Levanto, sonnig, 30°C

levanto, 2012
levanto, 2012

Ihr Lieben, verzeiht. Sehnsucht wecken. Aber. Muss. Sein.

Bald geht es los, noch zwei Wochen. Wieder Levanto. Wieder Camping. Dieses Mal mit vielen Menschen. Freunden von hier, von anderswo, Hinzukommenden. Drei Wochen unter freiem Himmel leben. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Gestern wurde, nach langen Recherchen und Diskussionen kollektiv eine Unterwasserkamera mit Videofunktion angeschafft. Alle haben einen Betrag dazugegeben. Sie ist bis sechs Meter Tiefe wasserdicht, so dass ich euch nach dem Urlaub vielleicht auch Italien unter Wasser zeigen kann:)

Den Winter über haben wir per Facebook schon immer nach Levanto rübergeschaut. Marco, der Campingplatzbesitzer, hat mit einigen Leuten aus dem Ort neue Wanderwege angelegt. Da wir alle anderen schon gelaufen sind und wieder laufen werden, wird das spannend. An der Küste entlang, die Zikaden singen, die Pinien duften, das Meer rauscht. Ob die Jungs wieder auf den Berg oberhalb Levantos wollen? Der Aufstieg letztes Jahr in der prallen Sonne – die Morgenwolken hatten sich dann doch schnell verzogen. UFF. Für die Young Guns kein Problem, ich habe schon ein wenig geächzt. Gut, ich habe den größten Teil der Wasservorräte geschleppt, die schnell zu Ende gegangen waren.

Levanto_Busch_red

Vorfreude. Immense. Ich werde mit meinem Rad zum Kloster hoch fahren. Vom Meer rauf auf über 500 Meter. Im Kloster esssen und dann die lange Fahrt oben über die kleine Küstenstraße bis nach Vernazza. Cappuccino bei Gianni. Ich kann die Sonne auf der Haut spüren, mein Körper erinnert sich. Eingebrannt. Wir werden schnorcheln, von Felsen springen, rausschwimmen, in der Piper-Bar sitzen, abends über die Piazza schlendern, das Feuerwerk (SPETTACOLO PIROTECNICO SUL MARE) des festa del mare vom Strand aus sehen, viele leckere Sachen kochen und essen, Wein vom Fass aus dem Weinladen holen, nach Portovenere wandern, durch den Tunnel nach Framura joggen, vom Strand die Sterne über dem Meer sehen, zuschauen, wie Sternschnuppen fallen, abhängen, lachen, reden, feiern… Ach.

Für mich könnte es jetzt schon losgehen. Allerdings wartet erst noch Dresden am Wochenende. Dann habe ich eine Woche überwiegend frei, in der ich mich um kleine Jobs, die Steuer und meine persönlichen Urlaubsvorbereitungen kümmern werde. Neue Boardshorts habe ich schon. Wieder von Quicksilver, weil mein Surfmann in Levanto auch nur Quicksilver trägt. Gute Marke, gutes Gefühl. Ansonsten stöbere ich durch Outdoorläden. Männer und ihre kleinen Outdoorwünsche. Was es da alles gibt – von vielen Marken. Alles so schön bunt hier, kann mich gar nicht entscheiden. Aber so im Vorfeld kommt doch immer ein klein wenig das Gefühl auf, es könnte was fehlen. Wir werden sehen. In der Woche vor dem Urlaub werde ich noch einmal in die Schweiz fahren – arbeiten. Intensiv. Und dann: Abflug. Es kribbelt schon:)

portovenere. 2012
portovenere. 2012

the italian feeling

Occhio

29 Grad. Auf meinem Bett. Hot nights. What a feeling…

Vor allem, wir leben hier auf dem Land, wo Luft geht, wo es nachts abkühlt. Was mag da gerade in Köln abgehen, wo die Hitze in den Häuserzeilen steht, wo jedes Haus ein Nachtspeicherofen ist, der die Sonne des Tages bis in die Morgenstunden bewahrt. Halali. Peng, Peng. Autsch. Da bleibt nur feiern…

So ist es in Italien im Sommer. Allerdings, nicht drei Tage lang, sondern drei Wochen. Am Stück. Und natürlich länger. Blauer Himmel. Ich freue mich. Über dieses Wettergeschenk momentan und auf die Aussichten. Über die Alpen, die Wetterscheide, in den Süden. Dort ist das Wetter blau. Himmelstechnisch. Mal ein Wölkchen, mal ein Regentröpfchen. Vom Kellner als seltene Delikatesse auf silbernem Tablett serviert.

