Anfang, Augenblick

für Markus, danke.

Am Fuß des Hügels
barfuß, nackt
den Baum im Blick
oben
viele Blätter, Äste, Himmel

Schritt für Schritt
gerader Gang

Im Norden
wo das Moos
die Rinde kleidet
lieg ich nun
am Fuße

Weite Arme
die Fingerspitzen spüren
Baum und Boden

Die Zehen
an leicht gestreckten Füßen
liegen auf

Die Brust im Gras
der Kopf gedreht
geschloss’ne Augen
das Ohr liegt
möchte hören
die Erde
alles

Verbunden nun
Kontakt

dezember 2009

Das Spiel, die Realität, die Wirklichkeit und das Leben

Ich war auf dem Weg die Bauern sterben

zu sehen ich war einfach losgefahren um

rauskommend Mut zu schöpfen um

dann nur desto tiefer zurückkehren zu

können in mein Innerstes

BEZOGENE KNOCHEN MIT HAUT UND FLEISCHRESTEN

– Es wurden damals nur Kranke ausgesucht

die sowieso nicht mehr leben konnten –

Die Bauern starben nicht an diesem Tag

der ein Tag zu früh war ich hatte mich

nicht frühzeitig erkundigt und war losgefahren

einfach losgefahren um teilzuhaben

am Spiel das immer vor der Tür hinter

den Türen stattfindet an den Orten zu denen

nicht jedermann Zutritt hat zu denen ein jeder

sich Zutritt verschaffen könnte wenn die INTIMITÄT

dieser Räume nicht abschrecken würde was die

Intimität dieser Räume jedoch zweifelsohne tut

weshalb nur wenige Menschen dorthin finden um

teilzuhaben an einem Spiel in dem Bauern

sterben einfach sterben was sie an jenem Tag

der in den Abend hineinreichte nicht taten

weil ich schlecht informiert war und einen Tag

zu früh das Bauernsterben hatte sehen wollen

und somit

nicht teilhaben konnte an dem Spiel dem ich

beiwohnen wollte.

Eigentlich hätte es mich tief treffen müssen

dass die Bauern nicht an jenem Abend vor meinen

Augen starben denn ich war weit gefahren um teilhaben

zu können an einem Vorgang der im Großen gesehen

ein Prozess ist der sich nicht als Spiel bezeichnen lässt

weil ein Spiel nur ein Abbild der Realität ist

die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat

weil die Wirklichkeit nur eine kleine

Tochter der Realität ist obwohl im eigentlichen die

Wirklichkeit das Konstrukt über den Dingen ist

während die Realität eine Fata Morgana dessen

darstellt was sich als das UNVORSTELLBARE in die

Hirne des MENSCHEN eingegraben hat wodurch das Spiel

im eigentlichen die unvorstellbare Wirklichkeit versucht

abzubilden was selbstverständlich gänzlich unmöglich

ist sofern die Realität die Realität beherrscht.

Ich sah das Spiel also nicht und ging wieder und

ging in die Tiefen des Bahnhofs um mir Frikadellen und

Dosenbier in einem Feinkostladen nach Ladenschluss

zu kaufen was mich eine Stange Geld kostete und ich

kehrte dem Laden den Rücken und ließ die Dose

zischen und zerriss die Plastikverpackung

der Frikadellen die fürchterlich nach Frikadellen

stanken und ich trank das Bier gab einem Punk

zwei Mark und eine Frikadelle und aß die andere

selber und schlenderte kauend aus dem Bahnhof die

Treppen herauf an dieser großen Kirche vorbei in

die ich hineinging und einen Augenblick

schloss ich die Augen um die Orgel aus allen Winkeln zu

hören die nach wenigen Takten schwieg woraufhin eine

Stimme etwas über Gott sprach weshalb ich dann ging.

Ich schlenderte und schlenderte zwischen den

Menschen hin und her auf dem Weg aus der

Stadt heraus die ich verlassen wollte um

zurückzukehren was mir schwer fiel weil

die Stadt mich zu halten versuchte indem sie

mir an allen Ecken Schauspiele bot denen ich

beiwohnen musste weil sie zum Zusehen einluden

und ich mich gerne

einladen ließ um einem Bassisten zuzuhören der ein

Amerikaner war

der amerikanisch sang und eine verrauchte

Stimme hatte die er mit Zitronensaft bei Laune hielt

was ihm nur eine bestimmte Zeit gelang bevor er

einen Song dreimal ansetzte ohne bis zu einem zweiten

Ton zu kommen was ihm niemand übel nahm weil er

nett war und nichts anderes versprochen hatte als er

zu bieten in der Lage war.

