Facebook hat einen wirklich großen Vorteil: Hier bekomme ich auf dem Land Dinge mit, die in der Stadt so irgendwo am Rande stattfinden. An diesem Wochenende lief der KunstBasar, eine temporäre Guerilla-Kunstmesse, im schönen Wertheim-Altbau am Hansaring in Köln. Trash Treasure und Michael Staab, die ich bereits über eine temporäre Ausstellung im letzten Jahr kennengelernt habe, waren mit von der Partie. Ich war mir sicher, dass es wieder gute Dinge zu sehen geben würde.
Das Gebäude, ein großer Altbau mit hohen Decken und imposantem hölzernen Treppenaufgang, steht aktuell leer und wird in Kürze komplett renoviert. Kann der Bau brauchen, keine Frage. Vorher hat die Galeristin Mela Chu der Chu-Gallery die Gelegenheit genutzt, diese Ausstellung zu organisieren, was ihr hervorragend gelungen ist. Die Räume waren voller Kunst, Künstler/innen und Besucher/innen.
Also habe ich mich durch die fünf Stockwerke treiben lassen, habe Zeichnungen, Malerei, Objekte und eine Performance gesehen, die rund um einen Ficus Benjaminus rankte. Bestimmt eine Stunde lang sah und hörte ich Michael Staab zu, wie er mit den Mitteln der Kunst und “Kunstdünger” neues Leben in die fast blattlose Pflanze hauchte. Es war ein Kunstdiskurs, ein Fragenstellen zum Stand der Dinge. Oscar Wilde wurde dem Baum vorgelesen, vor ihm wurde in alten Ausstellungskatalogen geblättert (z.B. von der berühmten FLUXUS-Ausstellung, die damals polizeilich verboten wurde), er durfte Gitarrenklänge genießen, wurde mit einem Original Beuys-Werk konfrontiert und, und, und.
Irgendwo in einem Raum zur Straße traf ich auf die oben im Foto gezeigte Installation des Kölner Künstlers Sebastian Linnerz. Im Vordergrund hinterleuchtete Wörter, die sich zu dem Bibelsatz ABER SPRICH NUR EIN WORT SO WIRD MEINE SEELE GESUND fügten. Im Hintergrund eine Art Manifest, das Zeilen aus Stéphane Frédéric Hessels Werk “Empört Euch!” zitiert. Stéphane Hessel (* 20. Oktober 1917 in Berlin) war französischer Résistance-Kämpfer, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, Diplomat, Lyriker, Essayist und politischer Aktivist. Er ist erst kürzlich, am 27. Februar 2013, in Paris gestorben.
Für mich klangen die Zeilen wie aus den Seventies: “Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken… dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden… friedlichen Aufstand gegen…”. “Empört Euch!” ist ein Bestseller, auf den sich die Occupy-Bewegung beruft. Da war doch was mit 99%.
Und so kam ich in diesen Raum, las diesen sanften Bibelsatz und dahinter das Zitat, das wie eines dieser Pamphlete von Peter Weiss oder den sozialistischen Hochschulgruppen meiner Studienzeit Ende der Achtziger klang. Es hat mich gefreut, politisch motivierte Kunst in diesem Rahmen und so kraftvoll inszeniert zu sehen. Ich habe mich mit Sebastian Linnerz unterhalten und er gab mir am Ende unseres Gespräches seine Karte. Er ist Grafiker, habe ich dann gesehen. Deshalb vielleicht diese ansprechende, harmonische Anordnung, die vielleicht nur auf mich so gewirkt hat, weil ich als Schreiber Worte schwarz auf weiß so sehr mag. Lesen. Botschaften.
Ich habe mich auf den Boden gesetzt, gegenüber der Installation, habe gelesen, fotografiert und wirken lassen. Es war wieder so ein temporäres Kunstwerk, das heute schon verschwunden ist, das ich aber gerne in einem Museum sehen würde, weil es Kraft und Aussage und Spannung und Schönheit hat. Das ist viel, finde ich. Für mich hat es zu den Werken gehört, die im Rahmen dieser Guerilla-Ausstellung besonders waren. Ein lebendiges Werk aus unserer Zeit, das alte Zeiten aufnimmt, das die Bibel sprechen lässt und die Occupy-Bewegung.
