Im Morgennebel der Toten gedenken

St. Martin. Von Haus zu Haus. Samstag, ab 17 Uhr. Vorher habe ich den ganzen Tag gefegt. Sand in Pflasterspalten. Besen vor und zurück, damit die kleinen Körnchen wie in der Sanduhr nach unten rieseln. Nein, bei uns wurde nicht gepflastert. Nicht Zuhause, sondern auf dem Sportplatz unten im Dorf. Um den neuen Kunstrasenplatz herum. Ein Projekt, das für den Verein und das Dorf große Bedeutung hat. Bislang haben wir noch auf Asche gespielt, was ein wenig antiquiert rüberkommt und teilweise zur Abwanderung von Jugendspielern beigetragen hat. Fußball ist hier aktive Jugendarbeit. Die Kids werden einbezogen, haben eine Aufgabe, sind integriert. Ohne den Kunstrasenplatz hätte die Zukunft des Vereins wohl düster ausgesehen. Damit die Kosten tragbar sind, ist Eigenleistung angesagt.

Nach dem stundenlangen Fegen bin ich nach Hause gefahren, habe mich kurz umgezogen und bin dann mit Ela und den Kindern zum Martinssingen von Haus zu Haus. Das macht wirklich Spaß. Mit drei Männern standen wir immer im Hintergrund und sangen den tiefen Backround. Schön. Nur wurden wir jedes Mal eingeladen, einen kleinen Schluck zu trinken. Himbeergeist, Aufgesetzten, Glühwein und einmal so etwas, das schmeckte wie Odol. Ein Mundwasserschnaps. AH!

Dementsprechend wurde die Runde immer lustiger und wir waren kurz davor, statt Laterne, Laterne Yellow Submarine zu singen. Am Ende hat sich das Dorf dann an der Blockhütte bei den großen Buchen getroffen. Ein Feuer brannte lichterloh, die Kinder tobten mit glühenden Wangen durch die Nacht und verteilten die beim Sammeln erbeuteten Schätze. Es gab Kaffee, Kuchen, Waffeln und für die Erwachsenen auch Bier vom Fass. Die Feuerwehr fuhr mit ihrem großen Tankwagen vor, um dem ganzen Treiben einen sicheren Rahmen zu geben.

Da stand ich nun also mit den Chormännern aus meiner Nachbarschaft und wir redeten und hatten Spaß. Und dann kam ich auf die Idee, dass es doch schön wäre, auf der Altenfeier am Nikolauswochenende zu singen. White Christmas und Tochter des Zion. Kam mir so in den Sinn. Nun gehören meine beiden St-Martins-Chor-Mitstreiter zur Feuerwehr. Und so kam es zu einem Deal: Würde ich am nächsten Morgen bei der Feuerwehr erscheinen (die legen am Totensonntag Kränze an die Gedenkstellen), würde die Feuerwehr Sänger für die Altenfeier stellen. Hand drauf.

Tatsächlich habe ich mich Sonntagmorgen um 8 Uhr aus dem Bett gewälzt und bin rüber zur Feuerwehr. Großes Hallo. Der Deal ist eingetütet. Wir werden singen. Nach dem Geschäftlichen bin ich dann noch mitgegangen, den Kranz niederzulegen. Alle Feuerwehrmänner in einer Reihe. Vorne der Kranz mit Schleife. Im Morgennebel war das ein wenig gespenstig. Still zogen die Männer durch das Dorf zur kleinen Gedenkstätte. Dort steht ein Stein mit der simplen Aufschrift: Den Opfern des Krieges. Eine feine Wortwahl, die mir sehr gut gefällt. Der Kranz wurde niedergelegt und es fielen die Worte “Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Mahnung.” Ja. Ein stiller Moment des Gedenkens. Dorfleben, Traditionen. Wertigkeit. Ein guter Augenblick.

Ich wünsche euch eine schöne Woche.

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2 Antworten auf „Im Morgennebel der Toten gedenken“

  1. Guten Morgen lieber Jens,
    danke für die schönen Stimmungsbilder die dein Text in meiner Fantasie vor’s innere Auge zaubern.
    Ein guter Start in die neue Woche beginnt mit dem Lesen deines Blogs ;-)

    Einen wunderbaren Tag und eine erfolgrecihe Woche wünscht Dir
    Danièle

    1. Liebe Danièle,

      danke für deinen Kommentar. Der Text heute war eine kleine Reise ins Vereinsleben auf dem Land. Das wird manchmal belächelt und gerne mit Vereinsmeierei abgetan. Ich wollte gerne eine etwas andere Sicht beschreiben. Mal wieder ein Landleben-Thema nach der weiten Welt der letzten Wochen.

      Dir wünsche ich auch eine schöne Woche.

      Liebe Grüße

      Jens

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