Leute, Leute, Leute, Leute! Ich sage euch…
Manchmal, aber nur manchmal, aber letztlich eigentlich immer ist dieses Leben nichts anderes als der nackte Wahnsinn am Rande der Katastrophe. Der Wecker geht, du verfluchst das unsichtbare Vorbeirauschen der nächtlichen Stunden. Weg. Am Abend beim Einschlafen, beim Einkuscheln ins Kissen, beim Aufkommen dieses seligen Gefühls unbändiger Gemütlichkeit, wenn die Gedanken und Augen schwer werden, die Füße warm und der letzte Atemzug sagt: Hey, wie grenzenlos schön ist Panama. Brrrrrrrrr…..
You know? Und dann am Morgen? Noch kein Auge geöffnet, da rattert es schon los. Der Tag in Sequenzen, dieses Programm menschlicher Abläufe im System Ernährung, Jagd, Familie, Ämter (Steuer), Energieversorgung, Gemeinde, Job, Schule, Sex… Unendlich, die Liste.
Letzte Woche drei Tage München. Diese Woche zwei Workshops. Wach sein. Aufnehmen, Inspiration sammeln, Energien bündeln. Der Kopf brummt. Kochen für die Kinder. Mit Herrn Cooper morgens raus – ein Kapitel für sich, dieser schwarze Hund im schwarzen Morgen. Kürzlich war er weg. Aufgelöst in Dunkelheit und nicht zu finden auf den Komposthaufen der Nachbarn. Mit dem Auto durchs Dorf, die Zeit lief, Termine standen an. Und ja, dort, wo ich dachte, war er. Ein Knochen hatte ihn gelockt. Gerochen aus 200 m Entfernung. Taschenlampe an, zwei grüne Knopfaugen, ein wedelnder Schwanz und ein Mamutknochen quer. Sack! In die Karre, nach Hause, ankleiden für einen Kundentermin, ab dafür.
Los. Marsch, Marsch. Und zwischendrin all der Alltag. Mit der Versicherung um die Schadenfreiheitsklasse kämpfen – ja, ich bin ein echter revolutionärer Schadenfreiheitsklassenkämpfer. Den Gasvertrag kündigen, um im nächsten Jahr wieder 400 € zu sparen. Dafür muss man schon mal nicht mehr arbeiten. Und dann die Frage: Was koche ich? Und wie ist das mit den Kindern? Sind die noch Kinder, oder schon groß? Noch aufstehen, oder selber machen lassen? Jim ist jetzt 18. Fährt selber. Macht selber. Wie geht man mit 18-jährigen Söhnen um? Next Step, wieder so ein neues Kapitel. Viele Gedanken.
Die freien Jobs. Der Outdoor-Katalog, emotionale Geschichten, keine Werbung, von den Gefühlen erzählen, die da draußen entstehen. Vom Scheitern, vom Schaffen, vom Überwinden, von den Momenten, die befreien, die bleiben, die geben, verändern. Telefoninterviews, rauskitzeln. Skypetelefonat mit dem Kunden in Singapur. Die Leitung bricht ab. Über Reisen sprechen, Energie tanken, wiederkommen, ändern, intensiver werden. Glücksgespräche.
Den Tag durchgetextet, durch Serverprobleme aus dem Homeoffice heraus den Kontakt zur Agentur verloren, einen großen Topf Ratatouille gekocht, der auch für morgen reicht, wenn Jim und seine Bande zum Mathelernen kommen, und nach Feierabend versucht, meinen Hauspart zu putzen, um morgen möglichst früh nach Essen zu kommen. Dort wird es am Wochenende ein großes Treffen der Italienreisenden des letzten Jahres geben – Viveka und ich haben schon festgelegt, was wir kochen werden. Den Wein habe ich eben gekauft und besondere Zutaten.
