Cloud Atlas – sorry, ein Verriss

Tom Tykwer, sorry, aber so wird das nix.

Die Grundidee ist schon so bombastisch, als wolle man die Bibel komplett verfilmen. Man nehme alle Filmgenre, Science Fiction, Abenteuerepos, Politthriller, die Leiden des jungen Werthers, verbinde sie durch einen Gedanken, kaufe sich sehr teure Schauspieler und treibe sie durch 164 Minuten. Atemlos, weil dauernd in der Garderobe und in der Maske.

Ein Riesenprojekt, von dem ich mir viel versprochen hatte. Es soll um Karma gehen. Darum, dass alle Menschen miteinander verbunden sind, karmisch, genetisch vernetzt. Dass sich das Gute wie das Böse bis zum St. Nimmerleinstag durchzieht. Die Grundlage der buddhistischen Philosophie: Wiedergeburt.

Vielleicht war meine Erwartung zu hoch. Vielleicht habe ich gedacht, ich bekomme ein Jahrhundertwerk. Halle Berry, Tom Hanks. Mal hier, mal dort. Hugh Grant. Komplett falsch besetzt. Der, der immer aus der Hosentasche spielt. Dessen Gestenrepertoire unverkennbar ist. In jeder Rolle, in etwa so wie bei Tom Cruise. Und der soll nun plötzlich verschiedenste Charaktere darstellen. Einen brutalen, meuchelnden Krieger und Menschenfresser auf dem Pferd. Ja, Tom Tykwer, alles ist verbunden. Alles ist Karma. Und für mich geht die Vernetzung so weit, dass Hugh John Mungo Grant mit seiner Spielweise Notting Hill, Vier Hochzeiten und ein Todesfall und Bridget Jones mit rein bringt.

Der Abspann zeigt die Vernetzung. Die Hauptdarsteller sind mannigfach besetzt. Geben die verschiedensten Charaktere. Durch die Jahrhunderte bis ins Neo Seoul des Jahres 2144. Plötzlich alles Cyber. Menschen aus der Retorte, die mit Karma aufgeladen sind. Fifth Element. Bruce Willis und Milla Jovovich inszeniert durch Luc Besson. Konzentriert, stark. Was hier leider nicht der Fall ist. Zu viel gewollt, das Wesentliche nicht geliefert.

Im Hintergrund dieses Films, wie die Werbung anpreist, die Macher von Matrix. Großes Kino. Nur: Der Film mutiert zum Masken-, Kostüm- und Ausstattungsfilm. Mal auf einem Segelschiff im Pazifik, mal in der Futureworld of Neo Seoul, dann wieder im America der Seventies oder im London nach dem Krieg. Die Schauspieler springen zwischen den Zeiten und Figuren. Mit angeklebten Bärten und viel Knetmasse im Gesicht. Auf der Strecke bleibt die Glaubwürdigkeit, die Tiefe der Rollen, das intensive Spiel der Figuren, das, was Kino ausmacht.

Ich bin immer wieder rausgeflogen. Oder besser, in den Figuren und ihren Innenwelten erst gar nicht angekommen. Ah, da hat sich Tom wieder umgezogen. So, jetzt ist er Wissenschaftler. Und ah, auch da wieder das Zeichen, das Muttermal. Das hatte meine Mutter mal. Ein Zeichen, ein Zeichen. Wiedergeburt.

Das alles leider letztlich auf einer wenig reflektierten Ebene. Ich habe öfter Menschen getroffen, die mir von früheren Leben erzählt haben. Die meisten waren irgendetwas im Mittelalter. Merkwürdigerweise meistens in sehr hoher Position. Kämpfer, Adeliger, Prinz, König. So kommt mir auch dieser Film vor. Längst nicht so geheimnisvoll, wie er sich gibt. Vorher hatte ich gehört, den müsse man mindestens zwei Mal sehen, um ihn zu verstehen. Ah ja.

