Manchmal sind es die Bilder im Kopf, die bestimmen. Manchmal ist es die Sprache. Dann wieder, wie meistens, sind es die Gefühle. Oder Emotionen, wie wir sie fachtermonologisch in der Kommunikation sprich Werbung nennen.
Heute Morgen musste ich raus. Mal wieder wie früher eine schöne Runde mit Cooper gehen, damit mein Kopf durchatmen und mein Gehirn sortieren kann. Diese Natur da draußen ist ein echter Freund und zugleich der weite See, an dessen Oberfläche sich alles ordnet. Es ist wie das Einräumen der Einkäufe in den Kühlschrank. Das Gemüse in das 0-Grad-Fach, die Möhren nach unten, den Salat so, dass er nicht gedrückt wird, die Milch ins unterste Fach, Liter neben Liter neben Liter.
Wir sind dorthin gegangen, wo ich lange nicht mehr war. Zum kleinen Baum, der sich auflöst in den Wirren der Zeit. Der dort am Boden liegt und mit jedem Sturm und Regen ein wenig weniger wird. Ein Hinscheiden offenen Auges. Man kann zusehen, oberirdisch.
Auf dem Weg durch den Buchenwald, Herr Cooper sah mich an, als erinnere er sich an vorherige Zeiten. Dort traf ich auf diesen zur Überschrift inspirierenden Ast. Sieben Meter lang. Am Boden, gehalten am Waldrand vom Stacheldrahtzaun der angrenzenden Wiese. Wie eine Schlange liegt er dort. Moos an den Stellen, wo noch Rinde ist, ansonsten nacktes Eichenholz. Gewunden, vom Licht gezogen, als er noch oben hing, sich vom Wind wiegen ließ. Tagschlaf, Meeresträumen, Liebeswunsch.
Die Natur ist eine fortwährende Metapher, ein Spiegelbild, ein Buch des Wissens, der Anmut, des Fragens. Durch sie hindurch zu schlendern, ohne die Sinne der Metaebene, gleicht verschenkter Liebesmüh. Wir verließen den Wald, ich kletterte über den Stacheldraht und lief auf die hohe Eiche zu, die dort allein und streng vom Westwind geformt inmitten dieser großen Wiese steht.
Es kam mir der Gedanke an den ersten Augenblick des Tages, diesen sensiblen Moment, der so viel verrät. Wenn die Augen noch geschlossen sind, das leichte Aufwachen kommt, nur diese kurze Zeitspanne. Und, welches Bild zuerst? In meinem Fall sind es am Morgen zwei Gedanken. Es ist das Herzensbild, das mir das liebste ist. Steht der Gedanke am Anfang eines Tages, ist alles ruhig entspannt und das Schöne, Weiche hat die Möglichkeit, sich Raum zu nehmen. Das Lebensbild ist faktischer, kerliger und eher real. Quadratisch, praktisch, gut. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Es kommt der Tag, da muss die Säge sägen. Sich beidem anzunehmen, die Wertung auszuschalten, ist der kleine Trick, der morgens schon dem Horizont des Tages seine angemessne Weite gibt.
So. Das Tagwerk mag beginnen. Vor mir liegt ein Husarenritt. Heute muss die Glocke werden. Es sind so Tage, an denen der Kopf zurechtgerückt werden muss. Bestimmte Areale gilt es auszuschalten, um die gesamte Energie in Output fließen zu lassen. Jetzt gleich den Hebel umlegen, Gefühle ausschalten, eiskalter Profi werden und die 26 kleinen Freunde mit grober Gewalt und feiner Kunst über die Ebene prügeln, bis die kleinen Fußspuren ein Bild ergeben, dass der Himmel sehen will.
Ich wünsche euch einen schönen Tag, eine gute Zeit. Ein kleines Wort noch, das alles in sich trägt: Liebt.
Hallo Jens,
welch ein schönes Bild: “ die 26 kleinen Freunde mit grober Gewalt und feiner Kunst über die Ebene prügeln, bis die kleinen Fußspuren ein Bild ergeben, dass der Himmel sehen will.“ Der Maestro komponiert, fügt zusammen, retouchiert, ergänzt, bis das Werk ist vollkommen.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.
Annegret
Und nachträglich hat sich das Foto hingeschoben. Ne, ne. Technik, die zaubert …
Ich habe das Foto ausgetauscht. Gefällt mir besser. Kleine Korrekturen.
