Die Kunst des Umgangs mit der Fotografie im Kunstmuseum Siegen

August_red

Das Museum für Gegenwartkunst in Siegen stellt momentan eine Frage, die mich im Kern auch sehr interessiert: „Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern?“ – Vom Umgang mit fotografischem Material (02.12.2012 – 03.03.2013). Ich habe die Ausstellung noch nicht gesehen, weil ich dachte, nach Bridget Riley würde erst im Januar wieder etwas kommen. Nun läuft die schon seit Dezember, aber bis März ist ja noch ein wenig Zeit (was bei Ausstellungen immer gefährlich zu sagen ist).

Es geht um Fotografie und den Umgang damit. Mr. Warburg war da wohl ein Vorreiter in Sachen Umgang. Ein Avantgardist zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Zu der Zeit war mein Urgroßvater August Schönlau Photograph bzw. Photographenmeister. Seine Fotos sind alle weg. Entsorgt beim Übergang in eine neue Zeit. Nach dem Krieg, er war 1939 vor Kriegsbeginn gestorben, in einem Restaurant wie mein Vater, wurde aus seinem Atelier ein Werbefotostudio. Da war kein Platz für das Alte. Für mich ist es ein spürbarer Verlust, weil ich gerne in seinen Kisten gekramt hätte. Zeitdokumente, die über Familienwurzeln berichten. Da gab es wohl auch viele belichtete Glasplatten. Von Kartons ist die Rede, die auf dem Müll gelandet sind. Schwer zu akzeptieren, aber so ist es. Ich habe versucht, an Fotos heranzukommen, die noch umherschwirren. Nix. What a pity!

So mache ich mir jetzt Gedanken über den Verbleib meiner Fotos. In einer Zeit der digitalen Bilderflut kein einfaches Unterfangen. Fast nichts ist gedruckt oder abgezogen. Alles liegt auf Festplatten. Kein Gursky, der in allen Museen hängt. Auch in Siegen. In Köln. Riesige Abzüge oft in faszinierenden Rahmen. Wenn ich in den Ausstellungen bin, schau ich mir auch immer die Rahmen an. Aus Holz, fein gearbeitet, die Ecken verzapft. Das Glas im Abstand vom Bild macht das Ganze zur Vitrine, zum inszenierten Ausstellungsraum. Die Fotografie von einem Passepartout gerahmt. Feines Papier. Alles stimmt.

Das bremst mich ein wenig, meine eigenen Sachen aufzuhängen. Manchmal habe ich eine Bildidee. Sehe eine Wand in unserem Haus, auf die eines meiner Fotos passen würde. Dann schlägt der Anspruch zu. Hochwertiger Druck (leider teuer) plus hochwertigem Rahmen (leider auch teuer). Und so bleiben meine Fotos auf der Festplatte, landen hier im Blog, auf Facebook und Pinterest. Das macht natürlich Sinn, weil dann mehr Menschen sie sehen und sich hoffentlich daran erfreuen können. Ob sie dann Bestand haben, ist noch die große Frage. Digital gespeichert auf Servern und Festplatten. Wird es facebook immer geben? Was wird aus der digitalen Zeit? Werden daraus Archive? Wird irgendwann die Speicherung von Fotografien aus Jahrzehnten zu teuer und es gibt einen Cut, der die ersten zehn facebook Jahre zum Beispiel auslöscht? Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob man wirklich etwas hinterlassen möchte. Die spinnerte Frage nach der Unsterblichkeit. Bleiben wir mal auf dem Teppich. Sich freuen an dem, was ist. Nicht antizipieren. Der Augenblick, der Augenblick.