Der Bassist rauchte eine Zigarette und ich

ging weiter mit weiten Augen die gerne fotografiert

hätten was sich an Farben und Gesichtern tummelte

überall auf den Straßen die voller Menschen waren

die den Straßenmalern und Straßenmusikern und

Straßenakrobaten zusahen und zuhörten und zuriefen

und applaudierten was ein Ausdruck des Lebens war

wie es in Wirklichkeit sein könnte wenn es

die Realität nicht gäbe die sich in den aufgestellten

Behältern dokumentiert die als Grundlage des Lebens

gesehen werden könnten was wohl auch getan wird

weshalb das Leben eine käufliche Geliebte der

Realität ist die nichts mit Wirklichkeit zu

tun hat.

Versucht man der Realität zu entkommen indem

man sich auf die Suche nach Abbildern des Anfassbaren

begibt was zumeist in der Kunst oder der Illusion endet

was

aber

nicht immer das Gleiche ist so

erscheinen die Fragen der Illusion die im

eigentlichen nicht mit der Realität zu tun

haben weil sie auf eine fantastische Welt zurückgehen

die es nur in den Sinnen gibt die mit der Wirklichkeit

viel mehr zu tun haben als ein jeder realer Gedanke der

beweisbar scheint obwohl er im eigentlichen nicht zu

beweisen ist weil er in einem System bewiesen wird das

niemals das System verlässt weil es als System so groß

angenommen wird dass es nicht verlassen wird was dazu

führt dass die systemimmanenten Fehler mit urgroßen

Faktoren multipliziert werden und irgendwann das System

aufhört als System zu existieren und nur noch ein riesiger

Fehler übrigbleibt der dann die Realität sein wird die

dann aufhören wird irgendetwas zu sein.

Ich fuhr aus der Stadt auf die Autobahn und lud

drei Rugbyspieler ein die auf einem Turnier gespielt

hatten und nach Hause wollten um schlafen zu können

weil das Spiel anstrengend war und ihnen die Kräfte

genommen hatte die sie eigentlich nicht vermissten

weil sie scheins glücklich waren obwohl sie verloren

hatten was ein Beweis dafür ist dass das Spiel

nicht die Realität ist was ein banaler Gedanke ist

der mit dem Verhältnis zwischen Kunst und dem Realen

zu tun hat.

jens schönlau, Sommer 1990

Schokoladenmeer

Auf einer Bankdsc_0224

am Strand

mit Blick aufs Meer

Die weiße Gischt der Wellen

Füttre ich dich

mit Schokoladeneis

kleine Bisse

aus der Hand

mit ganzen Schokoladenstückchen

Der kitschige Sonnenuntergang

stört dich nicht

und mich

Umhüllst mich

schokoladig süß

mit deinem Leben

april 2010

Der Herr Cooper stellt sich gegen Atomkraft!

“Wir protestieren auf allen Vieren!” Mit dem Herrn Cooper. Die Klasse meines Sohnes, die Schüler/innen hatten sich entschieden. Sie wollten das Atomdesaster in Japan nicht unkommentiert lassen und haben deshalb ihre Demonstrationsteilnahme organisiert. Komplett eigenständig und in Teamarbeit. Erst wollten sie nach Berlin fahren, um vor dem Reichstag zu mahnen, dort, wo die Gesetze gemacht werden und der Atomausstieg. Dann war Köln einfach näher und realistischer. Ihre Motivation: Nicht in einer solchen Welt leben wollen. Nicht zukünftig Kinder in eine Welt setzen, die einem jeden Augenblick um die Ohren fliegen kann.

Sie haben sich zwei Plakate gemalt. Mit einer Mutter aus der Klasse sind sie in den Baumarkt gefahren, um sich Latten zu kaufen. Den Stoff hatten sie sich von der Handarbeitslehrerin besorgt, die ihnen auch den Schlüssel zum Handarbeitsraum und den Nähmaschinen gab, wo sie Stoffe zusammengenäht haben. Die Farben hat die Kunstlehrerin aus dem Atelier der Schule zur Verfügung gestellt. Die Sprüche haben sie sich selber ausgedacht und die Verkleidung auch. „Heute Japan, morgen wir.“ Zum Beispiel.