Ich hatte versucht, zu putzen, bin aber ausgebremst worden. Ela hatte heute zwei Yoga-Kurse – da braucht das Haus dann eine Ruhepause. Gerade war der erste Kurs weg, da wollte ich hochmotiviert wegsaugen, was das Zeug hält. Da kam Zoe und berichtete vom Eintreffen der Neuen. „Hä?“ „Papa, heute fängt Mamas neuer Kurs an. 19.30 bis 21 Uhr.“ Mist. Vergessen. Verspielt, nicht mitgekriegt? Verzweiflung. Um 21 Uhr anfangen zu putzen? Saugen, wischen? Dann ist es halb Elf. Nö, also echt, nee. Und dann? Och, so sweet. „Papa, ich putze morgen für dich.“ Mann ey, die können einem echt das Herz brechen. „10 Euro?“ „Will kein Geld.“ War klar. „Was kann ich machen?“ „5x nicht motzen, wenn du mich irgendwohin fahren musst.“ DEAL!
Tja, dann hatte ich Zeit. 19.30 Uhr und der Abend hat begonnen. Hab ich Viveka angerufen. Und gelacht. 120 Minuten beste Unterhaltung. Was habe ich gelacht. Leider kann ich euch die Details nicht schildern, weil ich hier sonst Persönlichkeitsrechte verletze und morgen einfach auf die Fresse kriege, wenn ich Interna ausplaudere. Mann. Juckt in den Fingern, aber klar, nein, Ehrenkodex. Schließlich liest das ganze WWW mit. Herrje.
Auf jeden Fall haben WIR beschlossen, dass es nicht sein kann, dass Zoe alles allein putzt. Deshalb haben wir dann irgendwann aufgelegt, damit ich saugen kann. Zumindest. Halbe-halbe. Zwischendurch haben Viveka und Zoe telefoniert und ausgehandelt, dass es doch einen anderen Ausgleich gibt. Ein Heimspielbesuch des 1. FC Köln. DEAL! Bin dabei. Die ganze weite Welt ist ein endloses Geben und Nehmen.
Jetzt zeigt die Uhr 23.12 Uhr, die Bude ist gesaugt und ich freu mich aufs Wochenende in Essen. Jim, Ela, Jens und Cooper kommen am Samstag zum Bildergucken (Sehnsucht Italien), Zoe ist auf einer Party bei einer Freundin. Schade – leichtes Vermissen jetzt schon. Darf gar nicht dran denken, wenn die mal ausziehen. Puh. So, damit dürfte alles erschlagen, gesagt und berichtet sein. Mehr oder weniger. Morgen Früh steht ein Anschreiben auf dem Programm und der Singapur-Job – eine Internetseite, eine One-Page für eine Konferenz – muss ich sehr feinfühlig rangehen. Texten. Ja. Gute Worte finden, die dem gerecht werden, was da passieren kann. Verheißung, Möglichkeit, kribbelnde Anregung.
Das Leben ist schnell, bunt, energetisierend, aufregend und wahnsinnig – ich komme kaum noch mit, das alles festzuhalten. Wenn alles klappt, so wie es mir wünsche, wird in all dem Tohuwabohu im Frühjahr ein Projekt in Köln stattfinden, in dem ich mit einem geschätzten Künstler zusammenarbeiten werde. Vielleicht werde ich nach langer Zeit mal wieder Gedichte lesen. Viveka und ich haben schon ausgewählt und Lesen geprobt – boah ey, sie ist so streng. Da musst du wirklich komplett genau lesen. Kleine Deals, große Deals, Singapur, 18, Italien, Leben. Momentan kann ich hier in meinem Onlinetagebuch nur einen Bruchteil der Geschehnisse hinterlassen. Es ist viel, es ist herausfordernd, es ist schön.
Hallo Jens,
Deine Zeit ist aber sehr belegt. Hüpf hier, hüpf dort. Pass auf, daß Du Dich nicht verlierst.
Gräulicher Montagmorgengruß
Annegret
Liebe Annegret,
das ist in der Tat manchmal sehr eng – aber ich achte auf mich. Und was ich tue, macht überwiegend Spaß. Ist also positiver Stress.
Viele, viele Grüße
Jens