Mein Barometer hier sagt mir, dass die Stimmung fällt. Es steht irgendwo bei 1020 hPa zwischen Tief und Hoch – noch mit Gute-Laune-Tendenz. Fallend. Leicht. Noch. Bin gespannt, was wird. Meine MacBook Wetter-App spricht von 24, 22, 18, 17, 16 Grad in den nächsten Tagen. Das wird eine Umstellung.

ACDC

Denn tatsächlich kann ich mir kaum etwas besseres vorstellen als dieses Wetter. Ja, es ist heiß. Aber: Das mag ich. Sehr. Das ist das italienische Feeling. Raus auf die Piazza, die Nacht zum Tag gemacht. Nach dem Yoga heute Abend habe ich mich ans Meer gesetzt, also in den grünen, grünen Garten, den ich jetzt mal als Äquivalent sehe. Dort habe ich den Herrn Alex getroffen, der mich auf ein AC/DC-Bier eingeladen hat. Highway to hell. Dort saßen wir, über uns die kreischenden Mauersegler im Formationsflug, dann die Krähen, die kurz vor der allgemeinen Vogelnachtruhe einmal kollektiv aufsteigen, um so richtig Pallaver zu machen.

Ach.

Wenn es hier immer so wäre. Hell bis in die Puppen, das Gras trocken, weil es nicht abkühlt und beschlägt. Ohne T-Shirt, barfuß. Himmlisch. Quatschen. Draußen sein. Midsommer, wie mir die IKEA-Werbung im Radio erzählt hat. Die längsten Nächte des Jahres. Ausnutzen!

Irgendwie ist es am Ende dann doch immer wieder Italien, auch wenn ich die Jungs und Mädels dort nicht immer verstehe. Wenn man in einem so schönen Land mit so guten Voraussetzungen, glücklich zu sein, lebt, weshalb wählt man dann Berlusconi? Paradoxie.

Auf jeden Fall merke ich jetzt schon, wie die Azzurri nach mir rufen und locken. Heute zum Beispiel bin ich mal wieder über eine Seite im Web gestolpert, die versuchte, mich über italienische Schuhe zu verführen. Ich konnte kaum widerstehen. Hätte ich nicht gerade die Lederjacke, für die es jetzt viel zu heiß ist… Ach. Elegante Schuhe für Italien, Levanto, abends, Piazza, die Konzerte des Musikfestivals… Ah. Nun gut.

Es sind immernoch 29 Grad und ich muss noch Fotos suchen, um den Beitrag optisch aufzupeppen. Fast hätte ich geschrieben: Schließlich liest das Auge auch mit. Ups. Ist halt heiß. Viel Spaß wünsche ich euch mit der Nacht der Nächte. Macht was draus. Schnappt euch wen. Amors mio:)

Der Tag des Heiligen Geistes und der Waldgespenster…

Schatten_red

49 Tage nach Ostersonntag. Der Tag, an dem der heilige Geist zu den Jüngern kam, sie in verschiedenen Sprachen sprechen ließ, um sie auszusenden, das Wort Christi im Auftrag des Herrn zu verbreiten. Der Tag, an dem die Christliche Kirche ihren Anfang nahm. Om.

Also habe ich mich heute Morgen auf den Weg gemacht. Bin Schatten begegnet, echten Waldgeistern, bin bei den Toten im Ruheforst gelandet, war plötzlich auf dem Pilgerweg und durfte eine wunderbare Wanderung fernab begangener Pfade ganz allein mit Herrn Cooper genießen.

Jim und Zoe wollten nicht. Lieber abhängen. O.K. Ela und Jens hatten noch nicht gefrühstückt und wollten auch nicht so recht. Cooper will immer, was ihn mir sehr sympathisch macht.

