Sorry, heute habe ich die Headline, die Überschrift missbraucht. Diesen Satz möchte ich mir merken, deshalb habe ich ihn hier in das Tagebuch geschrieben, damit er erhalten bleibt. Wie es zu ihm kam? In diesem Fall ist es eine lange Geschichte, die einen Tag beschreibt.
Den Tag.
Er kommt jedes Jahr und ist für mich besonderer als Weihnachten. Er gibt mir meinen Atem zurück, meine Freiheit, meine Leichtigkeit. Ich könnte ihn T-Shirt-Tag nennen oder den Beginn der Draußen-Zeit. Seit ich hier in der alten Schule wohne, hatte ich ihn in jedem Jahr.
Der Winter auf dem Land ist lang. Hier in Nosbach viel länger als in Köln. Er beginnt früher und endet später. Das sind nicht Wochen, sondern Monate. Schrecklich. Aber heute, heute endlich, konnten wir einen Haken dran machen. Die warme Jahreszeit hat begonnen. Die Zugvögel sind lange durch, die Sonne geht schon wieder im Westen (über Welpe) unter und die Temperaturen, ja die Temperaturen… Vorerst kein Ofenfeuern mehr (und kein Holzschleppen aus dem Keller). Plötzlich sind alle da. Draußen, vor der Tür. Auf einen Schlag.
Heute habe ich frei gearbeitet. Nach nicht ganz einfachen Tagen mit Viveka und Ela war ich froh, wieder auf der Spur zu sein. Das ist dieses Gefühl, Energie für sich zu haben. Um kurz nach Sechs ging der Wecker, Herr Cooper und ich haben uns auf den Weg gemacht und ich spürte: Frühling. Warm. Keine Daunenjacke. Yippie. Mir kam mein Trecker in den Sinn, und das nicht Anspringen.
Aus dem Wald heraus habe ich den Landmaschinenmechaniker meines Vertrauens angerufen und um technischen Support gebeten. Er wusste sofort. Mach dies. Mache jenes. O.K. Am Morgen hatte ich keine Zeit, dieses oder jenes zu machen, weil ich texten musste. Wollte. Termine, Anforderungen, Wünsche. Mail rein, Auftrag, Texte raus. Telefonate, Mittagessen.
Mittags habe ich das Curry von gestern aufgewärmt, habe mir einen Cappuccino auf der Treppe vorm Haus gegönnt, habe die Sonne genossen, die Texte fertiggestellt und bin raus. Wie ein junger Hund: Die weite Welt wartet, was nun? Oi. Menno. Was ich dann alles gemacht habe. Den Trecker repariert. Kleine Ursache, große Wirkung. Die Anschlüsse der Batterie gesäubert und WROMMM. Die Winterqualmschwaden zum Auspuff hinaus, das Tuckern des Diesels im Ohr. Like it. Aus der Überdachung heraus auf den Schulhof. Tuck, tuck.
Äste aufladen, Laub rechen, ab in den Wald. Noch einmal und noch einmal. Schulhof fegen, Gartenstühle rausstellen, Feuerschale säubern, Rasen mähen, die Nachbarjungs mit dem Tecker kutschieren, Bier kaufen, mit meiner Mama telefonieren, mit einem Freund, der sich verletzt hat. Die ganze Zeit über die Sonne im Gesicht. Mehr braucht es nicht. Zwischendurch Mails gecheckt, Anfragen beantwortet, knappe Zeilen geschrieben und wieder raus aus dem Office.
Irgendwann lief mir Alex vor die Füße, mein Nachbar. Er hat mir seinen richtig guten Drehmomentschlüssel geliehen, den ich morgen brauche. Bremsscheiben und Bremsklötze hinten am Familienkombi wechseln. Da sollte das Drehmoment stimmen. 220 Nm. Die Ersatzteile sind heute gekommen, der Bremsenrücksteller nicht. Also habe ich mit dem Briefzusteller vereinbart, dass ich ihn morgen Früh auf seiner Tour abfange. Von 10 Uhr bis 10 Uhr 20 in der Langenbacher-Straße. Ich werde dort sein, dann kann ich die Kiste aufbocken und loslegen. Ist aufregend, aber die vordere Bremse habe ich auch schon komplett ersetzt. Eigentlich ganz einfach, man muss nur die Traute haben.
Ich kann euch nicht sagen, wie schön das alles war. Dieser Tag, dieses Draußensein, die Luft, das Licht. Die Nachbarskinder auf meinem Trecker, die Jungs aus dem Dorf: “Wir haben zwei Fragen: Dürfen wir aufs Trampolin und 2., dürfen wir an eurem Weiher angeln?” Sie durften, beides. Grins, strahlende Gesichter, wie schön.
Abends wollte ich mich mit Jim ans Feuer, aber er war kurzfristig zu einer Party eingeladen worden. Und Sausewind war er weg. Schade für mich, schön für ihn. Also hab ich alles weggeräumt. Die Gartengeräte, den Holzspalter (endlich ist die Buche vom Herbst gespalten), die Motorsäge (manchmal ist das Holz zum Spalten zu lang).
Auf einmal waren dann alle da. Der Stamm hat sich versammelt. Großes Palaver. Wir haben uns an unserer Feuerschale getroffen. Dann kam dieser hinzu und jener. Ein aufgeregtes Gerede – die Kommunikationssperre, die Ausgangssperre der dunklen Jahreszeit endlich aufgehoben. Das Feuer, die Flammen, das Reden. Alle. Kinder, Nachbarn.
Dort stand ich in der Dunkelheit und schaute zu den Sternen: “Die Sterne sind die erste Reihe der Unendlichkeit.” Und was kommt dann, habe ich gefragt. “Das Nichts.” Ups. Das Nichts. Wie mag so ein Nichts aussehen? Von der Frage werde ich noch was haben.
Tja, wie?
Ich freue mich auf jeden Fall, heute diesen Tag der Tage erlebt zu haben. Kaum auszudenken, ich hätte ihn verpasst – wegen Arbeit und so.
So wünsche ich euch einen schönen neuen Tag und sage einfach: Danke. Dem Leben, der Welt, den Sternen, der Unendlichkeit für diesen unendlich schönen Tag. Endlich zurück im Leben.
Hallo Jens,
wow – schön zu lesen, wie der Frühling, die Sonne, Dich aufleben läßt!
Leicht sonnige Grüße
Annegret
Aus dem finstren Mittelalter auf nach Elysium:)
Liebe Grüße
Jens