Gestern Abend. Wieder Köln. Wieder Cinedom. Wieder eine Komödie. Mit tragischen Elementen. Britisch. Best Exotic Marigold Hotel. Sieben Engländer, Silver- bzw. Gold-Ager. Nicht mehr in den besten Jahren und auch nicht mehr im allerbesten Zustand. Der Blick in den Spiegel wird kommentiert mit: “Scheiße”. Das kann man wohl sagen, wenn das Hüftgelenk ausgetauscht werden muss, die Rente in das den Bach runtertgehende Start-up der Tochter investiert ist, das Herz nicht mehr so will und es mit den Männern nicht mehr klappt. Endstation Sehnsucht.
Da kann einem England schon ganz schön auf den Keks gehen und ein Angebot, nach Indien zu kommen, um in einem Palast zu leben, weckt Wünsche, lässt Träume entstehen, Hoffnung aufkommen. Zunächst stranden die Sieben als Looser eingeführten Charaktere gemeinsam auf einem Flughafen. Da sitzen sie in einer Reihe auf der riesigen Leinwand des Cinedoms. Und schauen ins Publikum. Und wer sitzt da? Wir. Zehn Leute. Midlife-Ager. Auf dem Weg zur 50 und schon ein Stück weiter. Spiegelbild? Spieglein, Spieglein an der Wand? Herrje.
Schiffbruch. Ja, sie erleiden zunächst Schiffbruch. Der Palast wunder-, wunderschön. Sehr alt. So alt, dass Türen fehlen, Wasserhähne kaputt sind, sich das Mobiliar auflöst, die Telefone beharrlich schweigen und nur der junge Direktor voller Fantastereien Optimismus verbreitet. Indien. Alles ist anders. Und doch ist alles gleich. Das Gepäck voller Leben, alle Geschichten mitgenommen. Es gibt kein Entkommen. Keine einsame Insel, die Vergessen macht, die auflöst. Alles ist im Gepäck.
Das erfahren wir, die wir als Spiegelbilder dort unten im Publikum sitzen und schauen, wie und wo wir uns bei den Sieben einreihen.
Ich weiß nicht, ob es in Indien so ist wie im Film. Ich habe schon so viele unterschiedliche Storys gehört. Die komplette Bandbreite. Ich weiß nur, ich will da unbedingt hin. Es zieht… Der Film nimmt seinen Lauf. Die Schwierigkeiten werden größer und kleiner – je nachdem, wie sehr die Figuren daran hängen. Sie haben es selbst in der Hand. “Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut wird, ist es nicht das Ende.” Natürlich wird es gut. Cinemascope gut. Sich zum Ende hin rauswinden. Haken an die Vergangenheit. Easy, alles easy.
Der schwule Richter stirbt. Er hatte als Kind und Jugendlicher in Indien gelebt, hatte sich in seinen Freund aus Kinderzeiten verliebt. Die beiden waren ein Paar, wurden entdeckt, getrennt. Räumlich. Für immer. Es fehlte der Mut, die Entscheidung. Die beiden treffen sich, der Richter stirbt. Das Herz versagt. Und so geht es in irgendeiner Form allen. In Indien, zunächst auf sich allein gestellt, entwickeln sie ihre Überlebensstrategien. Bessere, schlechtere. Es geht um die Konfrontation mit dem eigenen Leben. Der eigenen Geschichte. Den eigenen Glaubenssätzen. Dem real existierenden Konstrukt am Ende.
Fragen über Fragen tauchen auf. Was soll werden? Was war? Wie komme ich dort hin, wo ich hin will? Habe ich den Mut dazu? Die Möglichkeiten. Nicht alle können das. Eine Frau muss fliehen. Kann der Wahrheit ins Gesicht sehen, sich ihr aber nicht stellen. Die Päckchen sind zu tragen oder aufzuschnüren oder wegzuschmeißen.
Ein bewegender Film. Lustig, traurig, berührend. Ein farbenfrohes, verrücktes Indien. Aber verrückt ist es überall, wo Menschen sind. Auch in unserer Reihe im Kino. Best Exotic Marigold Hotel.