Große Kunst im Pott. Christo ruft, die Welt kommt. Ich komme von der A3, biege hinter Duisburg nach Oberhausen ab.Fettes, dampfendes, qualmendes Kraftwerk an der Autobahn. Ach du meine Güte. Weil ich kein Navi habe, habe ich mir die Strecke auf Google-Maps angesehen. Die A42 runter und Oberhausen-Zentrum ab. Google-Maps hätte ich mir sparen können. Der Gasometer ist sein eigenes Hinweisschild – da kann man auf Sicht fahren. Fast. Ich lande in einem Wohngebiet – verbotenerweise. Ach, egal. Passiert. Von dort sind es nur wenige Schritte.
Es regnet. Vor dem Gasometer eine lange Schlange. Halbe Stunde im Regen warten. Super. Natürlich hatte ich mich nicht informiert, was mich eigentlich genau erwartet. Eine Freundin hatte mir den Flyer mitgebracht und gesagt: Fahr mal hin, wird dir gefallen. Hab ich gemacht. War in letzter Zeit ein wenig viel Landleben. Viele Frühlingsfotos, Waldspaziergänge, Sonntagswanderungen. Der Stadtmensch in mir wurde schon unruhig und wollte gefüttert werden. Da kamen mir Christo und der Gasometer gerade recht.
Zoe und Jim waren mitgekommen. Sie wollten gerne etwas unternehmen, Jim hatte eine Rechnerauszeit, die Sigmar Polke Ausstellung in Siegen interessierte sie nicht, so war Oberhausen die erste Wahl. Dort haben wir uns verabredet, mit einer Freundin und Sohn. So konnten wir zu fünft zum Familienpreis rein. Plus Cola & Co. kam dann noch was drauf. Aber schließlich hat Christo der ganze Spaß 1,4 Millionen Euro gekostet.
Was er, was wir dafür bekommen haben? Die meisten Journalisten nutzen die Metapher der Kathedrale. Christo hat in den Gasometer eine Art Ballon installiert. Er nennt das Objekt BIG AIR PACKAGE. Es ist eine Ballonhülle aus weißem Stoff, die sich 90 Meter hoch erhebt. Also fast bis zur Decke des sehr hohen Gasometers reicht. Dieser zylindrische Ballon ist von Seilen umgeben, die dem Ganzen eine Form geben. Tja, und dann wird das alles von zwei Kompressoren aufgeblasen. Damit die Luft und der Druck nicht entweichen, gibt es als Ein- und Ausgang zwei Drehtüren, die für die nötige Dichtigkeit sorgen. Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen oder wegen der Versorgung mit Frischluft oder aus sonst einem Grund dürfen jeweils nur 250 Menschen hinein zum Staunen. Eine junge Frau mit Walky-Talky zählt mit und fragt regelmäßig per Funk, wie viele wieder raus sind.
Hinter der Drehtür dann das Eigentliche. DER RAUM. Weiß, breit, hoch und sehr besonders. Da sind nun also diese maximal 250 Menschen und können es kaum fassen. Am Boden liegen Kissen, auf die man sich legen kann, um entspannt zu schauen. Zu starren. Auf was? Tja. Wie soll ich das beschreiben. Worte sind manchmal zu banal oder zu übertrieben. Ich versuche es einmal. So ohne die Superlative, die dieser RAUM sicherlich verdient.
Hinter der Drehtür wartet ein schmaler Gang, der zu einer Treppe führt. Schon hier ist alles weiß. Die Treppe führt auf eine Kreisfläche, die von einem Geländer umgeben ist. Auf einer Seite gibt es eine kleine Tribüne mit wenigen flachen Stufen. Um diese Plattform herum erhebt sich das weiße Tuch. Nun könnte man denken, man sieht das und gut ist. Ist es aber nicht. Es ist schon ein wenig magisch. Vielleicht, weil man vorher noch nie in einem solchen Raum war. Vielleicht, weil alles so schön und hell und weiß und positiv ist. Ein wenig futuristisch, ein wenig Raumschiff-Enterprise.
Und im Endeffekt ist es so, dass Christo das Verpackungsthema einfach rumgedreht hat. Man schaut nicht auf den Reichstag oder die Pont Neuf, man schaut über sich, um sich herum. Letztlich hat Christo mit dem Lufttrick die Zuschauer verpackt, die sich ins Innere begeben. In mir hat das ein Wohlgefühl ausgelöst. Geborgenheit. Zugleich fühlte ich mich gut mit all den Menschen. Hat er auf jeden Fall gut gemacht, der Künstler. Ob er vorher wissen konnte, was man nachher fühlt? Sicherlich wird er Spaß an seiner Idee gehabt haben. Und sicherlich hat er sich bei dem Perspektivwechsel etwas gedacht. Meine Vorstellung nämlich war, dass er den Gasometer von außen verpackt hat und man nur irgendwie den Deckel sieht. Und dann schafft er eine weiße, hell beleuchtete Gebärmutter. Oder so etwas in der Art.
Vielleicht schaut ihr euch DEN RAUM auch einmal an. Wenn ihr in der Nähe seid. Lohnt sich. Das BIG AIR PACKAGE kann noch bis zum Ende des Jahres bestaunt und erlebt und erfühlt werden. Alle notwendigen Infos gibt es hier. Viel Spaß!
Hallo Jens,
ja, was macht man bei Regen? Kunst anschauen. Christo hat den Gasometer nicht zum ersten Mal „bekunst“. Ich erinnere an die Installation von Fässern in 1999. Seit 1994 gibt es immer wieder wechselnde Themen zu bestaunen. Aber auch ohne Kunst ist der Gasometer, das Industriedenkmal, beeindruckend. Es ist schön zu sehen, daß die alte Industrie nicht einfach dem Erdboden gleich gemacht und vergessen wird.
LG
Annegret
Hi Annegret,
die Tonnen damals habe ich nicht gesehen. Da war gerade Zoe geboren und ich denke ich war mit dem Kopf ganz woanders. Und jetzt kann ich mit ihr und Jim Kunst gucken. Ja. Die alten Industriedenkmäler. Toll, wenn sie so genutzt werden. Oder wie die Zeche Zollverein.
Liebe Grüße
Jens