Lange angekündigt, jetzt getan. Ich wollte ein wenig Zeit und Muße haben. Den Kopf frei, kein großes Projekt zwischen den Ohren. Gestern Abend nun habe ich „Django Unchained“ gesehen. Vorher habe ich mir Augen und Ohren zugehalten, um nichts mitzubekommen, was nicht ganz einfach war, weil Tarantino, Waltz und Django hypen. Abflug zu den Sternen – auf dem Sunset-Boulevard. Also habe ich zum Beispiel dieses Interview mit Quentin erst heute Morgen gelesen.
Es ist Kerlskino. Es ist verspielt. Es ist Theater. Christoph Waltz hat deutliche Spuren hinterlassen. Das ist gut und auch ein wenig schlecht. Waltz ist zwar beim Film, aber von Hause und Herzen her Theaterprotagonist. Er macht die Leinwand zur Bühne, das Kino zum Filmtehater. Jedes Wort, jeder Satz ist süffisant ausgekostet, den Mitspielern spöttisch vor die Füße gekullert. Mit so einer Rampensau wird es eng auf dem Zelluloid. Natürlich ist Waltz grandios. Das hat ihm einen Golden Globe eingebracht und einen Oscar wäre das auch wert. Allemal. Frech, eloquent, wach, begeistert ist er. Voll dabei. Absolut auf der Höhe jeder Szene. Nur. Kleines Abzügchen, werden die Szenen dadurch manchmal zu Kammerspielen. 165 Minuten, von denen sich Waltz die ein oder andere reserviert hat. Aber. Trotzdem. Fantastisch gespielt. Ich habe sehr gelacht, oft. „Django Unchained“ ist in dieser seltsamen speziellen Tarantino-Manier gleichzeitig brutal und lustig.
Da wird eine Frau weggepustet mit einem fetten Südstaaten-Colt und das Kino lacht. Er ist eben ein Meister und so hat es sich Quentin auch nicht nehmen lassen, wie Alfred himself mitzuspielen. Und mit einem großen Filmbumms zu verschwinden. Aufgelöst, pulverisiert, weg von der Leinwand.
Es ist ein großes Thema, die Sklaverei. Und Jamie Foxx als schwarzer Rächer und Befreier hat es nicht leicht, weil er nicht albern darf. Er muss seine schwarze Frau befreien, sich an den weißen rächen und schweigsamer Held sein. An der Seite von Waltz. Als Django ist er eine Art gerechter John Wayne. Cowboy. Auf der Stirn steht Gerechtigkeit, Schützer der Witwen und Waisen und Unterdrückten. Sein Blick: finster. Sein Colt: locker. Sein Hut: schwarz. Seine Frau: wunderschön. Passt also.
Von Italo-Western ist die Rede. Charles Bronson, „Spiel mir das Lied vom Tod“. Tod sind am Ende viele. Auch Leonardo DiCaprio, der als skrupelloser Südstaaten-Sklavenhalter namens Candie einen Hang zum Bonbon hat, weshalb der schöne Mann mit schwarzen Zähnen auftreten darf. Arme Frauenwelt. Da ist er so nah, so groß im Bild und dann Karies. Ih. Kerlskino. Die Jungs hatten sicherlich viel Spaß. Besonders auch beim Showdown. Einer gegen alle. „Zwölf Uhr mittags„. Django ist Garry Cooper. Nimmt es mit allen auf, was ihn fast seine Männlichkeit kostet.
Den ganzen Film über dachte ich, gleich kommt die brutale Sklavenhalter-Szene, in der es richtig fies wird. Kam nicht. Blut allerorten, eine Szene auch nicht ganz so schön, aber alles in allem nicht dieser Kunta-Kinte-Roots-Quäl-Mist. Natürlich geht es den Sklaven auch bei Tarantino nicht gut. Im Gegenteil. Aber er setzt nicht auf diese perfide Brutalität, sondern lebt sich lieber in Schießereien aus, in denen es natürlich splattermäßig zugeht. Krawumm, fetz, Körperteile weg. Wie er das hinbekommt, dass das nicht seelisch grausam und Freude verstümmelnd wirkt, weiß der Henker. Man bewahrt die gute Laune und geht durchaus bestens unterhalten aus einem Film, der Sklaverei thematisiert. Oberflächlich? Nein, durchaus nicht. Aber eben auch nicht im Klischee. Ähnlich wie in „Inglourious Basterds“. Da wird das Nazi-Bashing auch relativ frisch und ohne Moralgebärden abgehandelt. Die kriegens einfach auf die Fresse, was dann ja auch mal Spaß macht. Keine Angst mehr vor den bösen Hakenkreuzis oder Schwarzenpeitschern, weil die unterlegen sind. Und es sind eben nicht heranreitende Kavelleristen, die befreien und für Gerechtigkeit sorgen, sondern Schwarze und Juden by themselve. Das finde ich sehr gut. Sehr charmant. Sehr aufgeklärt. Ihr habt da noch eine Rechnung offen? Das Gedemütigtsein steht noch im Raum? Die Angst? Wisst ihr was, haut die einfach mal um, schreibt Geschichte anders, dreht den Blick. Auch hier: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, äh Geschichte. Alles kann man auch mit anderen Augen sehen. Durch die Augen von Django und Dr. Schultz (Mr. Waltz) sieht die Welt schon anders aus. Das ist nicht die historische Wahrheit, aber doch ein gutes Gefühl.
