Mein Vater kommt mir in den Sinn. Wieder einmal. Und gerade heute, an diesem wundervollen Tag. Mann. Wie hätte ihn das gefreut. Ich möchte ihn umarmen. Wir hätten gelacht. Herrje. Auf meinen Ohren die Sixties. Soul. Dazu später. Es gibt Zusammenhänge. Überschaubare, einfache. Alles easy.
Liebe Welt, ich muss dir erklären, es ist vorbei. Spontan, ad hoc. Eine Last fällt von meinen Schultern, Tonnen, Planeten, Monde, der Mars kompletto.
Es wird warm. Herr! Dieser Winter… Vergessen. Haken dran. Der wird in diesem Leben nicht mehr mein Freund. Wir kommen irgendwie klar. Irgendwie. Dieses Jahr habe ich mich echt auf den Brustwarzen ins Ziel gerobbt und gerettet. Und dann plötzlich. Als wäre nix und gar überhaupt gar nix gewesen: Frühling. So ein echter. Kurze Eckdaten: Blauer Himmel, Vogelgezwitscher, Pflanzen, die was machen und vor allem – Wärme. Oh. Ah. Meinen Körper umfängt so ein laszives Tanzen, Hüftmoves, Kickasses.
Heute hatte ich meine Überlebensdaunenjacke, die mich mehrfach vor dem Erfrierungstod (Hand drauf, ehrlich! Wirklich! Unheimlich!!!) gerettet hat, in der Agentur vergessen. Zum ersten Mal seit Monaten! Weil mein Körper gesagt hat: Will ich nicht mehr, kann ich nicht mehr sehen, soll die am Bügel verrotten, wir setzen die spezifische Daunenjackenerinnerung im Gehirn auf OFF. Hat geklappt. Raus aus der Tür, lächeln, Stufen runter getanzt. Honey, honey.
Und nun? Sitz ich hier. War im Garten, habe einen Busch beschnitten, habe Yoga gemacht, meine Klamotten der letzten Rumreisen weggeräumt, habe Kerzen entzündet, Mails von Freunden gelesen und bestens gelaunt die Spotify-Reise in die Vergangenheit angetreten.
Da kommt mein Vater ins Spiel. Als ich Kind war, so besonders erinnerbar ab 1969, da hat er von den 50s geschwärmt. Mir war das ein Rätsel. Komische Musik, habe ich gedacht. Und nun: Was soll ich sagen, Asche auf mein Haupt, kehre ich in die alten Zeiten zurück. Meine Lieblings-Playlists auf Spotify sind derzeit Soul Classics of the 1960s und 70s Road Trip. In wenigen Tagen werde ich 50 und muss mich nun stellen. Die Schwelle ist da, wie immer man sie interpretiert. Aber: Ich bin nicht bereit, sie zu verharmlosen. Aus Respekt! Vor meinen Eltern. Als sie 50 wurden, habe ich gedacht, dass sie jetzt alt sind. Alt.
O.K., O.K., bevor ihr euch aufregt: Nein, ich bin nicht alt. Obwohl meine Kollegen, die Mitte der Achtziger geboren sind, schon Spaß daran haben. Wie stand jetzt in meinem Kalender: Jens zwei Tage weg – testet Altersheim (tatsächlich entführt mich Viveka mit einem Flugzeug in ein unbekanntes Land). Grins. Arschgeigen (love them). Nunja, wer austeilt. Ehrlich? Meine Falten stören mich nicht. Das Knie, das jetzt manchmal schmerzt, auch nicht. Die Sprints, die beim Fußball jetzt manchmal doch schon recht lang dauern, bis sie ankommen. Gegessen. Das Einzige, was mir nicht gefällt, ist das Verschwinden meiner Vergangenheit aus dem Bewusstsein der Allgemeinheit.
Was ich erlebt habe ist plötzlich mal Retro, mal out. Ich kann nun meinem Vater nachfühlen, der seine Zeiten hat verschwinden sehen. Meine Generation ist nicht mehr am Drücker. Klar, wir haben uns durch die Institutionen gehangelt und ich treffe im Beruf Alterskollegen auf Chefstühlen. Kürzlich haben unsere Leute bei einem fetten Unternehmen präsentiert und es stellte sich heraus, dass der Marketingleiter mit mir studiert hat. (Alte Zeiten, kein Bachelor, wir hatten Spasss satt. Und gute Sachen gelernt. Anders. Fernab aller Pläne. Freestyle.) Ja. Aber wir haben nichts mehr mit der Musik zu tun, die jetzt im Radio läuft. Es hört auf, mir etwas zu sagen. Ohne, dass ich mich sperre oder verurteile. Es ist einfach dieses Gefühl, dass sie nichts auslöst. Ich fahre durch die Natur, höre und all das Draußen ist aufregender.