Wenn es schon nicht im Museum Ludwig aufgebaut ist oder wird, dann hat es jetzt zumindest einen Platz hier im fiftyfiftyblog und ich freue mich mal wieder, hier ein weiteres Kunstwerk für die Nachwelt hinterlegen zu können.
Hallo Jens,
ja, das paßt gut zusammen: Der Diskurs und dazu der Gebetsausschnitt, als sanfter Abschluß. Ein schönes Bild für Dein fiftyfifty-Museum. Nach dem Sturm kommt die Ruhe. Nach dem Gewitter wird es ruhig. Eine Installation und gleichzeitig ein “Bild”. Kein gemaltes Bild, ein installiertes Bild. Ein “Bild” und seine Assoziationen. Und dann sind wir wieder bei Deinen Perspektiven. Der Betrachter kann sich drehen und wenden, wie er will, es von allen Seiten betrachten und in sich auf nehmen, mit sich nehmen, als Schatz, als Haltepunkt, als Idee.
Danke, daß wir Deinen Schatz teilen durften.
Ich wünsche Dir eine gute Woche.
LG
Annegret
Hi Annegret,
gerne geschehen – die Schatzteilung.
Kunst ist einfach immer gut. Aus den meisten Ausstellungen komme ich beschwingt, erfreut, inspiriert. Es sind Geschenke, die da an den Wänden hängen. Sie geben so viel, die Künstler und bekommen oft nur eine skeptische Neugierde mit einem Schuss Zweifel.
Ich habe wirklich einige gute Sachen gesehen. Da hingen Trass/ Treasures Staubpartikelbilder und drei Fotografien. Schön, sie im Original gesehen zu haben. Eine Frau hatte wirklich klasse Zeichnungen. Mein Problem: Ich mag nichts sammeln. Und ich mag kahle Wände. Ich möchte Kunst nicht besitzen, was für Künstler/innen schlecht ist. Ich kaufe nichts. Das ist ein Problem. Wohin mit der Kunst, wenn wir sie nicht kaufen? es war ein Kunstbasar, der wie eine Ausstellung bespielt wurde. Sehr günstiger Eintrittspreis von einem Euro. Ich hoffe, ich kann mit meinem Blog und den Fotos, die noch kommen, was zurückgeben.
Liebe Grüße
Jens
Gutn Abend, Jens!
Das ist ein sehr ansprechendes Bild, finde ich, so klar, die biblischen Worte in Lichtkästen.
Und kraftvoll, die dicken, schwarzen. Wie eine erhobene Faust, mahnend und bereit?
Ich musste nur noch nachlesen was Pamphlet bedeutet und wer Peter Weiss ist/war.
Versuche mir das zu behalten…
Es ist schön mit dir unterwegs zu sein, immer wieder!
Merci et bonne nuit!
Hi Sarah,
ich finde, einfach gut gemacht. Gelockt. In die Tiefe der Texte gezogen, inszeniert. Sehr schön und gut gemacht. Habe ich mich sehr wohl mit gefühlt.
Peter Weiss – ich habe über seinen Vietnam-Diskurs geschrieben und mit Freunden und einem Prof zwei Jahre lang die Ästhetik des Widerstands gelesen, die mich zur Kunst geführt hat. Ein irres Buch über europäische Kultur und Geschichte. DIN-A5, jede Seite dich beschrieben. Es war ein Kampf, oft bin ich eingeschlafen, weil ich die Zusammenhänge nicht verstand. Es ist ein Luxus, Germanistik zu studieren. Ein Geschenk, wenn man die Gabe hat, die blöden Taxifahrerwitze zu ignorieren. “Germanistik? Du willst Taxifahrer werden?” Egal.
Danke, dass du mitkommst und mich begleitest – Freundin auf dem Weg.
