VERÓNICA von Helga Mols und der Umgang mit der Gegenwart

VERÓNICA, 120 x 95 cm, Gouache und Öl auf Leinwand, Pflanzenfarbe auf Baumwolltuch, 2019 – von Helga Mols

Ausgestellt im Kulturhaus Zanders in Bergisch Gladbach im Rahmen der AdK-Ausstellung “alles ist eitel” – der Titel entstammt aus einem Gropius-Gedicht, in dem eitel im Sinne von vergänglich verwendet wird. Es ging also um Vergänglichkeit.

Mit Ihrem Bild zitiert Helga Mols den spanischen Künstler Francisco de Zurbarán (1598-1664). Sein Schweißtuch der Veronika (Öl auf Leinwand, 105×83,5, 1658, Spanien, Museo Nacional de Escultura Valladolid) könnt ihr euch HIER anschauen.

Die heilige Veronika hat Jesus auf dem Weg zum Kreuz mit einem Tuch den Schweiß abgewischt. Dieses Tuch ist, in einem Tresor, in eine der zentralen Säulen des Petersdoms eingelassen. Eine sehr heilige, wichtige Reliquie der katholischen Kirche, die nur einmal im Jahr gezeigt wird.

Immer wieder haben Künstler das Motiv aufgenommen, unter anderem El Greco, Guido Reni, Albrecht Dürer…

Und nun Helga Mols in ihrer Zurbarán-Interpretation.

Ihr Tuch ist kein Schweißtuch, sondern eine Windel, durch die sie in den letzten Jahren den Saft gepresster Früchte filtriert hat. Ihr geht es um die Natur, die Schöpfung im Kontext von Vergänglichkeit. Vergänglichkeit im Jahr 2019. Was könnte einem da einfallen? Nun.

Mir gefällt das Zitat, die feine künstlerische Idee der Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema, das gleichermaßen platt wie tief ist. Wie über Natur sprechen im Jahr 2019, ohne in Stereotype zu fallen?

Jesus, der Beginn der christlichen Zeitrechnung vor 2019 Jahren. Was ist seither geschehen? Ein dreißigjähriger Krieg, in dessen Kontext Gropius die Vorlage der Ausstellung gegeben hat. Die Entwicklung der christlich geprägten westlichen Welt, die sich entwickelt und aufgeklärt hat, um über den Glauben an die Technik die Natur ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Nun könnte man viel in Helga Mols VERÓNICA hinein interpretieren und Verbindungen zwischen den Vorbildern und Zeiten herstellen, die Farben mit Bedeutungen aufladen und letztlich in der Interpretation alles verkomplizieren. Hatte ich vor. Auf die Strange Loops einzugehen, die den Hintergrund bilden. Die Farbtöne, das Braun, Beige, Rötliche, das trockener Saft sein könnte. Mach ich nich.

Das Bild ist ein zartes Band und als solches wirkungsvoll und schätzenswert. Es ist eine mit der Natur gelebte Verbindung. Es ist ein Spiegelbild dieses sensitiven Lebens von Helga und David im Atelierhaus an der Agger. Auf dem Weg dorthin fährt man durch Cyriax, wo neben den Grundmauern eines alten Klosters ein Jahrhunderte alter Baum steht. Fährt man den Weg im Dunkeln, steigt David aus, um in der feuchten Jahreszeit die Salamander von der Straße auf die Wiese zu tragen. Verliert ein Baum auf dem Grundstück einen riesigen Ast und muss dieser Baum gefällt werden, geschieht das nicht einfach so. Fliegt ein Vogel vor ein Fenster des Atelierhauses und überlebt mit Schock, hält ihn David so lange warm, bis er wieder bei Sinnen ist und davonfliegen kann. Es ist ein verwunschener Ort an der Agger, der so viel Einfluss auf das Leben und Arbeiten der beiden Künstler hat.

Von daher ist VERÓNICA weniger in der Vergangenheit als vielmehr in der Gegenwart verankert, verortet. Als ein feines Zeichen, das zitiert, die Botschaft aber wie damals im Tuch trägt. Und erinnert man sich daran, was wir im Religionsunterricht und in den Unterweisungen der Kirche gelernt haben, so ist Jesus der Retter der Welt, der alle Schuld auf sich nimmt. Eine schöne Idee, die ich nie verstanden habe. Dieses Schweißtuch ist nicht in Schweiß getränkt, sondern in Fruchtsaft.

Das empfinde ich als ausgesprochen schön und optimistisch. Eine kluge Botschaft, in der es um Einklang geht. Im Wesen profan, im Leben unendlich wertvoll. Steht man vor VERÓNICA und schaut sich das Bild an, wirkt es. Es trägt die Aura des roten Hauses an der Agger mit all seiner künstlerischen Energie und dem Leben, für das es steht, in sich. Vital, schlüssig, fein, zurückhaltend.

Es hat sich gelohnt, das Bild live zu erleben und ich kann mich wieder einmal nur dafür bedanken, dass Helga und David die wertvolle Arbeit leisten, die sie leisten. Denn das Künstlerische gewinnt als Methode dieser Zeit zunehmend an Bedeutung. Wo das Rationale die Grenzen längst überschritten hat, bietet die Kunst den Raum, neu und anders zu denken. Das ist der Weißabgleich, der so zwingend geboten ist. Das Besinnen, das VERÓNICA ermöglicht.

AdK-Ausstellung: es ist alles eitel

Ausstellungsort: Kulturhaus Zanders, Hauptstraße 267-269, 51465 Bergisch Gladbach

Ausstellungsdauer: bis zum Sonntag, 14. April 2019

Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags, sonntags von 15 bis 18 Uhr

Eine Antwort auf „VERÓNICA von Helga Mols und der Umgang mit der Gegenwart“

  1. Das ist sehr einfühlsam geschrieben ! Ich bin immer wieder neu überrascht, wie genau Du den Tenor eines Kunstwerks zu treffen weisst … Danke !

    Das Bild VERÓNICA wird nochmal vom 5. – 26. Mai im Kunstverein Nümbrecht ausgestellt und im Original zu sehen sein. Infos auch auf http://mols.de

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