Mein Ziel war es, Schloss Crottorf auf neuen Pfaden zu erreichen. Ein wenig querfeldein, ein wenig in der Natur zwischen den Wegen, die ich schon öfter gegangen bin. Mir liegt das Neue, Unentdeckte. Die ausgelatschten Pfade sind nicht so mein Ding. Also sind wir den Zeichen gefolgt.

Stock_red

Haben sie wie die Indianer gelesen. Am Dorfausgang lag ein Stock auf dem Weg, der die Richtung klar vorgab. Osten mit einem Hauch Süden. Gerne. Also Richtung Russland-Erdgas-Pipeline und Gruselhaus. Über diesen Ort im Wald hatte ich schon einmal berichtet. Sehr speziell dort. Momentan sprießt gerade das Springkraut, aber noch sind die Grundmauern der Ruine erreichbar. Wir kamen hin, ich fotografierte den alten Motorradmotor und hatte die ganze Zeit das Gefühl, da würde jemand neben mir stehen. Uuaaaahh! Ich musste wirklich weg. SPOOKY! Falls ich euch mal als Ghostbusters ausprobieren möchtet, ich zeig euch den Weg…

Motor_red

Von dort haben wir uns ins Tal durchgeschlagen, vorbei an der undurchdringlichen Kyrillfläche. Ein kleines Seitental, ein schmaler Bachlauf und: Schmetterlinge. Ab jetzt heißt es das Schmetterlingstal östlich von der Gespensterruine. Besonders angetan hat es mir ein kleiner, heller Schmetterling mit orangefarbenen Ovalen an den Flügelspitzen. Ungelogen: Es waren fünf verschiedenen Sorten Schmetterlinge dort unterwegs. Leider waren die alle ein wenig hektisch, weshalb ich sie nicht fotografieren konnte.

Naturschutz_red

Aus dem Tal rauf auf die schmale Landstraße. Schattenspiel der Bäume auf dem Asphalt. Der Straße folgen, nach Wildberg rein. Zwischenstopp im Gasthof Breiderhoff, wo der Frühschoppen allmählich ausklang. Wasser für Herrn Cooper, ein Kölsch für mich. Schön frisch und kühl.

Raus aus dem Dorf auf die Höhe. Die Grenze zu Rheinland Pfalz, der Blick weit übers Siegerland. Ich wollte zu den Wiesen mit den Solitärbäumen, um sie zu fotografieren. Die haben mich in den letzten Jahren beim Vorbeifahren immer wieder fasziniert. Aber: Das mit dem Fotografieren hat nicht geklappt. Die Fotos auf dem Laptop – leider langweilig. Die Farben kommen nicht. Nichtssagend. Der berühmte Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Da fehlt mir dann doch das wichtige fotografische Handwerk. Egal.

Weiter. Ins Tal runter, den Hang hinab, über die Weide und den Hof im Nowhere. Hoch auf den Höhenzug in die absolute Einsamkeit. Dort kommt niemand hin. Niemandsland. Nur ein paar Wege für den Holztransport, ein paar Pferdespuren sonst nichts. Schön. Der Himmel blau, die Buchen so grün, die Sonne heiß. Tatsächlich ein Sommertag. Geschenkt. Hatte ich so nicht mit gerechnet.

Buchentrieb_red

Nun lag nur noch ein Höhenzug zwischen uns und Schloss Crottorf. Aber welchen Weg nehmen? Ich wählte einen und der war plötzlich gesperrt. Rot-weißes Flatterband: “Betreten verboten. Holzfällung.” Pfingsten? Ignoriert und durch. Tatsächlich zeigte sich, dass hier gefällt worden war. Alles voller Fichten in der Horizontalen. Fein entastet und vermessen. Weil überall die Äste lagen, war kaum ein Durchkommen. Zurück? NEVER! Vor? Schwierig. Also haben sich Herr Cooper und ich mal wieder für einen Plan B entscheiden. Den Hang rauf. Durch Gestrüpp und kleine Fichten hindurch. Mein Hund ächzte. Nicht einfach. Schweißtreibend. Und dann plötzlich eine flach liegende Fichte. Wie die Diven auf dem Schwebebalken sind wir drüberbalanciert. Ich voraus, mein haariger Kollege hinterher. Am Ende der Fichte kam die nächste und wieder die nächste und noch eine. Eine ganz Schneise voller gefällter Bäume, die ineinander- und übereinander lagen und uns den Weg bahnten. Super. Leicht wie die Elfen:) Zack, oben.