Bleibt also das Fazit. Sollt ihr? Sofern ihr es noch nicht getan habt, oder sollt ihr nicht? Ich bin der Meinung, ihr sollt, sofern euch Filmblut nicht schreckt. Lohnt sich auf jeden Fall und gehört cineastisch zu den must-haves.Tarantino ist für mich aktuell der Regisseur. Sein Gesamtwerk ist heute schon unsterblich. Für mich ist es wunderbar, das Entstehen zu verfolgen. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es weitergeht. Was kommen wird. Dabei hoffe ich, dass ihn Hollywood nicht komplett erfassen und verändern wird und er seine Unabhängigkeit als Filmer behält. Wir werden sehen.
Zum Foto oben: Da ich kein Django-Material verwenden kann, habe ich heute Morgen Ketten fotografiert. Also Lichter, die man als Ketten sehen könnte. Imaginäre. Jetzt erklär ich das, wo ihr das doch sehen sollt. Das sind die Lichter unseres Dorfes oben von der Höhe. Und dann die Kamera im Kreis geschwenkt. Zack.
Lieber Jens,
zugegeben ich liebe „Spiel mir das Lied vom Tod“ vielleicht aber nur, weil da eine Menge Erinnerungen dran hängen. Viel mehr Western kenne ich nicht, vielleicht eine Hand voll. Möglich, dass mir der Film gefallen könnte, aber im Moment wäre das Strafarbeit für mich ihn mir anzuschauen, anschauen zu müssen. Das kann natürlich kommen, weil ich eine Menge Seminare belegen will, belegen werde und da kann er mir dann schon als Pflicht über den Weg laufen. Aber im Moment? Nein, für mich kein „must-have“ und ich oute mich, ich habe noch nie einen DJango-Film gesehen. Deine, wie immer hervorragend geschriebene, Beschreibung hat das auch nicht besser gemacht. Leider.
Danke für Deine tolle Beschreibung.
Herzlich
Gitta
Hi Gitta,
ich habe mir die neuen Western der letzten Jahre alle angesehen. Dead man mit Johnny Depp, True Grit und den mit Brad Pitt – Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford. Ich mag Western. Hängt vielleicht mit Bonanza in meiner Jugend zusammen. Ich gehe einfach sehr gerne ins Kino und freue mich, dass es immer wieder gute Filme gibt.
Seminare? Spannend.
Danke und liebe Grüße
Jens
Einfach ein genialer film, gewalt, witz, italo-western gemischt mit moderne (vor allem in der musik).
Und dabei muss man gar nicht auf western stehen. Das thema ist nicht das vordergründigste, wie du es schon so schön beschrieben hast.
Ja, ich freu mich auf den nächsten tarantino.
Und übrigens mein liebstes brüderchen: kein jungs-film, ich war mit einer freundin drin, die genauso begeistert war wie ich :)
Schlaf gut, moon
Hallo Jens,
ja, Kerlskino, darauf stehe ich nicht so. Aber wer es mag, der soll es ruhig schauen.
Christoph Waltz kann gut spielen. Ich habe ihn in „Wasser für die Elefanten“ gesehen. Ein Schönling und ein Fiesling! Ihn im Theater zu sehen, wäre bestimmt mal interessant.
Schönes Wochenende,
Annegret
Hi Jens,
Bonanza, klar, natürlich, es gab eh kaum Alternativen :-), von Terentino habe ich einiges gesehen, Waltz ist nicht mein Fall. Ich habe Freikarten für mein Lieblingskino, wo gerade Django oder Skyfall gespielt wird, Pest und Cholera, gute Wahl, oder? Egal, ich werde beides genießen, weil ich immer versuchen Dingen eine Chance zu geben.
Zu meinem Seminar will ich morgen einen Artikel in meinem Blog einstellen. Ich werde ganz sicher noch weitere belegen, wenn ich nicht sogar zurück an die Uni gehe. Mal sehen was sich bietet, ich habe freie Wahl :-), überlege aber noch.