Gute Nacht. Liebe Grüße
Jens
betrifft wandinstallation von mess in den raum trash, staab, mess!!!
high, es ist schon bemerkenswert wenn ein künstler mit verantwortlich ist für eine raumbezogene energie aufladung siehe laut m.duchamp und in keinster weise mit erwähnt wird bei der wunderbaren baumbesprechung von michael staab. außerdem handelt es sich hier nicht um eine performance, auch wenn man es so sehen möchte sondern um ein happening!””” die installation an der wand von mir, eine fraktale zusammenstellung aus den70zigern jahren bis zu der heutigen frauenrevolution in indien (siehe collagen) womit ich gerade an einer aktuellen ausstellung in “new delhie” dabei bin, wurde sogar sehr oft von michael als spirituelle unterstützung während seiner rituale erwähnt, ist von ihnen einfach ignoriert worden. böswilligkeit, ignoranz oder einfach nichts verstanden? zum glück wird über diese installation “everybody needs an angel”neil young!” eine umfangreiche besprechung in form eines kataloges herauskommen. da diese arbeiten bei einer nächsten installation alle übermalt werden sind die fotos die gemacht wurden von einen besonderen wert. stellen sie sich den raum in den michael sein happening abgehalten hatte ohne meine ausführliche sprituelle wandinstallation vor. es wäre nicht viel übrig geblieben, wobei die fee mit den roten zöpfen die basis seines happening war!!! danke h.j.mess
Lieber Heinz-Josef,
ich muss mich tatsächlich entschuldigen. Es war wirklich so, dass ich die Wand ignoriert habe. Allerdings nicht aus Boshaftigkeit, sondern allein aus Gründen der Konzentration und Überforderung. Es war mir zu viel und ich hatte auch nicht geplant, speziell über den Raum zu schreiben. Letztlich ist es passiert, weil mich Michael Staab mit seinem Projekt gefesselt hat und mich durchaus in seinen Bann gezogen hat. Ich hatte mehrfach den Impuls, deine Wand näher zu betrachten, aber dann hat mich etwas zurückgehalten. Sorry. Ist manchmal so. So viel geballte Kunst in so einem dann doch recht kleinen Raum. Ich werde in Zukunft sensibler sein. Versprochen.
Herzliche Grüße
Jens
Lieber Jens, lieber Heinz Joseph Mess ( liebe Trash / Treasur und Jennifer Silke)
Erst mal ganz herzlichen Dank lieber Jens für die Berichterstattung – noch besser: Persönliche Mitteilung – über das Ereigniss “Kunstbasar” mit mehr als 35 Künstlern und hunderten von Arbeiten auf drei Etagen, im Keller und den Treppenhäusern im Wertheim / Hansaring 12. Und danke, dass gerade dieser seltsame, architektonisch häßliche, kleine Raum auf der letzten Etage, den sich Heinz Joseph Mess, Trash / Treasure und ich geteilt haben, soviel Platz in deinem Text einnimmt. Es ist immer schön mal eine direkte und eindrückliche Rückmeldung von einem Besucher zu bekommen. ….. / Meine inszenierte Performance/ Rauminstallation “Educating Ficus – Eine Baumschulung” die du im Blog beschreibst war eine “Retro / Retour”-Versuchsanordnung, ein Erinnerungsversuch an die Zeit, als die Künstler ihr Kunstschaffen noch im sozialen Auftrag verstanden haben und nicht als Selbstdarstellung oder Selbstfindung des Künstlers; eine Zeit, als Ausstellungen noch eher Demonstrationen, denn Marketing-Events waren. Dabei war es für mich als Performer wichtig eine durchaus subversive / perfide Haltung / Darstellungsweise zu wählen, da ich für die in den letzten 20 Jahren stattgefunde Verschiebung des Kunstschaffens vom sozialen ins ökonomische System durchaus auch die Künstler in die Haftung nehme, nicht nur “die Gesellschaft / die Kulturpolitik “… / Ich werde jetzt aber nicht über Details meiner performativen Arbeit – die ich im Ensemble mit Jennifer Silke und ausgehend von den Arbeiten von Heinz Joseph Mess und Trash / Treasure entwickelt habe – eingehen, sondern auf die zuvor in seinem Kommentar formulierte Entäuschung von Heinz Joseph Mess, dass du zuwenig über seine Arbeiten im Raum geschrieben hättest. … / Man kann einen Raum in vielerlei Hinsicht teilen. Quadratmeter Hängefläche, Bodenquadratmeter oder Kubikmeter