Schwimmen mit dem Enkel des Monsieur Hulot

Ich gebe ihm einmal den Namen Bruno. En francais c’est: Brünoo. Der Enkel des Jaques Tati, des Monsieur Hulot, der sich 1953 filmisch in den Ferien tummelte. Ich bin ihm begegnet. Nicht Jaques, nein, bewahre, Bruno. In den Ferien, wie hätte es anders sein können. Das Leben verläuft in Parallelen, um zu sagen „Seht her, ich bin wunderbar und voller fantastischer Zufälle.“

Es hat mich, der Ferien und der Kinder wegen, die bewegt werden wollten, in dieses öffentliche Hallenbad getrieben. In dieses Aquarium voller badebeanzugter Menschen mit ihren so unterschiedlichen Körpern und Stilen.

Erinnerung, Traum, Wirklichkeit, Schrei. Im Hintergrund donnert Musik. Der dicke Bademeister hat das Gemeindekonzept zur Steigerung der Besuchszahlen mit fetten Bassboxen umgesetzt. Rihanna knallt durch die Becken. Die Kleinsten müssen aufpassen, vom Beat der Boxen nicht vom 3-Meter-Brett gefegt zu werden.

Ich versuche, mich hineinzubegeben in diese Welt der Freude. Lasse meine ungelenken Knie grooven, so wie alles es machen. Stelle mich mit den Kindern in die lange Reihe der Wartenden, die alle rutschen wollen. Mit einem dicken Gummireifen unter dem Arm die enge Wendeltreppe hoch. Bumm, bumm. Vor mir ein junger Mann. Unheimlich dick. Mit Boardshorts und darunter befindlicher Unterhose. Feinripp. In Augenhöhe das tiefe Tal zwischen den Arschbacken, die Ritze. So eng die Wendeltreppe, wohin blicken. Weil alle nass sind, tropft es. Von oben. Das Wasser die Körper herab zu den Füßen und von dort im Takt tropf, tropf über die Zehen auf die Stufen und von dort herab auf meinen Kopf, meinen Körper. Ich versuche nicht an den Weg zu denken, den das Wasser gegangen ist. Ritze.

Einmal. Der Kinder wegen. Dann ist gut. Dann gehe ich duschen. Abseifen. Desinfizieren. Die Kids sagen: Rückwärts! Ich habe nichts zu verlieren, denke ich fälschlicherweise und mache mich zum Papadeppen. Rückwärts die Rutsche runter! 40 Meter durch die Dunkelheit schlage ich atemlos unten im Auffangbecken ein. Adrenalin. Vollidiot, was denkst du dir? Überlebt, das ist die Hauptsache.

Die Musik wummert die Charts runter. Da muss noch jemand schnell die Welt retten und vorher seine Mails checken. Bumm. Ich ziehe mich zurück, so wie man sich inmitten eines Menschentsunamis zurückziehen kann. Ergattere einen Liegestuhl neben den Sprungbrettern. Im Sekundentakt Anlauf, Schrei, Platsch. Raus aus dem Aquarium, Modenschau an mir vorbei. Dicke Bäuche, kurze Beine, lange Arme, dicht behaart, krumm gewachsen. Alle lächeln, mehr oder weniger. Gezwungen und echt.

Ich lese Freiheit von Jonathan Frantzen. Das ist sie also. Die Freiheit. Bumm, bumm. Lese das Buch, sehe die Sprünge, entdecke Bruno. Nein. Der sieht ja aus wie der kleine Tati. Hühnerbrust, lange Spargelbeine, runder Rücken, Kurzhaarfrisur mit abstehenden Ohren und spitzer Nase. Die großen Füße des Bernhardiner Welpen schlappen an mir vorbei. Die Badehose stimmt. Schwarz, knielang. Wo kann man eine solche Hose kaufen? 1953, Bretagne. Es muss ein Erbstück sein. Der Dreier öffnet, the show must go on, die Musik schmeißt die Künstler mit ungeahnter Kraft aus der Höhe herab. Todesmutige Drehungen, die selten die 360 Grad schaffen. 330, 390, 410, 270. Zahlen, die für Schmerzen stehen, ungelenkes Eintauchen, Aufplatschen. Try and error. Wieder hoch. Egal. Ein Indianer kennt nur den weg nach vorne.