Ich wünsche Euch allen eine tolle Woche.
Herzlich
Gitta
Hi Gitta,
habe deinen Artikel gelesen. Ein Drehbuchseminar. Schreibst du an was? Aktuell? Spannend. Ich denke, Drehbücher sind tatsächlich speziell. Da muss man schon sehr bildlich denken. Die freie Wahl. Das klingt gut. An die Uni. Wow.
Bin sehr gespannt, was du machst.
Liebe Grüße
Jens
Hallo Jens,
vor vielleicht zwei Jahren hatte ich eine Idee, diese dann in eine Geschichte gepackt. Bis dahin hat es dem Produzenten gefallen, weil es eine bislang einzigartige Darstellung einer ganz bestimmten Fragestellung ist. Das Drehbuch na ja Bauchwehgeschichte, aber ich wollte das einfach mal fertig haben. Das Seminar hat mich sehr viel weiter gebracht als gedacht. Also erlebt es gerade eine Überarbeitung. Im übrigen wüsste ich auch, wie man das, was ich da entwickelt habe für das Theater aufbereiten könnte…., aber von Theater habe ich, außer vom Besuchersessel aus, überhaupt keine Ahnung. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass das reinhaut. Aber dahin habe ich auch keine Drähte, überhaupt nicht.
Tja ich bin auch gespannt wo es mich hintreibt, ich könnte mir auch gut vorstellen mein Medizinstudium zu beenden. Mal gucken. Ich weiß heute wirklich nicht was ich morgen machen werde. Sollte in meinem Alter anders sein, oder? Es gibt so viel zu entdecken, zu lernen, neu zu gestalten, neugierig sein auf das was da kommt.
Herzlich
Gitta
Liebe Gitta,
das alles hört sich sehr schön nach Freiheit und Abenteuer an. war da nicht was mit einer Reise? Wolltest du nicht gern? Vielleicht gönnst du dir eine Auszeit, um zu entscheiden. Vielleicht mal von der Ferne drauf schauen, was werden soll, kann. Wenn so viele Türen offen stehen, ist es doch wunder-wunderbar. Ich denke, wenn sich jemand was verdient hat, dann du.
Theater? Bei den Dramaturgen stapeln sich „unverlangt“ eingesendete Manuskripte. Da helfen nur Beziehungen. Musst du mal aug facebook nachfragen, ob wer wen kennt. Oder du bloggst und bittest um Hilfe. Vielleicht ist wer da, der jemanden kennt.
Ich freue mich für dich. Drücke dir alle Daumen, bin weiterhin sehr gespannt…
Herzliche Grüße
Jens
Hallo Jens,
ich bin auch gespannt. Wir wollten nach Neapel im Februar, da ist es mir dort aber noch nicht warm genug. Da wir an die Ferien gebunden sind, ist das nicht so einfach loszufahren wann wir das wollen. Sind ja nur noch runde zehn Jahre bis zur Rente.
Das nächste, das ich in Angriff nehmen möchte ist Wassergymnastik, so als Anfang regelmäßigen Bewegens, das über den täglichen Spaziergang hinaus geht, wobei ich da immer noch ein Bild vor Augen haben: Etwas dralle 60-70iger mit Badehauben, verziert mit Blümchen, Badeanzügen, die na ja … Mal gucken wie das heute aussieht, sofern das zeitlich passt, da wir Mitte Februar erst mal in unsere Heimat fahren müssen.
Ja, ich bin auch gespannt auf das, was da kommen wird.
Schönes Wochenende
Herzlich
Gitta
Hi Gitta,
Neapel. Eine sehr lebendige Stadt. Unser Professor sagte: Nehmt keine Portemonnaies mit. Tatsächlich hatte ich in der U-Bahn eine Hand in meiner Tasche. Und es war nicht meine.Wir waren umentspannt, voller Misstrauen. Diebe, Ganoven. Unser Prof meinte: Entspannt euch. Wir entspannten und die Welt sah plötzlich anders aus. Wir lächelten, wir bekamen Lächeln. Und freundliche Worte. Eine wunderbare Stadt.
Sport. Churchill: No sports. Sein Geheimnis. Manche Menschen sagen auch: Jeden Tag ein Glas Rotwein. Kürzlich las ich von einem Professor der meinte: Bullshit. Das Gerücht hat die Rotwein-Industrie unters Volk gebracht. Schade. „Lieber Gott, mach das Spinat wie Schokopudding schmeckt.“
Wünsche dir weiterhin alles gut und höre gerne von dem, was geschieht.
Liebe Grüße
Jens