Rauminhalt. Mischen sich in einem Raum die Kunstsysteme und damit die gelernten Verhaltensweisen des Publikums in der Kunstbetrachtung, wird es immer schwierig und leider allzu oft konkurrierend statt addierend. ….. / Im Bereich “Darstellende Kunst” (hier ist die Performance-Kunst spartenübergreifend zuhause) greift die bürgerliche Verabredung, die auch im Theater gilt: Ich schau mir den Verlauf in Ruhe an und dann signalisiere ich meine Zustimmung oder Ablehnung. Ich kann als Zuschauer das darstellerische / künstlerische Ergebniss nicht kaufen, es ist flüchtig/temporär, ich kann es nur im Geist oder im Herzen mit nachhause nehmen. Dem Künstler zolle ich meinen Anerkennung durch ein kleines Eintrittsgeld, das normalerweise vorab bezahlt wird. …../ Im Bereich “Bildende Kunst” gilt diese Regel nicht. Die Arbeitszeit des Künstlers ist hier nichts wert, nur das Produkt. Leider. Ob sich nun jemand ein Bild eine Sekunde oder 2 Stunden anschaut oder gar nicht, das bleibt ihm überlassen, damit muss der Künstler leben. Ebenfalls leider. Wenn ihm, dem Betrachter, die künstlerische Arbeit gefällt, kann er sie ja kaufen und dann für immer ganz für sich alleine haben. So hat es das Kunstsystem organisiert. Deshalb schreibt der Künstler einen Preis dran. Wenn sie, die Arbeit, ihm, dem Betrachter, aber gefallen hat, vielleicht sogar etwas gebracht hat, ohne dass er sie kauft, bekommt der Künstler keinerlei materielle Anerkennung aus diesem Ergebniss. Das kann frustrierend sein, das kenne ich gut …./ Zum Projekt Kunstbasar: Zwei bildende Künstler/in und ein darstellender Künstler und mit ihm eine Performerin (Jennifer Silke) haben sich einen Raum geteilt. Das war vorher so abgesprochen und von allen Beteiligten gewollt. Der Raum hatte den vorher gemeinsam besprochenen Arbeits / Themen Titel: “Show your Wound” … Ich habe ( zusammen mit Jennifer Silke) eine insgesamz 17stündige Non-Stop-Performance gemacht ( 10 Stunden und 7 Stunden) und nebenbei auch eigene Grafiken, Zeichnungen und Objekte ausgestellt. …. / Du, Jens, hast die Wand mit Zeichnungen von Heinz Joseph Mess seiner Meinung nach anscheinend nicht ausreichend beachtet bzw beschrieben, sonder hast dich auf das Angebot von mir, Trash / Treasur und Jennifer Silke konzentriert? Für mich völlig okay, in diesem nicht kuratierten, offenen Ausstellungs-Konzept. (Nebenbei gesagt haben mehr als 35 Künstler ausgestellt, die du ja auch nicht im einzelnen beschrieben hast, was wohl jeder versteht.) Ich habe andere Rückmeldungen von Besuchern bekommen, die mir sagten: ” Mit dieser Art von Kunst [der von Staab] kann ich nichts anfangen, mir gefallen die Zeichnungen von Heinz Joseph Mess besser, DAS ist Kunst! ” ….. Und so different sollte es auch sein, so war es verabredet. Das gemeinsame Raum-Projekt war kein Wettkampf um Aufmerksamkeit und hatte keinen erklärten Anspruch an Ausgewogenheit, sondern an Gemeinsamkeit. Insofern verstehe ich zwar die Entäuschung von Heinz Joseph, dass er in deinem Text nicht erwähnt ist, Jens, aber ich muss auch sagen: Hättest du, lieber Heinz Joseph, die von mir zur bildenden Kunst [deiner Kunst] in jeder Phase meiner Aktion immer wieder gespielten Bälle aktiv aufgenommen und darauf reagiert, dann wäre aus dieser Performance vielleicht wirklich das Happening geworden, als welche du es in deinem Kommentar fälschlicherweise definierst, welches ich mir aber als gemeinschaftliches Ereigniss gewünscht hätte. Dann hätte Jens vielleicht auch darüber berichten können. So musst du ihm eben seinen persönlichen Eindruck lassen. Aber wir lernen ja, hoffentlich gemeinsam, mit jeder Aktion. Hoffe schon sehr auf die Nächste. …. / Für mich war es eine gute Erfahrung, sehr nah an der Kunst und am Publikum. Und dass dann auch noch Leute was in den Hut geworfen haben und sogar ein paar meiner Grafiken gekauft haben die in einer angeschlossenen Besenkammer hingen, hilft mir sehr. Zum Überleben. “Na, was macht die Kunst? ” “Sie geht nach Brot, Mein Fürst!” (Lessing, Emilia Galotti.)