Sage ich mal arrogant: Das ist Weisheit. Nunja. Die Wahrheit ist, es ist ein Hinausgleiten aus den Trends. Die Texte sagen mir nichts, die Art des Singens sagt mir nichts mehr. Mir. Das ist genauso gut wie früher, nur eben nicht mehr für mich. Stevie hat sich wieder einer Plattenspieler gekauft, er hat die Platten aus dem Keller geholt, ein Sofa davor postiert und hört die alten Scheiben. Und ich muss sagen, dass ich heulen könnte, wenn ich an die alten Zeiten denke. So wie mein Vater hätte heulen können, wenn er an seine Zeiten gedacht hat und meine Kinder über ihre Zeiten werden heulen können, wenn es ihren Vater nicht mehr geben wird.
Gerade läuft: Tom Petty and the Heartbreakers: Breakdown. PENG. Angefangen hat das mit GUARDIANS OF THE GALAXY (geiler Film in 3D mit super Mucke, hab ich gleich den Soundtrack gekauft, aus Respekt vor allem, allem. Manchmal muss man der Welt Demut entgegenbringen. Sag ich mal. Oder? Ich denke schon.) Ich muss mich korrigieren. Es hat früher angefangen. 2012. Mai, Juni. Das war eine Musikreise, ein Durchleben der Zeiten. Abtauchen, auftauchen. Da konnte ich Musik atmen, brauchte keinen Sauerstoff, keinen Schlaf. Mein Körper war mumifiziert. Portishead. Roads. „From this moment, how can it feel so wrong.“ Diese Frau, diese Stimme, dieses Fühlen. Manno.
Nun gut. Schauen wir nach vorne. Die Feierlichkeiten sind vorbereitet. Im ersten Schritt werden Jens, Jens, Jens (die drei aus der Küche) den Frühlingsrun nutzen und gemeinsam kochen, um die 50s Party vorzubereiten. Erste Zusagen sind da, die üblichen Verdächtigen. 1. Akt. Im September gibt es dann den Festakt. Zu viert, weil 65 ein geburtenstarker Jahrgang war, da muss man zusammenrücken. Eine Space-Party mit 4 x 50 = 200. Wir haben ein Haus gemietet. Mit Betten. Mit Platz zum Tanzen. Mit Raum für all die Zeit.
Nachdem ihr euch hier nun durch Krieg und Frieden durcharbeiten musstet, mache ich mal Schlusso und verbleibe mit positiven Vibrations. Fleetwood Mac schickt mir Dreams auf die Ohren. Eine Erkenntnis im Zwischenstand: Beseelt ist das Wort meiner Zeit. Mein Vater, er auch. Beseelt. Sein Gott habe ihn seelig. Er fehlt, wie anderes auch. Nur mehr. Und was kommt, bringt mich ihm näher. Ich liebe ihn.
mir (Jahrgang 71) geht es in Sachen Musik genauso. Aktuelle die interessierten mich nicht so. Hauptsächlich höre ich jetzt älteres Zeug, wie eben Tom Petty oder zz Top. War ich früher immer auf der Jagd nach neuem „geilen Scheiß“, ist es mir heute fast egal.
Klar freue ich mich wenn ich mal was neues gutes entdecke, wie zum Beispiel die Blues Pills oder die Black Keys. Doch ich kann auch, im Gegensatz zu früher, sehr gut ohne.
Allerdings weigere ich mich dritte Musik der 80’er, meiner Jugend, heute als Oldies anzusehen. Oldies sind und bleiben für mich die Songs der 50’er und 60’er,die ich auch sehr gerne höre (ein hoch auf das unglaublich große Angebot an Internetradios.
Mal ohne Scherz, wie ist das so, dass 50 werden? Ich hatte ja groß daran zu knabbern als ich 40 wurde, wie soll das erst mit 50 werden? Ich habe Angst.
