Ach, ich komme immer mehr in Weihnachtsstimmung. Ist das schön dieses Jahr. Und ja, ich gebe zu, ich bin beim Dekowahn dabei. Selbstgebundener großer Adventskranz, vor dem Haus im Flieder eine bunte Lichterkette (mit Zeitschaltuhr, deren Programmierung mich fast wahnsinnig gemacht hätte) und in der Küche in der Ecke eine Novität: Eine Weihnachtsbirke. Hä? Ja. In den letzten Jahren hatten wir dort immer eine Vase mit großen, hohen Weidenzweigen stehen. Die haben dann irgendwann immer angefangen grüne Blätter zu bekommen. Mitten im Winter. So schön. Wie ein vorgezogener Frühling. Dieses Jahr nun hatte ich eine andere Idee. Ich wollte einen Baum. Eine Birke. Also sind Ela und ich mit dem Traktor in den Wald gefahren, dorthin, wo es viel zu viele Birken gibt, und haben eine ausgegraben und Zuhause in einen Topf gepflanzt. Dort steht sie nun mit Lichterkette und bunten IKEA-Weihnachtskugeln.
Zu jeder Mahlzeit brennen die Kerzen des Adventskranzes und die Lichterkette der Weihnachtsbirke. Schön stimmungsvoll. Im Ofenzimmer vor dem Fenster hängt zusätzlich ein großer Weihnachtsstern, der draußen mit der großen Glühbirnen-Sternschnuppe der Feuerwehr um die Wette leuchtet. Heimelig. Diese Woche war ich fast jeden Abend Zuhause, saß im Ofenzimmer, las, spielte mit Zoe Rommee oder hörte mit den Kindern Radio, während Ela an ihrem Pullover strickte. Klingt wie Nachkriegsjahre, nur, dass im Radio kein Swing lief, sondern die 1Live-Krone. Mit Philip Poisel, Casper, Clueso, Tim Bendzko – die jungen Wilden des deutschen Pop. Ist doch schön, die Zeiten fliegen zu sehen und dabei zu sein. Zu sehen, wie sich die eigenen Kinder Idole suchen, wie sie durch das Leben tanzen zu neuer Musik. Mal eben schnell die Welt retten… Weshalb nicht. Wäre in Durban möglich. In wenigen Sekunden heben alle Delegierten die Hand für eine Sache. Und die Welt wäre mal eben kurz gerettet. So einfach ist das. Heb die Hand Durban, setz ein Zeichen, spring über deinen Schatten.
Weihnachten. Der Erlöser erscheint. Zurück zum Thema. Weihnachtsmarktsehnsucht. Ich habe es noch nicht geschafft, einen zu besuchen. Dabei wäre einer direkt um die Ecke im Nachbardorf. Der ist mittlerweile so bekannt, dass sogar der WDR darüber berichtet. Der Odenspieler Weihnachtsmarkt. Der ist auf jeden Fall eine Landpartie wert. Klein, urig, schön. Und wer noch keinen Baum hat, der bekommt einen vom Weihnachtsbaumspezialisten Lars Dissmann. Der kennt sich aus, weil er die Bäume selbst pflanzt, hegt und pflegt.
Oder Aachen? Mein geliebtes Aachen? Oder Köln? Habe ich auch noch nicht geschafft. Aber bald sind Ela und ich einen Abend in Köln und feiern ein kleines Fest. Da könnten wir kurz… Wie damals in Aachen an unserem ersten gemeinsamen Tag. 1991. Bei Schneefall über den Weihnachtsmarkt geschlendert. Nah. Eng. Verliebt. War das schön und mein Gehirn hat tatsächlich die Bilder gespeichert. Ja. Oder was mich auch reizen würde, wäre Frankfurt. Wäre eine Überlegung wert. Allerdings müsste man da übernachten, weil das von hier doch zu weit wäre. Ich habe mal geschaut – hier einige Hotels in Frankfurt.