Leider hatte ich bei einem Sprung falsch gezielt und musste mich deshalb abfangen. Mit der rechten Hand volles Programm in flüssigen Baumharz getatscht. IH! MAMA!!! Abputzen. Nichts half. Keine Spucke, kein Wasser aus ner Dreckpfütze, kein Dreck, kein Gras. Es dauerte eine halbe Stunde, bis das ganze Klebszeug abgerubbelt war. Ätzend.

Und dann waren wir plötzlich mitten im Ruhe Forst. Ein Waldfriedhof ohne Grabsteine. Kleine Holzpfosten mit Zahlen zeigen, wo die schnell verrottbaren Urnen liegen. Ein schöner Ort. Das Licht fiel vom Himmel durch die Bäume, die Vögel sangen. Ein guter Platz, um tot zu sein.

Ruhe Forst 1_red

Leider war ich ein wenig zu weit gelaufen, weil irgendwie kein Weg abging. Also mussten wir uns quer durch den Wald schlagen. Die Wege entlang, die das schwere Holzfällergerät gezogen hat. Sieht nicht schön. Reifenspuren, tiefe Furchen. Aber es ist eben wirtschaftlicher, mit Maschinen zu arbeiten. Und der Graf hat ja auch so seine Kosten, wenn man alleine an das Heizen der Schlösser denkt…

Ja, und was soll ich sagen. Plötzlich standen wir auf dem Pilgerweg – einem Zuweg des Jakobsweges. Ich war also direkt verbunden mit Santiago di Compostella. Coelho. Yep. An Pfingsten! Der Weg führte uns dann direkt in den Wildenburger Hof am Schloss, wo wir in der Sonne saßen und tranken und aßen und uns von Ela und Jens abholen ließen. Zuhause gab es dann noch einmal Essen. Jens hatte Maultaschen – original importiert aus dem Schwabenland – gekocht. Sehr lecker.

Nun sitze ich im Garten an einer Stelle, wo ich WLAN habe, lasse mir die Abendsonne ins Gesicht scheinen und höre dem Dorfhahn beim Krähen zu. Da war doch was: Ehe der Hahn dreimal… Ein schöner, geschenkter Tag. Thanx:) So kann es gerne weitergehen. Ich wünsche euch weiterhin schöne Pfingsten.

Cooper_red

Romantic Camping in Italy (RCiI)

caravan_red

Dears. Machen wir mal gemeinsam so einen fetten Metallhaken aus gehärtetem Megastahl an diese Woche. Puh. Niemals zurück schauen. Is ja auch eigentlich gut gelaufen bis auf kleine Abzüge in der B-Note und allem in allem war es dann doch recht erfolgreich. Mit dem Riesen-Beidhänder-Filzschreiber also eine Doppelunterstreichung drunter, zusammenzählen, Datum abziehen (alter Joke meines Papas bei jeder Bezahlung im Restaurant. Ach, Papa. Ja.) und freuen. Ich lebe, bin gesund, lächle und freue mich: Auf Italien.

Wochenende. Zeit die Seel baumeln zu lassen. In Vorfreude und Vergangenheit. Von wegen, nur der Augenblick zählt. Nix da. Der durch Zukunft und Vergangenheit geprägte Augenblick jetzt. Eben habe ich die Bilder durchgesehen. Italien 2004. 2005. 2009. 2011. 2012. Wie Vignetten an der Windschutzscheibe.

Als ich das Bild oben sah, war alles da. Wie ein Einschalter. Erinnerung an. Ich konnte die Wärme des Abends spüren, die Vorfreude, die Liebe dieses Urlaubs. Ja, da war diese unglaubliche Romanze, die alle Klischees einer Italienromanze erfüllte. Und: Erfüllt. Still going on.

An diesem Abend, als dieses Foto entstand ging es runter in die Stadt und weiter an den Strand. Die Luft so frisch und warm. Der Mond voll und hell. Das Meer erst ruhig und später wild. Auf dem Campingplatz war es schon ruhig, die Kinder lagen auf ihren Matratzen, verdauten Eis und Eindrücke. Tauchen im blauen, warmen Meer, hinabstürzen von Klippen, eintauchen, auftauchen, lächeln.

