Ich bin jetzt noch getroffen.
PENG! Dresden, Futterställe des alten Schlachthofes, Heuboden. OSTRALE 013. Mein Kopf summt von all den Bildern, über die ich später schreiben werde. Heute schreibe ich über DAVID. Über seine Bilder, über seinen OSTRALE 013-Beitrag BUSS-& BETTAG II.
Irgendwie bin ich fotografisch in das Projekt eingestiegen. Ich war vor geraumer Zeit auf dem Rückweg von Köln bei Helga und David in Cyriax vorbeigefahren. David arbeitete gerade an den Bildern. Überall Staffeleien, Skizzen. Wir saßen in der Küche, tranken einen japanischen Tee und sprachen über die Bilder, über die Waffen. Über die Faszination und die Metapher. Taucht in einem Roman eine Waffe auf… WAFFEN. FASZINATION. GEWALT. Der Blick nach Amerika, die Auseinandersetzung nach den Amokläufen, das verzweifelte Recht, sich zu schützen.
Kurzum: Das Thema hatte mich angepiekst, die Bilder sowieso. Also bot ich David an, sie zu fotografieren. Kurz bevor sie verpackt und nach Dresden verschickt wurden, konnte ich sie sehen und ablichten. Waffen in Öl. WAFFEN. ÖL. Feinste Pinselstriche, alle Details in malerischer Perfektion. Exakte Größenverhältnisse, stimmiges Licht. Sie waren einfach schön. Wirklich schön. Wie kann etwas so Schönes so zerstörerisch sein? Abzug. Das berühmte Bild in Saigon, als der Polizeichef den knienden Mann hinrichtet. All die Filme. Clint Eastwood. Dirty Harry. „Wer vor dir steht? Smith, Wesson und ich.“ Das Wort Magnum. Das Wort Dum-Dum.
Ich erinnere mich an eine Szene in Köln, die ich nicht gesehen, nur nachvollzogen habe. Am S-Bahnhof in Köln-Mülheim. 1995. Am Tag zuvor war ein Mann auf dem Bahnsteig mit einem Brotmesser auf seine Frau losgegangen. Eine Polizistin hatte ihn erschossen. Als ich morgens mit der Bahn zur Arbeit fuhr, waren überall markierte Einschusslöcher. Kreise um gesplittertes Plexiglas. Tod. Waffe ziehen. Wilder Western. Highnoon. Du. Ich. Du oder ich. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
‚we cross the rubicon‘ ist das Motto der OSTRALE 013. BUSS- & BETTAG II hätte nicht besser passen können. Wenn Menschen über Grenzen gehen. Wenn sie den Weg verlassen. Wenn Sie Meinungen aufzwingen, Interessen durchsetzen. Mit WAFFEN. GEWALT. Cäsar hat die Waffen am Rubicon nicht wie vereinbart abgelegt. Ist weitergezogen, nach Rom, in die Welt. Die Waffe war und ist oft der Anfang, in dem das Ende schlummert. Das böse Erwachen. Von nichts kommt nichts. Wer Gewalt sät, wird… Guten Morgen, Vietnam. Guten Morgen, Amerika.
Die Waffenfaszination brechen. Dem Gewaltpotenzial den Glanz nehmen. DAVID hat seine Bilder, die er nach den Entstehungsorten der Waffen benannt hat (Oberndorf am Neckar, Springfield, Exeter, Springfield), im Rahmen einer Live-Painting-Performance übermalt. Zerstört, sagen vielleicht manche. Er hat das früher schon einmal gemacht und hatte ein wenig Sorge vor den Reaktionen. „Nicht alle können das akzeptieren.“
Ich war nah dran, weil ich fotografiert habe. Hinter der weißen Trennungslinie, im inner circle. Wow. Energy. Erste Striche mit Graphit, kurze Sätze. MY HOME IS MY CASTLE. Farben. Gelb. Rot. Grün. Akzente, Konturen mit öligen Pinselstrichen. Da spritze und spratzte die Farbe. Über die Bilder hinaus an die Wände, auf den Boden. Ein Bildermassaker, als würden die Leinwände mit dem Messer aufgeschlitzt. Rage. An allen Bildern vorbei. Grobe Streifen. Durchstreichungen. Abrechnung. Es war kurz zu spüren. Eine Wut auf Gewalt.
Die Ruhe danach. Fertige Werke. Ein Künstler, der sich tief verneigt, der nach Monaten, Jahren des Arbeitens an einem Thema einen Strich zieht. Seine Arbeiten dem Publikum übergibt, an die Hand gibt. Beeindruckend. Bilder mit Geschichte, die nicht einfach gemalt wurden aus irgendeinem Grund. Sie sind sehr kraftvoll, wie sie jetzt dort in den Ställen hängen. Das Öl trocknet wie Blut. Vielleicht geht es darum, Verwundungen zu heilen. Ich weiß es nicht. Sicherlich hat da jede und jeder seine Sicht. Die drängt sich auf, zwingt sich auf, weil OBERNDORF AM NECKAR, SPRINGFIELD, EXETER und SPRINGFIELD alles andere als belanglos sind. Sie schreien mit einer Kraft, mit Ausstrahlung, mit Tiefenwirkung.
Es lohnt sich, die OSTRALE 013 zu besuchen. Natürlich wegen all der zeitgenössischen Kunst in diesem besonderen Umfeld, aber allein auch wegen DAVIDS Bildern, die dort noch bis zum 15. September zu sehen sind. Dann werden sie wohin gehen? Ich wünschte mir, in ein Museum. Ich wünschte mir konkret: Ins Museum Ludwig in Köln. Am besten alle vier. Nebeneinander. Ich wüsste auch schon, wo ich sie hinhängen würde… Dann könnte ich sie regelmäßig sehen. Würde mich freuen. Sie gehören schon jetzt zu meinen Lieblingen.
Infos zur OSTRALE 013 hier.
berührt…beeindruckt
Liebe Grüsse
Marie-Claude
Hi Marie-Claude,
herzlichen Dank!
Liebe Grüße
Jens