

Es ist ein fulminant aufspielendes Ensemble, das sich blind versteht und vertraut. Es gibt noch zwei Möglichkeiten, Marat/Sade in dieser Inszenierung zu sehen, gleich, also heute Abend um 20 Uhr und morgen Abend um 18 Uhr. Der Eintritt ist sehr günstig – nämlich kostenlos. Spenden sind willkommen, um die Kosten zu decken. Karten braucht man keine bestellen, wer kommt, wird eingelassen. Gestern Abend hat das gepasst, heute Abend und morgen könnte es dann eng werden. Einfach rechtzeitig da sein.

Infos, Adresse und so weiter hier.

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