Camping in Italien. Drei Wochen unter freiem Himmel leben. Außer beim Joggen die FlipFlops das einzige Schuhwerk. Wenn überhaupt. Paella kochen für Zehn auf zwei Elektroplatten, die der Sicherung bei Vollgas den Gar aus machen. Zum Kasten, Sicherung rein, weiterkochen. Das Mäuerchen die Küche, das Lachen und Toben der Kinder die Musik, die Schattenbilder der Olivenbäume die Tapete, der Wein, das Meer, die Liebe – das alles, das Glück.

Vorfreude. Im Juli. Wieder. Mit vielen, dieses Mal. Mit ihr. Wahnsinn. Monate später, immer noch. Dieser Abend auf der Via del Amore. Ja, klingt kitschig süß wie ein schmalziger Italo-Pop-Barde mit Piemontkirsche zwischen den Zähnen. Die Sonne ging unter, zwei freie Plätze vorne am Geländer hoch über dem Meer, die angehenden Lichter in den Cinque Terre, zwei Aperol, sanfte Luft, warm, satt. Einander ansehen. Reden. Umfallen.

Nun laufen die Vorbereitungen. Wir werden mehr sein. Mehr Menschen, Mitreisende. In veränderten Konstellationen. Zoe möchte nicht mehr mit dem Papa im Zelt schlafen, die E-Platten müssen weichen, neue Matratzen her. Ela hat seit Jahren eine Packliste, die alles vereinfacht. Vor der Abfahrt auf den Speicher, nach Liste runtertragen, einpacken, Abfahrt. Sie ist einfach gut strukturiert. Nun muss die Liste überarbeitet werden. Neue Bezeichnungen für neue Ausrüstung.

Seit geraumer Zeit stöbere ich auf Camping- und Outdoorseiten, weil ich keinen Schrott will. Nix von dem billig-billig-drangekommen-auspacken-und-wegwerfen-Schund. Gestern bin ich auf einer schönen Campingausrüster-Seite gelandet, die mir gefallen hat. Dort ist mir ein wunderbarer Zweiflammen-Gasherd mit Edelstahldeckel ins Auge gefallen. Ich nähere mich wie die Schlange. Happ.

Vorfreude, heißt es, sei das Schönste. Ich kann auch gut mit der Nachfreude oder der Momentfreude leben. Egal, Hauptsache, es macht Spaß. Italien 2013. Die nächste Vignette, der nächste Festplatten-Fotoordner. Bin gespannt auf die Bilder im Kopf. Ein paar hab ich jetzt schon. Die sind gut:)

Verwirrt, verirrt in der Walpurgisnacht

Stauwerk_oben_red

Ich sage nur: Stuttgart. Dienstag hat der Job in der Schweiz bis in den Abend gedauert. Weil ich den 1. Mai mit Familie und Freunden verbringen wollte, habe ich mich ins Auto gesetzt und auf den Heimweg gemacht. Keine weitere Hotelnacht. Familiensehnsucht. Sonst hätte ich den 1. Mai auf der Autobahn verbracht.

Aus der Schweiz raus, nach Deutschland rein, da stand schon das erste Feuerwehrauto quer. Errichtung des Maibaums mitten im Dorf. Auftakt zur Walpurgisnacht. Von wegen Frauen auf Besen – Männer in roten Autos. Männer, die auf Bäume starren. Allerorten. Mit vollem Gerät. Fahrzeugen, Kränen, allem, was man so braucht, um riesige Bäume aufzurichten und festzuzurren.

Mein Plan war, auf der Autobahn schnell durchzurutschen. Es lief, ich kam gut voran, schaute auf die Stauvorschau im Navi und verabschiedete mich von meinem Vorhaben. Vor Stuttgart 7 Kilometer, hinter Stuttgart 3 Kilometer. Von wegen, die sitzen alle schon Zuhause und warten auf Dortmund – Real Madrid. Auf Stau hatte ich so überhaupt keine Lust. Stop & Go. Schalten, bremsen, rollen lassen, anfahren, stehen, warten, hoffen… Ich wollte definitiv einfach nur nach Hause. So wie all die andern, die sich da auf der A81 zum Sit-in auf offener Strecke getroffen hatten.