Aber. Klar, das gibt es natürlich auch, das Aber. Langweilig ist der Film nicht. Eine gute Kamera hat er, gute Bilder. Er trägt über die 164 Minuten. Nur den Tiefgang, den ich mir erhofft hatte, in Drehbuch und schauspielerischer Leistung, den habe ich nicht bekommen. Irgendwo habe ich was von sechs Oscars gelesen. Äh, no. Sorry. Kann man sich den Film trotzdem ansehen? Ja. Nur vorher vielleicht besser die Erwartungshaltung runterschrauben von Jahrhundertwerk auf Hollywood. Großes Kino im Ansatz, in der Besetzung, im Wollen, dass es leider nicht schafft, sich cineastisch entsprechend zu entfalten. Vieles bleibt Maske und Kostüm. Dagegen lässt sich nicht anspielen. Und bei zu vielen verkörperten Figuren ist es eben auch nicht möglich, jede mit 100% zu geben, sich da komplett rein zu begeben. Da bleibt es dann oft bei der Skizze.

Scarlett Johansson, John Travolta, Ela, Zoe und ein paar Rumkugeln

Filmabend. Nach einem langen Tag.

Ich kam spät nach Hause. Traf Ela im Flur, half ihr, den Einkauf teils hoch, teils in den Keller zu tragen. Die Spülmaschine musste ausgeräumt, Holz für den Ofen geholt werden. Und was essen. War ich tagsüber nicht zu gekommen. Seit Wochen Arbeit ohne Ende. Mein Kopf, meine Finger tippen, tippen. Klackidiklack. Tastaturhämmerei. Ausgebucht bis. Termine, Meetings, Briefings. Am Freitag drei Stück hintereinander. Ich schaffe es gerade immer so viel zu texten, dass ich dran bleibe. Und ich denke, ich arbeite schon schnell. Nun will ich mich nicht beschweren. Freue mich ja. Texte gerne. Gutes Geld. Der Kopf wird gern bewegt. Sonst würde ich jetzt nicht hier sitzen…

Aber heute war echt mal PENG. Auszeit. Zu viel. Ela sagte, sie würde einen Film gucken. Einen aus dem Apple-Store. Runterladen, mieten. Sie hatte Lovesong for Bobby Long ausgesucht. So saßen wir zu dritt im Ofenzimmer. Mama, Papa und in der Mitte Kind. Zoe. Ela hatte ihr Abendbrot mitgenommen, ich Rumkugeln, die ich kürzlich geschenkt bekommen hatte. Schnuckeln. Fast hätte ich die Tüte komplett leer gegessen. Ela wollte nicht. Linie.

So saßen wir drei Grazien dort auf dem Futon. Wir haben kein Sofa, sondern ein Podest aus Holz auf dem diese japanische Matratze mit Kissen liegt. Sehr gemütlich und funktional. Zoe und ich hatten dort vorher Rommee gespielt. Einfach ein nettes Plätzchen. Im Ofen brannte Feuer, Cooper lag gemütlich davor.

Und dann der Film. Das soll John Travolta sein? Der hinkende, gebeugte Mann mit grauem Haar im weißen Anzug? Toll gespielt. In New Orleans. In einem alten Haus, am Fluss. Menschen, die zueinander finden. Ich glaube, das sind mir die liebsten Geschichten. Eine kleine Familie, zwei Männer, eine junge Frau. Fast noch Mädchen. Die umwerfend süße, schöne Scarlett Johansson. Mit schönen Kleidern. Frech. Immer eine Zigarette in der Hand. Die Jungs saufen, beide. Nette Trinker. Verzweifelte, die sich nicht unterkriegen lassen. Die in ihrem Leben leben. Bier trinken, Schnaps, Gitarre spielen, in Zitaten sprechen. “Das Glück macht an Höhe wett, was ihm an Länge fehlt.” Yes. Sehr schöne Zitate von rauen Kerlen mit weichem Kern.

Ein sehenswerter Film. Sonne. New Orleans. T-Shirt. Wieso will ich dann immer auswandern? Weil ich eine alte Frostbeule bin. Egal. Vielleicht habt ihr mal Gelegenheit, den Film zu sehen. Lohnt sich. Schöne Geschichte, gut gespielt. Dieser John Travolta, diese Scarlett Johansson. Und dann war da noch ein Gabriel Macht. Der junge Literat. Travoltas Kumpel. Was für ein Paar.

