Vlies, gold

Verschraubte Widderhörner
in Schläfen gedübelt
scharfe Schrauben
am Frontallappen
knapp vorbei

Der Druck
die Enge

Die Stirn geboten
mit gesenktem Kopf gen Golgatha
das ausgewachsene Lamm
Kämpfer
mit gedrehtem Horn

La Mancha

Goldene Hörner mit Schrammen
Ecken, Kanten
abgeschraubt am Fuß des Altars

Kopf geneigt
mit leicht geöffneten Augen
nur ein Gefühl noch

Sanftheit

Das Horn
als Opfergabe zu Füßen
geschmückt, gekrönt
mit Liebesblumen

Im Niedersinken
schließen sich die Augen
der Brustpanzer des Gladiators
öffnet sich

Der Körper dreht nach rechts
legt auf die Seite
das Herz dem Himmel dargeboten

Die Schwere fällt
als würde Gold in einen tiefen Brunnen sinken

Der dicke Teppich unter allem
trägt
Wolle auf Wolle
in diesem Augenblick

Die Wärme hüllt den Hauch
der geht

Wie Luft mit Luft vermischt
wie trockner Weizen
Korn für Korn
aus der Hand zu Boden fällt
wird alles leicht und hell

Der Augenblick
in allem aufgelöst zu sein
nun abzugeben
kein Körnchen mehr
für irgendeinen Kampf

Der Luftzug lässt die Kerzen des Altars
kurz flackern
die goldnen Hörner
Duft und Rauch im Raum

Nun ist es gut

Die Bögen, Speere, Schwerter
sind verstaut
kein spannen, spitzen, schleifen mehr

So ruhig, entspannt
ein Lächeln trägt
und legt sich golden
streichelnd schimmernd sanft
darüber

februar 2012

There is no other way…

Musik von:

„Start Again“ by Alex (feat. Snowflake & Subliminal)
http://ccmixter.org/files/AlexBeroza/31670
is licensed under a Creative Commons license:
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/

Adams Kaffee

Heute war ich in Essen unweit des Baldeney Sees. Dort wohnen nette Freunde. Als ich kam, bat ich um einen Kaffee, weil ich es mag, mit netten Menschen Zeit zu verbringen und dabei Kaffee zu schlürfen. Am liebsten in der Küche, weil es dort am ehrlichsten ist.

Meine Freunde haben einen Nachbarn, der Adam heißt. Er wohnt alleine und macht was mit IT. Und er liebt guten Kaffee. Das allein würde ihn mir schon sympathisch machen, wenn er darüber hinaus nicht einfach ein sehr netter Kerl mit angenehmer Ausstrahlung wäre. „Wir rufen Adam an. Vielleicht macht er uns einen Kaffee.“ Gute Idee. Dachte ich, sagte ich. Und bitte, wenn es in Ordnung ist, fragt doch, ob er mit rüber kommen möchte.

Adam hat viel Geld für eine italienische Espressomaschine ausgegeben. Keiner dieser lieblosen Automaten, die keinen Kaffee, sondern Kompromisse auswerfen. Adam hat acht Kilogramm Espresso durch seine Maschine gejagt, bevor er seinen ersten wirklich guten Espresso hatte. Es sind die vielen Dinge, die stimmen müssen. Die richtigen Bohnen mit entsprechendem Mahlgrad – abgestimmt auf die Luftfeuchtigkeit. Das gefühlvolle Anpressen des Pulvers im Siebträger, der Druck der Maschine, das Wasser. Ich weiß nicht, was noch alles.

Es klingelte an der Tür. Adam kam herein mit einem Tablett. Menschen können einander große Freuden bereiten. Ich hatte einen Cappuccino bestellt. „Hallo Adam. Das ist wirklich nett. Wie geht es dir?“ Wir setzten uns. Ich bekam eine dickwandige italienische Tasse. Innen weiß, außen braun. Die Milch hatte sich mit der Espressocrema, dem Kaffeeschaum vermischt. In der Mitte war eine Art Eichenblatt entstanden. Nichts Artifizielles, keine Schablone, keine Eingießtechnik. Eine ehrliche Zufallsform. Keine Schnörkel, kein Tamtam.