Hi,
guten Morgen. Danke für deinen Kommentar. Musik. Ohne geht’s nicht. 50 werden? 50 Jahre Musik:) 18.250 Tage. Augen aufschlagen. Sehen. Leben. Das komplette Programm. Ich habe Respekt. Natürlich fühlt sich nichts anders an, weil die 50 ja langsam angeschlichen kommt und dann wie Kai aus der Kiste plötzlich da ist. Ein paar Tage noch. Zack. Nun, ich bin froh, wie es ist. Ich durfte gute Jahrzehnte durchleben – auch musikalisch. Es gab immer was Nettes auf die Ohren. Und ja, es gibt Trost. Das, was so immer über Erfahrung geplappert wird und was man nicht glaubt oder für eine Altersmär hält, das gibt es wirklich. Für einen selbst. Das ist schon nicht schlecht, immer wieder alles neu erfinden zu müssen. Manches hat sich als richtig gut etabliert. Gleichzeitig bleibt Raum für Neues und Veränderung. Jetzt freue ich mich auf die Party. Mit 60s und 70s Mucke und Leuten mit ähnlichem Jahrgang. Wir sprechen meist nicht über Krankheiten. Noch:)
Viele, viele Grüße
Jens
Lieber Jens,
So, Du wirst also 50 Jahre alt. Die Musik im Radio fühlt sich anders an, Namen der Interpreten oder gar Songtitel zu merken, lohnt sich seltener, zu viele davon sind morgen wieder verschwunden. 50 Jahre, schon hammerhart, 2. Hälfte bis hundert beginnt.
Ich bin gestern das zweite Mal Oma geworden, werde nächstes Jahr 60, Einlauf auf die Zielgerade. den Tod schicke ich noch auf lange Reise weit von mir weg, dennoch die Einschläge um mich herum kommen näher, aber auch neues, junges Leben, das erfrischt, aufrichtet, jünger macht, nein falsch, jung erhält. Etwas Junges ist immer in uns und wenn wir nicht zulassen, dass es durch das Leben, den Alltag, die Langeweile getötet wird, bleibt es bis zum letzten Tag erhalten. Lieder der 50er, der 60iger, Beat, Rock, Klassik, die ersten Heavy Metall Anfälle, habe ich alle mitgemacht, kenn‘ ich, jede Zeit hat ihren Reiz. Lass‘ das Knie ziepen, den Sprint laufen, die Musik nimm mit, das Lachen Deiner Kinder, Deiner Partnerin, Deiner Familie, die Leichtigkeit des Lebens, die manchmal heftig schwer ist, aber all das hält frisch.
Schöner Text, danke dafür.
Lieben Gruß
Gitta
Liebe Gitta,
herzlichen Glückwunsch zur Geburt deines Enkelkindes. Wie schön. Ach, so einen Winzling in den Armen halten und zu sehen, wie aus einem Neugeborenen ein Baby ein Kleinkind ein Kind ein Teenie ein Erwachsener wird. Und das alles irgendwie nach den eigenen Kindern ein zweites Mal zu erleben. Wenn ich mir vorstelle, einmal Opa zu werden… Hach.
Nun werde ich erst aber einmal 50. Das ist vom Aussehen der Zahl her gewöhnungsbedürftig, aber ich werde den Sprung schon schaffen. Da bin ich zuversichtlich. Schließlich habe ich mittlerweile einige Instrumente an Bord, das Schiff zu schaukeln. Und dann ist da ja immer noch all die alte, neue, kommende Musik, die das alles versüßt.
Herzliche Grüße nach Berlin
Jens
Lieber Jens,
danke für die Glückwünsche. Es stimmt so ein kleines Leben dabei zuschauen zu dürfen wie es wächst und gedeiht, das ist schon hammermäßig.
Eins wollte ich Dir noch auf Deinem Weg in die „Fufziger“ mitgeben, das mag vielleicht trösten: An diesem gesagten Tag wirst, wenn du am Morgen erwachst, auch Du nur einen Tag älter und die Zahl 5 ist dann auch nur Makulatur.
Herzlich
Gitta
Hallo Jens,
die magische Fünfzig ist kein Alter, vor dem Du Dich fürchten brauchst. Es ist nur eine „Kilometer-Angabe“ am Rande des Lebensweges. Unsere Geschwindigkeit, unsere Kraft und unser Gehirn verändert sich vielleicht, aber wir sind immer noch da. Die Jungen rücken nach. Das ist ganz natürlich.
Manchmal müssen die Jungen sehr lange warten, bis sie nachrücken dürfen. Ich brauche da nur an meinen Vater zu denken. Die „Alten“ wollen so lange wie möglich daran festhalten, daß sie es am Besten machen. Da haben die Jungen es schwer. Erst wenn ein Landwirt seinen Betrieb übergibt, kann er mit 65 Jahren Rente bekommen. Das ultimative Datum.
Die Welt ist ständigem Wechsel ausgesetzt. Und das ist gut so.
Liebe Grüße
Annegret
mannoman…kennen wir uns irgendwoher? ich bin doch um einiges jünger (naja, sind 11 jahre einiges?)…und breakdown, auf platte unbedingt (mit knistern und vorfreude) ist mit stairways to heaven und brothers in arms, cocaine, und ach so vielen alten meistern, meine lieblingsrutsche in gutes gefühl! :)))