WAR!

Wieder.

Also allmählich werde ich nervös. Gefühlt hat der Rhythmus der Kriegseintrittsentscheidungen heftig zugenommen. Da braut sich was zusammen am Kriegerhimmel. Flieger, grüß mir die Sonne. Die weißen Friedenstauben haben es nicht leicht zwischen all den Drohnen und Tomahawks, die den Himmel durchfliegen, mit dem Auftrag ein target zu zerstören.

Was ist los auf der Welt?

Giftgas. Deshalb hatte der ungeliebte Mann mit dem Dabbelju nach dem George den Irak überrollt. Nichts gefunden. Nun sind in Syrien viele daran gestorben, weil angeblich Militärs aus Versehen die falschen Raketen gezündet haben. Abgeschossen in Richtung Wohngebiete der eigenen Bevölkerung. Ich stelle mir vor, dass oben auf der Höhe über unserem Dorf Regierungstruppen stationiert sind und bei uns in der Schule Rebellen mit Gewehren versuchen, Treffer zu landen. Das nennt man Bürgerkrieg.

Ich habe mir im Web Bilder der belagerten syrischen Städte angesehen. Die sehen aus wie Kabul nach dem Krieg. Häuserhüllen. Grundmauern. Alles weit weg, alles unvorstellbar. Um mich zu verschonen, erspare ich mir die Fernsehbilder (wir haben kein TV). Der Spiegel hat das tote Mädchen auf der Giftgas-Angriff-Titelseite hinter Milchglas gelegt. Sex sells, der Tod auch.

Wir sind mittendrin im Krieg der Welten. Und alle spielen mit. Die große Frage in Deutschland: Lässt sich im Wahlkampf auf irgendeine Weise mit dem Thema punkten oder gar verlieren? Der Spiegel gibt Antworten. Großes Online-Aufmacherthema.

Mir scheint es, als habe Krieg wieder ein bestimmtes Maß an Selbstverständlichkeit gewonnen. Als wäre da die Salonfähigkeit zurückgekehrt. Als wäre das zwar unangenehm, aber notwendig wie ein Zahnarztbesuch.

Antikriegsdemos? Friedenstauben? Friedensbewegung? Mahnwachen? Kerzen? Plakate?

Klar, was soll man tun, wenn Kinder im Giftgas sterben. BESTRAFEN. Sagt die Politik. Assad bestrafen. Nur der bekommt keinen Tomahawk auf den Kopf. Es soll erst einmal eine Lehre erteilt werden. Zwei, drei Tage Raketenfeuer. Der syrischen Armee zeigen, wo der Hammer hängt. Mehr nicht, weil die Rebellen teils zu al-Qaida gehören. Vertrackte Situation aber auch. Wenn man könnte, wie man wollte. Dann würde der Iran Israel auslöschen und umgekehrt und die Russen und Chinesen würden die syrischen Rebellen killen und die USA, Frankreich und Großbritannien sendeten Bodentruppen, um die demokratischen syrischen Rebellen an die Macht zu bringen. Und Deutschland würde das Technische Hilfswerk und das Rote Kreuz mit Lebensmittelspenden und Decken im Rahmen einer humanitären Mission schicken.

Was für ein Chaos. Wie eine Kirmes- und Kneipenschlägerei.

Friedensverhandlungen? Friedenspfeife? Erst nach der Tracht Prügel. Wir schauen zu, wir nehmens hin, wir sagen nichts, warten ab, überlassen es den Regierungen und deren Chefs. Kriegspoker. Es wird in Waffensystemen gedacht, um Lösungen zu bewirken. Was hat die Welt von diesem Krieg? Wo liegt der Sinn? Wo ist das fehlende Teilchen, das zur friedlichen Lösung führt? Irgendwann wird das Land so am Ende sein, dass es sowieso egal ist. Sich selbst mit der Hilfe der großen Brüder in die Steinzeit zurückgebombt. Die Zeit der vielen Toten später. Ein Land voller Feinde, voller Hass, Trauer, Verletzungen. Alles klar, alles eindeutig, alles absehbar, alles schon passiert.

Und: Alle spielen mit. Auch wir, die nichts sagen. Die gelangweilt einem Wahlkampf zuschauen, die auf Europa und die Finanzkrisen schauen und ansonsten den Blick für die Welt verloren haben. Es ist eine Valiumzeit. Alle kollektiv auf Schlafmittel. Hier tut sich nichts, apathisches Hinnehmen. Urlaubszeit, da können Kriege und neue Kriege schon einmal untergehen. Auch die Frage: Zieht Deutschland in den Krieg? Was war das damals, 1999 ein Getöse, eine Diskussion, ein Hinterfragen…

Und jetzt? Die zentrale Frage, ob der eskalierende Syrienkonflikt Vorteile für die SPD oder die CDU bringt. Hinterm Komma. Da spielen doch lieber alle weiter Gesellschaftsmikado: Wer sich bewegt, verliert.