Nun kann man einen ersten Schluck einfach trinken. Den Mund an die Tasse. Zack. Non. Weil ich wusste, was mich erwartet, nahm ich mir einen Augenblick. Ich weiß, Adam ist IT-Perfektionist. 1-0-1-0. Kein Zufall. Die Bohnen stammen aus Italien. Er hat nicht nur eine Sorte probiert. Nicht zehn. Der Druck stimmt, der Mahlgrad. Er ist ein Barrista. Hat sich selbst ausgebildet. Espresso um Espresso. Ich rieche, schnuppere. Erwarte den Geschmack im Mund. Ich weiß, es wird nach Kaffee schmecken. Leicht bitter. Wie Kaffee eben, aber anders. Ich nehme den ersten Schluck. Warm. Weich. In meinem Mund. Dieses Gefühl, diesen Moment kenne ich aus Italien. Ich sitze in einer Küche in Essen und schmecke Italien.

Ich könnte jetzt philosophieren, schwadronieren, weit ausholende Adjektive nutzen. Ich möchte es schlicht formulieren: Mit diesem Geschmack habe ich mich außerordentlich wohl gefühlt. Und beschenkt. Es gibt nicht viele Orte, an denen es einen solchen Kaffee gibt. Diese Küche in Essen ist einer davon. Adam ist ein außergewöhnlicher Kaffeekocher. Wahrscheinlich wegen seiner Sensibilität. Seines feinen Gespürs. Ich mag solche Männer sehr, die es schaffen, aus der Härte des Alltags herauszutreten und etwas zu geben, was so ganz und gar nicht selbstverständlich ist.

Als ich den ersten Schluck trank, spürte ich seinen Blick. Nicht starrend. Ein wenig unruhig. Nicht unangenehm, weil ich wusste, dass es nicht um Lob ging. Er weiß, was er kann. Ich trank, lächelte. Sah ihn an. Fragte. „Welche Bohne?“ „Aus Florenz.“ Ja, aus Florenz. Im Sommer wieder Italien. „Wann warst du zuletzt da?“ „Vor 23 Jahren.“ „Und?“ „Ich müsste mal wieder hin.“ Ja, es würde ihm gefallen. Weil man dort Schönheit atmen kann, Wichtigkeit. Er hat mir ein kleines Päckchen Bohnen abgefüllt, mitgegeben. Noch ein Geschenk. Adam. Es gibt wirklich nichts Schöneres auf dieser Welt, als die Herzlichkeit der Menschen. Nichts lässt sich kaufen, formen, erzeugen, was dem auch nur ähnlich ist. Es sind die stillen Verbindungen, die tragen. In Küchen, selten in Palästen. Immer, immer.

Herzensparadigmen

Aus Liebe schreiben
Gefühl zwischen Worten
wie Honig von Fingern lecken

Herz auslaufen
Kanne süßen Tees
im weichen Sessel
zurückgelehnt
die Ohren
wiegend in Träumen

Kornfeld im Wind
stummer Film

Bilder gemalt
gekrakelt
mit Filzer
lakonisch fotografiert
der Film knistert in alten Farben
kein Ton
nur Klang innenheraus
umwölbend dich, mich

Die Ecken der Buchstaben
rund feilen
weich fallen lassen

Die Strenge nehmen
streicheln
beschwichtigen
runterspielen
in Samt hüllen
Flausch an der Wange
weich gezeichnete Wahrnehmung
mit kleinem Schuss Sirup
Himbeer
geflunkert

Logbuch der Jahre
im feuchten Segeltuch

Alles geglaubt

februar 2012

Zwei Jahre fiftyfiftyblog auf Brigitte woman

Was? Zwei Jahre schon? Ich kann mich erinnern, dass das anfangs für mich ein Projekt war. Eine Spielerei. Ein Ausprobieren. Wollte mal sehen, was das ist: Bloggen. Nun bin ich zwei Jahre schlauer und kann mir ein Leben ohne Bloggen nicht mehr vorstellen.

