Berlin.

Alles so lange her, fast vergessen. War so viel los im Leben. Immer. Als wir uns damals getrennt haben, hatte ich eine Therapiesitzung, um nicht in Richtung Erdmittelpunkt zu fliegen. Ich sollte mich beschreiben. Oder so. Da nannte ich mich einen Highlightjunkie. Einen, der Dinge braucht, die man nicht kaufen kann.

So ist das.

So war das mit Berlin. Klassenfahrt, Abifahrt in den 80ern. Nach Ost-Berlin rüber, im Rathauskeller essen und trinken wie die Fürsten. Die 20 Ostmark wurde man nicht los. Nachts die Nutten am Nollendorfplatz. Einer von uns wollte eine der Mädels retten. Abend für Abend. Sie wollte, dass er mitkommt. Und wir haben zugeschaut, weil es unsere dörfliche Welt Zuhause gesprengt hat. PENG!

Später kam ich als Kolja wieder. Deutsches Theatertreffen, wir als Nationaltheater Mannheim. Eigentlich war ich Hans-Ulrich Beckers Regieassistent in Jerofejews Walpurgisnacht oder die Schritte des Komturs. Aber dann fiel Kolja aus und ich übernahm. Wir schliefen in einem sündhaft teuren Hotel, 480 DM die Nacht. Vom Theater bezahlt. Wir waren 27 oder so, Kinder. Ich sah George Tabori im Spiegelzelt vorm Deutschen Theater und merkte mir den Satz: „Die Kraft liegt in der Wiederholung, die Kraft liegt in der Wiederholung, die Kraft liegt in der Wiederholung“. Und seine Anmerkung: „Zentrum eines jeden Witzes ist eine Katastrophe“. Ich war jeden Abend im Theater, im Publikum oder auf der Bühne. Einen Abend bin ich mit Hendrik Arnst in der Kantine der Volksbühne gelandet und plötzlich auch auf der Bühne, im Dunkeln. Auf Carstorfs Spielfläche.

Berlin war immer anders, spannend.

Ich war dort zum Arbeiten. Als Texter. Habe am Potsdamer Platz im Sony-Center unten im Museum eine Schreibwerkstatt für Sony-Mitarbeiter*innen gegeben. Bin eingeladen worden zum Sony-Quartalstreffen mit späterem Abtanzen im Club. Das war die Zeit, als Jeffry van Ede einen neuen Wind in Sony Deutschland brachte und ich durfte mit Text supporten. Im Club kam Jeffry zu mir und hat sich bedankt. Er war für mein Leben ein Quantensprung. Er hat mir gezeigt: Veränderung ist möglich. Sogar in Deutschland.

Später habe ich Freunde besucht in Berlin, einen Schulfreund, einen Theaterfreund aus meiner Zeit als Hospitant am Stadttheater Heidelberg. Wohnen am Prenzlauer Berg, als der noch dieser Prenzlauer Berg war.

Mit der Familie war ich da, mit den Fußballjungs. Draußen am Olympiastadion haben wir gewohnt in einem Sportlerheim. Mit Patti wollte ich am Kuhdamm tanzen gehen und wir wurden zum Kuhstall geschickt, vor dem eine elend lange Warteschlange stand. Die Zeit hatten wir nicht. Vorne fuhren Limousinen vor, aus denen VIPs ausstiegen und durchgewinkt wurden. Wir haben uns in einen VIP-Pulk geschlichen, ich habe meinen Arm durch andere Arme geschoben, bekam ein Armband und bin rein… Patti hat es nicht geschafft. Das war. Nun. Wir beide dort. Kaum auszudenken.

Das Bändchen gewährte mir nicht nur Einlass, sondern auch Zutritt zum VIP-Bereich, in dem ich Champagner trank und von der Theke Champagner an leicht bekleidete Frauen weiterreichte. Später stellte sich raus, ich war mitten in der Geburtstagsfeier von PLAYBOY-Deutschland gelandet. Berlin. Wenn so ein naiver Dorfjunge einfach nur tanzen möchte.

Die nächste Nacht sind wir vom Bundespressestand mit einigen Mädels eines Jungesellinnenabschieds im Großraumtaxi tanzend durch Berlin geheizt. Ums sie zu ihren Jungs zu bringen, was wir natürlich nicht wussten. Im Morgengrauen mit dem Taxi zurück ins Sportlerheim. Noch einmal Bier an der Tanke und die Frage, ob nicht irgendwer aus der Taxizentrale mit uns grillen möchte… Das war schräg. Und als wir dann im Morgengrauen kurz vorm Olympiastadion sind, ist die Straße voller Wildschweine…

Irgendwann bin ich hingeflogen, weil ich für das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Wissenschaftler im PIK in Potsdam interviewen musste. Es ging um das Projekt GLOWA, die Erforschung des globalen Wasserhaushaltes. Da war schon klar, dass sich das Klima ändert und damit auch die Wassersituation auf dem Planeten. In Potsdam ging es um die Elbe. Mir wurden die computergestützten Szenarien gezeigt. Heute kann ich sagen: Ist tatsächlich so gekommen. Die Broschüre, die ich damals getextet habe, ist noch online: https://www.wusgermany.de/sites/wusgermany.de/files/content/files/brosch_glowa_final.pdf

Dann war ich noch einmal da zur Loveparade. Die letzte? Weiß ich nicht. Den ganzen Tag bis in die Nacht getanzt. Vorm Brandenburger Tor, dass in Telekom-Magenta getaucht war. Und dann noch einmal ein Glen Hansard-Konzert. Und einen Tag mit Pella im Pergamon-Museum, um ihr die Antike zu zeigen. Den Pergamon-Altar, den ich aus Peter Weiss Ästhetik des Widerstands kannte.

Und jetzt wieder.

Ruhiger.

Mal sehen. Frau Beckmann und Herr Schönlau. Ich bin gespannt…

P.S. – über Berlin habe ich schon öfter geschrieben:

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