4 Antworten auf „WAR!“

  1. Lieber Jens,
    das Übelste ist, dass der Einsatz von Giftgas zwar verboten ist, doch wer verbietet die Herstellung? Und nun die Gretchenfrage: Woher kommt es denn, das Giftgas, die Raketen, die Waffen? Ich gebe zu, ich Schelm, ich denke Böses: Wer profitiert? Die die schweigend zusehen? Hoffend der Kelch möge an ihnen vorbeigehen zum Einsatz gerufen zu werden gegen den Umsatzbringer. Andererseits es kurbelt die Produktion genau der Güter an die man zu solchen Einsätzen braucht… es hört nicht auf solange wir daran sehr gut verdienen.
    Wir Glücklichen, wir haben die Wahl zur Wahl zu gehen. Ein großes Privileg das es zu nutzen gilt, bevor es uns vor lauter Langeweile abhanden kommt.
    LG, Danièle

  2. Liebe Danièle,

    also ich denke, lange wird niemand mehr an Syrien verdienen. Das kostet dann erst einmal, die gesamten Kollateralschäden zu beseitigen. Dann wird es Geberkonferenzen geben, die Infrastrukturmaßnahmen beschließen. Den Wiederaufbau. Herrje. Dann doch lieber jetzt Geld in den Frieden stecken. Eine starke, gemeinsame UN-Friedensinitiative. Friedensblauhelme mit starkem Mandat. An einen Tisch, diskutieren, Lösungen suchen. 1,9 Millionen sind schon auf der Flucht. Die Menschen strömen in den Libanon aus Angst vor den US-GB-F-Raketen. Geld, das in Flammen aufgeht. Und weg. Und mehr Tote. Tolle Wurst, so ein Denkzettel. Kann man schön sagen: Siehste Assad, das haste jetzt davon! Aus Rache haben wir jetzt 1.000 von deinen Leuten tot gemacht. Bravo. Das wird helfen, Frieden nach Syrien zu bringen. Raketen sind eine starke Antwort auf Giftgas, aber sicherlich keine intelligente. Ich bin sehr gespannt, ob es wieder wie jetzt scheinbar immer läuft…

    Liebe Grüße

    Jens

  3. Lieber Jens,

    mir war ganz mulmig und ist das immer noch. Die Vorstellung einen weiteren internationalen Kriegsherd zu bekommen. Irgendwann kann das nicht mehr kontrolliert werden. Für Syrien gäbe es eine einfache Lösung: Keine Waffenlieferungen mehr an wen auch immer und, sofern das möglich wäre in einer gemeinsamen Aktion der restlichen „Weltmächte“ die Waffenvorräte dort vernichten. Irgendwann kommt aus den Gewehren dann die Blume anstatt der Kugel raus oder die müssen mit Hackebeilen und Pfeil und Bogen aufeinander losgehen. Mein Problem ist das, dass ich niemandem mehr, der in welcher Art und Weise auch immer involviert ist, trauen kann. Das hat die Vergangenheit bewiesen: Für die eigenen Ziele und Vorteile werden Unterlagen gefälscht, Bilder manipuliert und und und …
    Es wäre gut, wenn sich dieser Krisenherd irgendwann mal auflöst, was eher nicht geschehen wird, eher bringen die sich gegenseitig um und selbst dann wird es keine Ruhe geben.

    Hoffen wir, dass es glimpflich abgehen wird.

    Herzlich
    Gitta

    1. Hi Gitta,

      da kann einem schon mulmig werden, wenn der Colt so locker sitzt. Schneller schießen als der eigene Schatten. Peng. Das Entziehen von Waffen wäre nicht schlecht, wenn es da nicht so viele Lieferanten und Unterstützer von allen Seiten geben würde – was für ein Interessensgeflecht in Syrien. Im Abi habe ich damals eine Arbeit über den Bürgerkrieg im Libanon verfasst. Wer da alles im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Dabei scheint allen jedes Mittel recht. Am Ende kann man immer noch von unumgänglichen Kollateralschäden reden.

      Wenn ich daran denke, ich würde mit meinen Kindern in einem Bürgerkriegsland wie Syrien leben, wo man nie weiß, wer einen gerade aus welchem Grund wegbombt. Herrje.

      Dass sich der Nahe Osten befriedet, wird wohl lange, lange dauern. Wer da alles an einen Tisch müsste und wer da nicht alles ein Interesse hat. Scheinbar muss erst alles kaputt und am Boden sein, bevor sich was bewegt.

      Liebe Grüße

      Jens

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