Keiner ist dabei so einzigartig wie Bruno. Er zelebriert den Sprung. Frantzen, wer schon ist Frantzen? Was hat der gegen diese Show zu bieten? Bitte. Bruno geht vorne ans Brett. Ich erwarte eine mehrmaliges Anhüpfen und kunstvolles Abfliegen. Mais non. Er schaut, nimmt den Raum auf, sieht in die Ferne. Dreht ab. Wird er gegen die Schlange die Leiter herab steigen? Bruno geht bis ans Ende. Schlappt. Die Bärentatzen am Boden, der krumme Rücken, die durchatmende Hühnerbrust. Don Quichotte de la Mancha kommt mir in den Sinn. Das Springen von 3-Meter-Brettern ist das Anrennen gegen Windmühlen.

Bruno erreicht das Ende des Brettes, dreht sich, beugt sich vor – ganz klar ein Tati – atmet tief und rennt, rennt, rennt und springt und fliegt und rudert und zerschellt in den Tiefen des azurblauen Plastikmeeres im Bumm, bumm des Chlorbeckens. Ein Held. Er paddelt zum Beckenrand, erklimmt die Leiter. Erst sehe ich den durchwirbelten Haarschopf, dann die spitze Nase, die winkenden Ohren, die sich wölbende Brust und ein breites, siegvolles Grinsen. Der Sprung seines Lebens. Zehn mal die innere Zehn für Wagemut, Haltung, Eintauchphase. Elegance. Spratz.

Adieu, Frantzen. Du hast mir an diesem Tag wirklich nichts mehr zu bieten. Wechsle die Fronten und werde zum Kampfrichter im Haifischbecken der Eitelkeiten. Salti, missglückte Schrauben, Freuden- und Schmerzensschreie. Egal. Der Mann vom Einer. Den Anderthalbfachen mit Highspeed in die Waagerechte gesprungen und mit gespreizten Beinen gelandet. Irgendwie zum Schluss ein Rad geschlagen. Hätte ich doch eine Zeitlupe. Wie soll ich da gerecht bewerten? Aua. Kleiner Bauchansatz, Haarverlust, die Eierkneifer-Badehose höher gezogen als nötig. Ästhetisch unannehmbar. Er ist stolz auf sich. Was für ein Sprung. Ich spüre die Schmerzen, er den Erfolg. Klettert wie ein Klippen herunter springender Südamerikaner aus dem Becken und stellt sich wieder an. Gleich hinter die kleinen Mädchen und Jungs, denen die Taschen und Schildchen aus den schief gerutschten Bademoden hängen. Hier ist nix gerade. Alles schief, verbogen, krumm. Bumm, bumm.

Direkt hinter ihm Bruno. Teambuilding. Die Weitspringer. In direkter Reihenfolge. Der waagerechte Anderthalbfache ist einstudiert. Ich glaub es nicht. Der zweite Sprung identisch, der Schmerz hat Methode. Wieder mit gespreizten Beinen eingeschlagen. Bruno wieder nach vorne, nach hinten, vorgebeugt, Anlauf mit Vollgas und Bob Beaman acht Meter Neunzig. Mindestens. Einschlag. Der prügelt Glücksgefühle aus dem Körper in die Blutbahn, anders ist das Lächeln nicht zu erklären.

Drei Stunden. Familientarif. Ich sammle die Kinder ein, beziehungsweise schaue, was von ihnen übriggeblieben ist. Bumm, bumm. Alle unter die Dusche. Bruno. Unfassbar. Selbst das Duschwasser schwingt im Takt. Der dicke Bademeister hat zum Abschied noch einmal an den Reglern gedreht. Da geht was. Hoffentlich baut sich im Becken keine soundgetriebene Monsterwelle auf. Es wäre schade um den kleinen Tati und all die anderen Helden des Alltags. Herabgespült von den Höhen des Triumphbogens. Au revoir. Es wäre wirklich schade.

Allein, allein…

Traurig. Selbst der Hund ist weg. Alle haben mich verlassen. Eben noch war das Haus voller Leben, nun bin ich allein, allein. Polarkreis 18. Ich habe die sentimentale Kitschversion gewählt. Hier das offizielle Video, wenn euch das andere zu intensiv gesungen ist. Obwohl, ich glaube, das ist genauso soft.

Eben fuhren drei Kombis vom Hof. Und wer sitzt nicht drin? Ich. Drei Familien auf dem Weg nach Schiermonnigkoog. Herbstferien. Heul. Auf dem Weg durch das Ruhrgebiet hoch an die Küste. Groningen, Lauwersoog. Der Wind weht, die Fähre legt ab, die Leuchttürme leuchten von weitem. In der Mitte das Hotel van de Werft. Abends vom Strand kommen, mit Kindern und Hund, einkehren, ein Bier trinken, das warme Gefühl vom kalten Wind im Gesicht. Das Glück geatmet, die Natur. Fernab.