Auf jeden Fall habe ich mal begonnen, mich nach Rahmen umzusehen, um der ganzen Sache einen Rahmen zu geben. Vielleicht fange ich mit dem Rahmen an und schaue dann, was ich einfüge und wo ich das dann hinhänge. Bevor hier mal die Platten crashen und alles weg ist. Krawumm. Bei meiner Rahmensuche, weil IKEA jetzt irgendwie nicht mehr geht, bin ich auf eine Tübinger Firma gestoßen, die online auch einiges Wissenswertes zum Thema Rahmen und Rahmungen weitergibt: www.arsvendo.de. Interessant. Ein weiteres Projekt auf meiner langen Liste:) Schön, so ist immer was los. Und den ganzen Text nehme ich jetzt in eine fotografische Klammer. Eingerahmt von August Schönlau und Joseph Beuys. Ja, da fühle ich mich doch sehr wohl.

Beuys_red

4 Antworten auf „Die Kunst des Umgangs mit der Fotografie im Kunstmuseum Siegen“

  1. Hallo Jens,

    „Die Kunst des Umgangs mit der Fotografie“ – ein interessantes Thema.

    Ich schaue gerne alte Fotos an, meine Tochter auch. Zu rätseln, wer wer ist, wo das Foto aufgenommen wurde, Details aus dem „Zeitalter“. Und dann bekommt man zu hören: „Als Jugendliche hattest Du das gleiche Gesicht wie heute. Hat sich gar nicht verändert!“ Nein, nicht das Alter des Gesichtes, sondern die charakteristischen Details, Wiedererkennungsfaktoren quasi.

    Mein Ex-Mann archiviert gerade Fotos und alte Negative. Er hat einen ganzen Schatz an Negativen von seinem Vater übernommen, als dieser viel zu früh mit 56 Jahren verstarb.

    Ich finde es schön, wenn nachfolgende Generationen etwas von „Früher“ nachblättern können, dazu Geschichten erfahren können. Wir leben zwar heute, aber wir haben Wurzeln in der Vergangenheit.

    Schade, daß keine Fotos von Deinem Urgroßvater geblieben sind. Auf dem Bild sieht es sehr stolz aus. Er wäre bestimmt stolz auf Dich, Jens, auf Deine Fotos, auf Deine Arbeit.

    LG und schönes Wochenende.

    Annegret

    1. Hi Annegret,

      blättern, wühlen, entdecken. Immer auf der Suche nach… Gesichtern, Gesten, Erinnerungen, Verbindungen. Wisst ihr noch? Damals? Dieses Fest. selektierte Bedeutung.

      Die Wurzeln sind so wichtig. Unsichtbar, unter der Erde, aber der wahre Halt-

      Ich glaube, mein Großvater war nicht stolz. In meiner Familie, auf dieser Seite, hat sich etwas eingeschlichen. Bilder. Gedichte. Neben Handfestem. Eine manchmal merkwürdig anmutende Mischung.

      Schön, dass dein Mann, dein früherer Mann die Erinnerung wahrt.

      Liebe Grüße

      Jens

  2. Hallo Jens, mein Freund hat mir gerade einen Link zu dieser Seite geschickt. Ich freue mich, wie sehr Dich unser Urgroßvater begeistert und Du wirst Dich freuen, dass längst nicht alles verloren ist. Im Museum in der Burg Horn gibt es ein Ölbild von Carl Henckel, der August Schönlau, nach dem Foto gemalt hat. Ich habe es gesehen und fotografiert. Es gibt noch seine alte Kamera, viele Glasplatten mit Negativen und wenn Du nach alten Ansichtskarten Lippe /Horn/Meinberg stöberst, findest Du viele Karten vom Fotografen August Schönlau und von seinem Sohn. Ich habe mittlerweile knapp 20 verschiedene Motive. Ihr seid jederzeit herzlich eingeladen. dann kann ich Dir zeigen, was ich über ihn habe. Aber da gibt es noch viel zu entdecken. Ganz liebe Grüße aus Lippe an Dich und Deine Familie. Anja

    1. Liebe Anja, schön von dir zu hören. Unser Urgroßvater bedeutet mir einiges, ohne ihn gekannt zu haben. Gerne würde ich mir die Sachen, die du gesammelt hast anschauen und auch einmal das Museum in Horn besuchen. Ich melde mich, wenn Zeit und Luft ist.

      Ganz liebe Grüße auch an dich und deine Familie

      Jens

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