Mal sehen, was an Ausflügen in die Adventszeit noch reinpasst. Sonntag bin ich in Düsseldorf und höre mir im Schauspielhaus Tranströmer-Gedichte an, nächste Woche Sonntag haben wir bei Freunden ein Adventssingen. Wird schon alles recht knapp, weil da auch noch ein siebzigster Geburtstag sind und Zoes Tanzaufführung, bei der ich natürlich selbstredend dabei sein muss und will. Und da sind noch ein paar Jobs vor Weihnachten abzuschließen… Müsste mich mal wegstehlen. Zeit rauben bei der Schicksalsbank. Kredit – zieht ihr bitte einfach einen Tag hinten ab und schiebt den wie bei Murakami dazwischen. So eine Parallelwirklichkeit mit Fahrstühlen, die Welten zwischen zwei Etagen bieten. Das wäre was… Weihnachtsmarktsehnsucht geht über in Weihnachtsmarktabenteuer. Die Tür geht auf und ich stehe mitten in London. Im Jahr 1763. Die Gassen sind dunkel, vereinzelt höre ich ein Keuchen, Laternen leuchten mit echtem Kerzenlicht, eine Droschke fährt mit hoher Geschwindigkeit an mir vorbei, ich erhasche einen kurzen Blickkontakt und begegne…
Guten Morgen, Jens,
und wem begegnest Du 1763 in London? Dem kleinen Wolfgang Amadeus Mozart, mit Familie, die 3 Jahre durch europäische Länder reisen? Friedrich August III. – sächsischer Kurfürst? Ja, Weihnachten nähert sich mit großen Schritten. Man möchte noch so viel schaffen. Tempo fugit. Auf Weihnachtsmärkten waren wir, als die Kinder klein waren. Ich kann mich daran erinnern, daß es immer eisig kalt war. Und einmal war es nur ein sehr kurzer Besuch – in Essen, weil dem Sohnemann der Schnuller fehlte und er wollte und wollte nicht aufhören zu schreien. Meine Kinder sind nun groß und Weihnachtsmärkte ziehen sie nicht an.
Danke für Deinen heutigen Beitrag.
Besinnliche Adventszeit
Annegret
Hi Annegret,
keine Ahnung, wem ich da begegne. Wäre mal wieder der Anfang einer Story:) Ich habe nur die lustigen Weihnachtsmarkt-Erinnerungen mit Glühwein und Freunden. Da war es nie kalt. Nur lustig. Hi, hi. Mit Kindern auf den weihnachtsmarkt zu gehen ist nicht so lustig, weil man dann nur guckt und läuft und aufpasst und dauernd was kaufen soll…
Dir auch eine besinnliche Adventszeit
Jens
Dann wünsche ich dir morgen eine tolle Lesung im Schauspielhaus in Düsseldorf. Dort gibt es übrigens auch ganz schöne Weihnachtsmärkte und wenn es was ganz besonders sein soll, kann ich euch den Weihnachtsmarkt im Schloss Dyck (ca. 20min von Düsseldorf über die Autobahn) empfehlen. In den letzten Jahren habe ich öfter darüber berichtet – allerdings ist der leider auch immer sehr voll.
LG, Micha
Hi Micha,
die Lesung war ziemlich gut. Das ist einfach ein großer Luxus, sich Gedichte von geübten Stimmen vortragen zu lassen in einem Raum, der dafür gemacht ist. Vor dem schauspielhaus bin ich direkt auf einen kleinen Weihnachtsmarkt mit Eisbahn geplumpst. hatte aber den Kopf zu voll von Tranströmers Bildern und wollte lieber allein unterwegs sein.
Liebe Grüße
Jens
1763 in London – da begegnest Du vielleicht Leuten, die angeregt über die Proklamation des Königs reden und über den Landgewinn in Nordamerika.
Oder über einen Anfang des Jahres verstorbenen Sohn der Stadt, den Staatsmann John Carteret.
Oder Du triffst den Maler und Restaurator Henry Robert Morland, der völlig aus dem Häuschen ist, weil seine Frau gerade das dritte Kind bekommen hat – einen Jungen, George. Du könntest dem stolzen Vater verraten, daß aus dem Jungen mal ein bekannter Maler wird und daß er eine schöne und liebevolle Frau haben wird, er hört das sicher gerne. (Daß der Knabe außerdem heftige Geldprobleme haben wird, verschweigst Du aber lieber.)
Die Weihnachtsmarktaffinität ist lustigerweise eine Sache, die über ein paar Jahre weg war, irgendwie abgenutzt. Und jetzt ist sie wieder da, wo ich einen Sohn hab, weil man mit dem nochmal alles erleben kann und sich an seinen leuchtenden Augen erfreuen.
Mit Kindern wird man wohl einfach häuslicher und die alten Sachen kommen wieder hoch. Denken in Kindheitsmustern. Mir gefällt es einfach sehr gut, den Kindern Erinnerungen mitzugeben. Erinnenrungen an schöne Atmosphäre, Gemütlichkeit, Behaglichkeit. Ich hoffe, das gibt Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Auch hier: Wir werden sehen…