Jens allein zu Hause. Muss arbeiten. Habe den Schreibtisch voll. Drei Projekte, die bearbeitet werden wollen. War ja gerade erst auf Norderney. Nur, wenn man sie so wegfahren sieht. Und selbst Coopi ist mit. Klar, für den ist das dort das Paradies. Weiten. Der riesige, riesige Strand mit der vorgelagerten Sandbank. Robben drauf, manchmal. Laufen, laufen, laufen.

Ela hat ein großes Haus gemietet. Die Kombis sind voller Kinder. Freunde von Jim, Freundinnen von Zoe. Vier Jungs, fünf Mädchen. Fast eine Klassenfahrt. Das ganze Wochenende war hier Highlife. Jetzt ist es so still. Gut, kann ich mich auf meinen Job konzentrieren und abarbeiten. Finger fliegen lassen. Und als kleiner Trost ist da ja noch das Coldplay-Konzert.

Die fehlen mir jetzt schon. Als Familienpapa ist man scheinbar kein ganzer Mensch mehr. Ein Teil ist reserviert. Gehört anderen Menschen. Und einem Hund. Keine Spaziergänge morgens. Soll ich alleine gehen? Hach. Seine dicke, schöne Nase. Gestern Abend habe ich noch mit Ela in ihrem Zimmer einen schönen Film gesehen. David Lynch. Die Straight Story nach einer wahren Begebenheit. So ein schöner ruhiger Film. Sehr, sehr ruhiger Film. Eigentlich vom Stil her ein europäischer Film, wenn er nicht in Amerika spielen würde. Ein fantastischer Hauptdarsteller. Von 1999. In dem Jahr ist Zoe geboren, weshalb ich damals wohl nicht ins Kino gekommen bin. Der Film war also an mir vorbeigerauscht.

So. Genug der Sentimentalitäten. Das Leben ruft mit Aufgaben. Los geht’s. Irgendwie bin ich nach dieser Zeitumstellung noch der Zeit voraus. Erst zwanzig nach Acht. Sonst bin ich immer zu spät, heute zu früh. Auch nicht schlecht. Fange ich eben früher an. Euch wünsche ich eine schöne Woche im Kreise euren Liebsten. Ich werde mal sehen, dass ich mit mir alleine zurechtkomme. Gott sei Dank habe ich mir ja immer genügend zu erzählen. Langweilig wird’s nicht:)

fiftyfiftyblog trifft Coldplay

Ja! Man muss ja auch mal Glück haben, trompetet der Pessimist! Oder: Hip-Hip-Hurray. I did it. I got it. fiftyfiftyblog ahead. Vorne dabei. Nächste Woche, Köln, E-Werk, exklusives 1Live Radiokonzert. Coldplay. Karten gibt es nicht zu kaufen. Und wer hat eine? Wer bekommt eine? Moi. Er, der Texter. Der Macher vom fiftyfiftyblog. Coopers Herrchen seines Zeichen. Der Typ an der Tastatur, an den Hebeln, die die Welt bewegen… (Jetzt geht es wieder mit ihm durch. Danke Herr Schönlau für ihren Beitrag, setzen. Sie sollten doch den koffeinfreien Kaffee trinken, der andere dreht sie so auf. Ging nicht? Ah! Die Kinder schliefen, die Mühle wäre zu laut gewesen, deshalb die volle Dröhnung. Herrje. Arme Welt. Dieser Irre unter Adrenalin. Dann Gute Nacht, Marie…)

Hallo! Also wirklich. Nach gestern, dem Desaster auf ganzer Linie. Erst musste ich meiner unterdrückten Wut freien Lauf lassen, dann die Info des Unglücks in Ligurien hinnehmen. Tiefe Treffer, voll erwischt bei offener Flanke. Wer austeilt, muss auch einstecken können. Und dann am Abend, nach einem Kundentermin in Köln und einer später Nachtwanderung mit den Kindern durch den finsteren Wald ins Nachbardorf die Nachricht: Eine Coldplay-Karte für den Herrn Schönlau, der sich jetzt und hier hochoffiziell bedankt.

Merkt ihr eigentlich, dass ich turboschreibe? 8:34. 9:00 Telefontermin Interview. Vorher: Bloggen, raus mit Coopi. Verpennt, ich Dusel. Ferien. Noch einmal rumgedreht.