O.K. Plan B. TMC. Elektronische Stauumfahrung. Weit vor Stuttgart bot mir das System an, die Autobahn zu verlassen und einfach am Stau vorbeizufahren. Tja. Generell eine gute Idee. Dennoch war ich unsicher. Das erste Angebot habe ich abgelehnt. Tatsächlich von der Autobahn runter? Ach. Nö. Nächste Abfahrt wieder der Pfeil nach rechts. Die Schlange Ka. Komm, Süßer! Fahr ab! Umfahr den Stau! Sei nicht dumm!

Habe ich mich drauf eingelassen. Blinker gesetzt, raus, Landstraße. Wenn ich jetzt noch gewusst hätte, was das System plant… Wusste ich nicht. Also folgte ich den Pfeilen vorne im Tachobereich. Rechts. Links. Geradeaus. Puh. Kilometer um Kilometer. Und dann war ich plötzlich mittendrin im Schwarzwald. Glaube ich. Ja. Nord-Schwarzwald, habe ich gerade gegoogelt.

Was hatte mein Navi vor? Quer durch. Am Ende bin ich 90 Kilometer Landstraße gefahren, um von der A81 auf die A5 zu wechseln, was ich hinter Stuttgart per Autobahn gemacht hätte. Aber da waren eben die kleinen Hindernisse. Erst dachte ich. Au Mann. Was soll das denn hier? Die Straßen wurden kleiner, kurviger und dann war ich mittendrin – im Tal der Murg. Was für eine bombastische Landschaft. Gebirge. Die Bundesstraße B462 führt immer am Fluss entlang, der richtig tief im Tal liegt. Rechts und links steil aufsteigende, dicht bewaldete Hänge. Ab und an schnuckelige Dörfer wie aus dem Märklin-Katalog. Und fette Hotels. Richtig dicke Dinger (weils da echt richtig schön ist! So richtig richtig!)

Was soll ich sagen? Ach, lass ich die Firma Wikipedia sprechen: “Dem Tal folgen die Murgtalbahn und die Schwarzwald-Täler-Straße (Bundesstraße 462); beide zählen bautechnisch und landschaftlich zu den bemerkenswertesten Verkehrswegen in Deutschland.” Jawoll. Ziemlich beeindruckend. Und gut vorangekommen bin ich auch, weil die Straße mir gehörte. Denn in den Dörfern waren die Menschen mit ihren roten Autos damit beschäftigt, Maibäume aufzustellen. Alle in ihren Dörfern, keiner auf der Landstraße. Und so kam ich meinem Ziel Kilometer um Kilometer näher und durfte währenddessen schönste Natur erleben. Aus den Wäldern stiegen Nebel auf, es wurde langsam dunkel, von den Höhen begannen Dörfer und Kirchen ins Tal zu leuchten.

Stauwerk_oben2_red

Zuvor aber tauchte plötzlich dieser Stausee auf. Weil der Fluss auf rund 80 Kilometer Länge von 800 m auf 110 m fällt, gibt es einige Stauseen und Staudämme, die zur Stromerzeugung genutzt werden. Imposante Bilder. Musste ich kurz festhalten. Und dann war ich auch schon auf der A5 zurück in der Zivilisation und konnte laufenlassen. Wegen Regen leider nicht ganz so schnell. Auf der Höhe von Frankfurt wurde es dann noch einmal dramatisch: Real Madrid hatte in der 82 Minute das 1:0 geschossen und in der 88. Minute das 2:0 nachgelegt. Denen fehlte nur noch ein Tor und aus dem Finale Bayern – Dormund wäre nix geworden. Ich konnte nicht hinhören und habe tatsächlich Sabine Töpperwien ausgeschaltet. Mundtot gemacht. Drei Minuten noch. Drei Minuten gewartet, Radio wieder auf laut. Da spielten die immer noch. Jesses. 96 Minuten! Hey, war der bezahlt, oder was? Wer lässt denn 96 Minuten spielen? Gutes Ende. Für mich dann auch. Zuhause. Ah. Ist es doch am schönsten:)

Stauwerk_unten_red