Lieber Michael,
was für ein ausführlicher Kommentar. Herzlichen Dank. Beuys. Jeder Mensch ist ein Künstler. Wie ist das gemeint? Was ist Kunst? Heute. FLUXUS. Rinderfüße. Köln war einmal New York. In meinem Kopf ist einiges haften geblieben vom Nachmittag. Installation. Happening. Performance. Raum- oder Konzeptkunst. Worte, Bilder, Fotografien, Staub, Keller, Menschen, Zeichnungen. Kein Museum Ludwig. Kein kann ich ja später noch mal kommen. Der Augenblick. 17 Stunden. Marathon.
Es scheint eine Sehnsucht zu geben nacht dem eher Subversiven, nach dem nicht kommerziell Etablierten. Klar, die Crux, die Kohle. Money. What shall we do? Subventionieren? Wen? Ich habe früher am Theater gearbeitet. Wohlgenährte Institutionen diese öffentlichen Einrichtungen. Es war eine komische Atmosphäre, in der Kunst auf Beamtentum und Gewerkschaften und Feuerpolizei und Abopublikum traf. Das Geld war da, aber es reichte allein nicht, das Wahre umzusetzen. Im Gegenteil, es stand eher im Weg. Und waren die wohlgenährten Herren Schauspieler/innen glücklich? Oje. Presie. Kritiker. Anerkennung. Abgrenzung. Es ist nicht so einfach, sich in den Armen der Muse so wirklich wohl zu fühlen. Es ist und bleibt ein Zerreißen, noch mehr, wo andere Dinge an Wichtigkeit gewinnen in einer betriebswirtschaftlich globalisierten Welt.
Occupy. 99%. Im letzten Jahr in London im Finanzdistrikt habe ich gesehen, wie die Camps geräumt wurden. Am nächsten Tag waren die Plätze wie besenrein übergeben. Am St. Pauls Cathedral hatte ich am Vorabend fotografiert, am nächsten Tag schien alles wie eine Illusion. Der Platz ist eng geworden für das Leben neben der Bürgerlichkeit. Manchmal flammt etwas auf in kleinen Räumen, die von Kunst besetzt werden. Kleine Räume in alten Häusern. Leider gehöre ich zu einer Zwischengeneration. In den Seventies war ich Kind, bevor ich wählen durfte war Helmut Kohl gewählt und RTL gegründet. Da war die Party vorbei. Armanianzüge kamen auf. Ts.
Ist es ein Wehklagen in Sehnsucht nach alten Zeiten? War früher alles besser? Als es noch spontan, wild, antibürgerlich war? Im Expressionismus schrieb Walter Hasenclever, ein Aachener Dramatiker ein Pamphlet, in dem es um die Einmischung des Künstlers in die Politik ging. Dann mischten sich alle ein, zogen in den Krieg und verloren ihre Utopien. So what? What shall we do?
Ich denke, die Nischen besetzen. Wertheim. Diese Orte, wo sich Sehnsucht entfachen lässt. Das ist dort geschehen und das war wunderbar. In uns gibt es einfach dieses Verlangen, die Welt mit anderen Augen zu sehen, nach Mitteln zu suchen, nicht Sichtbares auszudrücken. Es langweilt, das nicht zu tun. Es macht behäbig und stumpf. In eurem Raum, diesem Ficus Benjamins-Wohnzimmer habe ich mich sehr wohl gefühlt. Es ist alles weiterhin da. So gehen wir weiter, sehen, was uns begegnet (vergessen dabei auch einmal, hinzuschauen).
Herzliche Grüße
Jens