Also 1Live. Eigentlich lag ich mit denen ja ein wenig im Clinch. Ihr wisst, wegen battlefield 3. Das lief dann noch weiter. Im Stillen. Ich habe nicht losgelassen, zähes Teil. Widder. (Auch Buddhisten müssen manchmal in die Welt, streiten. Alles andere wäre Idioten-Mitgefühl. Also das Rausziehen aus der Welt. Das Schönreden.) Gerne durch die Wand. Ich hatte mit dem Jugendschutzbeauftragten des WDR gemailt. Hin und her. Sehr netter Mensch. Der hatte mit der 1Live Redaktion gesprochen. Die haben das Thema in eine Redaktionssitzung genommen. Und: Es gab ein Ergebnis. Eine Sensibilisierung. Das fand ich enorm. Äußerst positive Erfahrung. Danke! Danke! Tiefe Verbeugung. Ein vorbildlich basisdemokratischer Prozess. Ich erhielt eine Dankesmail für mein Einmischen. Hut ab. Alles sehr ruhig, sehr erwachsen. Und scheinbar hat mir 1Live verziehen. Also nachtragend sind sie nicht. Guter, guter Sender:) Menschen an den Empfangsgeräten der Welt: Hört 1Live. Jawoll.

Hier nun Coldplay als Opener des Tages.

Countryroad und Häagen Dazs

Hier mal wieder zwei Fotos, sonst wird es so buchstabenlastig im fiftyfiftyblog. Text, Text, Text. Bleiwüsten. Das mag er, der Texter, die Welt mit Buchstaben erfüllen. Kleine Informationsschnipsel wie Blütenstaub im Wind. Hach. Nun also: Werbung für’s Land und einen dänischen Dickmacher. Stadt – Berlin – und Land. Mein süßes, kleines, menschenfreies, schönes, schönes Land. Yummi.

Vernazza, Monterosso zerstört oder was?

Eine Hiobsbotschaft kam über den Blog. Ein Unwetter über Ligurien hat heftig gewütet. Neun Menschen starben in der Region, die Zerstörung ist groß. Was wo genau los ist, keine Ahnung. Google spuckt kaum Ergebnisse aus. Hier der n-tv Bericht. http://www.n-tv.de/panorama/Gegend-um-Cinque-Terre-zerstoert-article4623376.html Es hat wohl in der Nacht 500 Liter pro Quadratmeter geregnet. Eine unvorstellbare menge. Das ist normalerweise die menge eines ganzen Jahres – in einer Nacht.

Mittlerweile sind einige Videos von Augenzeugen online. Durch Vernazza lief Wasser als reißender Strom. Von den Parkplätzen am Ortseingang wurden Autos wie kleine Holzboote durch den Ort in den Hafen getrieben. Wahnsinn. So viel Wasser. Das ist alles so unvorstellbar. Für mich. vernazza gehört zu den Orten auf der welt, wo ich mich am wohlsten fühle. Vorne an der Hafenmole sitzen und aufs Meer schauen. Unglaublich, was da geschehen ist.

Aufräumarbeiten in Vernazza: http://www.youreporter.it/video_Alluvione_Liguria_Vernazza_2

Das ganze Ausmaß der Katastrophe: http://www.youreporter.it/video_Alluvione_Vernazza_piazza_Marconi_sommersa_dal_fango

Hier Fotos und Videos: http://www.cinqueterre.com/blog/de/alluvione-alle-5-terre-foto-e-video

Der Hafen vor und nach der Katastrophe: http://twitter.com/#!/cinque_terre/status/129660893431734272/photo/1

Ein weiteres, italienisches Video: http://www.ilsecoloxix.it/p/genova/2011/10/28/AOOYB5HB-video_alluvione_immagini.shtml?hl

Die Situation in Levanto: http://video.wetteronline.de/?t=20111026vl&h=500-Liter-Regen-in-Ligurien

P.S. Es gibt nun einen Verein “Zukunft für Vernazza”, der Spenden für den Wiederaufbau sammelt. Ihr könnt auf der Seite einfach auf “Donazione” (spenden) klicken und dann im Formular oben als Land Deutschland auswählen, denn werdet ihr in Deutsch durch den Spendenprozess geführt. Bitte gebt! 2, 3, 4, 5, 100 Euro – egal. Zeigt einfach eure Anteilnahme, auch mit kleinen Beträgen. Würde mich freuen!

Hier der Link zur Spendenseite: http://vernazzafutura.blogspot.com/

In den letzten Jahren haben wir viel Zeit in der Region verbracht und die Cinque Terre und die Menschen dort sind uns wirklich ans Herz gewachsen.

Cinque terre im fiftyfiftyblog:

Prall, sinnlich, verführerisch!

Lampedusa, Levanto, Liebe, Le Havre

Abendspaziergang nach Monterosso

Blick von der Piper Bar auf Lampedusa.

Nicht irgendein Cappuccino!

La Dolce Vita – FINITO!!!