Hier die youtube/universalfilm Kurzzusammenfassung: “Nach dem Tod ihrer entfremdeten Mutter kehrt Purslane Hominy Will (Scarlett Johansson) erstmals in ihre Heimatstadt New Orleans zurück. Leider muss sie feststellen, dass sich der Familiensitz, ein einfaches Holzhaus am Stadtrand, in eine heruntergekommene Bruchbude verwandelt hat. Und zu allem Überfluss muss sie sich auch noch mit zwei fremden Männern arrangieren, die sich im Haus eingenistet haben: mit dem in die Jahre gekommenen Ex-Literaturprofessor Bobby Long (JohnTravolta) und seinem Schützling Lawson Pines (Gabriel Macht).”

To Rome with Love

Und dann noch ins Kino. Sonntagabend. Nach einem Wochenende, an dem ein toter Birnbaum zu Fall kam und ich gezwungen war, viele Mojitos zu trinken, um die optimale Mixtur und Zubereitung herauszufinden. Und da waren noch eine Party und viel Lachen und Rosen, deren Dornen nun in meinen Fingerkuppen stecken.

To Rome With Love. Woody Allen hat geladen. Ein Star-Ensemble nach Rom und mich ins Kino, um den neurotischen Großmeister zusammen mit Alec Baldwin, Roberto Benigni, Penelope Cruz, Judy Davis, Jesse Eisenberg (der Zuckerberg-Darsteller) und der zuckersüßen Ellen Page zu sehen.

Wie wars? Verrückt. So wie das Leben eben spielt. Ein einziger Sommernachtstraum, ein Spiel der Irrungen und Wirrungen und alles durcheinander. Diese Stadt. Italien. Die Hauptstadt. Liebe, Sex, Speed. Intelligent witzige Dialoge im Allen-Stil. Menschliches Versagen im Sinne von “Verlassen der Linie”. Wünsche, Träume. Sehnsüchte, erfüllte Sehnsüchte, unerfüllte Sehnsüchte. Der Leichenbestatter mit der fantastischen Stimme, die er nur unter der Dusche hat. Weshalb er mit Dusche auf die Opernbühne gebracht wird. Der kleine Buchhalter, der plötzlich berühmt wird und von den schönsten Frauen verführt wird. Der Architekturstudent, der sich der amerikanischen Schauspielerin nicht erwehren kann. Und Penelope, die als Prostituierte den verklemmten Ehemann verführt. Szenen, Stationen, Rom. Sonne, Blicke über die Stadt, die spanische Treppe, der Trevi-Brunnen, Trastevere.

Und am Ende alles wieder in Ordnung. Alle an Ihrem Platz. Zurückgekehrt in das jeweilige, passende Leben. Zurück auf Null, auf Start. Schönes, nettes, flottes Kino. Kein Highlight a la “Ziemlich beste Freunde”, aber schön anzusehen.

Quentin Tarantino – Django Unchained

Die gute Nachricht: Es gibt einen neuen Quentin Tarantion. Die schlechte: Premiere am 13. Januar 2013.

Er hat es wieder getan. Einen Film gemacht. Einen Western mit fetter Besetzung: Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio, Christoph Waltz, Samuel L. Jackson, Walton Goggins.

Im Drehbuch geht es um, ja um: Gewalt. Wie immer. Also es ist eben so, dass der Regisseur Tarantino und das Genre Western zusammenkommen. Italo-Western. Klar, dass es da knallt und weh tut. Das wird kein Kindergeburtstag. In diesem Fall: Kein Ponyreiten. Waren es in “Inglourious Basterds” Nazis, die gekillt wurden, müssen dieses Mal böse Weiße dran glauben. Django: ‘Was gibt es Schöneres, als dafür bezahlt zu werden, weiße Männer umzubringen?’ Zahlen? Django zahlt – es den bösen weißen Männern ordentlich heim. Gerechtigkeit. Wie der Trailer vermuten lässt, haben die Jungs mal wieder viel Spaß gehabt. Rumballern, harte Sprüche, reiten. Di Caprio und Waltz scheinen in einem durchzugrinsen. Ob die beim Drehen kiffen? Nein, natürlich nicht. Alles Method Acting:)

Es geht also weiter mit den neuen Western, nachdem sich Andrew Dominik mit “Die Ermordung von Jesse James durch den Feigling Robert Ford” (mit Brad Pitt, 2007) und die Coen Brüder bereits 2010 mit True Grit eingebracht haben. Nicht zu vergessen: Jim Jarmuschs “Dead Man” von 1995 – mit Johnny Depp und einem Neil Young Soundtrack.