Abhängig? Süchtig? Nach Aufmerksamkeit, oder was, oder wer, oder wie jetzt? Mit Sicherheit. Bislang habe ich in meinem Leben viele Dinge ausprobiert und bin einen nicht immer linearen Weg gegangen. Wer den Blog regelmäßig liest, kennt so einige Stationen meines Lebens. Die Station Bloggen nun ist eine, die mich täglich, wochentäglich herausfordert und in die Welt des WWW mit ihren eigenen Gestzen zieht.

Gestern habe ich auf Google+ die Rede eines Wissenschaftlers vor der Enquetekommission des deutschen Bundestages zum Thema Internet gesehen. Die dauerte drei Minuten. Ein Redegewitter, dass die ganze Dramatik der Entwicklung auf den Punkt gebracht hat. Das Internet ist nicht weniger als eine REVOLUTION. 1789, 1848, 1917, 2012.

Nie, nie war die Vernetzung der Menschen untereinander so groß wie heute. Web 2.0 ist eine Zäsur. Die Verdrahtung der Bürger/innen untereinander in einem explodierenden, sich selbst schaffenden System. Und genau dort hinein habe ich mich mit meinen Blogs und der gesamten Tumblr-, Google+-, facebook-, Twitter- & Co.-Peripherie begeben.

Anfangs wollte ich meine künstlerische Ader als Gegengewicht zum Texter for money in die Waagschale werfen. Am Anfang stand das Gedicht Kirschblütenblättersehnsucht. Es folgten viele Gedichte, die Veröffentlichung meiner Theaterstücke, der Beginn einer längeren Geschichte (Projekt Elaine). Hier gab es vereinzelt Feedback und Lob, aber die Story „Gedichte und Geschichten schreiben“ scheint out. Der Keks ist gelutscht. 2.0 ist etwas anderes. Eine andere Zeit mit anderen Vorgaben. Meine Vergangenheit zum Beispiel lässt sich da nicht einfach reinintegrieren.

Das ist spannend. Allmählich entwickle ich ein Gespür für diese neue Zeit. Mittlerweile verdiene ich sogar Geld mit meiner Blog- und Social Media-Erfahrung, weil da plötzlich Unternehmen sind, die die gut brauchen können. Hier schreibe ich Konzepte, liefere Strategien und Umsetzungen. Und was soll ich sagen: Das macht ziemlich viel Spaß. Von der Kirschblütenblättersehnsucht zur Social Media-Strategie. Nie weiß man, was passiert, wenn man einen Stein ins Rollen bringt. Was was anstößt.

War ich mir anfangs nicht darüber im Klaren, wie lange dieses Projekt Blog laufen würde, so weiß ich mittlerweile, dass ich weitergehen möchte. Teil dieser REVOLUTION sein. Ich bin dabei, wir sind dabei. Es ist viel Arbeit, sich all das zu erschließen, was Internet heute ist, aber es ist gut, weil es einen Großteil unseres Lebens ausmacht. Das reale Leben hat sich partiell ins Internet verlagert. Unsere Gesellschaft, Politik, Kultur, Meinungsfindung, der Austausch finden auch im Netz statt. Das ist keine Parallelgesellschaft, sondern Teil der Gesellschaft. Und es ist kein virtueller Teil, sondern ein realer Teil. Digitales Leben. Irre. Vielleicht haben wir es noch nicht gemerkt, aber das ist Science Fiction. Das ist Beamen. Wir fliegen bereits durch den Raum und sind in Millisekunden in Afrika oder Asien. Mitten auf dem Tahirplatz oder in New York City.

Zwei Jahre nun auf Brigitte woman. Danke liebe Redaktion, dass ihr mir das ermöglicht habt. Dass ich hier als Mann bloggen darf. Danke an all die Leser/innen, die den Blog unterstützt haben. An euch. Wir haben hier viel Zeit miteinader verbracht. Sind viele Themen durchgegangen, haben manchmal kontrovers diskutiert, manchmal gelacht, geschmunzelt. Ihr habt mich getragen mit euren Klicks und Kommentaren, habt mich ermutigt, habt mir eure Aufmerksamkeit geschenkt. Von daher ist dieser Blog für mich eine äußerst gute Erfahrung.