Tatsächlich war am Samstagmorgen dann auch ein Großteil der Klasse inklusive Lehrer am Bahnhof. In weißen Anzügen mit Atemschutzmasken und den beiden großen Plakaten, die immer wieder von Fernsehkameras und Fotojournalisten aufgenommen wurden. Ela und ich sind mitgefahren, um ein wenig zu betreuen und auch dabei zu sein. Ela hat sich um Zoe gekümmert, ich um Cooper, der mit Anti-Atomkraftaufklebern protestierte.

Es war schön zu sehen, wie sich die Jim und seine Freunde eingesetzt haben. Mit wie viel Engagement sie sich entschieden haben, Meinung kund zu tun. Die sind jetzt vierzehn und haben kein Wahlrecht. Die müssen einfach zusehen, was geschieht. Jim hatte sich schon während seiner Marie Curie Biografiearbeit mit radioaktiver Strahlung beschäftigt. Er weiß, was geschieht, wenn die Strahlung austritt und in irgendeiner Form in den menschlichen Körper gelangt. Das heißt: Er weiß, was er tut und was er will und was er nicht will. Ich kann mich daran erinnern, wie das früher mit den Demonstrationen war. Da waren die Demonstrierenden die Spinner. So, wie es lange Zeit den Grünen vorgeworfen wurde. Jetzt stellen sie in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten und angesichts dessen, was in Japan gerade geschieht stellt sie die Frage: Wer spinnt hier?

Es war ein langer, anstrengender Tag am Samstag. Mit der ganzen Familie, mit Kind, Kegel und Hund auf einer Demo. Auf der Rückfahrt im Zug haben wir alle gepennt. Müde, aber glücklich, auf der bislang größten Anti-Atomkraft-Demonstration dabei gewesen zu sein. In Tunesien, Ägypten, Syrien, Jemen, Libyen usw. kämpfen die Menschen für Freiheit und Demokratie. Wir haben sie. Wir können auf die Straße gehen und sagen, was nicht in Ordnung ist. Friedlich. Das ist gelebte Demokratie, das ist, was die Aufklärung und die französische Revolution gebracht haben. Den mündigen Bürger, den Citoyen. Den aufgeklärten, politischen Staatsbürger, der sich einbringt, der Demokratie ein Gesicht gibt. Mir hat diese Demonstration ein gutes Gefühl gegeben, auch wenn mir von der Bühne der Abschlusskundgebung einige Male zu oft gebrüllt wurde, um die Menge in Stimmung zu bringen. Das wäre nicht nötig gewesen, weil die, die da waren, wussten, weshalb sie da waren. Mir wäre es lieber, die Anti-Atomkraftbewegung könnte sich reformieren, könnte sich neu entdecken und öffnen. Manches wirkt wie aus einer alten Zeit. Ein wenig historisch. Die Situation in Deutschland hat sich geändert – die Anti-Atomkraftbewegung steht auf breiteren Füßen. Da könnten mehr Menschen ins Boot geholt werden, wie Baden-Württemberg gezeigt hat.

Bei uns in der Straße ist Japan gerade ein großes Thema. Durch die Bank wollen alle raus aus der Atomkraft – und zu den echten Ökostromanbietern wechseln, von denen es in Deutschland nur vier gibt. Wer sich für regenerative Energien wirklich einsetzen möchte, der wechsle seinen Anbieter.

Euch wünsche ich eine schöne Woche mit netten Begegnungen, guten Gesprächen und allem, was erfüllt und innerlich reich macht.