Beim Sound hat sich Tarantino Vorlagen von Enrico Morricone geschnappt und die verhipphoppen lassen. Soll groß und gut klingen, hört man im Netz flüstern. So ganz genau weiß man das ja alles noch nicht, weil der ja eben erst 2013 kommt. Warten. Ist jetzt 2013? Noch nicht ganz. Und jetzt? Noch ein wenig Geduld. Ich will aber jetzt…

Iron Sky – Besuch von der dunklen Seite des Mondes!

Hm. Eine Nazikomödie. 2018. Amerika hat alle Finanzkrisen überlebt und irgendwie Kohle für eine neue Mondmission zusammenbekommen. Das ist ja schon mal ziemlich unglaubwürdig. Science Fiction halt:) Egal. Und Action. Was sehen die Männer in ihren coolen Mondanzügen mit Amerikafahne auf dem Ärmel da oben? Es lebt. Mensch. Ja, Kreaturen wie wir. Fast. Ein klein wenig. Mit der Unart, die flache Hand gen Himmel zu recken und permanent Scheiße zu blubbern. Nazis. Kacke.

Manchmal glaubt man ja wirklich, die sind überall. Und natürlich wünsche ich sie auf die dunkle Seite des Mondes. Sollen sie doch dort ihre Wehrsportübungen abhalten und mit Fackelzügen an was weiß ich wen erinnern. Und einfach vertrocknen. Nur: Ein kleiner Haken. Mit Kreuz. Aktuell geschieht es genau anders herum. Sie kommen. Wie Falco singt: Jeaney, sie kommen dich zu holen!

Die Nazis are back in town. Da gibt es diesen verrückten Finnen. Wahrscheinlich gibt es nicht nur einen verrückten Finnen. In einem Land, in dem die Sonne schon mal verrückt spielt und Regisseure wie Aki Kaurismäki aus dem Boden wachsen, da ist die Wahrscheinlichkeit groß, etwas anders als andere Kinder zu sein.

Timo Vuorensola. Der Iron Sky als finnisch-deutsch-australische Koproduktion realisiert hat. Der im Netz mit seiner No-Budget-Saga “Star Wreck: In the Pirkinning” für Furore gesorgt hat. Momentan kommt alles irgendwie aus dem Netz. Creativity is online. Die Magie des Moments trägt Pixel im Gewand. Real, virtuell wird eins. Das Web gibt den Takt vor, den Schritt, zieht. Entwirft. Visionen, Veränderung im Speedflug. Anderes Thema.

Der verrückte Finne also lässt die Nazis auferstehen. Tatsächlich aus der Erde der dunklen Seite des Mondes. Zu Klängen von Laibach. Uaaah! Was ist das? Eine Komödie. Heißt es. Science Fiction, so sieht es aus. Ein Himmels-Ego-Shooter-Spektakel im Hakenkreuz-Format mit Starbesetzung: “Mit spektakulären Effekten und atemberaubenden Designs realisiert, begeistert die finnisch-deutsch-australische Koproduktion mit ihrer verrückten Story, wilder Action, respektlosem Humor und einem großen Starensemble, zu dem Julia Dietze (“1 ½ Ritter”), Götz Otto (“James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie”) und Leinwandlegende Udo Kier (“Melancholia”) gehören. Die Filmmusik stammt von der Industrial-Band Laibach.”

Ich hatte gedacht, nach Quentin Tarnatinos genialen “Inglourious Basterds” wäre Schluss (Oh, Brad!). Hitler and the Ratpack in Paris abgefackelt. Nazis als Looser, als Idioten und Opfer. Gedemütigt, gekillt, der Lächerlichkeit preisgegeben, gebrandmarkt mit in die Stirn eingeritzten Hakenkreuzen. Und nun erstehen sie wieder auf. Haben 70 Jahre gewartet um mit Sprüchen wie “Die Welt ist krank und wir sind ihre Heilung” zu nerven. “Wir sehen uns in Walhalla.” Alle Klischees da. Die komplette Verblendung hochgeheizt. Erzählt zumindest der Trailer. Es kracht, es spricht, es fighted, es erkennt, es lernt, es rettet. Bin auf das Ende gespannt.

Werde ich mir ansehen, dieses Himmelsspektakel. Nicht alleine, da brauche ich eine gute Hand an meiner Seite. Halten.