Hi Annegret,
manchmal habe ich Lust, barock zu schreiben, mit Schnörkeln und Arabesken:)
Liebe Grüße
Jens
Es lebe die Vielfalt!
Der kleine Baum, neulich beim Lesen deines Blogs dachte ich daran… schon lange nicht mehr davon gelesen.
Schön gesagt (ähm geschrieben): Schreiben mit Arabesken und Schnörkeln. Ja manchmal muss es einfach sein, wo doch die Kunst im Weglassen liegt ;-).
Dir ein schönes Wochenende, lieber Jens!
Sonnensatte liebe Grüsse
Danièle
Hi Danièle,
ja, manchmal das große Programm, die Klang-Kavallerie, Trompeten, Hörner, Querflöten, Trommelwirbel. Und dann wieder, wie bei deinen Ringen auch, die feinen Linien. Zurückgenommen. Klar, puristisch.
Ich wünsche dir auch ein schönes Wochenende
Jens
Ich hätte da mal eine Frage: Was meinst Du hier mit Metaebene?
Durch sie (die Natur) hindurch zu schlendern, ohne die Sinne der Metaebene, gleicht verschenkter Liebesmüh.
Da ich gerade gestern noch ein Gedicht über das Verlassen der Metaebene geschrieben habe, bin ich jetzt verwirrt. (Mal nicht vom Wellenritt in der Karibik) Wenn ich von dem Prozess „Spaziergang durch die Natur“ so bewegt bin, kann ich mich auf die Metaebene begeben, um emotional Abstand zu nehmen. Das dürfte hier wohl eher nicht gemeint sein.
Heute mal kopflastig ohne Rum und Kajütenphilosophie
Holzbeinpiratin!
Hi, hi, liebe Kollegin aus der Meeres- und Sprachenwelt,
ich musste den Text noch einmal lesen und mich erinnern, was ich meinte, als ich es schrieb. Die Konstruktion ist gewagt. Die Metallene mit speziellen Sinnen zu kreuzen. Huch. Alles ein wenig gestelzt, zugegeben. Mir war danach. Barock mit Engelshaar, nö.
Als ich durch den Wald ging und den Ast sah, da war mir anders. Ich wollte den Augenblick und mit ihm die Realität verlassen. Und eher die Dinge sehen, die über allem schweben und auf einer anderen Sinnesebene Sinn schöpfen. Das Metaphysische, vielleicht. Wenn so ein Ast dort liegt und ich ihn sehe, dann liegt dort ein Ast. Das könnten denn mal alle unterschreiben, das wäre dann der Konsens. Dort, wo sich der Konsens auflöst, wo Dinge wie Inspiration und eine andere Sicht ins Spiel kommen, da öffnet sich eine neue, andere Ebene, die ich hier jetzt einfach mal als die über allem liegende Ebene, die Metaebene beschrieben habe. Eine Ebene, die sich über das real Wahrnehmbare erhebt und letzten Endes ein klein wenig reicher macht, weil sie dem Gegebenen etwas hinzufügt. Da kommt etwas hinzu, das irgendwo zwischen Dichtung und Wahrheit liegt und nicht all zu ernst zu nehmen ist – für den Augenblick aber auf eine schöne Art erhellt. Wahrscheinlich habe ich es mit dieser schwummrigen Erklärung nicht gerade verständlicher gemacht. Sorry. Mir fehlen gerade die prägnanten Worte.
Liebe Grüße
Jens
Ahoi! Habe verstanden! Ich hab ja auch mehr mit Algen als mit Ästen zu tun ;-)
Als unerleuchtete, unterbelichtete Buddhistenanwärterin stelle ich mal die dreiste Behauptung auf: Das Metaphysische ist die Wahrheit, das real Wahrnehmbare nur ein Schatten davon. Als Holzbeinpiratin sage ich: Augenklappe auf und Rum kippen!
Liebe Piratin,
die Wahrheit, die Wirklichkeit. Große Themen. Da lässt man sich besser den Wind um die Ohren wehen. Meine Gedanken reichen da weit zurück: http://www.fiftyfiftyblog.de/das-spiel-die-realitat-die-wirklichkeit-und-das-leben/ Und was soll ich sagen? Ziehen lassen, alles, wie den Teebeutel. Abwarten und…
Herzliche Grüße
Jens
(Buddhabeauftragter:)