Schuldig, unschuldig, schuldig…

Zum Ausklang der Woche möchte ich einen Bogen schlagen. In die letzte Woche. Ab Montag war ich rausgegangen aus den Themen der Welt, um euch und mir Luft zu verschaffen. Auf einen Berg klettern, über die Dinge schauen, tief durchatmen. Heute Morgen las ich einen Text in Elas Monatszeitung, die sie gerade aktuell gekauft hat. Ich blätterte sie durch und blieb auf einer Frisurenseite hängen. Normalerweise blättere ich durch diesen Teil, weil mir Frisuren nicht wirklich wichtig sind. Genauer gesagt: Ich mag eher nicht gestylte Frisuren. Die nicht nach Frisör und Schnitt aussehen. Auf dieser einen Seite war eine Frau mit braunen Locken abgebildet, eine Engländerin, die nach Reisen durch die ganze Welt in Südfrankreich hängengeblieben ist. Und sie sagte etwas über die Nebel dieser Welt.

Das hat bei mir einen Knopf gedrückt. Die Nebel. Die verschlungenen Wege, Pfade, mitunter die Angst vor dem Fremden, die schnelle Abkehr, das Reagieren. Als aufgeklärte Menschen inmitten Europas haben wir, und in Deutschland ist das vielleicht nochmals stärker ausgeprägt, ein starkes Gefühl von Verantwortung für demokratisches, politisches und in unseren Augen gerechtes Agieren. Wir machen uns viele Sorgen um die Welt und beziehen bestens und live informiert zu allem was kommt Stellung. Das machen alle Menschen der Welt außerhalb Europas wahrscheinlich auch, aber bei uns scheint es mir ein Stück weit existenzieller zu sein. Ich habe das Gefühl, dass wir zum Hyperventilieren neigen. Oder irre ich?

Momentan empfinde ich es als Druck, zu allem eine Meinung entwickeln und vertreten zu wollen. Mir ist auch so, als könne ich nur scheitern, weil ich immer nur die Hälfte weiß. Die mediale Wahrheit. Finanzkrise, Guttenberg, Tunesien, Ägypten, Libyen, Japan. Und die Atomdiskussion in Deutschland. Morgen bin ich mit Jim und seinen Freunden in Köln. Berlin hat letztlich nicht geklappt. In mir spüre ich ein starkes Verlangen, hinsichtlich der Themen Position zu beziehen. Gleichzeitig merke ich, dass ich dazu neige, mich vorschnell zu entscheiden und dabei in den Sog der vorgetretenen Wege zu rutschen. Schwarz. Weiß. Die Guten, die Schlechten. Links. Rechts.

Teilweise greift das, teilweise greift das nicht. Was jedoch immer wieder geschieht, ist das Entstehen von Verurteilung. Das Suchen nach den Schuldigen und der Bestrafung. Ein menschliches Prinzip in unserer Kulturlandschaft. Die Schuld des Menschen. Da ist es natürlich für uns selbst immer gut, wenn nicht wir die Schuld tragen. Wenn wir mit dem Finger auf diejenigen zeigen können, denen wir die Schuld zuschreiben. Wenn wir mit weißer Weste durchs Leben gehen und uns unseren gerechten Weg suchen. Durch das Labyrinth der aktuellen Themen. Nebel. Die Frau in Südfrankreich.

Ich denke seit geraumer Zeit darüber nach, weshalb der Begriff “Gutmensch”, den ich erst seit einigen Wochen wahrnehme, bei uns so stark in den Fokus der Aufmerksamkeit getreten ist. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass sich Menschen durch andere beschuldigt fühlen. Moralisch abgewertet. Könnte das sein?

Wenn ja, wie kommen wir aus dieser Zweiteilung raus? Es kann nicht sein, dass eine Welt grundsätzlich in die guten und die schlechten Menschen zerfällt. Sehen wir auf uns selbst, wissen wir nur zu genau, dass beides in uns schlummert. Mein Vorschlag wäre, dass wir besonnener durch die Welt gehen und uns mit Urteilen zurückhalten. Mit vorschnellen Urteilen. Aus der Hosentasche heraus. Ad hoc. Denn diese Urteile werden meistens doch revidiert. Im Rückblick, wenn plötzlich andere Fakten und Sichtweisen auftreten. Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, sofern das überhaupt geschieht.

Ruhe. Besonnenheit. Freundlichkeit. Weiterhin. Und Gespräche. Vor allem auch mit andersdenkenden Menschen. Das gibt Einblicke, sofern man sich nicht gleich in Positionen eingräbt und am Ende anschreit. Weniger Lautstärke. Meinungen ohne Dezibel. Das war das, was ich gedacht habe, als ich von den Nebeln las. Ruhe bewahren, nach Sicht suchen.

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.